G20: Massenmilitanz und „revolutionäre Gewalt“

G8 Rostock
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Die Gipfelproteste, um die Jahrtausendwende und in den folgenden Jahren, haben die Linke enorm geprägt. Das lag unter anderem auch an den unterschiedlichen Aktionsformen, die dort aufeinanderprallten.

 

In Prag, Göteborg oder Genua kam es zu so massiven Straßenkämpfen, wie schon lange nicht mehr: In Prag musste der IWF-Gipfel abgebrochen werden, in Göteborg wurde ein Aktivist angeschossen und in Genua gipfelten die tagelangen Kämpfe in der Ermordung Carlo Giulianis durch die Polizei.

Diese mit großer Entschlossenheit geführte Straßenmilitanz wurde längst nicht von allen Teilen der Bewegung getragen. Vorwürfe, welche die eigentlichen Anliegen der Proteste zu überlagerten, Distanzierungen von den „Gewalttätern“, waren ebenso wie ein solidarisches Aufeinanderzugehen der verschiedenen Spektren, die Folge und begleiten ähnliche Anlässe bis heute.

In den Diskussionen um angemessene Aktionsformen rund um Großereignisse wie Gipfelproteste, aber auch bei anderen Anlässen, dominiert meist auf allen Seiten die Vorstellung, dass es einen grundsätzlichen Widerspruch gäbe zwischen dem Anspruch möglichst viele Menschen – auch medial – mit den eigenen kritischen Inhalten zu erreichen und militantem – gemeint ist meist gewaltsamen – Vorgehen gegen die Gipfel, ihre Infrastruktur oder die Staatsmacht.

Spätestens seit der Kampagne Block G8 2007 in Heiligendamm, gibt es außerdem eine als „Kompromiss“ verstandene Aktionsform des massenhaften geringfügigen Überschreitens des legalen Rahmens oder „zivilen Ungehorsams“, worauf wir später noch eingehen werden.

 

Tatsächlich ist dieser Widerspruch auch vorhanden:

Offensive schwarze Blöcke, die sich Straßenkämpfe mit den Bullen liefern, laden Un- oder Wenig-Politisierte in der Regel nicht gerade zum Mitmachen ein. Sie befördern meist eine rein negative Berichterstattung in den bürgerlichen Medien und natürlich ist die Repression nach Auseinandersetzungen mit der Polizei schärfer und kann immer auch die „friedlichen“ Teile der Bewegung treffen. Andererseits ist es richtig, dass bürgerliche Medien einem antikommunistischen Grundkonsens folgend, ohnehin über substanzielle Kritik hauptsächlich negativ oder eben gar nicht berichten; dass nur weil niemand Steine wirft, sich nicht unbedingt größere Teile der Bevölkerung den Protesten anschließen und dass die Beschränkung auf rein legale Aktionsformen die Beteiligten häufig mit einem Gefühl der Ohnmacht zurücklässt.

 

Entweder oder? Sowohl als auch!


Für eine revolutionäre Linke, die ihren Anspruch ernst nimmt, kann es naturgemäß in dieser Frage kein „entweder...oder“ geben. Es gilt diesen Widerspruch zwar zu beachten, aber mit dem Ziel ihn aufzulösen. Denn selbstverständlich ist der revolutionäre Bruch mit dem Kapitalismus und der Aufbau einer neuen, sozialistischen Gesellschaft nicht lediglich mit einer kleinen bewussten Minderheit zu machen, sondern nur durch die gemeinsame Aktion großer Teile der Klasse der Lohnabhängigen. Wir müssen uns daher einerseits um Aktionsformen bemühen, die es uns ermöglichen mit der übergroßen Mehrheit derjenigen, die kaum oder gar nicht politisiert sind, in Kontakt und über niederschwellige Angebote möglichst auch in die gemeinsame Aktion zu kommen. Das kann durchaus auch bedeuten, in bestimmten Situationen revolutionäre Agitation kurzfristig hinten anzustellen und beispielsweise kämpferische Aktionen der Gewerkschaften zu unterstützen, wenn diese die Entstehung von Klassenbewusstsein befördern.

Ebenso deutlich ist, dass dieser Bruch nicht ohne die Gegenwehr der herrschenden Klasse von statten gehen wird. Denn die Herrschenden haben bisher noch nie gezögert eine substanzielle Bedrohung ihrer Macht notfalls im Blut zu ersticken. So wie sie auch heute in der BRD jederzeit bereit sind Polizeigewalt gegen lediglich oppositionelle Bewegungen einzusetzen.

Revolutionäre Gegengewalt – mindestens aber die Möglichkeit sie anzuwenden – wird also, spätestens wenn sich die Machtfrage konkret stellt, notwendig sein.

Militanz – eine Haltung, die den legalen Rahmen des bürgerlichen Systems nicht zu ihrem Handlungsmaßstab macht – ist hierfür eine Vorbedingung. Sie muss dabei nicht unbedingt Straßenkampf oder revolutionäre Gewalt beinhalten, schließt sie aber eben auch nicht aus.

Auch in Situationen, in denen nicht unmittelbar der Sturz des Kapitalismus auf der Tagesordnung steht, können militante Aktionen – von der Herausgabe einer unzensierten Zeitung, Farbaktionen, Angriffen auf Nazis und Bullen, Brandanschlägen, Sabotage, bis hin zum bewaffneten Kampf – bezogen auf die Entwicklung von Klassen- und revolutionärem Bewusstsein, eine wichtige Rolle einnehmen.

Sie können mobilisierend wirken, insofern sie in der Lage sind, ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Totalität kapitalistischer Herrschaft zu durchbrechen, möglichst anschlussfähig sind, das Lager der Gegner umreißt und so aufzeigt wo die Trennungslinie zu den Profiteuren und Schergen des Systems verläuft und im besten Fall die nächste Etappe des Kampfes (direkt oder symbolisch) aufzeigen.

Eine Festigung revolutionärer Organisierungen kann ebenso eine Folge sein, wenn es gelingt dem Repressionsdruck mit der richtigen Anpassung der Strukturen standzuhalten. Darüber hinaus können militante Aktionen andere Kampfformen verstärkend ergänzen. So konnten beispielsweise die Aktionen der frühen Roten Brigaden – häufig Brandstiftungen an Autos des Managements oder stundenweise Entführungen von Führungskräften – in einer Zeit als die Betriebsrepression zunahm, den Kämpfen der ArbeiterInnen in den norditalienischen Großbetrieben neue Räume eröffnen.

 

Gegenmacht aufbauen!


Die Frage, ob Militanz generell sinnvoll ist oder nicht, kann sich von vorneherein also nicht stellen, wenn wir den Bruch mit diesem System als Maßstab anlegen – oder wir beispielsweise auch nur ernsthaft den Spielraum reaktionärer Bewegungen einschränken wollen.

Welche Aktionsformen richtig sind und welcher Grad an Militanz angemessen ist, lässt sich immer nur aus der Analyse der historischen Situation in der wir uns befinden, beantworten. Die konkrete, aktuelle Problemlage mit der man sich konfrontiert sieht, sowie Entwicklung der linken und revolutionären Bewegungen spielen auch eine wesentliche Rolle: Ganz grob umrissen, ist es spätestens mit dem Ausbruch der Krise 2009 auch in den kapitalistischen Zentren nicht mehr möglich, die gesellschaftlichen Widersprüche zu überdecken. Massenarmut in Südeuropa, riesige Niedriglohnbereiche und Prekarisierung, sowie hunderttausende Menschen, die vor den, von den imperialistischen Mächten angeheizten, Kriegen in eben diese Länder fliehen, um nur einige Beispiele zu nennen. Sozialstaatliche Instrumente sind kaum mehr in der Lage diese Widersprüche abzufedern und werden zudem kontinuierlich abgebaut. Eine objektiv revolutionäre Situation, in der nur der Bruch mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise einen Ausweg darstellt, ist immer mehr vorhanden. Zumindest in der BRD ist aber die subjektive Seite, also die bewussten Kämpfe gegen die kapitalistische Ordnung und die organisierten Kräfte, die in diesen Kämpfen wirken, nach wie vor unterentwickelt.

Auf die Ebene der Aktionsformen runtergebrochen, ist die Zeit für den bewaffneten Aufstand objektiv längst reif, während – etwas überspitzt formuliert – die subjektive Seite gerade die nächste Nachttanzdemo organisiert. Wir sehen daher die zentrale Aufgabe, die sich revolutionären Linken in der BRD momentan stellt darin, die subjektive Seite, den objektiven Notwendigkeiten anzunähern. Das bedeutet auf verschiedenen Ebenen Gegenmacht gegen die Macht von Staat und Kapital zu entwickeln. Ideologisch, indem wir der kapitalistischen Ellenbogenmentalität, Solidarität und Klassenbewusstsein entgegensetzen. Kulturell, indem wir dem Zwang jede soziale und künstlerische Aktivität zu verwerten, einen eigenen Kulturbegriff entgegensetzen. Politisch, indem wir revolutionäre Organisationen aufbauen, die in der Lage sind, Orientierung zu bieten. Und eben auch auf der Ebene der Militanz. Denn in diesem Bereich erst aktiv zu werden, wenn die Notwendigkeit dazu auch einem Großteil der Bevölkerung klar ist, heißt mit Sicherheit zu verlieren. Wie in jedem anderen Bereich politischer Arbeit, müssen auch hier Erfahrungen gesammelt werden, muss ausprobiert und langsam, Stück für Stück, Gegenmacht aufgebaut werden.

Unser Anspruch ist dabei, weder völlig am Bewusstseinsstand großer Teile der Bevölkerung und Klasse vorbei (mit möglichst krassen Aktionen) vorzupreschen, noch darauf zu warten bis die ArbeiterInnen selbst zum Gewehr oder Stein greifen.

 

Streetwars


In diesem Kontext haben sicher verschiedene militante Aktionsformen, z.B. Kommando-Militanz oder Sabotageakte, eine Bedeutung. Eine besondere kommt jedoch dem Straßenkampf zu.

Denn nicht nur bei Gipfelprotesten spielt Massenmilitanz eine Rolle, sondern in jeder halbwegs zugespitzten Situation des Klassenkampfes. So war der – ja in der Sache defensive – Widerstand gegen die Reform des Arbeitsrechts in Frankreich letzten Sommer, von massiven Straßenschlachten begleitet, die nicht nur von militanten Linken, sondern von zehntausenden SchülerInnen, StudentInnen und beachtlichen Teilen der GewerkschaftsaktivistInnen getragen wurden. Gleiches gilt für zahlreiche Streiks in Griechenland, in Italien, die Gezi-Park-Proteste in Istanbul und viele weitere Kämpfe, in denen die schroffen Widersprüche ihren Ausdruck im Kampf mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Barrikaden gegen die Polizei gefunden haben. Allein das wäre also ein Grund dieses Feld nicht zu vernachlässigen und wie andere politische Bereiche auch strukturiert zu bearbeiten.

Aber auch in weniger zugespitzten Situationen wird, wer den Straßenkampf organisiert, quasi automatisch mit gewissen Formen der verdeckten Organisierung, sowie mit persönlichem Risiko und den Möglichkeiten damit umzugehen konfrontiert. Wenn es gelingt, sich an diesen Erfahrungen zu entwickeln und sie in struktureller Form weiterzugeben, so entwickeln sich Fähigkeiten, die es erlauben von der abzusehenden Heftigkeit künftiger Kämpfe nicht überrollt zu werden (statt wie meist von der Bewegungsdynamik einerseits und der Repression andererseits).

 

Doch Massenmilitanz in ruhigeren Zeiten ist viel mehr als bloße Vorbereitung auf kommende Kämpfe: Sie ist eine kollektive Widerstandserfahrung, eine Erfahrung, die nach Innen in die Bewegung und nach außen für alle sichtbar zeigt, gewillt und fähig zu sein, den unmittelbaren Konflikt mit der Staatsmacht einzugehen. Diese Bereitschaft zum Konflikt vermittelt sich zwar nicht immer automatisch von alleine, kann aber meist trotz aller Hetze in den bürgerlichen Medien kaum verschwiegen werden. Denn revolutionäre Gegenmacht wird hier sehr konkret. Für alle sichtbar entstehen – nicht abstrakt in der Theorie, sondern physisch und konkret – Räume, die vom Gegner nicht mehr ohne weiteres kontrolliert werden können. Wenn Polizeiketten durchbrochen werden, der Staat einen Naziaufmarsch aufgrund der militanten Gegenwehr nicht durchsetzten kann, ArbeiterInnen in Frankreich mit brennenden Reifen den Zugang zu Raffinerien und Kraftwerken lahmlegen oder in Istanbul ganze Viertel mit Barrikaden, Steinen und Molotow-Cocktails verteidigt werden, dann ist nicht entscheidend, ob der Repressionsapparat am Ende doch militärisch überlegen ist und sich durchsetzt – denn hier bekommt die Ohnmacht gegenüber den täglichen Zwängen des Systems Risse, scheint kurz die eigene Stärke, die Möglichkeit von Widerstand und Veränderung auf.

Das gilt auch für die zu erwartenden Auseinandersetzungen beim G20 in Hamburg:

Sicher zeichnet sich bereits ab, dass die Strategen im Innenministerium die Gelegenheit nutzen möchten, um im großen Stil Aufstandsbekämpfung zu trainieren. Darauf weist auch das immens hohe Polizeiaufgebot von über 13.000 Bullen, inklusive aller möglichen Spezialeinheiten und schwerem Gerät beim OSZE-Gipfel im Dezember hin, das aufgefahren wurde, obwohl absehbar war, dass größere Proteste ausbleiben würden. Die Warnungen doch nicht blind in diese Falle zu tappen, sind daher vom Grundsatz her richtig und eine besondere Wachsamkeit dahingehend ist sicher angebracht. Andererseits kann ein solcher Gipfel in einer Millionenstadt, auch für uns ein Trainingsfeld im urbanen Raum sein, das wir nutzen können um den oben skizzierten Ansprüchen gerecht zu werden.

 

Damit das gelingt und nicht die Repression und Differenzen innerhalb der Linken dominieren, müssen – wie wir meinen – die Militanten sich an gewissen Kriterien orientieren. Wir denken das sind für den Straßenkampf mindestens folgende:

 

1. Militanz muss sich möglichst sofort erschließen, lange Zeit für Erklärungen und vermittelnde Texte bleibt auf der Straße kaum. Die Angriffsziele sollten also möglichst klar und deutlich sein; Bullen, Faschisten, bürgerliche PolitikerInnen und einige kapitalistische Symbole wie Banken, müssen nicht erst lange erklärt werden. Unsere Erfahrung ist, dass sich dies mit anderen Symbolen, die für viele Linke für Staat und Kapital stehen, ganz anders verhält. Wenn Bushaltestellen wegen der dort befindlichen Werbetafeln zertrümmert werden, wird das von den meisten Menschen schlicht als Zerstörung von nützlicher Infrastruktur, auf die sie mitunter angewiesen sind, wahrgenommen.

 

2. Keine Gefährdung Unbeteiligter! Es ist der Kapitalismus, seine Profiteure und Schergen, die rücksichtslos vorgehen, nicht wir. Sie sind es, die bei Hartz VI noch Sanktionen verhängen, so dass das Essen knapp wird und die Wohnung kalt bleibt. Es ist die Polizei, die rücksichtslos abschiebt und Zwangsräumungen durchführt. Unsere Aufgabe ist die Menschen in diesen Alltagserfahrungen zu bestärken und mit unseren Aktionen aufzuzeigen, dass wir an ihrer Seite stehen. Wenn die brennende Barrikade auch den mühsam abbezahlten Kleinwagen der Anwohnerin einschließt, kann dieses Bemühen schnell zunichte gemacht werden. Ähnlich verhält es sich, wenn Böller aus einer Demo geschmissen nicht das Bullenspalier, sondern interessierte PassantInnen treffen.

 

Gleiches gilt für ein unnötig martialisches oder pöbelndes Auftreten, das häufig eher den eigenen Hang zum Mackertum befriedigt, als den politischen Charakter der Aktion zu unterstreichen.

 

3. Um den ersten beiden Punkte gerecht zu werden, um auf bisherigen Erfahrungen aufzubauen und auch um die nötige Schlagkraft zu entwickeln, muss Straßenmilitanz vorbereitet werden. Nur so können unüberlegte Aktionen vermieden werden und kann kollektiv erkannt werden, was politisch Sinn macht und was nicht. Dazu braucht es einerseits Strukturen, die sich nicht nur anlassbezogen zusammenfinden und andererseits auch – trotz der Schwierigkeiten und Risiken – eine breitere Diskussion über Ziele und Inhalte von konkreten militanten Aktionen.

 

Entscheidend ist die Vielfalt


Wenn es gelingt allen hier skizzierten Ansprüchen an eine militante Praxis gerecht zu werden, mit ihr zu mobilisieren, Bewusstsein zu bilden, die eigenen Strukturen zu entwickeln und zu festigen und somit auf kommende Kämpfe besser vorbereitet zu sein, so ist damit dennoch nur ein Schritt im komplexen und vielschichtigen Prozess, die revolutionäre Seite aufzubauen, gegangen. Wir wollen mit diesem Text nicht den Eindruck erwecken, wir würden Militanz anderen Formen politischer Aktivität vorziehen oder sie grundsätzlich als wichtiger bewerten. Es geht uns nur darum zu verdeutlichen, dass revolutionäre Gegengewalt und ihre Vorbereitung weder auf eine unbestimmte Zukunft verschoben werden sollte und somit real aus der eigenen Praxis ausgeklammert wird, wie dies bei zahlreichen kommunistischen Organisationen gehandhabt wird, noch nur als Sache der individuellen Motivation, der persönlichen Wut behandelt werden darf, was ihren konkreten Ausdruck und die Entwicklungsrichtung in der Regel dem Zufall oder manchmal sehr kleinen Gruppen überlässt.

 

Letztlich gibt es keine „richtigen und falschen“ Aktionsformen. Es kommt immer auf die konkreten Bedingungen im konkreten Fall an, welches Mittel als sinnvoll und welches als ungeeignet erscheint. Pauschalisierungen in die eine oder andere Richtung, resultieren meist aus der Bequemlichkeit eine solche Analyse zu vermeiden. Um die kapitalistischen Verhältnisse zu stürzen, die keineswegs eindimensionale, sondern sehr vielfältig wirkende Herrschaftsmechanismen nutzen, werden wir aber nicht drum rum kommen, eine vielfältige, gut überlegte, keine Mittel ausschließende Praxis anzuwenden.

 

Dabei ist klar: „Die Waffe der Kritik, ersetzt nicht die Kritik der Waffen!“

(ein rheinländischer Trinker und Kettenraucher)

 

P.s.:


Auch beim G20 in Hamburg wird es wieder große Aktionen geben, die den Anspruch haben sowohl massentauglich und anschlussfähig, als auch grenzüberschreitend zu sein. Unter dem Label des „massenhaften zivilen Ungehorsams“ werden meist große Menschenblockaden, manchmal ergänzt durch (symbolische) Barrikaden verstanden. Der Rahmen, in dem der bürgerliche Staat Protest zugesteht, wird dabei an einigen Stellen überschritten – allerdings ohne dass von den Aktiven offensive Angriffe auf das staatliche Gewaltmonopol oder kapitalistische Symbole ausgehen würden. Es wird versucht die Polizei zu „um- oder durchfließen“.

Ohne Zweifel hat dieses, vor allem von der IL vertretene, Konzept seine Berechtigung und Verdienste: Nach den massiven Auseinandersetzungen mit teils tödlichem Ausgang bei den Gipfelprotesten um die Jahrtausendwende, war die globalisierungskritische Bewegung tendenziell wieder am Abflauen.

Viele waren durch die massive Polizeigewalt abgeschreckt und 2005 beim G8-Gipfel in Schottland gelang es u.a. dem britischen Premierminister Tony Blair im Verbund mit KünstlerInnen wie Bono weitgehend den Protest unter dem entpolitisierenden Motto „Make Poverty History“ zu vereinnahmen.

In dieser Situation konnte das Konzept des „massenhaften zivilen Ungehorsams“ in Form der Kampagne Block G8 in Heiligendamm die eingetretene Lähmung überwinden, zahlreiche AktivistInnen neu oder wieder auf die Straße bringen und was am Wichtigsten ist: Die politische Deutung der Ereignisse wieder dem Gegner entreißen.

Zumindest bei Großereignissen können dieser Aktionsform und ihren VertreterInnen der Erfolg also nicht abgesprochen werden. Problematisch wird es, wenn die Weiterentwicklung ausbleibt. Denn spätestens in Dresden 2010 und 2011 hat sich gezeigt, welches Potenzial in den Massenblockaden steckt, wenn sie sinnvoll an einigen Stellen zum direkten Straßenkampf weiterentwickelt werden oder solche Mittel ergänzend hinzutreten.

 

Positionen, die dies verhindern oder von vorneherein nur räumlich völlig getrennt zulassen wollen, behindern nicht nur eine Weiterentwicklung der Praxisformen, sondern auch die damit einhergehende Entwicklung des Bewusstseins der Beteiligten.

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Habe vor Kurzem von italienischen Genoss*innen empfohlen bekommen: Emilio Lussu - Theorie des Aufstands. Kann man zwar in vielen Punkten mit der heutigen Zeit nicht mehr vergleichen, ist aber trotzdem als Einmaleins für Demogeher*innen emfpfehlenswert!

Theorie des Aufstands ist das Einmaleins für verkappte Leninisten und andere autoritären Strategen, die davon träumen die Proleten herumzulotzen und Gegenmacht aufzubauen. 

Ihr meint mit dem letzten Satz:

in Eure Richtung??

 

Ansonsten vielen Dank für die komplexen und reflektierten Überlegungen,

auch wenn ich sie gar nicht teile...

naja, Carlo ist am 20 Juli ermordet worden. das war definitiv nicht der Gipfel da die Repression mit Folter und Missbrauch von Gefangenen und der Stürmung der Diaz-Schule weiterging der Mord ist in Termini der Repression sicher das Heftigste was an Terror gegen uns geschah, dennoch ging die Repression immer weiter, obwohl es sogar schon einen Toten unter uns gab, nahmen sie weitere physische und psychische Schäden in Kauf...