Sinsheim-Hoffenheim: Nazi-Demo verhindert - Trotzdem wachsam bleiben!

Nazi-Mahnwache am 12.3.2010: Markus Walter spricht (Nazi-Foto)

Am gestrigen Samstag, 18.9., hatten Nazis aus NPD und so genannten freien Strukturen einen Aufmarsch im Sinsheimer Stadtteil Hoffenheim angemeldet. Unter dem Motto "Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche Arbeitnehmer - Rettet Deutsche Familien" wollten die Nazis ab 12 Uhr ihre rassistische und menschenverachtende Propaganda in die Öffentlichkeit tragen. Um es kurz zu machen: Aus dem NPD-Aufmarsch wurde nichts.


Rund 300 Bürgerinnen und Bürger, angereiste AntifaschistInnen und VertreterInnen von Parteien hatten mit einer Kundgebung, zu der Sinsheims Oberbürgermeister Geinert aufgerufen hatte, den einzigen Weg vom Bahnhof in den Ortskern blockiert.

Nachdem die 35 Nazis ca. 2 Stunden untätig auf einem hermetisch abgeriegelten Platz vor dem Hoffenheimer Bahnhof herumstehen mussten, strichen sie gegen 14.30 Uhr kampflos die Segel und verließen den Ort mit der S-Bahn in Richtung Sinsheim. Dort wurden sie von der Polizei am Aussteigen gehindert, da die Vermutung nahe lag, die Nazis würden dort einen Ersatzaufmarsch durchführen.

Eine von oben verordnete Kundgebung

In einem Brief an alle Hoffenheimer Haushalte hatte Sinsheims Oberbürgermeister Rolf Geinert die Bevölkerung zur Teilnahme an einer Kundgebung unter dem Motto "Wir wollen Euch hier nicht" gegen die geplante Nazi-Demo teilzunehmen. In dem Brief schreibt der OB davon, „den Aufmarsch (...) verindern“ zu wollen. Der Ortsvorsteher und er seien zu dem Schluss gekommen, „dass ein Marsch der NPD durch Hoffenheim nicht passieren darf“.

Dem Aufruf folgten dann auch rund 300 Bürgerinnen und Bürger; aber es nahmen auch zahlreiche Menschen aus anderen Städten und aus politischen Gruppen teil.

Solch eine von oben verordnete Blockade kann gewaltig nach hinten losgehen. Auch wenn sich rund 300 Menschen an der Kundgebung und der Sperrung der Brücke beteiligt haben, ist es im Hinblick auf das Versammlungsrecht sehr fraglich, ob eine solche Aktion rechtlich Bestand hätte.

Hätten es OB Geinert, Ortsvorsteher Karlheinz Hess und die Sinsheimer Polit-Elite mit juristisch erfahreneren Nazis zu tun gehabt, wäre der Aufmarsch, sicherlich durch Hoffenheim gelaufen.

Auch die an diesem Tag zuständige Polizeiführung machte aus ihren Absprachen mit der Stadtverwaltung keinen Hehl. Das permanente, fast schon geheimnisvolle Getue zwischen OB, Bürgermeister, Ortsvorsteher und Polizei war fast schon zu offensichtlich.

Die TSG 1899 Hoffenheim und die Extremismuskeule

Am Samstag selbst hatte der Fußball-Bundesligist TSG 1899 Hoffenheim im regionalen Monopolblatt "Rhein-Neckar-Zeitung" eine ganzseitige vierfarbige Anzeige (zwischen 15.000 und 20.000 Euro) geschaltet. Die TSG

In dieser Anzeige entblödet sich der Verein nicht, dem gegenwärtigen Geschwafel aus Familien- und Innenministerium das Wort zu reden und somit Nazis und Linke in einen Topf zu werfen. Eine wie immer ungeheuerliche Gleichsetzung angesichts der Tatsache, dass sich die heutigen Nazis positiv und uneingeschränkt auf NS-Deutschland, seine VertreterInnen und seine menschverachtende, rassistische, antisemitische und kriegstreiberische Ideologie berufen, die den millionenfachen Mord an Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen, SozialdemokratInnen, KommunistInnen und ZwangsarbeiterInnen zu verantworten haben.

Die Sensibilität, von solch einer historisch völlig blödsinnigen und durch nichts zu belegenden Gleichsetzung Abstand zu nehmen, kann offensichtlich von einem Fußballverein und seinen AnhängerInnen nicht erwartet werden. Diese grundlegende Ingnoranz manifestierte sich dann auch in den Gesprächen und Äußerungen vieler auf der "Anti-Nazi-Kundgebung" anwesenden BürgerInnen - viele davon sichtbar als TSG-Fans zu erkennen -, die von bösen "Links- und Rechtsextremisten" schwadronierten und dabei wohl vergessen hatten, dass sie gegen die Nazis auf der Straße standen.

Die TSG Hoffenheim täte auch gut daran, sich einmal in der eigenen Fan-Szene umzuschauen: Viele Nazis aus Sinsheim und dem Umland nutzen auch beim Kraichgauer Bundesligisten den Fußball, um neue Leute an rechte Politik heranzuführen und für ihre Strukturen zu gewinnen (siehe Fotos). Dieses Problem wird entweder nicht erkannt, kleingeredet oder ganz bewusst totgeschwiegen - ein Umgang der in der Rhein-Neckar-Region seit vielen Jahren auch bei der Polizei beobachtet werden kann.

Die Nazis im Kraichgau

Erneut haben die regionalen Nazi-Grüppchen Sinsheim als Aufmarschort herausgesucht. Das liegt zum einen daran, dass sich in Sinsheim, den Stadtteilen und der umliegenden Region in Jahrzehnten eine Nazi-Szene etablieren konnte, die zwar zahlenmäßig nicht an die 100 AktivistInnen heranreicht, jedoch in den jeweiligen Ortsgemeinschaften verwurzelt ist und auf eine konservative bis rechte Grundstimmung und den rassistischen Grundkonsens in der Landbevölkerung aufbauen kann. In einem solchen Klima, in dem es im Grunde keine antifaschistische Gegenwehr gibt, fühlen sich Mitglieder der rechten Szene wohl.

Doch die räumliche Nähe zu antifaschistischen besser aufgestellten Städten wie Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe oder Heilbronn führt dazu, dass die ländlichen Nazi-Strukturen vermehrt auf interne Mobilisierung setzen.

Auch für die Nazi-Mahnwache „gegen Kinderschänder“ am 12.3.2010 in Sinsheim war verdeckt mobilisiert worden. Rund 25 Nazis von NPD, der „Kameradschaft Zweibrücken“ und „Anti-Antifa Rhein-Neckar“ liefen vom Sinsheimer Bahnhof zur Musikschule und forderten auf Transparenten u.a. die „Todesstrafe für Kinderschänder“. Bei einer Kundgebung trat der rheinland-pfälzische NPD-Kader Markus Walter auf. Er war zusammen mit seinen Zweibrückener Kameraden angereist, mit denen er sich ohnehin bestens versteht (siehe Fotos).

Am 29.7. wollten die Faschos aus dem Umfeld der „Anti-Antifa Rhein-Neckar“ und der Gruppierung „Freie Bewegung Baden“ in Sinsheim-Hoffenheim eine Mahnwache „Gegen Linken Terror und eröffnung eines Autonomen Zentrums in Sinsheim“ (Fehler im Original) durchführen. Diese Veranstaltung wurde von der Stadt verboten und fand nicht statt.

Aber auch überregional sind die Kraichgauer Nazis aktiv.

So nahmen am 8.5. Aktivisten der „Anti-Antifa Rhein-Neckar“ mit einem eigenen Transparent an der Nazi-Demon in Wiesbaden teil. Organisiert hatte diesen Aufmarsch die „Initiative Südwest“, die am 12.3. auch die Mahnwache in Sinsheim personell unterstützt hatte.

Bei den organisierenden Strukturen handelt es sich überwiegend um Nazis aus der „Anti-Antifa Rhein-Neckar“ und des ehemaligen „Sturm Baden“, hierbei gibt es personelle Überschneidungen zur NPD, die ja auch die Demo in Hoffenheim als Wahlkampfveranstaltung angemeldet hatte.

„Anti-Antifa Rhein-Neckar“

In der sogenannten Anti-Antifa haben sich Nazis wie Benjamin Knüll aus Sinsheim-Eschelbach, Jens Becker, André Müller und seine Frau Tina Günther (Eppingen), Mike Scheib, ebenfalls aus Sinsheim-Eschelbach und Sascha Trautenberger zusammengeschlossen (siehe Fotos).

Ende 2009/Anfang 2010 unterhielt die Nazi-Gruppierung noch eine eigene Gruppe im Social Network „wer-kennt-wen“ unter dem Gruppennamen „A-A R-N“. Man sei „eine Gruppe aus Freunden aus Rhein - Neckar die gerne was zusamme unternehme“ (Fehler im Original). Als Gruppenbild war ein Logo mit dem Kürzel „AA Rhein-Neckar“ zu finden, das einen Thorshammer umschloss (Grafik).

Sascha Trautenberger (Foto) ist langjähriger Nazi-Aktivist und war bereits bei der verbotenen militant-neonazistischen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aktiv. Seit Februar 2010 ist der „langjährige (...) Kämpfer“ aus der „Kaderschmiede der FAP“ (O-Töne NPD Rhein-Neckar) als Beisitzer im Kreisvorstand der NPD Rhein-Neckar aktiv.

André Müller (Foto) ist der Schlagzeuger der Nazi-Skinhead-Band „Blue Max“. Die Band „Blue Max“ wurde Ende 2002 im Raum Aglasterhausen/Schwarzach gegründet. Seither hat die Skinhead-Combo vier eigene CDs veröffentlicht. Auf der im August 2009 erschienenen „Schulhof-CD 2009“, mit der die NPD Propaganda unter Jugendlichen machen will, ist „Blue Max“ mit dem Stück „Totale Überwachung“ vertreten. Die akteulle CD der Nazi-Band ist 2010 erschienen.

André Müller war u.a. maßgeblich an der Organisation der Demo am 18.9. in Hoffenheim beteiligt.

Recherche-Aktivitäten gegen Linke oder AntifaschistInnen haben die selbsternannten Anti-Antifa-AktivistInnen bislang nicht entwickelt. Es ist davon auszugehen, dass das Label „Anti-Antifa“ angesichts der meist üblichen Unzulänglichkeit der Nazis in diesem Bereich eine weitere Luftnummer bezeichnet.

Wir werden weiterhin ein Augenmerk auf die Nazi-Szene im Kraichgau werfen und - wo es angebracht ist - diese ans Licht der Öffentlichkeit zerren und konsequent bekämpfen.

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Video bei LOKALMATADOR.de (20.09.2010):
http://www.lokalmatador.de/go/aufmarsch1000



Bericht in der Rhein-Neckar-Zeitung (20.09.2010):

Bürger-Demo stellt die Rechtsextremisten ins Abseits


Sinsheim-Hoffenheim - Eine Menschenkette über die Elsenzbrücke hat am Samstag Rechtsextremisten den geplanten Marsch vom Bahnhof zum Dietmar-Hopp-Stadion verwehrt. Die von der NPD angemeldete Kundgebung verharrte auf dem Platz an der S-Bahn-Haltstelle und löste sich nach zweieinhalb Stunden selbst auf. Ein Aufatmen ging durch den Ort.

"5:0 für Hoffenheim" hatte einer auf sein Plakat gegen den rechtsextremistischen Aufmarsch geschrieben. 10:0 wäre exakter gewesen, denn den rund 30 überwiegend jugendlichen, schwarz gekleideten und kahlgeschorenen Radikalen stand etwa die zehnfache Menschenmenge auf der Elsenzbrücke gegenüber. Starke Polizeikräfte sorgten für eine Pufferzone auf der Eschelbacher Straße. Die Gegendemonstranten waren einem Aufruf von Oberbürgermeister Rolf Geinert gefolgt, während TSG 1899 Hoffenheim sich am Samstag mit einer ganzseitigen Anzeige in der RNZ eindeutig gegen linke und rechte Extremisten abgegrenzt hatte.

Dass die Rechtsextremisten Hoffeheim als Aufmarschgebiet ausgesucht hatte, hatte einen einfachen Grund: "Medienwirksamkeit" führte ihr Versammlungsleiter als Auswahlkriterium an. Man wollte die am Stadion beginnende Saison der 1899-Jugendteams nutzen, um sich ins Rampenlicht zu setzen.

Daraus wurde nichts. "Hoffenheim will euch nicht", "Versöhnen statt spalten" und "Wir sind Hoffenheim" stand auf Plakaten, die auf der Brücke in die Höhe gehalten wurden. "Nazis raus" schallte der Gruppe entgegen, als deren Vertreter sich selbst ein Bild vom Menschenauflauf auf der Eschelbacher Straße machten. Die Rechten zeigten sich sichtlich beeindruckt von der Gegenwehr. Nachdem Polizei-Einsatzleiter Bernd Bühler klar gemacht hatte, dass es keine Alternativstrecke durch Hoffenheim gibt, zogen die NPD-Leute nach kurzer Beratung ab. Die meisten waren aus dem Raum Alzey in den Kraichgau gekommen.

"Emotional sehr bewegend" fand OB Geinert den Bürger-Aufmarsch: "Es ist toll, dass so viele Menschen gekommen sind". Vor allem lobte der Stadtchef das spontane Engagement aus Vereinen und Kirchen. "Was die über Nacht auf die Beine gestellt haben, ist fantastisch." Im Pulk auf der Elsenzbrücke fielen zahlreiche aus der Kommunalpolitik und dem öffentlichen und politischen Leben des Kraichgaus bekannte Gesichter auf. Auch 1899 Hoffenheim zeigte Flagge: TSG-Präsident Peter Hofmann äußerte sich tief verärgert darüber, dass Extremisten sich ins Fahrwasser seines Vereins begeben: "Mit denen wollen wir nichts zu tun haben". Der Landtagsabgeordneten Elke Brunnemer war wichtig, dass mit einer breit angelegenten Gegendemonstration "Extremisten ins politische Abseits gestellt werden". Das sei in Hoffenheim gelungen.

Fast zeitgleich hatten linke Gruppierungen zu einer "Anti-Repressions-Demo" auf dem Sinsheimer Bahnhofsvorplatz aufgerufen. Die sieben Teilnehmer fielen im samstäglichen Straßenbild allerdings kaum auf. (kel/tk)

Ich werfe mal drei weitere Namen in den Raum. Patrick Hille, Björn Gilbert und Sven Deja. Alle drei bei den "Hoffema Jungs" (Fanclub Hoffenheim). Ersterer ist auch bei AARN zugange.

Anscheinend hat da jemand kalte Füsse bekommen, angesichts der im artikel veröffentlichten Namen. eigentlich nur so ist das umfangreiche "Dementi" zu erklären.

Übrigens: Knüll und 2 Kameraden waren am darauffolgenen sonntag in Waldangelloch auf der Kerwe, vermutlich, um den Frust vom samstag wegzuspülen.