[UK] Crude Awakening: Öl - Deine Zeit ist vorbei!

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Am Samstag dem 16. Oktober mobilisierte die radikale Klimabewegung in U.K. für einen dezentralen Aktionstag gegen die Öl-Industrie in Central London. Doch es sollte alles ganz anders kommen...

 

 

Die Aktion - Ein Erfahrungsbericht


An drei verschiedenen Stationen in London verteilt (Euston, Waterloo, Victoria) trafen sich die verschiedenen "Blöcke":

Der "Body Block" mit untoten Stelzenläufern, dem Soundsystem "Noise Brigades", einer "Armee" bewaffnet mit riesigen Kreide-Stücken, der Samba-Crew "Rhythms of Resistance" und einer Gruppe von "Weber_Innen" in deren Netzen sich die Öl-Industrie verfangen solle. Der "Building Block" dessen Aufgabe nicht näher öffentlich bekannt gegeben wurde, außer das er ein besseres Leben für uns alle errichten wird. Und zuletzt der "Dirty Money Block" der sich zu Aufgabe gemacht hatte Banken, Konzerne, Finanz-Dienstleister und Investoren in "ihrer" Hauptstadt kreativ anzugreifen. Angekündigte Ziele waren unter anderem das von BP gesponsorte British Museum, die am Teersand-Abbau beteiligte kanadische Firma Nexen Energy, Chevron, das Verteidigungsministerium oder diverse Tankstellen und Finanz-Dienstleister.

Auf einen Tag voller dezentraler Aktionen also eingestellt, trafen sich die meisten mehr oder weniger gut organisierten Bezugsgruppe am Samstagmorgen. Angekommen in Waterloo schlichen wir also durch die Bahnhofshallen, in der und um die sich recht wenig Cops versammelt hatten. Kurz vor 10 sammelten wir uns. Es wurden ölverschmierte, weiße Kittel als "Kostüme" verteilt und ab ging es in die Tube (U-Bahn). Zweimaliges Umsteigen um die Cops zu verwirren und wir standen in einem Bahnhof wo ein Pendler-Zug der nach Osten aus London raus Richtung Küste fuhr.

 

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Was zuvor wohl nur die Vorbereitungs-Crew wusste wurde jetzt an den Rest der Aktivist_Innen per Flyer weitergegeben: Die veröffentlichten Ziele waren Ablenkungsmanöver: Ziel ist es die einzigen zwei Straßen zur Öl-Raffinerie im County Essex zu blockieren um zu verhindern, dass Öltanker die Raffinerie verlassen können. Die Coryton-Raffinerie ist eines der wichtigsten Öl-Depots und die größte Raffinerie Großbritanniens mit einer Kapazität von 10 Millionen Tonnen jährlich. Sie versorgt Tankstellen, Flughäfen und Fabriken rund um London. BP, Shell, Exxon und weitere größtere Öl-Versorger nutzen sie. Auch erfahren wir, dass sich eine autonome Frauen-Bezugsgruppe an drei präparierten Vans angekettet hat und damit eine Straße bereits dicht ist. Unser Ziel ist die T-Kreuzung an der beide Straßen zusammenkommen. Eine detaillierte Karte wie mensch dort hin kommt ist auf die Rückseite kopiert.

 

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Wir fragen uns: Aber wie soll unsere Blockade aussehen? Eine einfache Sitzblockade? Da wird uns von hinten eine weiße Plastiktüte, eine "Goodie Bag" gereicht. Eine Art Überraschungstüte für jeden: Rohre, Karabiner, Seile und dazugehörige Anleitungen zum Anketten. Weiße Overalls und schwarze Tücher mit aufgedruckten, grinsenden Fresken zum Vermummen. Kreide zum kreativ werden. Ein Fake-Ticket das freien und ökologischen Nahverkehr fordert und für die Rückfahrt "benutzt" werden soll. Am Bahnhof angekommen geht es ruhig aber bestimmt, mit schnellen Schritten weiter. Wo bleiben die Cops? Zwar begleiten uns einige Polizist_Innen aber eine richtig fette Präsenz ist nicht zu spüren. Die Blöcke trennen sich. Große Straße, kleinere Straßen dann Quer-Feldein. Nochmal schnell pinkeln... Dann hinter einer Hecke liegen in grüne Plastiktüten gehüllte Stäbe. Tripods? Die werden flux geschultert und weiter geht es über den Acker. Fallen Leute zurück so wird versucht zu warten. Die vermeintlichen Tripod-Träger werden regelmäßig abgelöst. Gräben die überwunden werden müssen lassen durchscheinen das die Erkundungs-Arbeiten im Vorfeld der Aktion wahrscheinlich noch besser hätte laufen können. Aber was solls? Das hier fühlt sich richtig gut an. Am Horizont sehen wie hastig abfahrende Öl-Transporter. Wissen sie Bescheid und versuchen zu retten was noch zu retten ist? Die Raffinerie ist jetzt deutlich zu sehen und wie können beobachten wie sich andere Gruppen (in weißen Overalls) unserem Ziel nähern. Eine "Wanne" versperrt die Straße der Grünstreifen daneben ist frei. Ein "Tripod-Paket" wird genutzt um die Cops abzudrängen während der Rest der Crew inklusive allem Material an ihnen vorbei "fließt".

 

 

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Wir erreichen die besagte Kreuzung. Hier stehen schon ein paar mehr Cops rum. Die grünen Säcke werden schnell geöffnet und nach wenigen Handgriffen stehen knapp ein dutzend kleiner Bambus-Tripods auf der gesamten breite der Straße. Während des Aufbaus und dem erklimmen der Konstruktionen gibt es einige verzweifelte Angriffe mit denen die Cops versuchen uns am Aufbau zu hindern. Doch Ketten die schnell um die "Baustellen" geformt werden verhindern dies bestimmt und konsequent. Nach einigem Hin- und Herrücken steht die Blockade. Die Performance kann beginnen. Schicke Banner werden zwischen den Tripods gehisst. Die Stelzenläufer stoßen und Jubel dazu. Einige andere Ketten sich durch die Tripods hindurch an um eine eventuelle Räumung zu erschweren. Mehrere Soundsysteme kommen dazu. Die Samba-Band spielt. Wir feiern, tanzen und schreiben unseren Wut und unsere Visionen auf den Asphalt vor uns. Das Eingangsschild der Raffinerie wird verschönert. Die Raffinerie selbst als für heute geschlossen erklärt: Reclaim-the-Streets-Party vor einem der vielen schmierigen Herzen die das blutige Öl durch unsere Gesellschaften pumpt.

 

 

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Jüngere Menschen aus den Dörfern kommen und spielen mit, sexistische Macker betrachten das Ganze skeptisch und überheblich. Die Arbeiter_Innen die Feierabend machen wollen, werden von uns durch die Blockade geleitet. Flyer werden an Sie und an die Anwohner_Innen verteilt in denen klar gemacht wird, dass sich eine solche Aktion nicht ohne Unannehmlichkeiten für die lokale Umgebung machen lässt, wir dies zu entschuldigen bitten und klarmachen, dass unsere Aktion gegen das System der industrie-kapitalistischen Verwertung gerichtet ist statt gegen die interessierte Öffentlichkeit. Im Zuge einer radikalen Transformationen sollte keiner, am wenigsten die Arbeiter_Innen in den abzusetztenden Industrien leiden. Eine partizipative und kollektive "Umschulung" d.h. die Wiederaneignung von wichtigen Fähigkeiten (Re-Skilling) und eine finanzielle Unterstützung der Arbeiter_Innen ist erklärter Ziel.

Als sich der Tag der Dämmerung entgegen neigt hören wir das sich die erste Blockade noch vor dem dunkel werden auflösen und unseren Standort unterstützen wird. Im Sprecher_Innen-Rat der nach Ankunft der unter Jubel empfangenen Frauen angehalten wird findet sich keine Konstellation von Bezugsgruppen die die Blockade auch nach dem Sonnenuntergang bis zur Räumung weiter halten möchte. So wird entschieden, die Blockade langsam abzubauen um dann geschlossen abzuziehen. Als feiernde Menge ziehen wir der untergehenden Sonne entgegen. Viele Bewohner_Innen des Städtchens winken uns zu. Die Tripods und alle anderen Materialien werden in Vans verladen. Die Schranken der Bahnhofs werden von der Polizei für unsere "Freifahrt" geöffnet und so sinken wir erschöpft und doch nicht diskussionmüde in den Zug voller Pendler_Innen zurück nach London wo uns eine Party erwartet.

 

 

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Rückblick



Diese Aktion zeigte wieder einmal die Stärken der radikalen Klima-Bewegung in U.K. Eine unheimlich Kreativität an Aktionsformen, die eine eigene und sehr ansprechende Ästhetik und Gesamt-Performance ergibt. Die Medienarbeit (Frontlines bei BBC, Guardian, Independent, Telegraph etc.) schien effektiv. Über die Offenheit kann ich wenig sagen da ich daran nicht beteiligt war. Gute Kommunikation mit der Öffentlichkeit, den Arbeiter_Innen und den Anwohner_Innen. Und nicht zuletzt, eine große Wertlegung auf Selbstermächtigung selbst bei Massenaktionen bei denen dies schwierig scheint. Denn zwar wurde das Kernkonzept von einer klandestinen Gruppe entwickelt und durchgeführt. Das scheint auch nicht anders möglich und schien fast perfekt funktioniert zu haben: Ein Großteil der Öffentlichkeit im Vorfeld war Ablenkung die am Tag der Aktion ihre Wirkung zeigte. Spätestens ab der Zugfahrt aber waren alle Bezugsgruppen informiert. Ihnen wurden Werkzeuge in die Hand gegeben die sie ab dem Zeitpunkt autonom nutzen konnten. Generell ist das vorhanden sein von organisierten Bezugsgruppen hervor zu heben die schon im Vorfeld ihre eigenen Aktionen und Performances vorbereitete hatten, die egal wo und was geschehen würde flexibel einsetzbar waren. Zusammengefasst: Ein klandestine Gruppe bereitet einen möglichst offenen Rahmen für eine effektive direkte Aktion, die dann von den Teilnehmer_Innen gestaltet werden kann. Das Gelingen der Aktion ist damit gesichert und die Selbstermächtigung der Bezugsgruppen und Teilnehmer_Innen gewährleistet.

Schade ist hingegen der, nur vereinzelt, verkürzte Umgang mit Konzepten wie "Gier / gierige Schweine" und "den Mächtigen". Auch der Enscheidungsfindungs-Prozess war mit zu sehr dominiert von jenen die am Abend die Blockade abbauen wollten. Ich glaube zwar das es tatsächlich keinen Basis für ein "Halten" der selbigen gab aber um diese Möglichkeit offen zu halten wurde nicht genug getan sondern stärker für ein kollektives abziehen gepusht.

Das Konzept ist aus meiner Perspektive unbedingt nachahmenswert und wegweisend. Faktoren die in der BRD wohl anders aussehen: Polizeipräsenz und Agieren der selbigen (mehr und aggressiver), Lock-On-Vorrichtungen (solider und nicht öffenbar) und Umgang mit dem Material (wäre in D-Land wohl schneller gecasht worden: besser verstecken, klandestiner transportieren?), Bezugsgruppen (wie brauchen mehr autonom agierende und sich vorbereitende Gruppen).

Na denn. Auf geht's:

It's oil over, homies!

 

 



Filme zu Aktion:

Mobi-Videos
http://www.crudeawakening.org.uk/node/9

Crude Awakening - Coryton Oil Blockade
http://www.youtube.com/watch?v=ccmXD03XVNI

 

 



Berichte und Fotos zur Aktion:

 

Crude Awakening - Flickr-Fotostream
http://www.flickr.com/photos/crudeawakening/

Direct Action Against the Oil Industry
http://london.indymedia.org.uk/articles/5693

Report from Coryton Oil Refinery
http://london.indymedia.org.uk/articles/5717

Crude Awakening Photo Set
http://london.indymedia.org.uk/videos/5718

 

 



P.S.: Zum Abschluss noch die inhaltliche Argumentation von der Crude-Awakening Orga-Crew:

What's wrong with oil?

"When injustice becomes law, resistance becomes duty"

If we don’t move on from oil we don’t have a chance of avoiding catastrophic climate chaos. The planet’s climate system is already sliding into crisis, and we’re dangerously close to the point of no return. We can’t afford to burn the oil we have already tapped into. Finding new oil reserves is the very last thing we need, and yet oil companies continue, year on year, month on month, day on day scouring the planet for the very last drops of new, dirty oil.

Those who came before us did not know about climate change, and those who will come after us will be powerless to stop it. Only those of us alive here and now have the chance to turn this around and avoid climate catastrophe.

It’s clear that political leaders, in the UK and internationally, don’t have the will or guts to make the changes needed. And whilst their profits keep rolling in, the oil companies are, unsurprisingly, showing no sign of changing their ways. They do what they do because it makes them filthy rich. It is a tragic injustice that the effects of climate change will hit the world’s poorest hardest.

We’re not saying it is going to be easy. Big changes often aren’t. But when you are at the petrol station paying through the nose, or watching people sitting alone in their cars, queuing bumper to bumper in a traffic jam, don’t you begin to think that maybe there is a better way? For a start, maybe, a reliable, affordable public transport system?

There are positive solutions out there, but we are never going to see the transition we need if profits dictate decisions at the expense of people and the environment. The bankers caused this financial crisis, we bailed them out, and now we are told that our public services are going to be slashed because we are broke. The wrong people are setting the agenda.

It’s time to get our priorities straight. We are in one of the richest counties in the world; a country that started belching out carbon emissions from fossil fuels way back before almost all others. If we can’t get a grip and make the transition, who can? We are talking about facing up to this challenge and taking real and proportionate steps to create a future with a safer climate and a fairer global society.

We are part of a global movement for climate justice and through our actions against the oil economy we will show solidarity with people across the world affected by the climate crisis and by the devastating effects of the fossil fuel industry. The Crude Awakening is part of the Climate Justice Action (CJA) global call for action for climate justice. CJA is a global network of people struggling against the root causes of climate change.

Easy to access oil reserves are drying up, and oil companies are taking ever more drastic and risky steps in ever more remote corners of the world to find new crude. Some say we have already reached peak oil. So if the transition is coming whether we like it or not why wait until we have found, drilled and burnt all of the filthy, polluting stuff? We don’t have the luxury of sitting by and watching the likes of BP and Exxon suck the last oily profits out of the earth. The time has come to pull the brakes and switch off oil.

As a movement, our actions against coal and aviation have made a real difference. Now oil’s time is up.

Be there.

For more information about the facts and politics of climate change, we recommend:

Wake Up Freak Out film (http://wakeupfreakout.org/)
Climate Camp's summary of the science of climate change (http://www.climatecamp.org.uk/get-involved/get-educated)

Why Oil? For those of you who prefer a punchy list, here are just a few reasons...

   1. Because oil companies search for new oil reserves to make themselves richer while our climate spins into crisis. 

   2. Because the UK government starts wars for oil. 

   3. Because of human rights abuses and murder in West Africa.
   4. Because of the Deepwater Horizon spill. 

   5. Because of the destruction of wilderness in the Arctic and the coast of Rossport in Ireland.
   6. Because of UK public money being used by bailed out banks to fund new oil projects. 

   7. Because London is brimming with oil money, oil sponsorship and oil companies. 

   8. Because global energy resources are the people's commons. 

   9. Because oil companies and the filthy rich people who profit from them have no place in a sustainable future. 

  10. Because Copenhagen failed and now it’s down to us. 

  11. Because oil has had its day and it’s time we pulled the plug.

Supported By

    * Space Hijackers
    * Plane Stupid
    * Laboratory of Insurrectionary Imagination
    * Rising Tide
    * Climate Camp
    * Liberate Tate
    * Earth First
    * UK Tar Sands network

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Am Samstag dem 16. Oktober mobilisierte die radikale Klimabewegung in England für einen dezentralen Aktionstag gegen die Öl-Industrie in Central London. Rund 500 Menschen ist eine spektakuläre Strassenblockade im karnavalesquen Reclaim the Streets Stil der 90er Jahre gelungen. Die Aktion ist in einem Video und einem Erlebnisbericht gut dokumentiert, die wir hier kurz kommentieren.

 

http://www.rdl.de/index.php/politik/236/9597-erdoel-war-gestern-spektaku...