[B] Prozess gegen Antifaschisten: Berliner Polizei macht sich vor Gericht lächerlich

Polizisten beim Durchsetzen der AfD-Demo. (Bild entstammt nicht der beschriebenen Situation)

Am Montag, dem 20. Juni war der erste Prozesstag gegen einen Beteiligten an den Protesten gegen den AfD-Aufmarsch vom 07.11.2015. Nach einem Angriff seitens der Berliner Polizei auf ihn, bei dem er durch einen Faustschlag zu Fall gebracht und anschließend festgenommen wurde, wird ihm nun der Prozess gemacht. Vorgeworfen wird ihm jetzt Körperverletzung, Landfriedensbruch, Vermummung und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

 

Kuriose Darstellung der Polizei

 

Vergangenen Montag wurde am Amtsgericht Tiergarten über den Fall verhandelt. In dem Prozess wurde mehr als deutlich, dass die Geschichte, die die Polizei erzählt, nicht stimmen kann. Laut Aussage der Beamten sei der Angeklagte mit einer größeren Gruppe von Leuten auf eine Polizeiabsperrung an der Kreuzung Dorotheenstraße/Bunsenstraße zugerannt.

 

Dabei hätte er mit der Faust zum Schlag ausgeholt, um den Polizisten Belling zu schlagen. Heldenhaft habe dieser den Schlag jedoch abwehren können und sei dabei unglücklich auf die Hand gefallen. Der Angeklagte sei mit dem Kopf auf den Boden aufgekommen, sodass in seinem Gesicht eine "Schürfwunde", an der Hand des Polizisten eine Kapselverletzung die Folge gewesen sei. Ein weiterer Polizist bestätigte die Aussage seines Kollegen. Weiter behaupten die Beamten, dass der Angeklagte in der Situation mit einem später sichergestellten "dunklen Halstuch" vermummt gewesen sei.

 

Der Angeklagte stellte den Vorgang gänzlich anders dar: So sei der Polizeiwagen noch am Fahren gewesen, als er gerade um die Ecke bog. Eine Polizeisperre hätte es nicht gegeben. Er schildert, dass er nach dem Einbiegen in die Straße, nachdem er am Polizeiwagen vorbeigelaufen sei, durch einen Faustschlag von der Seite niedergerstreckt worden sei. Daraufhin wurde er festgenommen.

 

Fotos bringen Polizisten aus der Fassung

 

Mensch könnte meinen, dass die Chancen schlecht stünden und der Angeklagte angesichts zweier offensichtlich abgesprochenen Aussagen von Bullen und noch drei folgenden auf verlorenem Posten steht. Dass dem nicht so ist, ist vor allem dem Zufall zu verdanken: Im Gegensatz zu den meisten anderen Fällen von von Repression Betroffenen gibt es Aufnahmen eines Fotografen von der Situation.

 

Seine Fotos zeigten, dass die Polizei bei der Zuordnung des Geschehens zu Straftatbeständen äußerst kreativ vorging: Sämtliche Vorwürfe scheinen schlicht erlogen.

So ist der Angeklagte beispielsweise auf einem Foto klar unvermummt zu erkennen. Der Schal befand sich nach seiner Aussage im Rucksack. Angesichts der Verletzungen sowohl an der Hand des Polizisten als auch im Gesicht des Betroffenen musste selbst der "verletzte" Bulle zugeben, dass das nach einer Schlagverletzung aussieht. Die konnte er sich selbstverständlich nicht erklären, was im Publikum für einige Lacher sorgte. Insgesamt machten die Aussagenden Beamten einen sehr unsicheren Eindruck.

 

Unterstützt den Angeklagten!

 

Auch wenn es juristisch bis jetzt ganz gut aussieht - das Urteil ist noch nicht gesprochen. Daher ist es wichtig, sich mit dem Betroffenen solidarisch zu zeigen. Der nächste und voraussichtlich letzte Prozesstag ist am Mittwoch, dem 29. Juni. Vermutlich werden am Mittwoch der Fotograf und noch drei weitere Polizisten aussagen.

 

Der Prozess beginnt um 08:30 Uhr. Angekündigt ist Saal 863, der Prozess kann aber kurzfristig verlegt werden.

 

Treffpunkt für Unterstützer_innen ist um 8:00 Uhr vor dem Amtsgericht Tiergarten, Turmstraße 91.

 

Kommt zahlreich und unterstützt den Angeklagten! Betroffen ist eine*r, gemeint sind alle!

 

 

Bericht über ersten Prozess gegen Repressions-Betroffenen von No-AfD-Protesten:

https://linksunten.indymedia.org/en/node/180206

 

Angriff auf Laptop in Amtsgericht Tiergarten:

https://linksunten.indymedia.org/en/node/181287

 

Hintergrundinfos und Bilder zur Demo:

https://linksunten.indymedia.org/en/node/158563

 

Polizei und Rechtsstaat - Zum Weiterlesen:

http://jungle-world.com/artikel/2015/01/51161.html

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Aufruf zur Vernetzung von Betroffenen: http://stoppafd.blogsport.eu/2015/12/29/antirepression-keiner-muss-da-al... Weitere Betroffene können sich gerne noch melden, wenn sie erst jetzt durch die anlaufenden Prozesse darauf aufmerksam werden.

D. h. obwohl es schon Fotos und auch Entlastungszeugen gibt, wird eine Aussage gemacht. Dies ist ungewöhnlich und bedraf mindestens einer Erklärung. Ich kann verstehen, dass es Situationen gibt, in denen es vor Gericht individuell praktisch ist eine Aussage zu machen. Gleichzeitig ist es aber so, dass die komplette Aussageverweigerung im politischen Kontext einen Schutz für Andere darstellt. Es verhindert unter Anderem, dass die plumpe Rechnung aufgemacht wird: Wer schweigt ist schuldig. Eine Rechnung die zwar ungesetzmäßig aber nicht unüblich ist.

Dafür ist es aber wichtig, dass eben auch in Verfahren, in denen die betroffene Person offensichtlich unschuldig ist und wahrscheinlich freigesprochen wird, keine Aussage gemacht wird. Davon kann sicherlich mal abgewichen werden, so gab es auch schon nachvollziehbare Eingeständnisse von Schuld um Richter milde zu stimmen. Einfach über diese Problematik hinweg gehen ist allerdings falsch.

MsG

In von der Roten Hilfe unterstützten Prozessen werden ständig Aussagen gemacht.

Es heißt ja nicht umsonst: "Keine Aussage bei Polizei und Staatsanwaltschaft".

Auch hier ist das ne Empfehlung eines von der RH empfohlenden Anwalts.

Die Rote Hilfe ist bzgl. dem Prozessverhalten keineswegs so dogmatisch, wie hier dargestellt. Selbstverständlich darf der Angeklagte Erklärungen abgeben. Gegen eine politische Prozessführung, zu der auch Erklärungen des Angeklagten direkt oder von seinem Anwalt verlesen gehören, hat sicherlich niemand was. Auch eine Einlassung zur Sache kann in manchen Fällen Sinn machen. Es kommt nicht drauf an, ob etwas gesagt wird, sondern was und wie!

Zurecht hat die Rote Hilfe (und nicht nur sie) ein riesiges Problem damit, wenn Genoss*innen vor Gericht abschwören ("ich werde sowas nie wieder tun"), sich bei Bullen oder Nazis entschuldigen, Aktionen entpolitisieren oder gar andere belasten.

All dies ist im Prozess aber keineswegs passiert. Genaueres dann gerne am Mittwoch. So persönlich. Und ohne zum Mitlesen für Richter und Staatsanwalt bevor das Urteil gefallen ist.