Nachbereitung der Gelöbnis-Proteste in Stuttgart

03.jpg

Protest und Widerstand gegen das öffentliche Gelöbnis am 30. Juli in Stuttgart
Am 30. Juli fand das erste öffentliche Bundeswehr-Gelöbnis in Stuttgart seit 11 Jahren statt. Ein massives Aufgebot von Polizei und Feldjägern setzte die Veranstaltung gegen den Widerstand von etwa 1000 AntimilitaristInnen durch. Es gelang aber immer wieder das Gelöbnis zu stören und antimilitaristische Positionen auf die Straße zu tragen. Zum Protest hatte ein breites Bündnis aus der Friedensbewegung, den Gewerkschaften, sowie linken und revolutionären Organisationen aufgerufen.

 

Bündnisse und Aktionen im Vorfeld

 

Schon in den Wochen vor dem Gelöbnis ging das Kalkül der verantwortlichen Politiker und Militärs, mit dem militaristischen Spektakel den Rückhalt der Bundeswehr in der Bevölkerung zu stärken und indirekt für die aktuellen Auslandseinsätze zu werben, nicht auf. Selbst die Berichterstattung der bürgerlichen Medien war fast durchweg von den geplanten Gegenaktivitäten durchzogen. Dafür gesorgt hatten drei Aktions-Bündnisse, die zu verschiedenen Protest- und Widerstandsaktionen aufriefen. Insbesondere die Ankündigung des Blockade-Bündnis, das Gelöbnis verhindern zu wollen, sorgte für Wirbel quer durch alle bürgerlichen Parteien und Medien. Verschiedene Aktivitäten im Vorfeld unterstrichen dabei die Notwendigkeit gegen imperialistische Kriege aktiv zu werden. Sie reichten von Kundgebungen mit Infotischen und Stellwänden, über die Besetzung der Kirche, in der als Teil des Gelöbnis der Militärgottesdienst stattfand und einen Flashmob auf der Königstraße, bis hin zu einer Farbbeutel-Attacke in Nürtingen gegen den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag.

 

Aber auch die Seite der Militaristen war aktiv: Journalisten und Bundeswehrsprecher waren bemüht, eine breite Zustimmung zu diesem militaristischen Ereignis herbeizureden und die Proteste zu diskreditieren. Auch Ordungsamt und Polizei taten das ihrige um den Widerstand zu behindern, so wurden AnmelderInnen von Kundgebungen unter fadenscheinigen Begründungen abgelehnt und u.a. alle Transparente über drei Meter Länge verboten.

Protest und Widerstand am 30. Juli

 

Der Tag selbst begann für einige AktivistInnen schon um 8 Uhr morgens mit den Blockadekundgebungen. Von verschiedenen Punkten rund um das Neue Schloss aus sollten die wichtigsten Zufahrtswege blockiert werden. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt schon der gesamte Schlossplatz mit Absperrgittern abgeriegelt und standen hunderte Polizisten aus vier Bundesländern bereit. Da außerdem fast alle Rekruten schon bis 10 Uhr, also zwei Stunden vor Beginn ihrer Generalprobe um 12 Uhr, in die Innenstadt gebracht wurden und die Blockade-Kundgebungen vor 11 Uhr von noch zu wenigen AktivistInnen besucht waren, konnten zu dieser Zeit noch keine größeren Blockaden durchgeführt werden.

Die frühzeitige Anfahrt der Bundeswehr-Fahrzeuge ging dennoch nicht reibungslos über die Bühne: AktivistInnen führten fernab der Innenstadt ab dem frühen morgen Aktionen auf den Anfahrtswegen durch. So wurden laut verschiedenen Berichten und Pressemitteilungen vor allem in Bad Cannstatt (dort ist die einzige Kaserne im Stadtgebiet) brennende Mülleimer auf die Straßen gezogen und an Zufahrtswegen Bundeswehrfahrzeuge mit Krähenfüßen und Rauchbomben angegriffen.

Als ab dem Vormittag nach und nach immer mehr AktivistInnen in der Innenstadt eintrafen, gelangten etwa 300 AntimilitaristInnen mit einer Spontandemo bis vor die St. Eberhardskirche wo der Gelöbnis-Gottesdienst stattfinden sollte. Nachdem der Versuch, in die Kirche einzudringen scheiterte, kam es hier zu einer Sitzblockade. Bei der folgenden Räumung der Blockade und der umstehenden AktivistInnen kam es zu Rangeleien mit den polizeilichen BFE-Einheiten, bei denen zunächst Festnahmen verhindert werden konnten. 60 Menschen die sich an der Sitzblockade beteiligten, wurden allerdings kurz darauf, teilweise äußerst brutal, festgenommen und bis zum Abend festgehalten.

 

Trotz umfangreicher Kontrollen und einer zeitweisen Totalsperrung der Königstrasse kamen im Verlauf des Mittags immer mehr DemonstrantInnen zum Schlossplatz um das militaristische Spektakel zu stören. Auch wenn es aufgrund des enormen Polizeiaufgebots und der Absperrungen nicht möglich war, direkt an den Ort des Gelöbnisses im Innenhof des Neuen Schlosses heranzukommen, sorgten die etwa 1000 AntimilitaristInnen lautstark dafür, dass die Reden von Ministerpräsident Mappus und Co., sowie das eigentliche Gelöbnis, durch Parolen und ein Pfeiffkonzert immer wieder gestört wurden. Auch die Versuche der Polizei gegen die lautstarken Proteste vorzugehen, sowie die Musikinstrumente einer lautstarken Samba-Band zu beschlagnahmen, änderten daran nichts.

Am Nachmittag führten schließlich noch etwa 80 AktivistInnen zum Ende der Proteste eine Demonstration in der Innenstadt durch. Begleitet von Böllern, Bengalos und lauten Parolen, zogen sie vom Feuersee über die Silberburg- und Marienstrasse in Richtung Rotebühlplatz, wo sich die Demo, bevor die von überall her anrückenden Polizeieinheiten sie einkesseln konnten, auflöste.
Darüber hinaus wurde noch während dem Gelöbnisgottesdienst um die Mittagszeit ein CDU-Büro im Stuttgarter Westen mit Farbbeutel attackiert. Am Abend wurde das Kreiswehrersatzamt im Stuttgarter Norden ebenfalls mit Farbe angegangen. Schon zwei Tage zuvor wurde das selbe Amt in Nürnberg, aus Solidarität mit den Protesten in Stuttgart, eingefärbt.

Fazit


Die Mobilisierung gegen das öffentliche Gelöbnis in Stuttgart und die Aktionen rund um den 30.Juli waren in weiten Teilen ein Erfolg. Sie haben auch verschiedene wichtige Aspekte, die für zukünftige antimilitaristische Aktivitäten von Bedeutung sind, aufgezeigt:

Es wurde deutlich, dass offensive antimilitaristische Mobilisierungen die Herrschenden und Militaristen verschiedener Couleur in die Defensive bringen können. Politiker, Militärs und bürgerliche Journalisten waren gezwungen sich zu bemühen, dem Widerstand seine Legitimität abzusprechen und das Agieren der Bundeswehr und ihre imperialistischen Kriegen zu rechtfertigen. Nicht das Abfeiern der Bundeswehr stand im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, sondern die Proteste dagegen. Dass eine Handvoll FDPler unter Polizeischutz, zwischen 1000 AntimilitaristInnen, mit Schildern ihre Solidarität mit den deutschen Soldaten ausdrückte, war ein bescheidener Versuch, außerhalb der Absperrungen militaristische Positionen präsent zu machen. Die noch aus Zeiten des Kalten Krieges stammende Phrase, die Ministerpräsident Mappus in seinem Auftritt zum besten gab, „die Bundeswehr“ schütze „auch diejenigen die gegen sie protestieren“, verdeutlichte allenfalls die argumentativen Schwierigkeiten der Militaristen. Auf eine steigende Zustimmung stießen hingegen die antimilitaristischen Positionen. Bei einer Online-Umfrage der Stuttgarter-Zeitung, sprachen sich z.B. fast 60% gegen das Gelöbnis aus.

Es hat sich aber auch gezeigt, wie viel im Bereich Antimilitarismus noch zu tun ist. So wurde die Durchführung des Gelöbnisses zwar immer wieder gestört und Bundeswehr und Polizei konnten nur durch enormen logistischen Aufwand und die zeitliche Vorverlegung der Anfahrt verhindern, dass das Blockadekonzept richtig greift. Dennoch waren es letztlich zu wenige, um das Gelöbnis zu verhindern. Dies muss für die Zukunft jedoch das Ziel bleiben.
Der Teil der Bewegung, der versucht den Widerstand gegen Militarisierung und imperialistische Krieg mit dem Klassenkampf hier und einer den Kapitalismus überwindenden revolutionären Perspektive zu verbinden, ist hierbei zumindest auf dem richtigen Weg: Mit mehr als zehn Mobilisierungsveranstaltungen in ganz Baden-Württemberg, zehntausenden Flugblättern, Plakaten und Aufklebern, sowie organisierten Anfahrten aus mehreren Städten, konnten etwa 500 Menschen, und damit die Hälfte der DemonstrantInnen, von revolutionären Gruppen und AktivistInnen mobilisiert werden.

 

Wir haben zwar noch einen weiten Weg vor uns, um eine antimilitaristische und antikapitalistische schlagkräftige Bewegung aufzubauen, die Notwendigkeiten und Möglichkeiten sind jedoch vorhanden: Immer mehr Menschen lehnen Aufrüstung und imperialistische Kriege ab. So wächst die Anzahl derer, die gegen den Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan sind und stellen sich immer breitere Kreise der Bevölkerung gegen die massiven Versuche der Kriegstreiber an Schulen, Agenturen für Arbeit oder allgemein an öffentlichen Plätzen Werbung für sich und ihre Politik zu machen. Darauf gilt es aufzubauen. Antimilitaristische Aktivitäten müssen dabei aber auch vermitteln, dass die Ursache imperialistischer Kriege im Kapitalismus liegt, dass nur die Schaffung einer befreiten Gesellschaftsordnung ohne Profitstreben und Klassenherrschaft ein Ende von Kriegen und die Verschwendung von Ressourcen für Waffen ermöglichen kann.

Leisten wir weiterhin und konsequent Widerstand gegen militaristische Veranstaltungen! Lasst uns die Kriegstreiber bei der Nato-Sicherheitskonferenz im Februar in München nicht ungestört ihr Treffen abhalten! Bekämpfen wir die Bundeswehr bei ihren Werbeauftritten auf Festen, Messen, in Schulen, Betrieben und Arbeitsagenturen!

Feuer und Flamme der Bundeswehr!
Kapitalismus abschaffen!

 
Bericht bei Indymedia:
http://linksunten.indymedia.org/de/node/23668

Ein weiterer Bericht inkl. Links zu Presseberichten etc.:
http://linksunten.indymedia.org/de/node/23724

Bericht vom Bündnis für Versammlungsfreiheit:
http://linksunten.indymedia.org/de/node/23825

Bericht des Ermittlungsausschusses:
http://de.indymedia.org/2010/07/287003.shtml
 
Aufruf Revolutionärer Gruppen und Infos zur Mobilisierung:
http://www.kriegstreiberblockieren.blogsport.de

Webseite des breiten Bündnisses, das die Kundgebung in der Innenstadt organisierte:
http://www.gelöbnix-stuttgart.de

Revolutionäre Aktion Stuttgart
http://www.revolutionaere-aktion.tk

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert
Pressemitteilung Nummer 7 | Stuttgart | 29.07.2010

JU kritisiert Gelöbnis-Gegner

 

Gelöbnis ist Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft - Bilger: Soldaten brauchen unsere Unterstützung - Öffentliche Gelöbnisse auch in anderen Städten gefordert Die Junge Union (JU) Baden-Württemberg reagiert mit Unverständnis auf die Kritik linker Gruppierungen am Gelöbnis junger Rekruten am morgigen Freitag in Stuttgart. „Die Bundeswehr hat ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft - und deswegen gehört ein Gelöbnis auch mitten in die Landeshauptstadt“, so JU-Landeschef Steffen Bilger. Für die Junge Union sei ein öffentliches Gelöbnis Ausdruck der Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft und gleichzeitig ein deutliches Zeichen der Unterstützung für unsere Soldaten.

Die Junge Union könne sich daher auch in Zukunft mehr öffentliche Gelöbnisse in Baden-Württemberg vorstellen. „Ich glaube viele Städte und Gemeinden kämen für ein solches Bekenntnis zu unseren Soldaten und den Werten einer wehrhaften Demokratie in Frage“, so Bilger. Der Einsatz der Bundeswehr sowohl im Inland bei Katastrophen als auch das Engagement für Frieden und Stabilität im Ausland verdienten die volle Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger. „Die jungen Männer und Frauen im Einsatz riskieren ihr Leben, um unsere Sicherheit zu gewährleisten“, betont Bilger. Die überzogene Kritik der Gelöbnis-Gegner offenbare nicht nur mangelnde Sachkenntnis, sondern lasse auch jeglichen Respekt für die Leistungen der Wehrpflichtigen und Soldaten vermissen. Die Gegner des Gelöbnisses müssten sich fragen lassen, ob sie im Vergleich zu den Soldaten je einen ähnlich wertvollen Beitrag für unsere Gesellschaft erbracht hätten.

 

 

In diesem Sinne, es gibt noch einiges zu tun - Kriegstreiber auf allen Ebenen und mit allen Mitteln angreifen!

Gibt es auch ein Foto von dem alamierenden Bild als in einer Reihe hinter der Absperrung abwechselnd Feldjäger und Polizisten standen während davor Demonstrantinnen von Polizisten bedrängt wurden?