[B] Henkel scheitert mit Videoüberwachungsgesetz

Überwachung angreifen

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) muss eine weitere Schlappe einstecken. Heute scheiterte sein Vorhaben endgültig, per Gesetz eine rundum-Videoüberwachung aller Gefahrengebiete (in Berlin "Kriminalitätsbelasteter Ort"/KBO) einzurichten. Zwar hatte Henkel das Gesetz politisch als "Modellversuch am Alexanderplatz" verkauft, der Wortlaut des Gesetzentwurf knüpfte die Videoüberwachung allerdings örtlich an die KBO. Eine Ausweitung wäre also jederzeit möglich gewesen. Kameramasten oder in der Rigaer wären dann ebenso wahrscheinlich geworden wie am Kotti, Leopoldplatz oder Görlitzer Bahnhof.

 

Der Innensenator versucht derzeit wie zahlreiche Innensenatoren vor ihm, mit einer wahlkampfpolitisch motivierten Durchsuchung und Räumung linker Kneipen  wie der Kadterschmiede in der Rigaer94 oder der zum 9.8. anstehenden Räumung des Kreuzberger Ladens mit Revolutionsbedarf M99 Punkte auf Kosten der radikalen Linken in der Stadt zu sammeln. Der Effekt ist stattdessen ein stetig wachsender Zuspruch für die Rassist*innen in der AfD.

 

Henkels Schlappe war perfekt, als zu Beginn der letzten Sitzung des Innenausschusses des Berliner Parlaments am 29.06. die CDU ankündigte, sie wolle das Thema von der Tagesordnung nehmen, weil sie sich mit der SPD nicht einig geworden sei. Damit ist das Gesetz gescheitert, denn es bleibt keine Zeit mehr für eine Besprechung.

 

Wäre das Gesetz umgesetzt worden, hätte die Polizei an den videoüberwachten und "Kriminalitätsbelasteten Orten" insgesamt die Befugnis für zahlreiche Freiheitsbeschränkungen gehabt:

  • 1. § 21 ASOG: Identitätsfeststellung
  • 2. § 28 (1) ASOG: Datenabgleich
  • 3. § 34 (2), 2. ASOG: Durchsuchungsbefugnis
  • 4. Bildaufnahmen
  • 5. Bildaufzeichnung, beide jeweils nach:
  • § 19a ASOG: Videoüberwachung zur Eigensicherung
  • § 24 ASOG: Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen
  • § 24a ASOG: Datenerhebung an gefährdeten Objekten
  • § 24b ASOG: Datenerhebung in öffentlichen Verkehrseinrichtungen
  • § 25 ASOG: Datenerhebung durch längerfristige Observation und Einsatz technischer Mittel
  • 6. Nutzung der Aufnahmen, unter anderem bis hin zur Gesichtserkennung

Der Innensenator hatte die Rundum-Videoüberwachung zu seinem persönlichen Baby erklärt. Bürgermeister Müller hatte sich ebenfalls dahinter gestellt.

 

Da persönliche Misserfolge oder Kränkungen des Innensenators bzw. der CDU in der Vergangenheit stets zu eskalierenden Maßnahmen führten, mit denen auch sein politisches Scheitern überdeckt und der öffentliche Diskurs in seinem Sinne wieder gedreht werden sollte, ist in den kommenden Tagen möglicherweise wieder mit dem ein oder anderen größeren Bulleneinsatz zu rechnen. Hier sollten wir die Augen und Ohren offenhalten.

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Ausführlich zum Inhalt Videoüberwachungsgesetz: "Zwanzigstes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz":

 

netzpolitik.org: Polizeiliche Videoüberwachung in Berlin? „Mit der Idee des Rechtsstaats ist das schon schwerlich kompatibel.“

https://netzpolitik.org/2016/polizeiliche-videoueberwachung-fuer-berlin-...

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Der Alex ist nicht zufällig als"Modellversuch" ausgewählt worden. Der Alex ist auch Ort für Demos und Kundgebungen.Mit der Videoüberwachung, natürlich nur zu ihrer "Sicherheit" lässt sich dann, unter Einsatz neuester Techniken der Gesichtserkennung und der Datenauswertung feststellen wer wann und wo an einer Kundgebung teilgenommen hat. Die Überwachung führt zu einer Verhaltensänderung der Bürger_innen. Aufgrund der Befürchtung in irgend welchen Staatlichen Datenbanken zu landen, werden es sich manche überlegen, ob sie eine Kundgebung auf dem Alex aufsucht.

 

Letztlich geht nur vordergründig um die "Kriminalitätsbekämpfung" Die Gewünschte Flächendeckende Videoüberwachung ist nur ein weiterer Baustein in ihren Strategien zur Niederschlagung von drohenen Aufständen und Unruhen aufgrund der Sozialen Spaltung der Gesellschaft, bzw. der immer extremeren Unterschiede zwischen Arm und Reich.