Deutschland hat keine Souveränität mehr, stellt das Verfassungsgericht fest

rauchzeichen an der ezb

Karlsruhe stützt ein umstrittenes Anleihekaufprogramm der EZB widersprüchlich, dass es eigentlich gar nicht geben kann. Entschieden wurde über eine Frage, die es gar nicht geben kann und es wurden Auflagen gemacht, die schon jetzt gebrochen werden.


Die Geschichte wiederholt sich. Erneut drückt sich das deutsche Verfassungsgericht, wie schon im Frühjahr 2014 vor einer Entscheidung über die umstrittenen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB). Damals hatten sie die sogar als verfassungswidrig angesehen, die Entscheidung aber dem Europäischen Gerichtshofs (EuGH) überlassen. Und erneut haben die höchsten deutschen Richter nun zwar Bedenken geäußert, ordnen aber die Souveränität Deutschlands in einer solch zentralen Frage einer Entscheidung des EuGH unter und weisen deshalb die Klagen von Kritikern ab. Geklagt hatten unter anderem die Linksfraktion, der Verein „Mehr Demokratie“ mit Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und auch der frühere CSU-Vize Peter Gauweiler.


Und die Luxemburger Richter hatten schon Anfang 2015 den Weg für das massive Gelddruckprogramm von EZB-Chef Mario Draghi freigemacht und damit war klar, wie Karlsruhe entscheiden würde, an die der Ball aus Luxemburg zurückgespielt worden war.  Und wie erwartet, schließen sich die Verfassungsrichter dem EuGH-Urteil zu sogenannten „Outright Monetary Transactions“ (OMT) an. Allerdings machen sie einige Auflagen unter denen sich die Bundesbank am OMT-Programm beteiligen darf. So dürfe die EZB zum Beispiel Staatsanleihekäufe vorab nicht ankündigen. Die Volumen der Aufkäufe müssen im Voraus begrenzt sein und zudem dürften die Staatsschulden nur so lange gehalten werden,  wie dies für die Stabilisierung des Krisenstaates unbedingt notwendig ist.
Und da ist man sofort an den zentralen Widersprüchen eines Urteils, dass man nur mit spitzen Fingern anpacken darf. Hier sind wir an dem Punkt, warum sich die Verfassungsrichter massiv am Problem vorbeidrücken. Denn es geht um Stabilisierung von Krisenstaaten. Und es ging den Richtern um die Entscheidung über den „unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen“ im Rahmen eines „OMT“, den Draghi für den Notfall angekündigt hatte.


Das ist letztlich aber eine Spitzfindigkeit. Alle wissen längst, hat die EZB zwischenzeitlich ein „begrenztes“ Aufkaufprogramm von Staatsanleihen gestartet hat, mit dem vor allem Anleihen von Nicht-Krisenstaaten gekauft werden. Eigentlich hätten die Richter damit entscheiden müssen, dass der unbegrenzte Kauf verfassungswidrig wäre. Und es wäre gut gewesen, das präventiv auch klar zu entscheiden, bevor die EZB damit beginnt. Denn bis die Karlsruher Richter dann erst darüber entscheiden würden, wäre es zu spät, denn erneut würden Jahre verstreichen. Man bemerke, dass darüber seit mehr als  drei Jahren verhandelt wird.


Und hätten sich die Richter angeschaut, wie das sogenannte Quantitative Easing (QE) von Draghi läuft, hätten sie festgestellt, dass schon das gegen die aufgestellten Bedingungen verstößt, weil eben auch Anleihen von Nicht-Krisenstaaten gekauft werden. Und schon der EuGH hatte bei seiner Entscheidung schlicht ignoriert, dass die EZB schon den Ankauf im Umfang von mehr als 1,1 Billionen Euro angekündigt hatte. 


Und seither wurde das QE-Programm sogar auf 1,5 Billionen Euro ausgeweitet. Und neuerdings kauft die EZB auch noch massiv Unternehmensanleihen auf. Die Frage ist also, ob man es letztlich nicht längst in einem unbegrenzten Aufkauf von Anleihen zu tun hat, der halt offiziell angeblich begrenzt ist. Der wird immer weiter „begrenzt“ ausgeweitet, um den Charakter der Begrenztheit virtuell zu simulieren. Und was noch schöner ist, Krisenstaaten können von diesen Anleihekäufen ausgeschlossen sein, die ja eigentlichen die Begünstigten der EZB-Interventionen nach Ansicht der Verfassungsrichter sein sollen. Erst kürzlich wurde darüber spekuliert, dass auch die letzte Ratingagentur Portugal in den Ramsch-Bereich abstufen könnte. Dann hätte die EZB nach ihren Statuten die Anleihen nicht mehr kaufen dürfen.


Vor all dem mussten die Richter die Augen verschließen. Sie bezogen sich streng und formal auf einen Rahmen, der längst nicht mehr besteht, um zu diesem Urteil zu kommen. Man muss kein Wahrsager sein, um vorhersagen zu können, dass angesichts der Situation nun neue Klagen gegen die schon laufenden QE-Programme eingereicht werden. Denn die stellen eine verbotene  Staatsfinanzierung dar. Nur weil die EZB massiv Staatsanleihen aufkauft, sind die Zinsen von vielen Ländern niedrig. Damit muss Geld aus deren Haushalten nicht in den Schuldendienst fließen, sondern steht für andere Haushaltszwecke zur Verfügung.


So finanziert die EZB also über Umwege längst europäische Haushalte mit. Im Fall Deutschlands ist es ja sogar mehr als klar. Inzwischen bezahlen Anleger sogar dafür, um Deutschland Geld für zehn Jahre zu leihen. Negativ rentieren nun schon 79% aller deutschen Staatsanleihen. Und das gilt nicht nur für Deutschland. Europäische Staatsanleihen im Volumen von gut acht Billionen Euro haben schon eine negative Rendite. Welchen Nachweis für verbotene Staatsfinanzierung über die EZB-Politik bedarf es noch?


Sogar Befürworter des Urteils meinen, dass die Richter „ziemlich schlitzohrig“ geurteilt haben. Verfassungsgericht und EuGH seien sich einig, „dass diese Volumina begrenzt werden müssen“, erklärte Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik. Dabei habe der EuGH „diese Begrenzung aber abgeleitet aus der Tatsache, dass im OMT-Programm nur Anleihen gekauft werden können von Ländern, die einem ESM-Programm unterliegen“, also unter dem Rettungsschirm sind. Und eben diese Bedingung ist derzeit nicht gegeben, und trotzdem kauft die EZB. Eigentlich ist, nach EuGH das OMT-Programm darüber also längst begrenzt. Auch Bert van Roosebeke fragt sich deshalb, ob die höchsten Richter eigentlich mit dem laufenden QE-Programm und „dem enormen Umfang der Ankäufe der EZB“ einverstanden sein können. Er rechnet ebenfalls mit neuen Klagen und dass Karlsruhe die heiße Kartoffel dann erneut nach Luxemburg weiterreichen dürfte.


Dass die Verfassungsrichter die Bundesregierung und den Bundestag damit beauftragt haben, die Anleihekäufe zu überwachen und bei Verstößen einzugreifen, ist angesichts der laufenden Programme nur ein schlechter Witz. Denn, wie oben aufgeführt, lässt sich längst feststellen, dass beide genau das nicht tun. Eigentlich müsste man, schaut man sich die derzeitige Gesamtlage an, in Karlsruhe zu dem Ergebnis kommen, dass durch das QE-Programm längst gegen das Verbot der Staatsfinanzierung verstoßen wird. Doch da man über OMT und nicht über QE verhandelt hat…


Man kann sich veräppelt fühlen. Denn eigentlich ging es den Klägern um die Frage der Risiken für den Bundeshaushalt und um die verbotene Finanzierung über den Ankauf von Staatsanleihen. Und darüber wurde letztlich nicht entschieden. Und hier sind wir dann beim Brexit über den die Briten am Donnerstag entscheiden. Viele Briten, die für den Austritt sind, dürften sich durch dieses Urteil bestätigt fühlen. Denn, so stellt man sich die Frage, wer in Europa eigentlich entscheidet. Und auch in Deutschland dürften solche Urteile die Sorgen nähren, welche Souveränität das Land eigentlich noch hat, wenn sich nicht einmal das Verfassungsgericht Vorgängen einen Riegel vorschiebt, die es eigentlich für verfassungswidrig hält oder Bedingungen aufstellt, die längst gebrochen werden.


© Ralf Streck, den 21.06.2016

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Scheiß auf Deutschland und seine Souveränität. Als ob das irgendeinen Unterschied macht, ob die kapitalitischen Verbrecher in Berlin, Brüssel oder in Nieder-Ober-Wünstdorf a.d. Havel entscheiden.

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"Berlin, Brüssel oder in Nieder-Ober-Wünstdorf a.d. Havel"


... und dort endet dein Horizont?

Jenseits des (Ärmel)Kanals oder der Atlantikbrücke ist wohl Niemandsland, wa?$

Hast Du den Artikel eigentlich gelesen oder reagierst du nur auf Signalwörter?

 

Natürlich spielt es eine Rolle wo welche Kontroll und Eingriffsmöglichkeiten für linke Interventionen bestehen.

 

Es gilt Spatz in der Hand vs. Taube auf dem Dach. Insofern ist es schon wichtig ob der vogel in der Hand ist oder auf dem Dach. Und genau da will das Kapital ja hin, in seine Globalisierungsfestung, wo keiner mehr was ändern kann.

 

Quantitative Easing bedeutet mehr Geld für das Kapital und schleichende Enteignung der normalen Bürger.