projektwerkstatt.de zwangsabgeschaltet

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Per richterlicher Anordnung sind vor wenigen Stunden der gesamte Domainbereich der projektwerkstatt.de (von direct-action.de.vu bis biotech-seilschaften.de.vu) abgeschaltet, alle Daten über Verbindungen beim Provider von der Polizei gesichtert und sämtliche Computer und Festplatten des Seiteninhabers im Rahmen einer Hausdurchsuchung in Berlin beschlagnahmt worden. Damit sind über 10.000 Internetseiten politischer AktivistInnen abgeschaltet.


www.direct-action.de.vu
www.biotech-seilschaften.de.vu
www.gentech-weg.de.vu
www.projektwerkstatt.de
www.projektwerkstatt.de/antirepression
www.im-namen-des-volkers.de.vu
www.ak44.de.vu
... und Hunderte mehr!

Alles ist Geschichte.
Per richterlicher Anordnung sind vor wenigen Stunden der gesamte Domainbereich der www.projektwerkstatt.de abgeschaltet, alle Daten über Verbindungen beim Provider von der Polizei gesichtert und sämtliche Computer und Festplatten des Seiteninhabers im Rahmen einer Hausdurchsuchung in Berlin beschlagnahmt worden.

Damit steht die politische Internetplattform der Vielzahl beteiligter Gruppen nicht mehr zur Verfügung. Der Provider wurde gezwungen, die Domain abzuschalten, ohne dass ein Grund genannt wurde. Bislang wird über den Hintergrund nur spektuliert.

Diese Information kommt aus der Projektwerkstatt Saasen. Die Seiten www.projektwerkstatt.de/saasen stellten auch unser Projekt vor. Auch das ist jetzt Geschichte.

Nach den Verboten von gentechnikkritischen Schriften und Veröffentlichungen, dem mysteriösen Verschwinden von www.volker-bouffier.de.vu vor einigen Jahren sorgt der Staat erneut für Zensur. Über 10.000 informative Politikseiten sind damit zur Zeit verschwunden.

P.S. Leider rückte der Provider die Daten widerstandslos an die Bullen heraus heraus, weigert sich aber gegenüber dem Domaininhaber die Informationen und den Beschluss weiterzugeben. Daher liegen leider keine genauen Daten bis jetzt vor und es tritt das typische Problem politischer Organisierung auf, dass die politischen Zusammenhänge selbst imemr auch ein Schwachpunkt der Gegenwehr sind.
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muss ich mir jetzt auch gedanken machen, wenn ich die seite nur ab und zu als besucher aufgerufen habe?

wie kann ich mich schützen?

Naja, du kannst anfangen einen Proxy zu nutzen.

 

Was die Seite angeht: War abzusehen. Wer Bombenbauanleitungen auf einem deutschen Server hostet hat nichts anderes verdient. Fehlende Netzkompetenz.

Hausdurchsuchungsbeschluss wg. projektwerkstatt.de bzw. Prisma

Wie siehts mit Daten-Sicherung aus? Wird die Seite/die Seiten erneut online sein? Gibts irgendwo ein Backup zum download?

 

Bombenbauanleitungen auf deutschem Server, wtf? Seid ihr noch zu retten???

 

nuja, hoffentlich habt ihr nen guten Anwalt...


Klarstellung durch den Provider


Peer 10.06.2010 - 23:30

 

Ein paar Fakten möchte ich (Geschäftsführer des Providers JPBerlin) kurz klarstellen:

@webwatcher: Der Provider ist nicht die "Junge Presse Berlin", sondern die "JPBerlin". Das ist ein Unterschied, seit Mitte der 1990er gehen JPBerlin (http://www.jpberlin.de) und "Junge Presse Berlin" (http://www.jpb.de) verschiedene Wege und haben nichts mehr miteinander zu tun. Bitte haltet die JPB da raus, die hat damit nichts, wirklich nichts, zu tun.

@alle: Soweit behauptet wurde, daß die Staatsanwaltschaft diese Seite "abgeschaltet" hat, ist das nicht richtig. Eine entsprechende Anordnung gab es nicht, diese Information ist falsch.

Kurzfassung:

Richtig ist, daß wir in den Wirren der ersten Stunde uns auf Anraten unseres Anwalts zunächst dazu entschließen mußten (!) die komplette Seite herunterzunehmen, bis klar ist, um welche Teile der Seiten es überhaupt ging und was los ist. Andernfalls würden wir uns dem Risiko aussetzen, daß durch den Weiterbetrieb gegen uns (!) wegen Beihilfe zur Straftat ermittelt wird, da wir ab diesem Zeitpunkt ja Kenntnis davon hatten. Im konkreten Fall handelte es sich auch um durchaus schwere Tatvorwürfe, die nicht als Banalität abzutun waren. Es steht mir als quasi Außenstehender nicht zu, dazu konkretere Details öffentlich zu nennen, aber es ist ja mittlerweile bekannt, um was es sich in den Prisma-Artikeln drehte. Falschparken war's jedenfalls nicht.

Ausführliche Fassung:

Anders als bei solchen Verfahren üblich wurde seitens des Gerichtsbeschlusses uns gegenüber nicht genau bezeichnet, was die konkrete URL war, um die es ging, andernfalls hätte man ganz selektiv sich das betroffene Dokument ansehen können, um den Vorgang zu klären. Da wir vollständig (!) im unklaren waren, worum es überhaupt ging und was der Tatvorwurf war, konnten wir nicht genauer klären, ob wir die Seite rechtlich weiter hosten können, ohne uns selbst strafbar zu machen. Es mag nun jeder selbst entscheiden, ob der ungewöhnlich ungenaue Durchsuchungsbeschluß nun also ein cleverer repressiver Schachzug war, oder einfach nur auf technischer Inkompetenz von Antragsteller und Richter beruht.

Diese Situation ist natürlich extrem ungewöhnlich und heikel: Einerseits laufen wir in Gefahr, daß wir selbst durch das weiter-hosten "Straftäter" werden, andererseits hatten wir als ISP in diesem Fall ungewöhnlicherweise keine Kenntnis vom konkreten Tatvorwurf. Als drittes erhalten wir als ISP, der ja nicht (!) Beschuldigter des Verfahrens ist, auch selbst dann keine Akteneinsicht, wenn wir unseren Anwalt beauftragt hätten. Zusammenfassung: Wir wissen nicht, worum es geht; wir wissen nicht, ob die (vermeindliche) Straftat noch andauert, wir würden uns beim (unwissenden) Weiterbetrieb selbst strafbar machen können und am Ende sind wir als ISP (=Telekommunikationsanbieter) aufgrund verschiedener gesetzlicher Vorschriften (§113 I TKG) sogar zu Stillschweigegen verpflichtet und können mit den eigentlich Beschuldigten gar keinen Kontakt aufnehmen um Details zu klären.

Wie gesagt: Auf Anraten durch unseren Anwalt haben wir ausnahmsweise vorübergehend (!) die Webseite für einige Stunden herunternehmen müssen, bis wir weitere Details in Erfahrung bringen konnten -- da auch ich als Geschäftsführer des ISPs nicht verantworten und riskieren kann, daß am Ende gegen meine eigenen Mitarbeiter aus der IT-Administration strafrechtlich ermittelt wird. Das ist auch kein "vorauseilender Gehorsam", sondern banale (von uns anwaltlich geklärte) Rechtslage.

Nachdem mittlerweile geklärt werden konnte, um welche Teile es konkret ging, haben wir selbstverständlich (!) alle anderen Teile der Webseite umgehend wieder online gestellt, da wir natürlich keinerlei Interesse an einer Abschaltung haben. -Warum sollten wir auch, wir reißen uns dafür (und viele andere Projekte und Kunden) 24/7 den Ar... auf.


Und noch ein paar Details:

Es ist deprimierend, daß in solchen Fällen gleich auf dem Provider rumgehackt und dieser beschimpft ist, der sich eigentlich jahrelang dafür aufgeopfert hat, um das alles möglich zu machen. Soweit uns vorgeworfen wurde, wir hätten "widerstandslos" die Logdaten herausgegeben, so muß man sich mal fragen, was denn bitte "Widerstand" gewesen sein sollte:

*) Körperlicher Widerstand, damit wir am Ende selbst in U-Haft kommen, weil wir die Strafermittlung stören? (Bei aller liebe, aber es hätte vermutlich keine 10 Sekunden gedauert, bis ich den Kabelbinder geknutscht hätte.)

*) Widerstand gegen den formell absolut korrekten Durchsuchungsbeschluß, damit am Ende die gesamte Serverfarm beschlagnahmt worden wäre (das gab der Beschluss nämlich her!)? Dann wäre die Webseite der Projektwerkstatt nicht heute, sondern auch in 18 Monaten noch nicht wieder online gewesen. Und dann wäre nicht nur die Projektwerkstatt für wenige Stunden, sondern viele Tausend unschuldige Kundendomains abgeschaltet gewesen. Und zwar dauerhaft.

Sofern uns Teile der Projektwerkstatt vorwerfen, wir hätten "widerstandslos" die Daten herausgegeben, so muß ich festhalten:

*) es war anwaltlich abgeklärt, daß wir keine andere Chance hatten, als dem Folge zu leisten. Selbstverständlich tun wir in diesen Situationen nichts, wirklich nichts, ohne Rücksprache mit unserem Anwalt.

*) Genausogut sollte sich der Beschuldigte des Verfahrens dann auch mal selbst erklären, warum er "widerstandlos" seine eigenen Computer hat beschlagnahmen lassen, wenn "Widerstand" doch so einfach und offensichtlich ist.

Und am Ende muß man auch mal anmerken:

*) Wir sind technischer ISP, keine kriminelle Vereinigung zur Ausübung oder Deckung von Straftaten. Selbstverständlich gilt für uns deutsches Recht. Weder üben wir vorauseilenden Gehorsam aus und arbeiten den Behörden zu, noch werden wir uns selbst strafbar machen und Ermittlungen stören. Wir tun exakt das, wozu wir rechtlich verpflichtet sind -- andernfalls würde ich selber in den Knast gehen und der ganze Laden würde aufhören, zu existieren. Insofern ist es auch nicht mein Job hier (strafrechtlich relevant) irgendeine Form von "Widerstand" zu leisten. Natürlich leiste ich keinen "Widerstand" um vermeindliche Straftaten (!) zu decken. Wer glaubt, daß derartige Ermittlungen nur politische Repression ist, der muß das mit den Ermittlungsbehörden klären, nicht mit uns. Wir haben auch die Verantwortung, daß viele tausend andere Projekte am Netz bleiben und bei uns einen sicheren Hafen für ihren IT-Betrieb haben und wissen, daß wir alles tun, um sie vor unrechtmäßigem Zugriff zu schützen (auch der wird häufig versucht, scheitert aber bei uns) -- aber eben umgekehrt dann auch am Ende sind, wenn die Rechtslage (Durchsuchungsbeschuß vom Richter) eindeutig ist und keinerlei Handlungsspielraum mehr zuläßt.

Zur politischen Diskussion:

Es ist frustrierend, daß die von solchen Ermittlungen betroffenen Projekte als erstes ausgerechnet gegen ihre Freunde, Partner und Unterstützer wenden, die ihnen jahrelang geholfen haben. Statt sich zu Fragen, wieso die Staatsanwaltschaft und der Richter sowas anordnen und durchziehen können, wird der Provider verprügelt, der zwischen die Fronten geraten ist und definitiv eher als Freund, statt als Feind zu sehen ist. -Vorauseilenden Gehorsam können wir uns hier nicht vorwerfen lassen und meine Jungs haben sich jahrelang dafür aufgeopfert, daß auch solche Webseiten wie die der Projektwerkstatt 24 Stunden am Tag online sind und jeder Wunsch erfüllt wurde.

-Am Ende haben wir sogar treudoof 24 Stunden lang wissentlich die Sperr-Webseite gehostet, auf der wir selbst diskreditiert wurden. -Aber, klar, im Rahmen der Meinungsfreiheit und des politischen Engagements machen wir auch das, wohlwissend, daß das unser Image ruiniert und ggf. auch Kunden kostet.

Aber wenn hier weiterhin Rufmord an uns betrieben wird, so ist das am Ende nur geeignet, daß meine Kollegen und am Ende auch ich keinen Bock mehr haben, unseren Kopf für fremde Inhalte hinzuhalten. Wenn wir am Ende die Vorwürfe unqualifiziert in der "taz" lesen, dann fragen wir uns natürlich, warum wir uns zukünftig dem Risiko der Wiederholung aussetzen sollten und die Projektwerkstatt oder andere derartige Projekte weiterhin hosten sollten -- des Geldes wegen auf jeden Fall nicht. Nicht wegen eventueller Repressionen, Ermittlungen und der auch dadurch für uns entstehenden Risiken und Aufwände, sondern einfach aufgrund der Tatsache, daß man am Ende einen Tritt in den Hintern bekommt.

Am Ende sorgt die Linke also selbst dafür, daß sie keine Unterstützung mehr bekommt. Wer glaubt, daß hinter all dem repressive Staatsanwaltschaft steht, die die Webseiten abschalten will, dem kann ich nur sagen, daß linke Projekte durch solche unbedachten Äußerungen und Rufschändungen in diesen Fällen zunächst selbst am langfristigsten dafür sorgen, daß ihre Webseiten den Bach runtergehen, weil sie ihre Unterstützer zum Teufel gejagt haben. Da können gewisse interessierte Kreise ganz entspannt zuschauen, wie sich die Linke selbst zerfleischt und den Job unter sich klärt. Aus diesem Grunde lege ich durch die unbedacht in die Welt gesetzten falschen Behauptungen über die Hintergründe der Dinge auch Wert auf eine Klarstellung -- auch wenn sich diese Fehlinformationen und unsere Rufschädigung natürlich nicht mehr rückgängig machen lassen, wie beispielsweise der Erwähnung in der "taz".

[Für mich ist die Diskussion durch diese Stellungnahme hoffentlich beendet. Bitte habt Verständnis dafür, daß ich das jetzt nicht tagelang ausdiskutieren kann und will.]

NIXSPAM.p.heinlein@jpberlin.de

Am 9.6.2010 wurde als Reaktion auf staatliche Repression die www.projektwerkstatt.de

abgeschaltet. Am Folgetag konnte – was am 9.6.2010 nicht zu erwarten war – die Seite wieder zugeschaltet werden, weil es nicht, wie zunächst die Informationslage war, einen richterlichen Beschluss der Abschaltung gab. Der folgende Text zeigt die Abläufe nochmals und benennt einige Fragen, die sich aus den Abläufen ergeben.

 

 

Die Abläufe: Wer schaltete die www.projektwerkstatt.de ab und warum?

 

Am 9.6.2010 veröffentlichten AktivistInnen aus der Projektwerkstatt in Saasen, nachdem sie über den Ausfall der über 10.000 Seiten der Internetplattform www.projektwerkstatt.de informiert wurden, einen kurzen Text, in dem unter anderem stand:

 

„Per richterlicher Anordnung sind vor wenigen Stunden der gesamte Domainbereich der www.projektwerkstatt.de abgeschaltet, alle Daten über Verbindungen beim Provider von der Polizei gesichtert und sämtliche Computer und Festplatten des Seiteninhabers im Rahmen einer Hausdurchsuchung in Berlin beschlagnahmt worden.“

 

Diese Einschätzung der Sachlage erfolgte auf dem damals vorliegenden Wissen, welches ziemlich mühsam recherchiert werden musste. Problematisch war vor allem, dass sich der Provider auch gegenüber den direkt Betroffenenen weigerte, Einzelheiten zu der richterlichen Anordnung zu benennen. Wir erfuhren ausschließlich und vage, dass die Abschaltung aufgrund eines richterlichen Beschlusses erfolgte.

 

Diese erste Darstellung war in einem Punkt falsch. Es gab, wie wir heute wissen, keine richterliche Anordnung in Bezug auf www.projektwerkstatt.de. Es gab ausschließlich einen Durchsuchungsbefehl mit dem Ziel, Logfiles und alle datenübertragungsbezogenen Informationen in Bezug auf die www.projektwerkstatt.de zu erhalten. Der Provider hat dann – offenbar auf Anraten des von denen befragten Anwaltes – von sich aus die Seiten gesperrt. Über diese Gründe und Abläufe sind die Betroffenen nicht informiert worden.

 

Im Nachhinein besteht bei NutzerInnen der www.projektwerkstatt.de erhebliche Verunsicherung darüber, dass ein Provider ohne rechtliche Anordnung aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen (die aber nur vage vermutet werden) einen riesigen Internetbereich komplett abschaltet und die davon direkt Betroffenen darüber auch nicht korrekt informiert.

 

Aus der Tatsache heraus, dass der Provider ohne Zwang die Abschaltung selbst veranlasste, folgt selbstverständlich keine Einschränkung der Kritik am Vorgehen der Verfolgungsbehörden, die mit der Hausdurchsuchung beim Domaininhaber, den dortigen umfangreichen Beschlagnahmen von Computern und Computerteilen sowie durch die Datenbeschlagnahme beim Provider ihre Krallen zeigten und die Einschüchterung bewusst in Kauf nahmen, die dann ja auch beim Provider eintrat.

 

 

Weitere Vermutungen über Gründe

 

Im benannten Text wurde zudem formuliert:

 

"Damit steht die politische Internetplattform der Vielzahl beteiligterGruppen nicht mehr zur Verfügung. Der Provider wurde gezwungen, dieDomain abzuschalten, ohne dass ein Grund genannt wurde. Bislang wirdüber den Hintergrund nur spektuliert."

 

Es war also der Stand, dass Informationen über Gründe nicht vorlagen. Es wurde zwei Absätze später darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um die ersten Angriffe auf die www.projektwerkstatt.de handelte. Im Text stand:

 

"Nach den Verboten von gentechnikkritischen Schriften und Veröffentlichungen, dem mysteriösen Verschwinden von www.volker-bouffier.de.vu vor einigen Jahren sorgt der Staat erneut für Zensur. Über 10.000 informative Politikseiten sind damit zur Zeit verschwunden."

 

Beides ist korrekt, war aber keine Behauptung, dass einer dieser beiden Gründe nun auch wieder ausschlaggebend war. Selbst heute, wo als sehr wahrscheinlich gelten kann, dass die Auszüge aus der Zeitung "Prisma" (die gesamte Zeitung war offenbar nie auf der www.projektwerkstatt.de) der Anlass der Repression waren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch andere Gründe die Aktion mit motivierten. Das aber ist reine Spekulation. Es war nicht Ziel, Gerüchte zu streuen.

 

Im Gegenteil: Die Tatsache, dass die Polizei in Berlin die Wohnung des Domaininhabers durchwühlte, wirft ein bizarres Licht auf den davon unabhängigen Maulkorbprozess von Saarbrücken. Dort ging es um die gentechnikkritischen Seiten und es wurde jemand verurteilt, die Internetveröffentlichungen zu unterlassen, obwohl er - wie ja nun die Vorgänge um die Abschaltung von www.projektwerkstatt.de zeigen - nicht Inhaber der Seite ist. Das wusste das Landgericht Saarbrücken auch immer, aber die RichterInnen haben einfach konsequent etwas anderes behauptet, um das politisch gewollte Urteil verhängen zu können. Zensur beruht halt nicht nur immer auf autoritärem Denken, sondern zumeist auch auf Konstrukten und dreckigen Tricks.

Die Seite www.volker-bouffier.de.vu ist jetzt unter www.im-namen-des-volkers.de.vu zu finden.

 

Recherchen und Aufhebung der Abschaltung

 

Wie beschrieben, verliefen die Recherchen über die Gründe der Abschaltung mühselig. Wäre es nicht zu der parallelen Hausdurchsuchung gekommen, in deren Durchsuchungsbeschluss Hinweise auf die Hintergründe zu finden waren, wäre der ganze Fall im Dunkeln geblieben.

 

Nach etlichen Telefonaten und Mithilfe eines Rechtsanwaltes aus Gießen konnten dann die Dinge soweit geklärt werden, dass eine Regelung gefunden wurde, unter der der Provider die www.projektwerkstatt.de mit leichten Änderungen wieder ins Netz holte. Der Staat war an diesen Vorgängen nicht mehr beteiligt (jedenfalls ist davon nichts bekannt).

 

 

Weitere Informationen

 

Nach Wiederzuschaltung der www.projektwerkstatt.de konnten wir anhand der Statistik feststellen, dass es in den vergangenen Tagen zu auffällig häufigem Aufrufen von Textdokumenten kam, die Auszüge aus der vom Staat offenbar wenig geliebten Zeitung „Prisma“ kam. Wer diese Abrufe tätigte, ist unbekannt.

 

Es spricht also, obwohl ein hundertprozentiger Nachweis immer noch fehlt, vieles dafür, dass die Jagd der Repressionsbehörden nach Veröffentlichungsorten oder eventuell auch nach dem ErstellerInnen der hübschen Broschüre Auslöser der Repression waren.

Wahrscheinlich technisch zu erklären wäre, dass php-Programmierungen nicht betroffen waren. Dieses war zunächst nicht bekannt, so dass z.B. www.gentech-weg.de.vu entgegen den Erwartungen doch am Netz geblieben war.

 

Inzwischen liegt auch eine aufklärende Stellungnahme des Providers als Kommentar unter der Erstveröffentlichung vor. Eine zusätzliche Kommentierung erscheint nicht nötig. Es gab nie Kritik daran, dass der Provider keine Prügelei mit der Polizei angezettelt hat u.ä. Es gab und gibt aber sehr wohl Kritik daran, die www.projektwerkstatt.de abzuschalten - noch dazu ohne vorherigen Kontakt zu den Betroffenen - und auch jetzt noch darzustellen, dass dieses alternativenlos war. Dass ausschließlich auf dem Provider rumgehackt wurde, ist von hier auch nicht nachzuvollziehen. Es ist unklar, wann und wo dieses geschehen sein soll. Möglicherweise sind beim Provider selbst Beschwerden eingegangen. Den NutzerInnen von www.projektwerkstatt.de ist das dann aber unbekannt, so dass nicht einzuschätzen ist, woher die Wahrnehmung kommt. Allerdings besteht nach der hiesigen Einschätzung tatsächlich die Notwendigkeit, die Abläufe aufzuarbeiten. Die Angst, dass plötzlich wieder eines Tages die Seiten einfach weg sein können, ist seit dem 9.6.2010 schlicht da. Ob das auch bei anderen, die ihre Seiten beim gleichen Provider haben, der Fall ist oder ob sich dort AkteurInnen wegducken oder ausreichend weit mit dem Staat verbrüdert fühlen, ist erstaunlicherweise völlig unklar. Wir AktivistInnen, die die www.projektwerkstatt.de nutzen, würde uns über einen Dialog darüber freuen - auch bei bestehendenbleibenden Meinungsunterschieden, das ist kein Kriterium. Die Formulierung des Providers am Ende der Stellungnahme, schon jetzt nicht mehr weiterdiskutieren zu wollen, beruhigt aus dieser Sicht natürlich nicht.

 

 

Reaktionen im Umfeld

 

Die Nachricht der Abschaltung von www.projektwerkstatt.de verbreitete sich relativ schnell. Es gab einige solidarische Aktionen – positiv erwähnt sei zum Beispiel das schnelle Angebot einiger GentechnikaktivistInnen, die Gentechnikseiten der www.projektwerkstatt.de (z.B. www.biotech-seilschaften.de.vu und www.gendreck-giessen.de.vu) auf anderen Seiten hochzuladen und der Versuch eines anderen Providers, die www.projektwerkstatt.de zu spiegeln (will heißen: ein zweites Mal zugänglich zu machen). Das wäre alles gerne in Anspruch genommen worden und so auch gelaufen, wenn dann nicht die schnelle Wiederzuschaltung der www.projektwerkstatt.de erfolgt wäre.

 

Neben diesen einzelnen solidarischen Aktionen gab es aber bemerkenswert viele bedenkliche Reaktionen:

  • Kommentare z.B. auf Indymedia, Mails und Anrufe bezichtigten ausgerechnet die Opfer der Abschaltung des „Selbst schuld“. Gemeint war, dass wer staatskritische Sachen veröffentliche, auch mit dem Ärger von dort rechnen müsse. Zum Teil war das mit Hinweisen verknüpft, Internetseiten lieber ins Ausland zu legen. Das ist ein sinnvoller Tipp – aber bedeutet die ausschließliche Orientierung darauf, Politik so zu gestalten, dass mensch nicht angreifbar ist, auch erhebliche Einschränkungen der Handlungsmöglichkeiten.

  • Die www.projektwerkstatt.de liegt absichtlich bei einem politischen Provider, der zumindest beim Start des Ganzen mal Teil politischer Bewegung war. Es ist immer Stil vieler AktivistInnen aus dem Umfeld gewesen, öffentliche Auseinandersetzungen auch zu führen – und sich nicht wegzuducken. Das wäre auch hier sinnvoll. Der Umgang des Providers ist aus dieser Perspektive erschreckend. Nicht nur die dortige Angst und die sofortige Reaktion des Wegduckens beunruhigt, sondern vor allem der Umgang mit Informationen. Das schwächte auch die Handlungsmöglichkeiten anderer.

  • Noch problematischer scheint das Nichtverhalten aller anderen, die beim gleichen Provider liegen. Es gab nur einen Anruf eines Nicht-Entscheidungsträgers einer anderen Gruppe, die beim gleichen Provider liegt. Tatsächlich haben sehr viele politische Gruppen dort ihre Internetseiten. Auf den entsprechenden internen Listen gab es keinerlei Debatte. Es gab auch keinerlei Kontakt zu Mitwirkenden rund um die www.projektwerkstatt.de. Es muss also davon ausgegangen werden, dass Desinteresse oder Wegducken durch die ganze politische Bewegung reichen. Das war zu erwarten, aber ist nicht erfreulich. Stattdessen wäre dringend notwendig, aus den beschriebenen Abläufen heraus zu diskutieren, wie in Zukunft mit solchen Vorgängen umgegangen werden soll – und wie Abläufe so zu gestalten sind, dass die Kommunikation besser läuft und Reaktionen möglich sind, die allen Beteiligten, also z.B. auch dem Provider, den Eindruck vermitteln, nicht mehr als nötig bedroht zu sein.

  • Einige Reaktionen richteten Vorwürfe gegen die Personen, die sich um die Rettung von www.projektwerkstatt.de kümmerten. Einige befanden sogar die Abschaltung als verständlich, weil ja böse Schriften zu finden waren. Das ist ein bemerkenswerter Umgang mit möglichen Meinungsverschiedenheiten. Jenseits der Frage, was mensch von Schriften wie der vom Staat ungeliebten „Prisma“ hält, ist es unerträglich, dass statt interner kritischer Debatten der Schwerthieb des Staates als akzeptabel eingestuft wird.

  • Andere kritisierten bestimmte Informationsweitergaben. Dabei wurden auch Informationen Dritter denen angehängt, die an der Rettung der www.projektwerkstatt.de arbeiteten. Es war gut sichtbar, wie schnell hier Entsolidarisierung stattfand, wie unsauber selbst recherchiert wurde, um ausgerechnet denen, die gerade mit schlechten Informationsflüssen kämpften, damit die Unterstützung zu versagen. Auch hier hat sich gezeigt: JedeR ist sich selbst der nächste. Solidarität kennt in der deutschen politischen Bewegung keine Praxis. Denn der Wert von Solidarität besteht in der Bedingungslosigkeit bei Abwehr herrschaftsförmiger Angriffe. Das sagt nicht, jenseits dieser eine kritische Debatte über Positionen und auch über die Praxis offener Plattformen.

http://www.projektwerkstatt.de