Marschners Dateien

Erstveröffentlicht: 
24.06.2016

NSU-Ausschuss: Früherer Geschäftspartner von Neonazi-V-Mann wurde wegen Computer mit »Paulchen Panther«-Melodie bedroht

 

Von Claudia Wangerin und Christiane Mudra

Ralph M., ehemals Geschäftspartner des Zwickauer Neonazis und V-Mannes Ralf Marschner, ist zu 90 Prozent sicher, dass er im gemeinsam betriebenen Szeneladen »Heaven & Hell« mehrfach die untergetauchte Beate Zschäpe gesehen hat. Er habe nur nicht einschätzen können, »in welcher Funktion« sie dort gewesen sei, sagte der gelernte Dachdecker am Donnerstag im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Der Tonfall des sportlich aussehenden Sachsen war gelassen, aber seine Hände zitterten. Er hatte sich selbst bei der Polizei gemeldet, nachdem er Zschäpe auf Nachrichtenbildern wiedererkannt hatte. Im November 2011 hatte sie sich nach dem Tod ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Behörden gestellt – seit Mai 2013 steht sie als Mittäterin der Mord- und Anschlagsserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) vor Gericht.

 

Ralph M. hatte in den Jahren 2005 bis 2007 den »Heaven & Hell«-Shop mit Marschner betrieben, der bereits mit einem ähnlichen Szeneshop und einer Baufirma gescheitert war. Marschner habe ihn dennoch von dem neuen Geschäft überzeugt und sich mit 25 Prozent beteiligt, die er ihm auch noch habe vorstrecken müssen, sagte M. am Donnerstag als Zeuge vor dem NSU-Ausschuss. Mehrere Banken hätten ihn wegen des Namens Ralf Marschner abgewiesen, als er ein gemeinsames Firmenkonto eröffnen wollte.

Marschner sei öfter im Laden gewesen als er und habe dort auch Parties gefeiert. Für ihn selbst sei es nur ein Geschäft gewesen, so M. Man habe dort allerlei Klamotten kaufen können, nicht nur solche für explizit rechte Kunden. Allerdings habe auch die festangestellte Verkäuferin zu dieser Szene gehört.

Er selbst habe nur ab und zu »nach dem Rechten gesehen«, bestätigte M. auf Nachfrage dem Ausschussvorsitzenden Clemens Binninger (CDU), was für Gelächter sorgte. Als ihm die Abgeordnete Petra Pau (Die Linke) vorhielt, Marschner sei nach eigener Aussage »eher kein Nazi« gewesen, musste der Zeuge selbst lachen. »Klar war er Nazi.« Auf ihn habe der bullige Marschner, der in der Szene »Manole« genannt wurde und im Bundesamt für Verfassungsschutz »Primus« hieß, »extrem« gewirkt.

Ralph M. sagte, es sei öfter vorgekommen, dass weibliche Personen im »Heaven & Hell« gewesen seien, von denen er nicht wusste, ob sie dort aushilfsweise arbeiteten, Kundinnen oder Freundinnen waren. Manche hätten mit Marschner »gekuschelt« – auf Nachfrage wusste M. aber nicht, ob darunter die Frau war, die er später als Zschäpe erkannte. Er habe sie aber mindestens drei oder vier Mal dort angetroffen. Was »die Mädels« – darunter auch 15jährige – an Marschner gefunden hätten, wisse er nicht. Er selbst habe »Manole« gesagt, er wolle nicht, »dass da ständig Leute kommen und mit ihm hinten am Computer sitzen«, so M. Den besagten Rechner habe Marschner zurückgelassen, als er 2007 überstürzt mit viel Geld verschwunden sei.

Ralph M. berichtete am Donnerstag, wegen des Computers sei er von einem »Olli« aus Leipzig bedroht worden: »Wenn du den Computer hast, dann hab’ ihn lieber nicht.« Auf einem Foto erkannte M. als »Olli« einen Security-Unternehmer, der später beim Leipziger Pegida-Ableger »Legida« in Erscheinung trat. Als der CDU-Abgeordnete Armin Schuster M. fragte, ob Marschner seiner Meinung nach eigenständig gehandelt habe oder von jemandem »gesteuert« worden sei, fiel dem Zeugen wieder jener »Olli« ein.

Bei dessen Drohungen habe er zunächst vermutet, es gehe um die Rechte an T-Shirt-Motiven, die »Manole« entworfen und auf dem Computer gespeichert habe. Grafisch sei Marschner wirklich gut gewesen, betonte M., der nach eigenen Worten selbst nie die Dateien gesichtet hatte. Demnach wusste er nichts von der »Paulchen Panther«-Melodie auf dem Rechner. Mit dieser war auch das 2011 verschickte NSU-Video unterlegt. Wer alles daran mitgewirkt hat, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Drei Einbruchsversuche, sagt Ralph M., habe es in den letzten Jahren bei ihm gegeben. Er habe aber große Hunde.

Marschner selbst lebt heute in der Schweiz. Gegen ihn soll noch ein Haftbefehl offen sein, da er es damals versäumt hatte, Insolvenz anzumelden.

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