[B] "Merkel muss Weg"-Naziaufmarsch über zwei Stunden blockiert

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Am Samstag versammelten sich bereits zum vierten Mal Nazis aus dem ganzen Bundesgebiet in Berlin unter dem Motto "Merkel muss Weg". Der von Enrico Stubbe angemeldete Aufmarsch konnte anfänglich mehrere tausend Nazis mobilisieren. Seitdem ist die Anzahl teilnehmender Nazis immer weiter, auf mittlerweile "nur" noch 500 gesunken. Gleichzeitig ist es Antifaschist*innen dies mal gelunken den Aufmarsch über längere Zeit zu blockieren. Nur durch einen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz konnten die Nazis ihre vollständige Route bis zum Alexanderplatz laufen. So ermöglichten die Bullen diesen am Jahrestag des Scheunenviertelpogroms vom 5. November 1923 durch eben jenes Viertel zu laufen.


Die Nazis versammelten sich unter dem Schutz von 1.100 Bullen ab 15 Uhr wie auch die letzten Male am Washingtonplatz vor dem Hauptbahnhof. Schnell wurde deutlich, dass es deutlich weniger Nazis als die letzten Male wurden. Waren zum ersten Aufmarsch bei Eiseskälte im März noch mehr als 3.000 Rassist*innen erschienen, hatten sich die Teilnehmer*innen bereits im Mai (~1.800) und Juli (~1.300) deutlich reduziert. Dies mal waren in der Spitze höchstens 600 Nazis da. Viele verließen bereits während der Auftaktkundgebung ihre Demonstration. Weitere gingen entnervt während der stundenlangen Blockade. Die Endkungebung am Alexanderplatz um kurz nach 20 Uhr erreichten maximal die Hälfte der anfänglichen Teilnehmer*innen.

Trotz durchgehenden Regens versammelten sich bereits ab 13 Uhr die ersten Antifaschist*innen am Hauptbahnhof. Zu den Protesten hatten neben autonomen Antifa-Gruppen auch die Bündnisse Berlin Nazifrei, das Bündnis Berlin gegen Rechts und die Initiative Berlin gegen Nazis aufgerufen. Ab 15 Uhr versammelten sich nach einem Aufruf von Berlin Nazifrei hunderte Antifaschist*innen auf der Kreuzung Friedrichstr. / Oranienburger Straße und blockierten dort die geplante Route der Nazis. Nachdem die Nazis gegen halb fünf schließlich losgelaufen waren, kamen sie an der Blockade schnell wieder zum stehen. Frühzeitig machten die Bullen nicht nur über Twitter deutlich machen, dass sie den Nazis einen Weg bis zum Alexanderplatz freiprügeln wollen. Und so räumten sie die Blockade schließlich um halb Sieben unter massiver Gewaltanwendung. Es sollte noch bis 19.15 Uhr bis die Nazis weiterlaufen konnten. Insgesamt mussten die Nazis so dank der Blockade über zwei Stunden im Regen stehen.

Anschließend liefen die Nazis im Stechschritt zum Alexanderplatz. Gleichzeitig knüppelten die Bullen weiter auf Antifaschist*innen ein, die an der Kreuzung Oranienburger Str. / Tucholskystr. eine mögliche Route der Nazis an der Synagoge vorbei verhindern wollten. Am Alexanderplatz angekommen, verabschiedeten die Nazis laut Beobachtung einer freien Journalistin noch ein paar Kameraden in Polizeiuniform und machten sich dann auf den Nachhauseweg.

Ein Fazit in Stichpunkten

  • Zum ersten Mal seit längerem konnte wieder ein Naziaufmarsch in Berlin mal wieder blockiert werden - wenn auch nur über zwei Stunden.
  • Die Blockade zu räumen war eine politische Entscheidung. Es gab mehr als genügend Gründe den Naziaufmarsch hier zu beenden oder diese zurück zum Hauptbahnhof zu führen.
  • Um die Blockade auch gegen den politischen Willen der Polizeiführung durchzusetzen, waren wir zu wenige. Auch wenn sich bis zu tausend Menschen an den Gegenprotesten beteiligten, waren leider nur 200-300 bereit über Stunden trotz Regen die Blockade aufrecht zu erhalten und sich den Bullen entgegen zu stellen.
  • Angesichts der Blockade und den vielen Nazis, die ihre Demo frühzeitig verließen, bleibt zu hoffen, dass zu der nächsten "Merkel muss weg"-Demo noch weniger Nazis kommen.
  • Die Blockade an der Friedrichstraße zeigt, dass es auch in Berlin weiterhin möglich ist, Nazi-Aufmärsche zu stoppen. Auch wenn uns dies Mal die Route der Nazis und die polizeilichen Absperrungen entgegen kamen.
  • Kurzfristige Blockadeversuche einiger dutzend Antifaschist*innen auf der Reinhardtstraße zeigen aber auch, dass es auch bei großflächigen Polizeiabsperrungen immer Lücken gibt, um auf die Route zu kommen.

Im Großen und Ganzen hinterlässt der Tag bei uns nicht nur einiges an Hass auf die Berliner Polizei, sondern auch die Hoffnung auf erfolgreiche Gegenproteste in Berlin in der Zukunft.

P.S.: Zu der zeitgleichen Demonstration von "Hand in Hand" in der City-West kamen keine fünfzig Nazis. Auch hier wurden sie über die gesamte Strecke von Gegenprotesten begleitet.

P.P.S: Eine gemeinsame Presserklärung von den Bündnissen Belin gegen Rechts und Berlin Nazifrei findet ihr hier: https://berlingegenrechts.de/2016/11/07/polizei-ermoeglicht-neonazi-aufm...

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Zeitgleich fand auch die Compact Konferenz statt.

Ein detaillierter Bericht wird in den nächsten Tagen folgen.

Etwas überraschend war die Teilnahme von Schreikind Ester Seitz.

Nachdem sie überall anders verwiesen wurde (Pegida, Identitäre Aktion, Die Rechte usw.), versucht sie nun dort ihr Glück.

Der ebenfalls anwesende Lutz Bachmann wurde mehrfach von Ester angesprochen, erwiderte aber die Kontaktaufnahmen nicht, sondern entfernte sich wortlos.

Auch Martein Sellners Begeisterung über das Erscheinen von Seitz hielt sich in Grenzen.

 

Ester Seitz ist übrigens nicht mehr alleine.

Hier die neue Frau an ihrer Seite: facebook.com/esterseitz.ger/photos/pb.121524344852138.-2207520000.1478529386./349040798767157/?type=3&theater

Demonstrationen in Mitte – Bilanz der Polizei
Polizeimeldung vom 06.11.2016
Mitte

Nr. 2732
Die Polizei betreute am gestrigen Tag sowie in den frühen Abendstunden, neben anderen Veranstaltungen im Stadtgebiet, einen Aufzug sowie zwei Kundgebungen in Moabit und Mitte.
Gegen 13.15 Uhr begann unter dem Motto „Ächtung von Menschenfeindlichkeit“ eine Kundgebung in der Rahel-Hirsch-Straße in Moabit, an der in der Spitze bis zu 800 Personen teilnahmen. Gegen 15.30 Uhr ließen die Teilnehmer mit Genehmigung der Luftsicherheitsbehörde 400 Luftballons in die Luft steigen. Während der Kundgebung, die bis 16.50 Uhr andauerte, vermummten sich einige Teilnehmer, so dass es hier zu Freiheitsbeschränkungen kam.
Etwa 45 Minuten später begann mit einer Auftaktkundgebung am Washingtonplatz in Moabit ein Aufzug mit dem Titel „Merkel muss weg“ mit rund 60 Teilnehmern. Während die Auftaktveranstaltung lief, setzten sich gegen 15 Uhr etwa 30 Personen auf die Fahrbahn der Reinhardtstraße, um die Aufzugsstrecke zu blockieren. Nachdem die Blockade-Teilnehmer den Aufforderungen der Einsatzkräfte, die Fahrbahn zu verlassen, nicht nachgekommen waren, wurden die Personen von den Beamten aus dem gesperrten Bereich der Demonstrationsstrecke gebracht. Zwischenzeitlich war bei der Auftaktkundgebung die Teilnehmerzahl auf etwa 550 Personen angewachsen. Einzelne Teilnehmer versuchten, die Gitter der Polizeiabsperrung zu übersteigen, um zu den Gegendemonstranten zu gelangen. Dies konnte von Polizisten unter Anwendung einfacher körperlicher Gewalt verhindert werden. Gegen 16.40 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Einzelne Teilnehmer vermummten sich zunächst, legten die Vermummung nach Ansprache durch den Versammlungsleiter dann wieder ab. Später wurde aus dem Aufzug von einem Unbekannten eine Flasche in Richtung der Beamten geworfen, die niemanden traf und auf dem Boden zerschlug.
Bereits seit 15.25 Uhr befanden sich etwa 150 Personen an der Friedrichstraße Höhe Oranienburger Straße, um die Wegstrecke des „Merkel muss weg“-Aufzugs zu blockieren. Nachdem die Polizei die Personen angesprochen hatte, wurde eine Spontankundgebung angemeldet, die von der Polizei mit der Auflage zugelassen worden war, die Wegstrecke dieses Aufzuges nicht zu blockieren. Gegen 17.15 Uhr traf der Aufzug in der Friedrichstraße ein und verharrte auf Weisung der Polizei. Die inzwischen etwa 300 Teilnehmer der Spontankundgebung folgten der zuvor gemachten Auflage jedoch nicht. Daraufhin versuchte die Polizei zwischen beiden Seiten zu vermitteln. In den Gesprächen machte der Anmelder des Aufzugs deutlich, dass er Wert auf seine angemeldete Route legt. Dann forderte die Polizei die Teilnehmer der Spontankundgebung mehrmals über Lautsprecher auf, die Strecke freizumachen. Der Anmelder der Spontankundgebung sowie einige Teilnehmer machten anschließend den Weg frei. Der Großteil der Teilnehmer blieb jedoch trotz mehrfacher Aufforderung, sich zum eigentlichen Versammlungsort zu begeben, an der alten Örtlichkeit. Nach der vierten Ankündigung, dass die blockierte Einmündung unter Anwendung von Zwang von der Polizei geräumt wird, drängten Einsatzkräfte gegen 18.25 Uhr die Teilnehmer in Richtung Torstraße weg. Dagegen wehrten sich die Teilnehmer mit Schlägen und Tritten. Gegen 18.45 Uhr versuchten die Kundgebungsteilnehmer einen Polizisten in ihre Menge zu ziehen. Dies konnte von weiteren Polizisten verhindert werden. Eine aus der Menge geworfene Flasche traf einen Polizeibeamten, der glücklicherweise unverletzt blieb. Nach etwa zwei Stunden konnte sich der Aufzug gegen 19.20 Uhr wieder in Bewegung setzen. Kurz nach 20 Uhr traf der Demonstrationszug am Alexanderplatz ein und wurde etwa 15 Minuten später vom Versammlungsleiter beendet.

Im Zusammenhang mit dem Aufzug sowie den zwei Gegenkundgebungen gab es insgesamt 43 Freiheitsbeschränkungen. Nach Feststehen der Personalien beziehungsweise erkennungsdienstlicher Behandlungen wurden die Personen entlassen. Es wurden Strafverfahren unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Landfriedensbrüchen, Widerständen, Körperverletzungen sowie Beleidigungen eingeleitet.

Rund 1100 Polizeibeamte waren im Stadtgebiet zur Betreuung des Aufzugs und der zwei Kundgebungen sowie weiterer Veranstaltungen eingesetzt. Insgesamt wurden vier Polizeibeamte leicht verletzt, konnten ihre Dienste jedoch fortsetzen.

Danke an alle, die dabei waren. Zu "waren leider nur 200-300 bereit über Stunden trotz Regen die Blockade aufrecht zu erhalten und sich den Bullen entgegen zu stellen" muss ich aber was sagen - viele hatten sich dezentral verteilt, um an kritischen Routenpunkten "auf der Lauer" zu liegen, z.B. wie erwähnt an der Tucholskystr., aber auch an der Weinmeisterstr. - wo es auch zu massiver Bullengewalt kam. Es wurde mit Stiefeln direkt gegen AktivistInnen getreten, gar ein nicht angekettetes Fahrrad seitens eines Bullenschweins in Richtung eines Aktivisten getreten.

Henkels Abschiedsgeschenk an die Dresdner und Berliner Hools mit und ohne Uniform.

Wir sollten nicht vergessen, dass das seit langem der erste größere Nazi-Aufmarsch in der Berliner Innenstadt war, bei dem die Bullen eine temporäre Blockade der Strecke zugelassen haben. Wir waren also keinesfalls besser vorbereitet, geschweige denn mehr Menschen als bei den letzten Nazi-Geschichten.

 

Vielleicht hatten die Bullen einfach nicht genug Leute da, um die komplette Strecke, die ja deutlich länger angemeldet (und gelaufen) war als die le tzten Male, gleichzeitig dicht zu machen? Und dachten sich "ok, wir machen erst mal so die erste Hälfte frei, und wenn die Nazis dann da durch sind, können wir die Bullen vom Hauptbahnhof und Umgebung dazu nutzen, den zweiten Teil der Strecke freizuräumen".

 

Das könnten wir zumindest von diesem Tag mitnehmen: Die Erkenntnis, dass die Vollvergitterung von Nazi-Aufmärschen in der Berliner Innenstadt nicht unbedingt selbstverständlich ist. Zumindest bei kürzeren Routen scheint sie mittlerweile gängige Praxis geworden zu sein, auch bei längeren Routen wie der AfD-Demo vor etwa einem Jahr kann Vollvergitterung und Komplettabsperrung zum Programm zu gehören, aber eben nicht immer.

Warum melden Leute immer noch Demos an einFach mal aus den Bauch heraus Handeln

Wie sehr die Berliner Polizei mittlerweile freidreht und sich versucht einer politischen Kontrolle zu entziehen zeigt einmal mehr die Anekdote June Tomiak. Sie hat am Samstag Polizeiabsperrungen fotografisch dokumentiert - ein völlig legitimier Vorgang, egal ob Abgeordnete oder "normaler" Bürger. Daraufhin verlangte ein Bulle nicht nur die Herausgabe des Handys und die Inaugenscheinnahme der Fotos, sondern drohte schließlich gar mit dem Entzug des Abgeordnetenstatus. Wenn sie bereits so mit Mitgliedern des Abgeordnetenhaus umgehen, die die Exekutive ja eigentlich überwachen sollen, wundert so manche Rechtsbeugung gegen Leute, die sich schlechter wehren können, schon gar nicht mehr... Details im Interview von Tomiak mit der taz: https://taz.de/Gruene-geraet-mit-Polizei-aneinander/!5351669/

 

Bleibt nur zu hoffen, dass ein neuer Innensenator / Innensenatorin der rot-rot-grünen Koalition diesen freidrehenden Apparat wieder unter Kontrolle kriegt. Zumindest rechtsstaatliche Standards sind jawohl nicht zu viel verlangt...