Die Tafel der Habenichtse, Überflüssigen und TagelöhnerInnen am Freitag, den 20. August in Berlin

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Die Arbeitsgemeinschaft Soziales Berlin hatte für gestern ab 17 Uhr zu einer Tafel der Habenichtse auf dem Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor aufgerufen. Gekommen sind vor allem diejenigen, die sich schon seit Jahren gegen die von RotGrün eingeführte moderne Sklaverei durch Hartz IV und der Repression durch die Agenda 2010 engagieren. Teils weil sie selber betroffen sind, teils weil sie als mündige BürgerInnen die elementarsten Grund- und Menschenrechte in der BRD mehr und mehr mit Füßen getreten sehen.

 

Der Aufhänger für die gestrige Tafel der Habenichtse, Überflüssigen und TagelöhnerInnen war die von Christian Wulff (in den Medien gerne als Schwiegermamas Liebling bezeichnet und spektakulär in der BRD-Polit-Hierarchie aufgestiegen), als aktuellem Bundespräsidenten veranstaltete sogenannte Tafel der Demokratie. Diese hatte bekanntlich der kürzlich aus dem Amt geflüchtete Ex-Bundespräsident Horst Köhler (Spötter nannten ihn wegen seines aufgesetzten Dauergrinsens Grinse-Hotte) erstmals am 3. Juli 2004 auf dem Pariser Platz veranstaltet. Dieses dekadente abgehobene Politschranzentheater wurde schon damals von ätzender Kritik und scharfen Protesten begleitet. Hartz IV und Agenda 2010 waren seinerzeit gerade "in Arbeit"!

Wulff zeigte sich dankbar für ein geschenktes Schlaraffen-Leben mit über 400.000 Euronen jährlicher staatlicher Apanage bis ans Ende seiner Tage, führte die Köhlersche Tafel-Tradition fort und sorgte sich aber auch um die "Gräben zwischen Bürgern und Politikern“. Um sein Volk zu beschwichtigen, ließ er den Küchendirektor des Hotel Adlon Kempinski ein üppiges Drei-Gänge-Menü mit Berliner Sülze vom Saalower Kräuterschwein und Gewürzgurken als Vorspeise, einem niedersächsischen Kartoffel-Eintopf mit Rauchwurst und Rinderbrust sowie Welfenspeise mit Waldbeeren als Nachspeise für 1.500 handverlesene Gäste aus dem "Volk" auftragen, nachzulesen unter de.wikipedia.org/wiki/Tafel_der_Demokratie - auch der Tagesspiegel berichtet sowohl von der Wulff-Tafel aber auch von der Tafel der Habenichtse. Unsere Protest-Tafel konnte lediglich mit aufgewärmter Linsensuppe, einer typischen Hartz4-Kost aufwarten. Manche Bauern essen auch heute noch keine Linsensuppe, weil schon ihre Väter und Vorväter Linsen immer nur an Schweine verfüttert hatten.

Vordergründig ging es bei der gestrigen Kundgebung um die völlig unzureichenden Hartz4-Regelsätze, insbesondere um den schändlichen Mini-Betrag für Nahrung, Getränke, Tabakwaren in Höhe von derzeit 128,39 €, also ca. 37% der gesamten Monats-Regelleistung von derzeit 359 € für eine Einzelperson. Das entspricht einem Tagessatz von 4,28 € für Essen und Trinken. Die Kosten für den täglichen Futterbedarf eines Schweines werden sicher nicht sehr viel niedriger sein. Wundert es da, daß z. B. die Brüder Albrecht mehrfache Milliardäre geworden sind und mit rund 23,5 Mrd. US-Dollar Platz den 10 des Forbes-Rankings der weltweit reichsten Männer innehaben?!

Im weiteren Sinne stand mit der gestrigen Kundgebung also auch der seit Jahren immer offenere Rückfall unserer Politschranzen in schlimmste Feudalzeiten am Pranger. Christian Wulff verkörpert mit seinem mehr als überflüssigen aber hoch dotierten Grüßonkel-Amt als Bundespräsident geradezu den Inbegriff eines devot willigen Werkzeuges der Herrschenden.

Das Konzept der Protest-Tafel war zeitlos aktuell und hätte schon allein deshalb sehr viel mehr TeilenehmerInnen verdient gehabt. Vor allem habe ich VertreterInnen vom Berliner Bündnis Montagsdemo und anderen sozialen Organisationen und Gruppen vermißt. Aber auch eher indirekt durch staatliche Repressionen gegenüber uns Habenichtsen, Überflüssigen und TagelöhnerInnen tangierte Organisationen wie der Berliner Wassertisch der die Initiative Berliner Bankenskandal und andere mehr glänzten leider durch Abwesenheit. Hätten sich nun auch noch die über 500.000 Berliner Hartz4'lerInnen aufraffen können, sich zu uns zu "verirren", den handverlesenen 1.500 Gästen der feudalen Fressorgie auf dem Pariser Platz wäre das Kräuterschwein im Halse stecken geblieben! Und BuPrä Wulff wäre sicher das gewohnte Schwiegermamas-Bester-Lächeln eingefroren.

Auch wenn die Protest-Tafel nicht auf dem abgesperrten sonnigen Platz des 18. März abgehalten werden durfte, sondern für PassantInnen und Touries kaum wahrnehmbar abseits an den dunkel verschatteten Rand des Tiergartens gedrängt wurde, gaben sich die VeranstalterInnen der Protest-Tafel große Mühe. Roland Klautke, Rainer Wahls und andere trugen unsere Anliegen in mehreren interessanten Redebeiträgen übers Mikro unverdrossen den wenigen vorbei eilenden PassantInnen vor. Weitere AktivistInnen verteilten fleißig Flugis an alle, die Näheres nachlesen wollten. Wer wollte, konnte sich mit warmer Linsensuppe stärken. Auch Schnuffi, ein Rauhhaardackel, hatte Glück und ergatterte blitzeschnell eine unbemerkt heruntergefallene Thüringer Knackwurst ganz für sich alleine.

Für 18:50 Uhr hatte sich nach Auskunft der Polizei-Einsatzleitung sogar BuPrä Christian Wulff angesagt, unseren Info-Stand persönlich zu besuchen. Das stellte sich dann erwartungsgemäß als bloße Absichtserklärung heraus, worüber aber keiner von uns ProtestlerInnen besonders traurig war. Denn besonders freundlich wäre er von uns sicher nicht empfangen worden. Das ahnte er wohl und ging als sich leutselig gebender feudaler Landesherr nur zu den neugierigen PassantInnen hinter den Absperrgittern am Platz des 18. März um sich seinem Volk aus der Nähe zu zeigen, es anzugrinsen, Hallo zu sagen und ein paar BürgerInnen-Hände zu schütteln. Sonderlich begeistert war aber sein Volk an den Absperrgittern deswegen nicht, ein paar Trillerpfeiffen waren zu hören, also eilte er kurz nach 19 Uhr wieder vondannen, schließlich sollte ja seine Tafel der Demokratie pünktlich um 19:30 Uhr durch ihn eröffnet werden.

Gegen 19:15 Uhr wurde dann auch unsere Tafel der Habenichtse, Überflüssigen und TagelöhnerInnen beendet. Abschließend gab's noch die Info aus http://www.krach-statt-kohldampf.de zur die bundesweiten Demo am 10. Oktober in Oldenburg:

Bundesweite Demonstration am 10.10.2010 in Oldenburg!
In die Pötte kommen:
Bringt Kochtöpfe und Kochlöffel mit!
Krach schlagen statt Kohldampf schieben!
Mindestens 80 Euro mehr für Lebensmittel sofort!
Treffpunkt: 13 Uhr, Hauptbahnhof, Südseite!


30 Fotoimpressionen von der gestrigen Protest-Tafel sind unter www.carookee.com/forum/freies-politikforum/3/26766074#26766074 eingestellt. Sämtliche Demo-Fotos dürfen bei namentlicher Nennung des Knipsers und Angabe der Quelle für nichtkommerzielle Zwecke gerne heruntergeladen, gespeichert und weiterverbreitet werden.

Bernd Kudanek alias bjk
http://freies-politikforum.carookee.com

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Warum findet eine bundesweite Erwerbslosendemo in Oldenburg und nicht in Berlin statt? - Kann mich darüber jemand aufklären?

Am 16. Oktober findet in Berlin zum siebenten Mal eine bundesweite Herbstdemo statt. Info unter http://www.berlinermontagsdemo.de/ oder unter http://www.bundesweite-montagsdemo.com/

 

Leider sind sich verschiedene Sozialbündnisse bzw. deren FunktionärInnen noch immer untereinander nicht so recht grün. Es kam nämlich 2005 zur Spaltung der Montagsdemo-Bündnisse, die wenn auch abgeschwächt bis heute andauert. Auch ich hatte am Freitag auf der Habenichtse-Tafel gefragt, warum denn nicht eine gemeinsame Großdemo in Berlin arrangiert würde, denn wer käme denn schon nach Oldenburg. Die wenig befriedigende Antwort war, weil die Oldenburger GenossInnen so engagiert seien und sich das verdient hätten.

Hi,

 

über die Spaltung bin ich natürlich längst informiert. Bin schon seit ihren Anfängen bei der Montagsdemo-Bewegung aktiv. Und ich selbst moblisiere natürlich für den 16. Oktober in Berlin. Wollte mit meiner Frage lediglich die Version der "Oldenburger Fraktion" einholen. Also bis dann, in Berlin.

 

Solidarischer Gruß

Jürgen Binder, Montagsdemo Mannheim

Hi,

 

die Entscheidung  wo eine bundesweite Demo zur Neuberechnung der Regelsätze gemacht werden kann, wurde von den größeren Erwerbslosennetzwerken Tacheles, BAG Plesa, Erwerblosenforum, ABSP, KOS gemeinsam getroffen.
Zuerst wurde an die Mitte Deutschlands - die soll irgendwo NÄhe Bielefeld sein - gedacht.  Die dortige Ini hätte dasa ber schlicht nicht gepackt.

Dann waren einige Städte mit guter Gegenwehr-Verankerung im Gespräch.
Und schließlich fiel  die Wahl am Ende auf Oldenburg.

 

Warum? Dafür gibts mehrere Gründe:

 

  • WEil die Leute von der ALSO als eine der ältesten und sätrksen Erwerbslosen-Selbsthilfen  dort eine gute Vor-Ort-Vorbereitung machen können.
  • Weil in Berlin jede Menge anderer wichtiger Aktivitäten im Herbst laufen werden
  • Weil unsere Proteste nicht nur in den Großstädten wachsen sollen, sondern auch "am Rand", in der Fläche
  • Weil wir Erwerbslosen endlich als Bewegung  groß und stark  werden wollen ;-) und dazu brauchen wir Habenichts neue  Bündnispartner  - in Oldenburg wurde eine spannende neue Verbindung  erprobt: der  Milchbauernverband dort  hat mit den Erwerbslosen in Oldenburg gemeinsame Sache gemacht, weil auch die Landwirte  vom Niedergang der Einkommen und den vielen Billig-Essern betroffen _ sie bekommen ihre Lebensmittel nicht mehr zu vernünftigen Preisen verkauft - die gesamte Nahrungsmittelkette wird mehr und mehr kaputt gemacht - wir laufen am Ende alle zu den Tafeln und profitieren tun Lidl, Aldi,  usw.
  • Weil wir wollen & müssen nach und nach die Knotenpunkte unserer Reproduktion wieder stärker in die Hand bekommen - die Ernährungskette ist da ein optimaler Ansatzpunkt. Denn alle müssen und wollen essen und das möglichst gesund
  • Und last butnoch least: es kann doch auch Spaß machen, mal gerade NIcht in Berlin zu demonstrieren sondern an einem noch nicht so "ausgelatschten" Ort :-))
  •  ...

.... und überhaupt, wenn wir die Busfahrt gesponsert bekommen: mal zusammen ausfliegen und unsere Stärke merken, ist doch echt auch jut!

 

 

Hi,

 

nun gut, wenn es denn keine Spaltung gibt, dann lade ich dich und alle anderen natürlich auch, recht herzlich zu der bundesweiten Montagsdemonstration in Berlin am 16. 10 ein. Kann es doch auch nicht gerade schaden, auch in der Hauptstadt Krach zu schlagen (Kochtöpfe und Kochlöffel).

 

Aber einer der von dir angegebenen Gründe, spricht gerade nicht für Oldenburg. Kommen doch die Milchbauern durchaus auch nach Berlin, wie bei der letzten bundesweiten Montagsdemonstration in Berlin im Jahre des Herrn 2009 geschehen.

 

Und Oldenburg halte ich immer noch für eine ungünstige Wahl. Wenn auch die Erwerblosen-Selbsthilfe ALSO dort stark präsent ist. Denn die für diese antisoziale Politik (Agenda 2010 u. Hartz IV) verantwortlichen Damen und Herren, sollten unseren Protest zu spüren bekommen.

 

Deshalb seid ihr alle (unabhängig vom Ge- oder Misslingen eurer Demonstration in Oldenburg), am 16.10 in Berlin herzlich willkommen.

 

Mit solidarischem Gruß

 

Jürgen Binder - Montagsdemo Mannheim

Inzwischen habe ich mit der bundesweiten Montagsdemobewegung nichts mehr zu tun, ich finde man muß andere Formen des Protestes finden. Fragt nicht danach weshalb oder warum ich mich von der Montagsdemobewegung trennte, denn persönliche Belange haben in einer Zeit, in der die Aktionseinheit schlechthin angesagt ist, hinten an zu stehen.


Und da ich schon mal bei der Sache bin, vielleicht sieht man ja den einen oder anderen auf der

 

Demonstration gegen Massentierhaltung und genmanipulierte Lebensmittel

am 22. Januar in Berlin, um ca 12.00. Uhr. Denn dort wird es auch einen großen Erwerbslosenblock geben, nach dem Motto:

 

"Erhöhung der Regelsätze, damit wir uns gesund ernähren können!"