Nächtliche Abschiebung von Riesaer Familie

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In der vergangenen Woche wurden Teile einer seit sieben Jahren in Sachsen lebenden Roma-Familie mitten in der Nacht nach Mazedonien abgeschoben. Das berichtete die Gruppe „Gegen Antiromaismus“ auf ihrer Internetseite. Wegen Übergriffen und dem faktischen Ausschluss vom Arbeits- und Wohnungsmarkt hatte die Familie 2009 das Land verlassen müssen und noch im gleichen Jahr einen Asylantrag in Deutschland gestellt, welcher 2010 jedoch abgelehnt worden war. Gegen 2 Uhr riss die Polizei die Familie am Mittwoch vergangener Woche aus dem Schlaf.

 

Die Mutter und die drei jüngsten Kinder (2, 5 und 7 Jahre alt) wurden zunächst allein nach Mazedonien abgeschoben. „Meine schwer erkrankte Frau ist nun mit meinen drei Kleinsten in Mazedonien, wo sie seit 16 Jahren nicht gewesen ist. Sie hat dort weder eine Wohnung noch irgendwelches Geld“ sagte Sami Bekir nach der Abschiebung. Auch ein am Dresdner Verwaltungsgericht durch den Vater eingereichter Eilantrag wurde nicht einmal 24 Stunden später durch die für den Fall zuständige Kammer abgelehnt. In den vergangenen Wochen hatte die Ausländerbehörde der Familie noch Hoffnungen gemacht und sich kooperativ mit der Ausstellung eines Passes für Staatenlose gezeigt.

 

Der erst kürzlich als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnete Vorsitzende des sächsischen Roma Vereins Romano Sumnal, Gjulner Sejdi, sieht in der Trennung der Familie einen Widerspruch zu Artikel 6 des Deutschen Grundgesetz, wonach Ehe und Familie besonders geschützt sind. Zugleich warf er den Behörden die Missachtung der Rechte von Kindern vor: „Die Trennung der Kinder von ihrem Vater und die Abschiebung mit der erkrankten Mutter gefährden sie massiv und handeln gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Die Geschichte der Familie zeige einmal mehr, dass Roma auch in Deutschland ungleich behandelt und diskriminiert werden.“

 

Unterstützung bekommt die Familie auch von Patrick Irmer vom Sächsischen Flüchtlingsrat: „Romnja und Roma sollten in Deutschland grundsätzlich Bleiberecht bekommen. Im Nationalsozialismus wurden mehrere hunderttausend Sinti und Roma ermordet. Bis heute werden sie in ganz Europa diskriminiert und damit zur Flucht gezwungen. Die Nachkommen derjenigen, die damals der deutschen Vernichtungsmaschinerie entkamen, werden heute wieder gegen ihren Willen vom deutschen Staat verschleppt. Das ist eine Schande!“

 

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden − zusammengesetzt aus dem Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Robert Bendner, Richterin Kerstin Auf der Straße und Richterin Anja Björndal-Pedersen – schloss sich in ihrer Ablehnung den vorgebrachten Gründen für eine Prüfung des Asylverfahrens jedoch nicht an. „Mit der raschen Bearbeitung des Eilantrags durch das Gericht ist nicht davon auszugehen, dass eine tiefgreifende Prüfung des Falls stattgefunden hat.

 

Das Gericht folgt vielmehr dem politischen Willen der Landesregierung und hebelt rechtsstaatliche Prinzipien für die betroffene Familie faktisch aus.“, so Patrick Irmer vom Sächsischen Flüchtlingsrat. Zuvor war angesichts mehrerer schwerwiegender Erkrankungen, darunter koronare Herzkrankheit und dreier Herzkatheter, in dem Eilantrag wie schon am Morgen der Abschiebung auf den schlechten Gesundheitszustand der Mutter verwiesen worden. Trotz der Schilderungen über die Situation in Mazedonien und den gesundheitlichen Problemen der Frau, wollten die Richterinnen und Richter keine „gegenwärtige Reiseunfähigkeit“ erkennen.

 

Bereits 1999 war die Familie Opfer ethnischer Unruhen im Land geworden. Bei einem Brandanschlag auf das Haus der Familie erlitten die beiden ältesten Kinder (damals 2 und 4 Jahre alt) schwerste Verbrennungen und mussten später auf Grund der Schwere ihrer Verletzungen mehrfach operiert werden. Die im darauffolgenden Jahr begonnene Odyssee der Familie zwischen Bosnien und Mazedonien endete erst 2009, als die Familie sich dazu entschied, gemeinsam nach Deutschland zu fliehen.

 

Inzwischen lebt die Familie seit 2009 in Sachsen und galt in Riesa als gut integriert. Die Kinder besuchten Kindergärten und Schulen der Stadt und haben dort noch immer Freunde. Der Vater, Sami Bekir, konnte mit wechselnden Jobs die Familie finanziell über Wasser halten. Gemeinsam mit Netzwerken aus Dresden und Leipzig setzte sich Familie Bekir zudem für andere Roma-Familien und ein dauerhaftes Bleiberecht für Romnja und Roma in Deutschland ein.

 

Wer die Familie in ihrer gegenwärtigen Situation unterstützen möchte:

Spendenkonto: Kosmotique e.V.
IBAN: DE 83 4306 0967 1130 3605 00
BIC: GENODEM1GLS
GLS Gemeinschaftsbank e.G.
Stichwort: Familie Bekir

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"Die Nachkommen derjenigen, die damals der deutschen Vernichtungsmaschinerie entkamen..."

 

Wir könnten in Sachsen eigentlich auch einmal im Jahr auf Knien zu den Wenden kriechen, um uns für deren Vertreibung vor 1000 Jahren zu entschuldigen!?!

Das ist doch mal eine gute Idee. =)