Gewalt in Rigaer Straße - Henkel und Müller streiten über Deeskalation

Erstveröffentlicht: 
04.07.2016

Seitdem die Polizei die Teilräumung eines Autonomentreffs in der Rigaer Straße schützte, rächen sich Extremisten mit Brandanschlägen. Innensenator Henkel solle nun das Gespräch mit den Linksautonomen suchen, fordert der Regierende Bürgermeister Müller. Henkel weist das in der rbb-Abendschau vehement zurück.

 

Im Streit um die linksextremistische Szene in der Rigaer Straße in Friedrichshain hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) von seinem Innensenator Gespräche zur Deeskalation verlangt. "Wir haben es immer wieder erlebt, das man mit der Szene diskutieren kann. Wir haben es beim 1. Mai gesehen, wie diese Gewaltspirale vieler Jahre durchbrochen werden konnte durch Gesprächsangebote. Die Polizei hat da umfassende Erfahrungen, und ich glaube, es wäre gut, wenn der Innensenator der Polizei genau dies ermöglichen würde", sagte Müller der rbb-Abendschau.

Henkel: "Ich werde das nicht tun"

Henkel wies diese Aufforderung in der rbb-Abendschau zurück. Er könne Müller nicht davon abhalten, mit Linksautonomen zu sprechen. Er selbst werde das nicht tun, so Henkel. Am 1. Mai habe sich in Kreuzberg die Doppelstrategie der Deeskalation deshalb bewährt, weil man dort mit all denen spreche, die sprechen wollten.

In der Rigaer Straße könne er eine solche Gesprächsbereitschaft aber nicht erkennen. "Wer Autos anzündet, wer Steine schmeißt, wer Banken entglast, der will Gewalt, nicht reden", sagte Henkel. Der Rechtsstaat sei nicht verhandelbar. Ein Gesprächsangebot an Linksextreme sende ein verheerendes Signal. Es gebe keine national befreiten Zonen von Rechts und auch keine rechtsfreien Zonen von Links, so der CDU-Vorsitzende.

 

rbb|24-Umfrage: 73 Prozent finden, Müller hat Recht

In einer nicht-repräsentativen Umfrage fragte rbb|24 seine Nutzer, ob Henkel dem Rat Müllers folgen solle oder nicht. Dabei wählten 73 Prozent die Antwortoption "Michael Müller hat Recht. Man sollte versuchen, auch mit Linksautonomen das Gespräch zu suchen." 27 Prozent vorierten für "Nein, Innensenator Frank Henkel sollte sich auf kein Gespräch mit Linksautonomen einlassen." 1 Prozent der Nutzer hatte dazu keine Meinung. Insgesamt nahmen 315 Nutzerinnen und Nutzer am Voting teil (Stand: 04.07.2015, 23 Uhr)
 
Mit Wahlkampf hätten Einsätze nichts zu tun

Zuvor hatte Henkel Kritik des Ex-Piraten Christopher Lauer zurückgewiesen. Er hatte Henkel dafür kritisiert hatte, dass er nicht mittels Gesprächen versuche, die Lage in der Rigaer Straße zu beruhigen.

Die Diskussion in der Stadt drohe in eine Schieflage zu geraten, hatte Henkel im rbb-Inforadio darauf geantwortet. "Da gibt es einen Hauseigentümer, der sein Eigentumsrecht durchsetzen und dafür sorgen möchte, dass etwa der Brandschutz im Haus gewährleistet wird und deshalb Bauarbeiter in dieses Haus bringen will. Doch Hausverwaltungsmitarbeiter und Bauarbeiter und werden von Linksextremisten bedroht, der Eigentümer wendet sich an die Polizei. Die Polizei kann aber nicht mit nur zwei Funkwagen kommen, weil es Erfahrungen mit Übergriffen aus diesem Haus gab, deshalb kommt sie mit einer Lage-angepassten Zahl an Polizeikräften. Und dann diskutieren Teile der Stadt und Teile der politischen Elite darüber, dass die Polizei das nicht hätte machen dürfen, dass sie eskaliert. Das ist doch eine völlige Verkehrung dessen, um was es wirklich geht."

Mit Wahlkampf hätten die Polizeieinsätze nichts zu tun, erklärte Henkel weiter: "Die Rigaer Straße steht nicht erst seit gestern im Brennpunkt", sagte Henkel. "Wenn Straftäter glauben, sie müssten der Stadt eine Kampfansage machen, dann wird diese Kampfansage entsprechend beantwortet werden."

 

Lauer: "Neue Spielregeln aushandeln"

Lauer (parteilos) hatte am Montagmorgen im rbb-Inforadio gefordert, dass sich der Senat mit den Bewohnern der Rigaer Straße zusammensetzen und "neue Spielregeln" festlegen solle. "Dann muss man sich eben mit den Leuten darauf einigen: So Kinder, jetzt habt ihr hier eben euer alternatives Hausprojekt und dann hören jetzt aber hier diese Scheiß-Autobrände und der ganze Kack auf."

Der Senat müsste versprechen, auf eine Räumung zu verzichten. Zugleich solle der Eigentümer des Mietshauses auf seinen Besitz verzichten und dafür entschädigt werden, sagte Lauer. Im Gegenzug müssten die Brandstiftungen an Autos und Angriffe auf Gebäude aufhören.

Ex-Pirat kritisiert "politisch gewollte Eskalation"

Zugleich kritisierte Lauer auch Innensenator Henkel. Er warf dem CDU-Chef vor, die Situation rund um die Rigaer Straße bewusst zu eskalieren. Die jüngste Gewaltwelle nutze allein Henkel und seiner Partei, um sich im Wahlkampf zu profilieren. Massives Vorgehen der Polizei führe nur zu weiteren Gewalttaten seitens der linksautonomen Szene, so der Ex-Pirat. "Es handelt sich um eine politisch gewollte Eskalation von Frank Henkel."

Kritik übte Lauer auch an der Polizeiarbeit. "Die Polizei geht in Situationen hinein, bei denen ich mich frage, ob sie das auch zum Beispiel in den berühmten Straßen Neuköllns machen, in denen die Abou-Chaker das Sagen haben sollen", so Lauer. Zum Einsatz der neuen Ermittlungsgruppe "Linx" sagte der Berliner Politiker, hier würden 14 Beamte eingesetzt, die Kriminalität an anderen Stellen nicht bekämpfen könnten. "Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein", so Lauer.

 

Wieder brennende Fahrzeuge - Gerichtstermin abgesagt

In der Hauptstadt setzte sich derweil auch in der Nacht zum Montag die Serie von Brandstiftungen an Fahrzeugen weiter fort. Am frühen Montagmorgen setzten Unbekannte ein Baustellenfahrzeug in der Schulzestraße in Berlin-Pankow in Brand. Es wurde erheblich beschädigt, bevor die Feuerwehr die Flammen löschen konnte. Dabei wurde niemand verletzt, wie die Polizei am Montag mitteilte.

Die Brandstiftungen sind mutmaßlich Vergeltungsreaktionen auf die Polizei-Räumungsaktion im Haus Rigaer Straße 94 am 22. Juni, das als Zentrum der linksautonomen Szene gilt. Deshalb ermittelt der Staatsschutz.

Ein Gerichtstermin in diesem Zusammenhang wurde inzwischen kurzfristig abgesagt. Das Landgericht hob die für diesen Dienstag geplante Verhandlung aus "dienstlichen Gründen" auf. Ein neuer Termin für die Eilentscheidung steht noch nicht fest, soll aber bald bestimmt werden. Bewohner der Rigaer Straße 94 wollten per Gerichtsentscheid von der Polizei geräumte Räume zurückerhalten und Umbauarbeiten des Hauseigentümers stoppen.

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