[muc] Interview zum Antifa Actionday

Antifa Actionday München

Am nächsten Samstag, den 13.11.2010 findet in München der „Antifa Actionday“ statt. Dabei geht es gegen einen am selben Tag stattfindenden Naziaufmarsch zum „Heldengedenktag“, den militaristischen „Volkstrauertag“ und den kapitalistischen Normalbetrieb. Darüber haben wir mit Sonja Erikson, Pressesprecherin der antifa nt und aktiv im Vorbereitungskreis zum „Antifa Actionday“, gesprochen.

 

Hallo Sonja, auf was können wir uns beim „Antifa Actionday“ gefasst machen?

 

Wir rufen dieses Jahr bereits zum zweiten Mal zum „Antifa Actionday“ auf. Konkreter Anlass dafür ist ein Aufmarsch von Neonazis, die seit 2008 versuchen, anlässlich des „Volkstrauertages“ einen „Heldengedenkmarsch“ durchzuführen. Wir wollen mit dem Actionday zwei Dinge verbinden: Einerseits wollen wir konkret den Naziaufmarsch angehen und auch verhindern. Andererseits war es uns auch immer zu wenig, nur auf die Nazis einzugehen; sondern wir wollten versuchen, auch eigene linksradikale Inhalte und eine weitergehende Kritik beispielsweise am nationalistischen und militaristischen Spektakel des „Volkstrauertags“ auf die Straße zu tragen.

 

Was habt ihr alles geplant?

 

Wir veranstalten eine antifaschistische, linksradikale Demonstration im Vorfeld. Diese beginnt um 10.30 Uhr am Platz der Opfer des Nationalsozialismus und zieht dann durch die Innenstadt Richtung Route der Neonazis und endet voraussichtlich am Maxmonument.

Außerdem gab und gibt es bereits eine Reihe von Veranstaltungen im Vorfeld, in denen wir versuchen, unsere inhaltliche Kritik am neonazistischen „Heldengedenkmarsch“, dem bürgerlich-militaristischen „Volkstrauertag“ und Militarismus, Nationalismus und Kapitalismus im Allgemeinen zu artikulieren.

Zudem wird es von bürgerlicher Seite ab 12.00 Uhr eine Kundgebung gegen den Naziaufmarsch am Sendlinger Tor geben. Vor der Sankt Lukas-Kirche in der Steinsdorfstraße - direkt an der Naziroute – wird eine öffentliche Mahnwache stattfinden.

Wir hoffen, dass sich im Laufe des Tages möglichst viele Menschen an direkten Gegenaktionen beteiligen werden. Die 4500 Menschen, die am 8. Mai den Naziaufmarsch in München-Fürstenried blockiert haben, können dabei als Vorbilder dienen.

 

Und wie sieht's bei den Nazis aus?

 

Die Nazis mobilisieren für 12.00 Uhr auf einen Vorabtreffpunkt am Nordausgang des Münchner Hauptbahnhofs. Aktuell mobilisieren sie öffentlich auf eine Auftaktkundgebung um 13.00 Uhr am Goetheplatz. Nach aktuellem Stand ist das aber vollkommener Quatsch. Die Nazis haben nämlich die ursprüngliche Anmeldung, die den Goetheplatz als Auftakt gehabt hätte, sowie eine weitere als Ausweichplan angemeldete Route zurückgezogen und wollen jetzt vom Isartor aus Richtung Isar starten, dann links abbiegen und über Steinsdorfstraße und Widenmayerstraße gehen, dann eine Zwischenkundgebung an der Friedensengelstatue abhalten und dann über die Prinzregentenstraße zur bayerischen Staatsdkanzlei laufen.

Dieser Stand kann sich aber noch jederzeit ändern. Daher empfiehlt es sich, sich auf der Mobilisierungsseite (actionday.tk, Anm. d. Red.) über den aktuellen Stand zu informieren.

 

Haben die Nazis noch etwas anderes als diesen Aufmarsch geplant?

 

In der Tat bewerben sie auf ihrer Homepage eine so genannte „Aktionswoche“, in der sie neben Flyerverteilungen, einem offenen Kameradschaftsabend, einer Zeitzeugenveranstaltung mit einem Altnazi und einem Stadtrundgang auch eine Kranzniederlegung an einem Münchner Kriegerdenkmal planen. Ursprünglich hatten sie einen Großteil der Veranstaltungen in ihrer eigenen Immobilie in der Drygalski-Allee 33 geplant. Dort sind sie aber bereits nicht zuletzt auf Grund antifaschistischem Engagement wieder rausgeflogen. Schon einige Monate zuvor konnten Antifas die Eröffnung eines geplanten Büros der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA) verhindern.

 

Du hast bereits erwähnt, dass dieser Aufmarsch nicht der erste Versuch eines „Heldengedenkmarsches“ ist. Wie verliefen die Proteste in den letzten Jahren?

 

2008 versuchten Münchner Nazis aus den Reihen der „Freien Nationalisten München“ um den momentan inhaftierten Philipp Hasselbach zum ersten Mal ein „Heldengedenken“ zu veranstalten und damit ein bundesweites Event der Neonaziszene zu etablieren. Im Vorfeld versuchte die Stadt den Aufmarsch zu verbieten. Das Verbot scheiterte und viele bürgerliche Antifaschist_innen, die nichts mehr von der Aufhebung des Verbotes mitbekommen hatten, blieben zu Hause. Viele der 1000 Gegendemonstrant_innen wurden auf einer Kundgebung am Marienplatz von der Polizei gekesselt, wodurch die Proteste nicht die gewünschte Wirkung entfalten konnten.

Aus diesen Erfahrungen resultierten für das Jahr 2009 einige Veränderungen und Überlegungen zum Konzept gegen den Naziaufmarsch:

So legten die Veranstalter_innen einen stärkeren Fokus auf die Vermittlung eigener Inhalte und einer eigenständigen, linksradikalen Antifademo. Diese traf gegen Ende mit einer bürgerlich geprägten Demonstration zusammen. In der Folge gab es eine Reihe von direkten Aktionen gegen den Aufmarsch, sodass die Nazis nach der Hälfte der Route abbrechen mussten. Insgesamt hat die Mobilisierung und der inhaltliche Ausdruck weitaus besser geklappt als noch im Jahr zuvor. Außerdem wurde es geschafft, das Problem des Naziaufmarsches in einer breiten Öffentlichkeit zu thematisieren, was sich an der gewachsenen Anzahl von bürgerlichen Gegendemonstrant_innen zeigte.

Im Mai 2010 konnte an diesen Aufwärtstrend angeknüpft werden, als ein Naziaufmarsch in München-Fürstenried von über 4500 Menschen nach wenigen Metern blockiert werden konnte. Im Vorfeld hatten bereits 800 Menschen auf der linksradikalen Demonstration zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus teilgenommen.

 

Du hast erwähnt, dass der Marsch 2008 verboten werden sollte. Wie sieht es mit einem Verbot dieses Jahr aus?

 

Wir glauben, dass nach den gescheiterten Verboten der Stadt von 2008 und 2009 dieses Jahr kein Verbot ausgesprochen werden wird. Die Verbote wurden mit zum Teil aberwitzigen Begründungen von den zuständigen Gerichten aufgehoben. Wir halten kontinuierliche antifaschistische Praxis und eine direkte Verhinderung des Naziaufmarsches auf der Straße – etwa durch Mittel des zivilen Ungehorsams oder direkte Aktionen – für das weit bessere Mittel Nazis zu begegnen. Auf den bürgerlichen Rechtsstaat können und wollen wir uns im Kampf gegen Nazis nicht verlassen.

 

Du hast immer wieder durchklingen lassen, dass ihr mit dem „Antifa Actionday“ mehr als nur den Naziaufmarsch kritisieren wollt. Kannst du dazu noch ein paar Worte sagen?

 

Eine sehr gute Frage. In der Tat ist es uns sehr wichtig, Nationalismus, Rassismus, Sexismus, Militarismus, Antiziganismus, Antisemitismus und vieles mehr nicht nur bei den Nazis zu thematisieren und kritisieren, sondern die weiteren Wirkungszusammenhänge dieser Ideologien darzustellen. Was wir damit konkret meinen, lässt sich am Beispiel des „Volkstrauertages“ und des „Heldengedenktages“ zeigen:

Der „Volkstrauertag“ - der übrigens 1922 erstmals offiziell als Feierstunde im Reichstag für die deutschen Toten des ersten Weltkriegs begangen wurde – war von Anfang an eine nationalistische, militaristische und revanchistische Veranstaltung. Hierbei schwangen immer antidemokratische, antikommunistische und antisemitische Ressentiments wie zum Beispiel die so genannte „Dolchstoßlegende“ mit. 1934 wurde der Tag von den Nazis in „Heldengedenktag“ umbenannt und der nationalistische und militaristische Charakter nochmals verstärkt. Seit 1950 veranstaltet der „Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge“ (VdK) wieder Feierlichkeiten an diesem Tag. Der VdK, dessen Hauptbetätigungsfeld es ist , die Leichen deutscher Soldat_innen überall auf der Welt im Sinne des deutschen Nationalismus und Militarismus zu bestatten und deren Gräber zu pflegen, beteiligt sich dabei an einem Diskurs, der unterschiedslos und pauschal den „Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen“ gedenkt und damit beispielsweise den Unterschied zwischen den ermordeten Menschen in Auschwitz und den gefallenen deutschen Soldaten von Stalingrad leugnet. Der VdK ist eine eklige Organisation aber gewiss keine offen nationalsozialistische Vereinigung. Doch auch für sie sind Nationalismus, Militarismus und Geschichtsrevisionismus grundlegende Merkmale. Nazis entstehen nicht aus dem Nichts, sondern stehen in einem wechselseitigen Verhältnis zur bestehenden Gesellschaft. In unserem Aufruf versuchen wir solche Zusammenhänge anhand des Verhältnisses von Militarismus und Sexismus zu beleuchten.

 

Kannst du zum Schluss nochmal die wichtigsten Sachen für den „Antifa Actionday“ zusammenfassen?

 

Aber gerne. Am 13. November wird es ein Infotelephon geben, das alle mit aktuellen Informationen versorgt; die Nummer wird bald auf der Mobilisierungsseite bekannt gegeben. Außerdem gibt es wie immer den Ermittlungsausschuss unter der Nummer (089) 448 96 38.

Am Mittwoch, den 10. November findet im Kafe Marat (Thalkirchnerstraße 102) der letzte Vortrag der Info- und Mobilisierungsreihe zum „Antifa Actionday“ statt. Am Freitag, den 12. November startet das Convergence Center ab 18.00 Uhr ebenfalls im Kafe Marat. Hier wird es auch eine Pennplatzbörse für Leute von Außerhalb geben.

 

Ansonsten: bildet Bezugsgruppen, seid kreativ. Wir sehen uns am Samstag auf der Antifa-Demo. Verhindern wir gemeinsam den Naziaufmarsch.

 

Vielen Dank für das Interview.

 

Das Interview führte das Autonome Medienkollektiv München

 

actionday.tk

antifa-nt.de

 

 

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