Time to Act? - Kritik am Wohlfühlantifaschismus

fragezeichen

Vom 20.-23. April findet auch dieses Jahr wieder der antifaschistische Jugendkongress Time to Act in Chemnitz statt. Auffallend ist auch dieses Jahr, dass die thematische Ausrichtung des Kongresses in die inhaltslose Beliebligkeit driftet. Die brennden Fragen, die in Sachsen und ganz besonders auch Chemnitz eine Rolle spielen werden kaum benannt. Gerade mal ein Vortrag zu Anarchosyndikalismus und Organisation auf dem Land gibt es. Das steht einer Mehrzahl an Themen gegenüber die sich vor allem mit den Komfortzonen linken Szenedaseins beschäftigen: Abstrakte Awarnessgrüppchen über ein „Recht auf Rausch“, Sexismus und das Einrichten von Solipartys sowie ein Streifen von den allgemeinen, linken Themen wie etwa, dass man als linke Szene den Staat und Polizei doof findet. Wer hätte das gedacht? Auf einem linken Kongress?

 

Ich bin so … überrascht.

 

Wichtiger als das sich ankündigende Wohlfühlkasperletheater auf Frontalunterrichtsniveau bei denen sich alle brav vom Workshop-Pädagogen die Welt erklären lassen sind die Fragen, die nicht gestellt werden. Etwa warum Chemnitz als – und da brauchen wir uns nix vormachen – rechte Szenestadt zehn Jahre den NSU beherbergen konnte ohne das es jemand gemerkt hat. Das Rathaus leugnet, ebenso die Polizei und unter chemnitzer Linken ist es maximal ein „Oh ups, na sowas!“, was einem entfleucht. Dabei ist die Stadt Chemnitz seit Jahrzehnten fest etabliert in den rechten Netzwerken. Von hier aus wurden nachweislich große Teile des NSU organisiert, hier gab und gibt es täglich etwas zu erleben, dass man Rechtsterrorismus nennt, hier hat sich ein brandgefährliches Netzwerk aus Nazis, Rockerbanden, Mafiastrukturen und Polizei gebildet. Chemnitz, Rockern und dem Blood and Honour Netzwerk kommen eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung der Droge Crystal Meth zu. Chemnitz ist der größte Umschlagplatz in Ostdeutschland. Über den drogenhandel finanzierten sich große Teile der rechten Netzwerke, die sich zunehmend militarisieren und milizartig in den Stadtteilen auftreten. All das scheint bei Time to Act jedoch keinerlei Bedeutung zu haben. Ganz im Gegenteil, es wird sich mit einer Ignoranz gegenüber der alltäglichen Realität in Sachsen in den eigenen Wohlfühlstrukturen gesonnt, dass es einem graut. Eine Frage sei erlaubt: Was genau nützen Einhörner, Glitzerstaub, Arwarness-Wohlfühl-Grüppchen, wenn 50 schwer bewaffnete Nazis mit Unterstützung der Polizei vor deiner Tür stehen und nichts anderes als deinen Tod wollen? Denn darum geht es schlicht und einfach; das Überleben. Es geht nicht darum das Nazis doof sind und das man als Linker mal wieder allen anderen die Welt erklärt, es geht um ganz praktische Fragen. Was wollt ihr tun, wenn sie vor eurer Tür stehen? Umziehen, ins hippe Leipzig, wie mir das immer ganz schlaue Antifas öfters schon vorgeschlagen haben? Sorry, hier in Chemnitz gibt es kein Szeneviertel in das man sich zurückziehen kann und dort Burgherr über sein eigenes Ghetto spielt. Die linke Szene in Chemnitz ist marginal, deshalb ist ja auch dieses Kongress hier und nicht in Leipzig oder Dresden, was an sich schon mal ein gutes Signal ist, aber wenn man dann nichts anderes bringt als die ewigen Themen, die schon seit 30 Jahren kaum noch einen interessieren und alles in Selbstbeweihräucherung und Partisanenromantik erstarrt und man sich vehement weigert die unschöne Realität anzuerkennen, dass viele hier nur Utopie spielen, während sie in ihren eigenen Vierteln nicht mehr wissen, ob sich nicht auf dem Weg zur Straßenbahn von einem Trupp rechter Schläger aufgegriffen werden und den nächsten Tag erleben.

 

Woran liegt es also, dass sich so fundamental geweigert wird auch gerade in dieser Stadt den Terrorismus zu benennen und dagegen anzugehen? Und sagt jetzt nicht, der Kongress sei dafür nicht der richtige Ort. Wenn nicht hier, wo denn dann, bitte? Und ja, wenn man manche Wohlfühlantifas fragt, dann ist ja nie der richtige Zeitpunkt, weil man grad noch zur Uni muss, das Bier warm wird oder der Urlaub dazwischen kommt. Deshalb fokusiert man sich auf Großevents wie den G8 – lässt sich halt schöner im Terminkalender eintragen. Bloß kein tägliche Auseinandersetzung mit den eigenen Widersprüchen und praktischer Hilfe. Am Ende muss man noch was machen.

 

- Fauli

 

 

Weiterführende Links:

 

http://neuemilitanteform.blogsport.de/

 

http://neuemilitanteform.blogsport.de/2017/04/06/time-to-act-kritik-am-w...

 

http://neuemilitanteform.blogsport.de/pdfs/

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Hallo Fauli,

ich halte es für fatal, dass du Sexismus derart bagatellisierst, obwohl es eine der Diskriminierungsformen ist, welche die allermeisten Menschen auf alltäglicher Basis erleben. Die Einteilung in Produktionsarbeit und (minderbewerteter und - bezahlter) Reproduktionsarbeit sind zentrale Pfeiler kapitalistischer Gesellschaftsordnung & Sozialisation. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, in wie vielen Bereichen letztere und ihre Zwänge wirken, ist Grundlage für die Entwicklung emanzipatorischer Ansätze. Kämpfe müssen intersektional geführt werden - gerade von einer radikalen Linken, die den Anspruch hat erhebt, nicht nur eine marginale, elitäre Szene zu sein.

Der JuKo soll ein Raum zum (Kennen)lernen, Vernetzen und Diskutieren sein. Mir erschließt sich nicht, woher dein Bild vom dogmatischen Frontalunterricht kommt. Es gibt sogar eine Diskussionsrunde explizit zum Thema Schulkritik.

Der Kongress richtet sich an Jugendliche, entsprechend ist natürlich auch die inhaltliche Ausrichtung. Das Thema Militanz wird diskutiert und es gibt verschiedene Workshops zum Thema Selbstschutz auf Aktionen, digital und in physischen Auseinandersetzungen. Was erwartest du denn, was so eine Veranstaltung sonst noch leisten soll?

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der rechten Strukturen findet statt, allerdings nicht explizit mit der chemnitzer Szene, sondern allgemeiner gehalten (siehe IBund radikale Rechte in Europa).

Die Gruppe Avocado hat ein umfangreiches Outing des sog. "Rechten Plenums" veröffentlicht. NSU und aktuelle rechte Strukturen in der Stadt wurden u. a. auch auf der Antifa-Demo am 05.03.17 thematisiert und skandalisiert.

Deine Kritik ist in ziemlich polemischen Stil gehalten und macht z. T.  ziemlich gewagte Unterstellungen. Wenn mensch sich tagtäglich mit aller möglicher Kack scheisse rumschlagen muss, sollte auch mal ein bisschen Wohlfühlen erlaubt sein. Ich halte  das sogar für elementar!

MsG

Der Linksradikalen fehlt heute die Polemik. Nein, alles soll schön verdaulich empirisch belegt sein damit es in die nächste Klausur passt, bloß nicht anecken, bloß nicht nachdenken, sondern immer schön mitlaufen, mitmachen. Keine kritischen Fragen stellen, schon gar nicht der eigenen Bewegung mal lauthals auf die Finger klopfen, sondern klatschen, applaudieren, auch wenn es nix zu applaudieren gibt. Bravo! Jetzt können wir wieder Einhörner streicheln gehen und Glitzer verstreuen. Die Linke nährt sich ja Themen nur noch in dadaistischer Form und das einzige, was man wirklich noch ernst zu nehmen scheint ist der eigene Drogenkonsum und die neusten Modewörter der "Szene (TM)". Inhaltlich passiert da schon langfe nix mehr.

 

Der Sänger von FFS meinte mal so schön: Wenn das einzige was läuft nur noch die VoKüs und Soli-Partys sind, dann haben wir ein ernsthaftes Problem.

Natürlich sollen kritische Fragen gestellt werden und natürlich soll ein Diskurs stattfinden.

Drogenkonsum und Soliparties werden in den Debattenbeiträgen aus Münster, Wien, Leipzig und Berlin behandelt.

https://linksunten.indymedia.org/en/node/205855

Was du hier veranstaltest, ist die Verharmlosung von Sexismus und das gleichzeitige Zeichnen eines Bildes, das nicht der Realität entspricht.

Du scheinst wirklich keine Ahnung zu haben, was abgeht und was nicht.

Klar gibt es  Faschos in der 31. Hundertschaft, beim CFC, im Stadtbild und im Stadtrat, die Leuten, die ihnen nicht passen, das Leben schwer machen.

Das hier ist, was in Chemnitz passiert: https://linksunten.indymedia.org/de/node/209303, https://linksunten.indymedia.org/en/node/206130

und nicht die Untergangsszenarien, die du herbeiphantasierst.

Hier soll in keinster Weise negiert werden, wie beschissen die Zustände in Chemnitz und in Sachsen generell sind.

Diese Probleme gilt es gemeinsam anzugehen, nicht als kleiner, versprengter Haufen elitären, identitären Szene-Schmutzes.

Der Sänger von TSS meinte mal so schön: Und du weißt das wird passier'n, wenn wir uns organisier'n!

Allein machen sie dich ein.

Und SVEinheiten bilden sich nicht, indem wanna be - Antagonist*innen Indymedia aus dem "Underground" (sic!) zuspamen.

fauli bringt wenigstens etwas Würze in die Diskussion.

Und da die URA, the future is unwritten und Prisma für die Ausrichtung des Kongresses mit verantwortlich zeichnen, wird man Fauli wohl kein offenes Ohr geben

Die Antwort lautet Kongress-Gurellia. xD