Mafia und Anarchisten in Athen

Gedenkstätte für Alexis Grigoropoulos und Berkin Elvan in Exarchia. Bild: iaberis/CC BY-SA 4.0
Erstveröffentlicht: 
08.06.2016

Griechische Medien nutzen ein Verbrechen im Drogenmilieu, um gegen die Autonomen Stimmung zu machen

 

In Exarchia, mitten in Athen wurde am Dienstag, am helllichten Tag um 11 Uhr 30, ein sechsunddreißigjähriger Ägypter beim Verlassen seiner Wohnung erschossen. Nach aktuellem Stand der Informationen wurden insgesamt fünf Schüsse abgegeben.

 

Zwei davon trafen am Kopf und im Hals, die übrigen Schüsse gingen in die Brust und in die Bauchgegend. Kurze Zeit später erlag der Mann im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Der Mann war der Polizei mit fünf verschiedenen Pässen und drei unterschiedlichen Nationalitäten, als Ägypter, Palästinenser und Syrer bekannt. Er wurde mehrfach wegen Drogenvergehen, Waffenbesitz und Gebrauch sowie wegen Körperverletzung festgenommen und galt als Mitglied einer von Albanern kontrollierten Drogenbande.

 

Die Attentäter näherten sich ihrem Opfer, das in der Eressos Strasse wohnte, auf der zentralen, in diesem Abschnitt als Fußgängerzone ausgeschildeten Themistokleos Strasse in Höhe der Hausnummer 88. Sie waren vermummt auf einem Motorrad unterwegs und entkamen direkt nach ihrer Tat.

 

Die Hochburg des autonomen Lebensstils in Griechenland

 

Exarchia, das ist die Hochburg des autonomen Lebensstils in Griechenland. Das zentrale Athener Viertel bietet Anarchisten, Kommunisten, Künstlern, aber auch Politikern und Rechtsanwälten ein Asyl. Hier beherbergen autonome Gruppen in besetzten Gebäude eine große Anzahl von Flüchtlingen und Migranten und bieten ihren Schützlingen die humanen Lebensbedingungen, welche der Staat nicht bereit oder in der Lage ist, zu stellen.

 

Das Leben im Viertel spielt sich hauptsächlich rund um den zentralen Platz, die Plateia Exarchion, ab. An einem zentralen Punkt des Platzes befinden sich das besetzte, autonom betriebene Lokal K-Vox und direkt daneben die eher einem modischen Establishment zuzuordnende mit einer Bücherei kombinierte Gaststätte Floral in harmonischer Symbiose. In Cafés, Restaurants, Tavernen und in Bars in den pittoresken Gässchen rund um den Platz bietet sich Besuchern ein romantisches Bild.

 

Tabu ist das Viertel für dem Spardiktat folgenden Politikern und für Polizeibeamte. Ebenfalls bestenfalls nur geduldet sind Journalisten. Das Fotografieren ist etwas, was im Viertel nur sehr eingeschränkt möglich ist. Zu groß ist die Furcht einiger Autonomer, dass ihr Konterfei in den Büros der Kriminalpolizei kursiert oder aber in die Hände von Anhängern der Goldenen Morgenröte gerät.

 

Die Präsenz der Drogen

 

Kaum jemandem entgeht jedoch, der intensive Geruch von gerauchtem Cannabis, der sich in einer kaum sichtbaren Wolke wie ein Schleier über den Platz zieht. Es mag manche verwundern, dass dieses Bild auch den anarchistischen Gruppen des Viertels mehr als nur ein Gräuel ist.

 

Denn die Drogenszene besteht nicht nur aus Haschisch rauchenden Szenegängern, sondern auch aus deren Dealern. In deren Angebot befinden sich sämtliche erdenkliche Drogen und vor allem - nach Angaben der Szene - Heroin übelster Qualität.

 

Die Dealer sind in mafiösen Gruppen organisiert und bekämpfen sich gegenseitig, um ihre Pfründe zu sichern. Die Anarchisten wiederum versuchen, die Dealer aus dem Viertel zu vertreiben. Die vorletzte Eskalation war im Februar, am 27. gegen 3 Uhr 30, als zwei Anarchisten aus dem K-Vox zu nächtlicher Zeit auf dem Platz von Dealern überfallen wurden. Die drei Angreifer versuchten, die beiden zu erstechen und verletzten sie dabei.

 

Deckname "Habbibi"

 

Der Messerstecher war das Mordopfer vom Dienstag. Er war unter dem Decknamen Habbibi in Exarchia bekannt. Er war für seine Gewaltbereitschaft berüchtigt, zumal er das Messer auch zückte, wenn jemand es wagte, ihn um eine Zigarette zu bitten.

 

In der Folge der Messerattacken gab es Demonstrationen der Anarchisten gegen die Drogendealer. Bei einer dieser Demonstrationen zeigten sich die Mitglieder der für ihre spontanen Kommandoaktionen bekannten anarchistischen Gruppe Rouvikonas als Schutzkordon der Demonstranten mit Gegenständen, die als Schusswaffen erkennbar waren. Die kursierenden Videos wurden von Anarchisten selbst ins Netz gestellt. Es ist nicht klar, ob es wirkliche Schusswaffen, Schreckschusspistolen, Gaspistolen oder gar Spielzeugwaffen waren.

 

Die Polizei ermittelt nun in alle möglichen Richtungen und schließt weder eine Tat der Mafia noch eine Racheaktion aus militanten anarchistischen Kreisen aus. Obgleich letztere Möglichkeit Kennern der anarchistischen Szene wegen der Art der Durchführung und weiterer Begleitumstände eher unwahrscheinlich erscheint, nutzen viele griechische Medien die Tat, um gegen die Autonomen Stimmung zu machen.

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Woher will der für seine Verschwörungstheorien bekannte Verfassser wissen zu welcher Gruppe die Leute gehörten, die bei der Demonstration Waffen zeigten? Dazu hat sich Rouvikonas jedenfalls nicht bekannt. Die Aktivisten vom Vox wurden auch nicht von Dealern überfallen, sondern haben sich eingemischt, als Dealer eine Frau belästigten. Bei der Auseinandersetzung setzten die Dealer dann Messer ein. Und welche Rolle spielt es, ob die Aktion von "Kennern" oder den griechischen Medien der anarchistischen Szene zugetraut wird.? Egal wer es war, dem Getöteten wird niemand eine Träne nachweinen, ausser die Bullen vielleicht, die sich einen neuen Informanten suchen müssen.