Rassistischer, tödlicher Polizeiübergriff in Berlin?

Richtig deutsch!

In der Nacht vom vergangenen Sonntag auf Montag (am 29./20.8.2010) starb im Berliner Stadtbezirk Britz der 39-Jährige Stanley Chima nachdem er von einer Berliner Zivilstreife kontrolliert worden war. Die Todesursache soll Herzversagen gewesen sein. Dennoch erwecken die zahlreichen Ungereimtheiten und die zurückhaltende Haltung der Berliner Polizei Informationen zu diesem Fall zu veröffentlichen den Eindruck, daß hier eventuell erneut ein rassistischer Übergriff, diesmal allerdings ein tödlicher, vertuscht werden soll.

 

Wie die Pressemitteilung der Berliner Polizei beschreibt, soll Chima um 23:50 Uhr in Britz an der Ecke Mohriner Straße / Britzer Damm von Zivilbeamt_innen kontrolliert worden sein, weil er „ohne Freisprecheinrichtung während der Fahrt telefonierte“. Danach soll er, so behaupten die Beamt_innen, „ohne ersichtlichen Grund“ sein Auto verlasse und „zu Fuß in eine Grünanlage“ geflüchtet sein. Später fand ein_e Passant_in seinen toten Körper circa 200m entfernt vom Ort der vermeintliche Kontrolle im Schlosserweg, einer kleinen Straße, die vom Buckower Damm abgeht. Außerdem wurde von der Passant_in die Polizei und Feuerwehr verständigt. Die Einsatzkräfte sollen wenige Minuten später, laut Pressemitteilung der Polizei, eingetroffen sein und mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen haben. Ein Notarzt stellte dann aber „gegen 0 Uhr 30 lediglich den Tod des Mannes“ fest.

 

Die vermeintlich harmlose und mysteriöse Version der Polizei läßt sich also wie folgt zusammenfassen. Kurz vor Mitternacht am Sonntag, dem 29. August 2010, wurde von Beamt_innen in Zivil Stanley Chima in Britz angehalten. Sie nahmen ihm seine Papiere zur Personenkontrollen ab. Dann soll er geflüchtet sein. Es folgt ein Schnitt. Chima wird in einer Seitenstraße des hell erleuchteten Buckower Damm von einer_m Passanten_in tot aufgefunden. Andere Beamte versuchten Chima zu reanimieren. Ein Notarzt stellte später den Tod fest.

 

Eine andere Version des Geschehens erzählt eine Bekannte des Toten, die während die Kontrolle begann mit ihm telefoniert hatte. Die erste Abweichung ist, daß Chima, während er mit ihr sprach, getankt haben soll. Tatsächlich befindet sich circa 30-40m von der Ecke Mohriner Straße / Britzer Damm eine Aral-Tankstelle. Außerdem hatte die Bekannte, wie im „Neuen Deutschland“ berichtet wird, einen Streit zwischen Chima und den aggressiven Beamt_innen mitangehört. Das Gespräch wurde dann abrupt abgebrochen.

 

Eine zweite Ungereimtheit betrifft den Weg der vermeintlichen Flucht. Es gibt im Umkreis des Britzer- / Buckower Damm keine Grünanalgen. In Richtung Schlosserweg, wo Chima tot aufgefunden wurde, kommt mensch über den Buckower Damm, der allerdings sehr breit und erhellt ist. Eine Verfolgung wäre einfach und nachvollziehbar.

 

Eine dritte Leerstelle im Polizeibericht ist, daß unklar bleibt, wie Chima überhaupt flüchten konnte. Wenn es eine Verkehrs- oder auch Personenkontrolle war, dann bleibt ein_e Beamt_in immer am Fahrzeug. Insbesondere um eine eventuelle Flucht zu verhindern oder den „Fliehenden“ schnell verfolgen zu können. Ob dies hier passierte ist unklar. Genauso unklar ist aber auch, was die Zivilbeamt_innen nach der Flucht gemacht haben und was mit dem Auto passierte

 

Die Pressemeldung der Berliner Polizei erweckt den Eindruck, daß sie gar nichts gemacht hätten. Ein Verfolgung, so scheint es, soll es nicht gegeben haben. Verstärkung wurde scheinbar ebenfalls nicht angefordert. An den Rettungsmaßnahmen waren die Polizist_innen trotz der örtlichen Nähe offenbar ebenfalls nicht beteiligt. Fragt sich nur, wo sie sonst waren.

 

Die Feststellung, daß es keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden beim Tod von Chima gegeben haben soll und „eine Obduktion zur Klärung der Todesursache“ angeregt wurde, erscheint bei den Umständen des Todes mehr als zynisch. Noch absurder ist, daß die Polizei nach dieser Pressemeldung zum Fall völlig auf stumm stellt. Eine Obduktion soll es immer noch nicht gegeben haben. Ein Ermittlungsverfahren wahrscheinlich auch nicht.

 

Dieser Vorfall erinnert an den Übergriff von Polizist_innen auf eine_n Vietnames_in im Februar diesen Jahres. Dabei wurde das Opfer am U-Bahnhof Parchimer Allee in Britz (in der Nähe des Britzer- / Buckower Damm) beim Verkauf von Zigaretten aufgegriffen, nach Schönefeld gebracht, dort zusammengeschlagen und liegengelassen. Nur weil Zeug_innen den Übergriff gesehen hatten, gab es Ermittlungen. Unklar ist aber, was aus ihnen geworden ist.

 

Willkürliche, aggressive Kontrollen durch Polizeibeamt_innen in Uniform oder in Zivil sind insbesondere in Neukölln Alltag von Migrant_innen. Übergriffe, körperliche Mißhandlungen und vor allem „Aussetzungen“ sind keine Seltenheit. Inwieweit der Tod von Stanley Chima zu den Vorkommnissen um (tödliche) Polizeigewalt hinzugezählt werden muß, Läßt sich schwer nachvollziehen. Willkür und struktureller Rassismus muß aber angenommen werden. Die Ungereimtheiten und Auskunfts(un)freundlichkeit der Behörden erwecken außerdem den Eindruck, daß mehr dahintersteckt. Eventuell auch ein rassistischer, tödlicher Übergriff?

 

The Voice - Refugee Forum

http://thevoiceforum.org/node/1757

 

Pressemeldung der Polizei

hxxp://www.berlin.de/polizei/presse-fahndung/archiv/308383/index.html

 

Vorfall im Februar 2010

http://www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/polizisten-sollen-vietnamesen-misshandelt-haben/1686458.html

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... hat ein Notarzt den Tod festgestellt. Eine vorläufige Obduktion hat ergeben, dass Stanley Chima an Herzversagen gestorben ist. Der 39-Jährige hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/178919.was-geschah-mit-stanley-c...