Thailand: Falsche Sympathie mit den Schlächtern von Bangkok

Panzer gegen Demonstranten: Die Regierung Abhisit schlug den Protest der Rothemden gewaltsam nieder
Erstveröffentlicht: 
20.05.2010

Ein unschöner Ton der Erleichterung ist in der westlichen Berichterstattung auszumachen, seitdem Thailands Regierung durchgreift. Aus Bangkok kommentiert Georg Blume.

  • Von Georg Blume
  • Datum 20.5.2010 - 12:44 Uhr

 

Viele Bilder und Berichte aus Bangkok erwecken jetzt einen völlig falschen Eindruck: Als hätten hier in den vergangenen Tagen allgemeines Chaos und Bürgerkrieg gedroht. Richtig ist: Chaos und Bürgerkrieg drohen in Thailand erst jetzt, nachdem Elitesoldaten der thailändischen Armee das Feuer auf zum allergrößten Teil friedliche Demonstranten eröffneten und ihren über Wochen gewaltfreien Protest blutig niederschlugen. Damit hat die thailändische Putschregierung unter Premierminister Abhisit Vejjajiva den Konflikt mit der demokratischen Opposition der Rothemden auf eine Art und Weise brutalisiert, die eine Rückkehr zur Demokratie in Thailand in weite Ferne rückt.

 

Erstaunlicherweise aber sieht der Westen den Konflikt bisher in einem ganz anderen Licht. Sogar in der gewöhnlich tadellosen BBC-Berichterstattung schlich sich ein Ton der Erleichterung ein, obwohl die Bilder des Senders zeigten, wie das thailändische Militär auf fliehende Demonstranten schoss. Doch man war offenbar froh, dass in Bangkok endlich wieder Ruhe einkehrte.

 

Das lässt sich leicht nachvollziehen. Die Demonstranten hielten über zwei Monate lang just jenen Stadtteil besetzt, in dem das westliche Leben in Bangkok stattfindet. Rund um die S-Bahnstation Chit Lom, wo die Demonstranten ihr improvisiertes Hauptquartier aufgeschlagen hatten und auf einer großen Bühne über Wochen ein unterhaltsames, aber lautes Protest- und Musikprogramm lieferten, liegen die wichtigsten westlichen Botschaften. Hier befinden sich die großen westlichen Luxushotels, die Börse samt den Büros der westlichen Finanzanalysten und die Regionalbüros vieler westlicher Medien.

 

Der Protest machte das Leben der Anwohner unbequem. Die Regierung stellte dem gesamten Viertel den Strom ab, auf der Straße türmten sich Müllberge. Nur durfte das die politischen Beobachter eigentlich nicht davon ablenken, dass die Proteste der Rothemden mit wenigen Ausnahmen bis zur ihrer gewaltsamen Niederschlagung äußerst friedlich und diszipliniert verliefen.

 

Noch am Dienstag dieser Woche konnte man unbehindert durch die behelfsmäßigen Reifen- und Bambusbarrikaden der Demonstranten spazieren. Hinter ihnen campierten Tausende einfacher Bauern aus den Hochburgen der Rothemden im Norden Thailands. Sie hatten ihre Strohmatten, ihre Kochgeräte und ihr Essen mitgebracht. Die Hälfte von ihnen waren Frauen und Kinder. Sie tanzten noch am Tag vor ihrer gewaltsamen Vertreibung zur Volksmusik auf der Bühne, zum Lied ihrer Bewegung:  "Wir sind die Rothemden, wir wollen Gerechtigkeit, wir wollen Demokratie. Gebt uns Gerechtigkeit und Demokratie!" sangen sie. Es war das erste Mal in der thailändischen Geschichte, dass eine so große Zahl von Bauern nach Bangkok gezogen war, um demokratische Rechte einzufordern.

 

Doch der größte Teil der internationalen Öffentlichkeit glaubte den Demonstranten nicht. Man sah in ihnen die manipulierte Masse des ehemaligen thailändischen Premierministers Thaksin Shinawatra, der heute im Exil weilt und die Medien gerne mit Mutmaßungen über einen kommenden Guerillakrieg in Thailand bedient.

 

Thaksin ist tatsächlich eine Schlüsselfigur der Revolte, doch nicht als ihr aktueller Befehlshaber, sondern als ihr historischer Führer. Er schaffte 2001 den ersten demokratischen Machtwechsel in Thailand und wurde 2005 mit Dreifünftel-Mehrheit im Parlament wiedergewählt.

 

Thaksins demokratische Machtfülle bescherte ihm 2006 den Putsch der Militärs und eine dubiose Gerichtsverurteilung zu zwei Jahren Haft wegen Korruption, der er das Exil vorzog. Die Putschisten änderten daraufhin die Verfassung, konnten die anschließenden Wahlen 2007 aber trotzdem nicht gewinnen. Also ließen sie die Partei der Rothemden verbieten, zwangen eine weitere Partei, das Lager der Rothemden zu verlassen, und konnten so 2008 endlich eine dem Anschein nach demokratisch legitimierte Regierung unter Premier Abhisit aufbieten. Kritik aus dem Ausland, geschweige denn Protest, gab es nicht. Thailand schien wieder normalisiert: mehr königliche Militärdiktatur als Demokratie. Aber es so war es ja immer schon gewesen, bevor Thaksin kam.

 

Bezeichnenderweise äußerte sich der deutsche Botschafter in Thailand noch kürzlich sehr positiv über Premierminister Abhisit, der jetzt – nach über 60 erschossenen Demonstranten in sechs Wochen – als Schlächter von Bangkok gelten muss. Doch Abhisit repräsentiert den asiatischen Politikertyp, wie ihn sich der Westen wünscht: ausgebildet an amerikanischen Universitäten, intellektuell brilliant, fließend im Englischen, wohlerzogen. Thaksin dagegen verkörperte den Anti-Typen: chinesischabstämmig, ohne akademischen Abschluss, von Haus aus Polizist. Ein Bulldozer. Aber die meisten Thailänder verehrten ihn. Daran ließ das Wahlergebnis von 2005 keinen Zweifel.

 

Inzwischen ist es dennoch stark verkürzt, die Rothemden als Thaksin-Truppe darzustellen, wie es das Putschregime Abhisits immer noch versucht. In Wirklichkeit fand sich in den vergangenen Wochen auf Bangkoks Straßen ein viel breiteres Demokratiebündnis zusammen: Viele Menschen aus der urbanen Mittelschicht der Hauptstadt unterstützen die Forderungen der Bauern aus dem Norden Thailands nach Neuwahlen. Nur die Elite hielt wirklich dagegen: Königshaus, Regierung, Militär, große Unternehmer und die kontrollierten Medien.

 

Wie es weitergeht, ist völlig offen. Die Regierung in Bangkok appelliert jetzt an die buddhistische Kultur der Thailänder, an ihren Sinn für Ausgleich und Harmonie. "Thailänder sind allgemein sehr freundlich. Die Ereignisse sind für uns sehr uncharakteristisch", sagt Regierungssprecher Panitan Wattanayagorn. Aber vielleicht täuscht er sich da.

 

Eine Regierung, die nie gewählt wurde und auf ihr eigenes Volk schießen lässt, hat möglicherweise selbst die Geduld der freundlichen Thailänder aufgebraucht. Der Westen aber muss sich endlich entscheiden, auf welcher Seite seine Sympathien liegen. Der scheinbar so komplizierte Konflikt zwischen Rothemden und den Geldhemden der Regierung ist alles andere als undurchschaubar. Die vergangenen Tage haben das gezeigt. 

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Der Artikel wurde in der Zeit fast einhellig als katastrophal schlecht recherchiert und einseitig bezeichnet! Bitte mal selbst nachlesen. Georg Blume. Setzen. Ungenügend!

Dieser Artikel in der Zeit ist für mich eine einzige Enttäuschung. Ja, es ist schlimm, Geschichtsfälschung. Jeder Satz, der hier veröffentlicht ist, stimmt nicht. Abhisit ist weder Schlächter, noch hat er die Revolution angeführt, den Verbrecher Thaksin zu stürzen. Ein Mann, der über Jahre seine Regierung zusammengekauft hat, der vor seiner Wahl bereits rechtskräftig verurteilt wurde und der erst durch seine Wahl dem Knast entronnen war. Schon damals zusammengekaufte Mehrheiten. Dieser Artikel von Georg Blume hätte nie in einer "Zeit" erscheinen dürfen. Dieser Agitator sollte, nach Überprüfung der Tatsachen, sofort entlassen werden. Dieser Artikel schadet der "Zeit" unendlich. Ich werde sie nie mehr kaufen!!!

 

 

Axel Grohnke

Kajüte 7

23569 Lübeck 

 

axelgrohnke@gmail.com

z.Zt. in Phuket//Thailand 

recht haben Sie herr grohnke. es ist zu tiefst schockierend dass eine ehemals angesehene zeitschrift wie die zeit im übrigen nicht nur diesen einen katastrophalen artikel abdruckt, sondern die ganze zeit sich mit den roten terroristen solidarisiert hat. tragisch.

noch schlimmer finde ich allerdings dass die allerschlechteste berichterstattung, von Ihnen richtig als geschichtsfälschung bezeichnet, durchs band in den linken medien stattfindet. es gab mal eine zeit wo die linken nicht einfach jedes gewäsch nachplapperten sondern hinterfragten. mittlerweile sind sie als genau so übel einzustufen wie die rechtsextremen. das bedauert einer der den linken immer näher gestanden ist als den rechten. in thailand gibt es diese unterscheidung übrigens praktisch nicht mehr. obwohl die rote terroristenbewegung und die meisten ihrer befürworter ultrarechts sind gibt es durchaus auch viele linke darunter, die aus romantischer demonstrationssolidarität mit den roten gehen - oder einfach weil sie in ihrer einfalt denken rot ist gleich links. die einzigen demokraten in diesem ganzen durcheinander sind tatsächlich die legitim gewählte jetzige regierung der demokratischen partei. paradoxerweise kommen diese demokraten nicht aus dem fussvolk sondern aus gehobeneren einkommensklassen, sind aber trotzdem durch und durch demokratisch - eine seltenheit in thailand.