Spaltet sich die linksradikale CUP?

Ein kollektiver Rücktritt in der Führung vertieftet die Krise. Sechs Führungsmitglieder warfen der Führung der antikapitalistischen katalanischen Wahlplattform "sektiererisches Verhalten" vor und nun wählen die Antikapitalisten erneut eine neue Führung und wollen Entscheidungsprozesse verändern.

 

Die katalanische Candidatura D’Unitat Popular (CUP) ist seit Jahresbeginn gespalten und geriet seither in immer schwereres Fahrwasser. Nun hat die Führung am späten Montag die Erneuerung der Führung der linksradikalen Wahlplattform auf den Weg gebracht. Das wurde unausweichlich, nachdem zum Wochenende sechs der 15 Führungsmitglieder geschlossen zurücktraten, um den Vorgang zu forcieren. Sonst wäre eine Spaltung der Antikapitalisten wohl unausweichlich gewesen. Die Widersprüche hatten sich massiv zugespitzt.


Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war der Führungsbeschluss, den Haushalt für 2016 zu blockieren. Damit wollte die Einheitsliste für die Unabhängigkeit  von Spanien „Junts pel Sí“ (Gemeinsam für das Ja) auch Maßnahmen auf diesem Weg finanzieren. Viele Sympathisanten und  Wähler der CUP konnten diese Frontalopposition nicht nachvollziehen, mit der sogar eine Behandlung des Haushalts im Parlament verhindert wurde. So konnten keine Verbesserungen ausgehandelt werden. Der aus dem Vorjahr wurde verlängert, weil die Mehrausgaben für Soziales der Mehrheit in der CUP-Führung nicht ausreichten. Deshalb kam es Bruch des Stabilitätspakts mit der Einheitsliste und zur Regierungskrise. Regierungschef Carles Puigdemont wird im September die Vertrauensfrage stellen. Der Fahrplan, den Weg in die Unabhängigkeit bis Mitte 2017 zu beschreiten, ist nun schon schwer einzuhalten. Im Fall von Neuwahlen wäre der Prozess praktisch beendet.


Die Widersprüche in der CUP sind extrem. Sie hat Steine auf den Unabhängigkeitsweg gelegt, während sie verbal stets aufs Gaspedal tritt. Mit dem Veto gegen den Haushalt, befand sie sich in einem Boot mit der rechtskonservativen spanischen Volkspartei (PP) und den Sozialisten (PSOE). Die stemmen sich nicht nur gegen den Unabhängigkeitskurs, sondern sind auch für eine mehr oder weniger heftige Austeritätspolitik bekannt.


Dass diese zentrale Entscheidung nicht von den Mitgliedern getroffen wurde, hatte „Poble Lliure“ (Freie Menschen) hart kritisiert. Es ist eine der beiden großen CUP-Fraktionen. Sie hatte vor der Vertrauensfrage im September eine „intensive Debatte“ und eine Neubestimmung der Führungs- und Entscheidungsstrukturen angemahnt. Die sechs zurückgetretenen Führungsmitglieder gehören ihr an oder stehen ihr nahe. Allerdings hat Poble Lliure erklärt, mit den Rücktritten nichts zu tun zu haben. Es seien „persönliche Entscheidungen“ gewesen.


Dass die Atmosphäre vergiftet ist, zeigte nicht nur die Erklärung, mit der die Rücktritte begründet wurden. Es wurde von einem „sektiererischen Verhalten“ der Führung gesprochen. Die Sechs fordern,  die „Rückgewinnung des historischen Fadens und der Glaubwürdigkeit“. Die CUP müsse wieder ein „klar demokratisches und transparentes Projekt“ werden, in dem die Basis bestimmt. Sie stellen gefährliche strategische Schwächen fest. Die CUP müsse „eine Garantie und ein Beschleuniger für den Unabhängigkeitsprozess“ sein, statt ihn zu behindern.


Ein Teil der Forderungen, die Entscheidungen künftig auch per Internet-Abstimmungen zu fällen, wurde für die Wahlen der Führung schon umgesetzt. In Zukunft soll die Beteiligung der Basis an Entscheidungen ausgeweitet werden. Um eine Spaltung abzuwenden, verhandelt der frühere Parlamentarier Quim Arrufat zwischen beiden großen Fraktionen. Der hat dem Neuen Deutschland bestätigt, Kandidat für die neue Führung zu sein.


Die Regierungskrise ist damit praktisch beigelegt. Man darf es nach diesen Vorgängen als ausgeschlossen ansehen, dass die CUP dem Regierungschef nicht das Vertrauen ausspricht. Zumindest ein Teil ihrer zehn CUP-Parlamentarier wird das tun, um den Unabhängigkeitsprozess nicht zu gefährden. Die Einheitsliste ist nur auf zwei Stimmen angewiesen. Die beiden großen Parteien, die federführend hinter der Einheitsliste stehen, äußern sich offiziell zu dem Streit nicht. Die Republikanische Linke (ERC) profitiert nach neuen Umfragen klar vom Absturz der CUP, die nun nur noch auf gut 3% statt auf 8% kommen soll. Sie schiebt sich weit vor die Christdemokraten von Puigdemont. In deren Reihen herrscht eine Schadenfreude über den CUP-Streit, denn sie wollen nicht von Antikapitalisten abhängig sein.

 

. Natürlich hat der Chef der Christdemokraten noch eine Rechnung mit der CUP offen. Sie hatte dafür gesorgt, dass Artur Mas nicht erneut Regierungschef wurde, allerdings geschah das im Januar auch erst in letzter Minute. Das hatte den Unabhängigkeitsprozess schon einmal an den Rand des Abgrunds geführt. Deshalb trat der damalige CUP-Chef zurück und seither sind die Spannungen zwischen den beiden großen Fraktionen nur weiter gewachsen.


© Ralf Streck, den 21.06.2016

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welch fundamentaler widerspruch

Haben Kommunisten keine Führungen, sogar die anarchistischen Gewerkschaften CNT und CGT haben das. Lebst du hinter dem Mond?

Jeder der auch nur ansatzweise einen Anspruch hat, in der Gesellschaft eine Wirkung zu entfalten oder sie zu ändern, was man ja mit einer Revolution will, hat in irgendeiner Form eine Führung.

Gut, ich sehe, du willst das gar nicht. Naja, wenn ich mir die Bedeutsamkeit deutscher Linksradikaler heutzutage anschaue, wundert mich das Ergebnis nicht, wenn man solchen Schmarrn äußert. Entweder man organisiert sich oder macht halt in der Nische irgendwo unbedeutend herum. Viel Spaß.