[Aachen] Anti-Knast-Aktionstag

Freiheit für Alle!

+++ Aktionstag gegen eine geknastete Gesellschaft +++ Kundgebung und Infostand in der Innenstadt +++ Bambule am Knast +++ Reaktionen von Gefangenen +++

Am 19. Juni fand im deutschsprachigen Raum ein Aktionstag unter dem Motto „Gegen eine geknastete Gesellschaft“ statt. Einige Gruppen folgten dem Aufruf und organisierten in mehreren Städten Aktionen, so auch in Aachen.

 

Um 12 Uhr wurde in der Aachener Innenstadt ein Infostand mit einem vielfältigen Angebot an Infomaterial aufgebaut. Es konnte sich u.a. über das Anti-Knast-Netzwerk „Anarchist Black Cross“, staatliche Repression und Überwachung, sowie Solidaritätsstrukturen, wie die „Rote Hilfe“ informiert werden. Leider stieß der Infostand bei den Passant_innen auf verhältnismäßig wenig Beachtung. Nichtsdestotrotz gab es vereinzelte Diskussionen zum angesprochenen Thema, in denen darauf hingewiesen wurde, dass weniger die sofortige Abschaffung von Knästen, als vielmehr eine perspektivische Veränderung der Gesellschaft angestrebt wird, sodass Knäste nicht mehr gebraucht werden. Um nicht nur visuell, sondern auch akustisch in Erscheinung zu treten, wurde eine Kundgebung abgehalten, an der sich ca. 15 Menschen beteiligten. In der Rede, der einige wenige Passant_innen zuhörten, wurde neben dem Hauptthema Knast auch auf staatliche Überwachung, staatliche rassistische (Abschiebe-)Praxen, Psychatrien und kapitalistische Verwertungslogik eingegangen. Das Anliegen der Knastgegner_innen wurde durch ein Transparent mit der Aufschrift „Solidarität mit allen kämpfenden Gefangenen!“ unterstrichen.

 

Nachdem die Kundgebung beendet worden war, machte sich eine Handvoll Knastgegner_innen noch auf den Weg zur JVA Aachen an der Krefelderstraße. Dort wurde zunächst am Besucher_innenparkplatz ein Grußwort des in der JVA Bruchsal inhaftierten Thomas Meyer-Falk verlesen. Anschließend zog mensch mit Parolen wie „Freiheit für alle Gefangenen!“ und „Solidarität mit kämpfenden Gefangenen!“ zum Eingang der JVA. Über ein Megaphon wurden immer wieder Durchsagen an die Inhaftierten gemacht. Es wurde allen kämpfenden Gefangenen Solidarität erklärt und ihnen Mut gemacht, dass sie in ihrem Kampf für bessere Haftbedingungen, bzw. im Kampf gegen das Knastsystem nicht aufgeben sollen. Zudem wurde erneut ein Transparent mit der Aufschrift „Solidarität mit allen kämpfenden Gefangenen!“ hochgehalten. Auf dem Weg zum Haupteingang kamen mehrere Gefangene an die Fenster ihrer Zellen und zeigten sich durch Winken und Rufe erfreut über die Solidaritätsaktion. Nachdem auch vor dem Eingang Parolen wie „Gegen Knast und Hierarchie! Für die Freiheit! Für die Anarchie!“ gerufen wurden, ging es über die Krefelderstraße auf den Eulersweg, wo an einem Nebeneingang der JVA bis zum Beginn des Regens lautstark auf sich aufmerksam gemacht wurde. Zudem wurde explizit der anarchistische Genosse Gabriel Pombo Da Silva, der seit vielen Jahren in Aachen im Knast sitzt, gegrüßt. Es bleibt zu hoffen, dass die Grüße ankamen.

 

Alles in allem ist es traurig, dass lediglich 15 Menschen am Aktionstag in Aachen teilnahmen und dass so wenige Passant_innen den Infostand genauer in Augenschein nahmen. Wir ziehen die – leider nicht neue – Erkenntnis aus dem heutigen Tag, dass das Thema Knast innerhalb der Mehrheitsgesellschaft, aber auch in der radikalen Linken noch immer ein marginalisiertes ist. Hoffentlich wurde heute ein – wenn auch kleiner – Stein ins Rollen gebracht, der die radikale Linke mehr für die Problematik des Wegsperrens und der Strafe sensibilisiert.

 

In diesem Sinne:
Herrschaftskritk braucht Knastkritk!
Gegen Knäste!
Freiheit für Alle!


Weiterführende Informationen:
Autonome Antifa Aachen
ABC Berlin
Autonomes Knastprojekt Köln
Gefangenen info
Interessenvertretung Inhaftierter
No Prison No State
Strafvollzugsarchiv

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Knast bedeutet Unterdrückung, Kontrolle, Ausbeutung und Ausgeliefertsein. Strukturelle Gewalt ist Teil unserer Gesellschaft. Auf ihr beruht unser Rechtssystem. Kein Wunder also, dass sie auch vor den Toren der Knäste keinen Halt macht und sich in Form von individueller Gewalt, wie Misshandlungen und sexualisierter Gewalt, entlädt. Schließer_innen nehmen innerhalb dieses Systems eine entscheidende Rolle ein. Sie sind Teil der internen Hierarchien und verhalten sich entsprechend. Sie wissen, dass sie in ihrer Position Macht über Menschen haben und nutzen diese auch aus. Es gibt immer wieder Übergriffe durch Angestellte der Vollzugsanstalten. Sei es aus reinem Frust, rassistischer Motivation oder im Sinne der Aufstandsbekämpfung. Schließer_innen sind, genau wie der Justizapparat und die Polizeibehörden Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.

Weltweit sitzen Millionen Menschen hinter Gittern. Ein großer Teil wird auf Grund von Eigentumsdelikten, wie z.B. Diebstahl oder Raub, weggesperrt, also wegen angeblicher Vergehen, die sich bewusst oder unbewusst gegen die Eigentums- und Verwertungslogik des Kapitalismus wenden. Andere können sich die Miete nicht mehr leisten oder landen wegen mehrmaligen Schwarzfahrens im Bau. Nach wie vor ist der Knast auch ein Mittel zur Zerstörung von Bewusstsein für die eigene Lage. Äußere soziale Kontrolle, wie etwa durch Ämter und Behörden, macht eine bessere Überwachung und Disziplinierung nach der „Entlassung“ möglich.

Migrant_innen leiden besonders unter dem Druck der globalen Sicherheitsgesellschaft. Viele von ihnen sterben schon bei dem Versuch Europa oder die USA zu erreichen. Jene, die es schaffen, die hochgerüsteten Grenzen zu überwinden, werden innerhalb dieser verfolgt, in Lagern inhaftiert und erkennungsdienstlich behandelt. Gedemütigt und zum Teil schwerst traumatisiert, warten sie nun auf ihre Abschiebung in bittere Armut oder den sicheren Tod. Auch Todesfälle vor oder während der Abschiebung sind keine Seltenheit. Den Menschen, die die globalen Krisen am meisten zu spüren bekommen, bringt dieses Vorgehen mit so genannter „Sicherheit“ ein Leben in Angst, Verfolgung und Gefangenschaft.

Neben den Gefängnissen für „übliche“ so genannte Kriminelle gibt es auch noch jene Zwangsanstalten für so genannte „irre“ Menschen, die Psychiatrien. All zu oft wird völlig ohne zu hinterfragen in „normal“ und „abnormal“ eingeteilt. Präventiv wird alles was an der Hülle unserer heilen Welt kratzt durch Medikamentierung oder Therapie ruhig gestellt. Unbequemes wird auch hier eingesperrt und weggeschlossen. In einer Welt in der die Schließer_innen ihre Uniformen gegen die subtileren weißen Kittel des Anstaltspersonals tauschen, ist Kritik schwierig und stößt oft auf taube Ohren. Doch gerade wir als Knastgegner_innen sollten diese Form des Wegsperrens in unserer Kritik nicht unberücksichtigt lassen.

Der Knast, in Form von Zellenhaft, trifft also nicht nur solche, die sich ausdrücklich als politische Aktivist_innen verstehen. Oft gibt es gut funktionierende Solidaritätsstrukturen, die betroffene Menschen, besonders aus linken Kreisen, vor einer Inhaftierung bewahren. Dies ist auch gut so, aber es kann dazu führen, dass schnell vergessen wird, welche Logik hinter diesen Gebäuden aus Stahl und Beton, hinter der Symbiose aus Architektur und Autorität steht. Der Knast ist als Teil eines System des Disziplinierens mittels Strafe zu verstehen auf dem sich unsere Gesellschaft aufbaut. Er ist Ausdruck der Herrschaftsverhältnisse in denen wir leben. Disziplinierung und Selbstdisziplinierung, durch Angst vor Strafe, hält uns in den normierten Bahnen der Verwertung fest. Von den Fabriken, Schulen und Universitäten bis zu den Krankenhäusern, alle produzieren. Die einen Waren, die anderen Wissen, die nächsten Gesundheit, bzw. Krankheit. Hierbei sind, wie bereits erwähnt, Architektur und Überwachung eng mit Autorität und Strafe verknüpft.

Ein Blick über den eigenen Tellerrand, z.B. in die Organisationsstruktur von sog. Sweatshops, genügt. Die Zeit der prügelnden Arbeitsaufseher_innen, die durch die Raumaufteilung der Produktionshallen jeder Zeit den Überblick über die Arbeiter_innen haben, ist hier nicht vorbei. Sweatshops sind ein fester Bestandteil globaler Kapitalanhäufung. Bedingt durch menschengemachte Armut und Landflucht hat sich diese Form der Produktion vor allem im globalen Süden ausgebreitet. Ähnlich „unfrei“ und überwacht wie in Haftanstalten, werden die Menschen hier unter unwürdigen Bedingungen und für Hungerlöhne ausgebeutet, gedemütigt und misshandelt.

Aber auch in westlichen Ländern gibt es für Fehlverhalten innerhalb der Produktion eine breite, wenn auch struktureller gehaltene Palette an Sanktionen. Meist erstrecken sich diese über z.B. Mahnungen, Verweise, Streichung von Sozialleistungen, Kündigungen und Rausschmissen. Innerhalb bestimmter sozialer Schichten können diese aber schnell einen weiteren sozialen Abstieg bedeuten. Sie bringen damit eine Spirale in Gang, die die Kluft zwischen arm und reich, privilegiert und unprivilegiert weiter vergrößert. Ein Rückkopplungseffekt ist der Anstieg so genannten Kriminalität. Das System schafft sich sozusagen selbst Anlässe für den weiteren Ausbau von Sicherheit und Kontrolle. Dies ist eine Art von Machtentfaltungsstrategie, welche weniger von bestimmten Personen, als vielmehr von systemischen Eigenheiten hervorgerufen wird.

Die Freude an der freiwilligen Selbstauskunft, besonders der privilegierteren Schichten, via „Web 2.0“ ist eine erschreckende Tendenz der freiwilligen Überwachung. Die europäischen Sicherheitsbehörden haben dies erkannt und wollen die Social Networks, im Rahmen des Stockholmprogramms, für die vorausschauende Kriminalistik nutzen. Auch durch die Gemengelage Terrorismusbekämpfung und Klimawandel wird bei vielen Menschen der Hang zur Selbstkontrolle und die Forderung nach mehr Überwachung, Normen und Gesetzen deutlich. Im Windschatten dieser Entwicklungen ist eine präventive Strategie zur Aufstandsbekämpfungen nicht nur geduldet sondern auch erwünscht. Konzepte wie „Managing Crowds“ sollen helfen, künftig zu erwartende Unruhen möglichst im Keim zu ersticken.

Die Zustände „drinnen“ sind nur die Zuspitzung der Tendenzen „draußen“. Die Realitäten der „zwei Welten“ innerhalb und außerhalb der Mauern ähneln sich zunehmend. Ein Anstieg der Überwachung, der Armut, des Leistungs- und Anpassungsdrucks ist deutlich spürbar und allgegenwärtig. Die bürgerliche Strafgesellschaft richtet sich, gerade in Zeiten der weltweiten „Mehrfachkrisen“ gegen Unterschichten, illegalisierte Menschen und soziale Bewegungen. Die Zahl der so genannten sozialen Häftlinge steigt von Tag zu Tag. Die europäische Sicherheitsarchitektur wird immer weiter ausgebaut. Und fern ab von der Öffentlichkeit schmoren Menschen in Abschiebeknästen. Die Gefängnisgesellschaft ist bittere Realität. Und genau deshalb stehen wir heute hier in Aachen, um unserem Protest gegen dieses menschenverachtende System Ausdruck zu verleihen.

Solidarität mit allen kämpfenden Gefangenen!
Für eine Gesellschaft, in der es keine Knäste mehr braucht!
Es lebe die Freiheit!
In den letzten Wochen trieben die Boulevardmedien das Thema Knast wie die Sau durchs Dorf. Perverse Sexgangster, die angeblich die Bevölkerung bedrohen, sollte man sie frei lassen, Räuber und Totschläger, die nur darauf warten wieder zuzuschlagen.
All das vor dem Hintergrund sinkender Kriminalitätsraten und eines Urteils vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der nämlich im Dezember die BRD daran erinnerte, dass es nicht angehe, in bestandskräftige Strafurteile einzugreifen und aus einer auf 10 Jahre befristeten Sicherungsverwahrung per Gesetzesbeschluss eine lebenslängliche Sicherungsverwahrung zu machen. Letzteres nehmen BILD, RTL und Politiker vom Schlage des Jörg Uwe Hahn (Hessen, FDP) zum Anlass, darüber zu schwadronieren, dass Deutschland eine Demokratie sei und sich gefälligst Strasbourg hier nicht einzumischen habe.
In Niedersachsen möchte ein GRÜNEN-Abgeordneter von der Landesregierung ganz genau wissen, wie es hinter Gittern zugeht, denn er wundert sich, dass trotz sinkender Gefangenenzahlen die Regierung einen Knastneubau nach dem anderen plant. Für seine Anfrage an die Regierung sieht er sich der Hetze der Presse und Knastverwaltungen ausgesetzt. Letztere behaupten frech, ihnen fehle auf Grund detaillierten Anfrage nun die Zeit für die Resozialisierung der Gefangenen, schließlich müssten sie die Anfrage beantworten.
Knast und Gefangene sind Projektionsfläche für eine zunehmend sicherheitsfixierte Gesellschaft; wahrgenommen wird nicht mehr der einzelne Gefangene und sein familiäres Umfeld, sondern er wird als wandelndes Risiko und/oder Monster auf zwei Beinen dargestellt. Diese Entmenschlichung hilft dabei, sich den unzähligen Schicksalen nicht (mehr) zu stellen und auch deren Leid nicht (mehr) anerkennen zu müssen.
Umso wichtiger sind Aktionen wie heute! Sie verleihen den Gefangenen eine Stimme und verdeutlichen, dass es auch Menschen gibt, die für eine Gesellschaft kämpfen, die Knäste nicht nötig hat.

Herzschlagende Grüße aus Bruchsal

Thomas Meyer-Falk
In anderen Städten fanden ebenfalls Aktionen statt: