„Polizeigewalt kann tödlich sein“ - anlässlich des 25. Todestages von Günter Sare

a-Bar

13.10.2010 | 19:30 Uhr | Freiburg, KTS, Basler Str. 103

In gemütlicher, lockerer Atmosphäre bietet die monatliche „a-Bar“ passend zu gekühlten Getränken inhaltliche Vorträge oder Filme. Anschließend gibt es bei dezent-guter Musik ausreichend Raum zum gemütlichen Beisammensein, für vielfältige Gespräche und anregende Diskussionen, sowie die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und uns zu vernetzen und auszutauschen.

 

Diesen Monat: „Polizeigewalt kann tödlich sein“ - anlässlich des 25. Todestages von Günter Sare

 

Am 28.9.1985 fand in Frankfurt/Main eine Protestveranstaltung mit etwa 1.000 Menschen gegen ein NPD-Treffen im Frankfurter Bürgerhaus Gallus statt. Die Polizei geleitete die TeilnehmerInnen der NPD-Veranstaltung ins Haus Gallus und begann gleichzeitig mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen die versammelten GegendemonstrantInnen vorzugehen. Im Polizeifunk wurde durchgegeben, dass „kompromisslos vorgegangen“ werden sollte. Gegen 21 Uhr kam es dann zu dem Vorfall, der im Nachhinein durch die Polizei als „Unfall“ dargestellt wurde.

 

Die Polizei setzte zwei Wasserwerfer ein. Eines dieser Fahrzeuge ging gegen eine DemonstrantInnengruppe vor. Als einziger aus dieser Gruppe ergriff Günther Sare nicht die Flucht. Er wurde auf der Kreuzung von einem Wasserwerferstrahl zu Boden geworfen. Als er wieder auf die Beine kam, fuhr ein zweiter Wasserwerfer um die Ecke und hielt kurz an. Obwohl die Besatzung den Demonstranten bei heller Beleuchtung gesehen hat und mit den Wasserkanonen gezielt auf ihn schoss, fuhr der Wasserwerfer mit hoher Geschwindigkeit an und überrollte Günter Sare im Brustbereich. Zwei Sanitäter und ein Arzt, die dem Verletzten zu Hilfe eilten, wurden von der Polizei behindert („Was, du Schwein willst Arzt sein?!“). Sie mussten Günter Sare vor einen Autoscheinwerfer bringen, um ihn versorgen zu können, da die Polizei die Stelle nicht ausleuchtete. Trotz dringender Bitte, sofort einen Notarztwagen zu holen, dauerte es 10 Minuten, bis ein zu gering ausgerüsteter Krankenwagen kam. Erst nach 20 Minuten traf der Notarztwagen ein, in dem Günter Sare auf dem Transport starb.

 

Im Anschluss fand spontan eine Demonstration zum Opernplatz statt. Die 200 DemonstrantInnen wurden von mehreren Hundertschaften der Polizei eskortiert. Mehrere Wasserwerfer des Typs, der Günter Sare tötete, fuhren über die ganze Breite der Straße hinter dem Demonstrationszug her. Aus der Polizeikette tönte es zu den DemonstrantInnen: „Morgen seid ihr dran!“. Die Polizei begann, einzelne DemonstrantInnen und Gruppen festzunehmen, es kam zu Rangeleien zwischen Polizei und DemonstrationsteilnehmerInnen. Als Reaktion auf den Tod Günters kam es in der Nacht zu einem Brandanschlag bei Mercedes, einem der Hersteller der Wasserwerfer. Danach kam es in mehreren Städten, besonders in Frankfurt, zu tagelangen Straßenschlachten.

1990 wurde die Besatzung des Wasserwerfers vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei gesprochen. Sare hätte unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen gestanden und die Bedrohung durch das Fahrzeug nicht richtig eingeschätzt.

 

An diesem Abend haben wir einen Zeitzeugen aus Frankfurt eingeladen. Nach seinen Berichten werden wir auch die Reaktionen in anderen Städten auf den Tod von Günter Sare, weitere Tote bei Demonstrationen in Deutschland und mögliche Gefahren durch Wasserwerfereinsätze thematisieren. Dazu laden wir euch herzlich ein.

 

http://www.ag-freiburg.org/cms

 

http://www.antifa-frankfurt.org/Sare/sare-dokumentation.html

 

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http://www.youtube.com/watch?v=ouT_vFwEGdw

Bei einer Demonstration gegen die Räumung von acht besetzten Häusern („Lummerland ist abgebrannt"), geriet Klaus-Jürgen Rattay am 22. September 1981 auf die Fahrbahn, wurde von einem Bus der BVG erfasst und tödlich verletzt. Einige Hausbesetzer behaupteten nach dem Unfall, er sei von der Polizei auf die Fahrbahn gedrängt worden. Diese Aussagen wurden im anschließenden Gerichtsverfahren nicht bestätigt. Der Staatsschutz behauptete seinerseits, Rattay sei mit einem fotografierten Demonstranten identisch, der unmittelbar vor der Räumung in der Winterfeldtstraße Barrikaden mit Benzin angezündet habe. Augenzeugen und Betroffene fanden sich zu einem Schweigemarsch zusammen, hielten eine Mahnwache mit Kerzen ab und legten am nächsten Tag eine Gedenkstätte für ihn an. Auch im Ausland, insbesondere in Amsterdam, kam es in Verbindung mit den Berliner Vorfällen zu Ausschreitungen. Die Berliner Polizei räumte wenige Tage später erneut ein besetzes Haus in der Pohlstraße 59 im Bezirk Tiergarten.
Drei Wochen nach dem Tod Rattays bildete sich eine „unabhängige Untersuchungskommission", der unter anderen Bundesverfassungsrichter a. D. Martin Hirsch, Professorin Uta Ranke-Heinemann und Pfarrer Jörg Zink angehörten. Nachdem die Ermittlungen noch im Dezember desselben Jahres eingestellt worden waren, bemühten sich die Eltern des Neunzehnjährigen vergebens um Wiederaufnahme des Verfahrens, die im August 1982 abgelehnt wurde.
Ein Augenzeuge gab dem Tagesspiegel am Abend der Vorfälle eine ganz andere Darstellung: Rattay habe zu der Menge gehört, die von der Polizei in der Bülowstraße in Richtung Potsdamer Straße getrieben worden sei. Als der Bus kam, habe er auf der Kreuzung gestanden, zunächst mit dem Rücken zu dem Fahrzeug, dann mit dem Gesicht. Der Busfahrer sei voll auf ihn zugefahren und habe Rattay frontal erfaßt. Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Bus nicht mit Steinen beworfen worden. Der Bus sei trotz des Anpralls weitergefahren, habe dann zwar kurz abgebremst, aber seine Fahrt fortgesetzt, bis er von Passanten gestoppt wurde. Erst dann sei er durch Steinwürfe beschädigt worden. Diese Version, daß Rattay ohne weiteres überfahren worden sei, veröffentlichte am Abend auch ein "Ermittlungsausschuß" unter Berufung auf 25 Zeugen.

http://new.squat.net/archiv/berlin/22.9.81/