BDS Berlin lädt ein zu Diskussionsrunde

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Der Aufruf der palästinensischen Zivilgesellschaft zu Boykott, Kapitalentzug und Sanktionen und die Reaktionen in Deutschland und Israel

 

Wo: Jockel, Ratiborstr. 14c, 10999 Berlin Kreuzberg

Wann: Sonntag, 22. Mai 2016, 19:00 Uhr,

(English follows German - below)
Seit fast 11 Jahren ruft ein breites Bündnis der palästinensischen Zivilgesellschaft zu Boykott, Sanktionen und Investitionsentzug gegen Israel auf, ähnlich wie dies seinerzeit die Anti-Apartheid-Bewegung in Bezug auf Südafrika tat.

Es geht der BDS-Bewegung darum, von unten Druck auf Firmen, Institutionen und Staaten aufzubauen, um Embargos und Sanktionen gegen Israel zu erreichen, sowie internationale und israelische Unternehmen, die an den Verletzungen des Internationalen Rechts durch Israel beteiligt sind, öffentlich anzuprangern. Die palästinensisch geführte BDS-Bewegung lädt auch Israelis ein, um eines auf Gerechtigkeit gegründeten Friedens willen den BDS-Aufruf zu unterstützen.

Wir wollen gemeinsam darüber reden, wie dieser Aufruf (http://bds-kampagne.de/ aufruf/ aufruf-der-palstinensischen -zivilgesellschaft/) der palästinensischen Zivilgesellschaft in Israel und Deutschland aufgenommen wird. Dazu haben wir Ronnie Barkan, Mitbegründer der israelischen Gruppe 'Boycott! Supporting the Palestinian BDS Call from Within' (http://boycottisrael.info/) eingeladen, mit uns und Kritiker*innenn der BDS-Kampagne zu diskutieren.

In der Vorbereitung zur diesjährigen „Revolutionären 1. Mai Demonstration“ bezeichneten Vertreter*innen der Ökologischen Linken (http:// www.oekologische-linke.de/) und ÖkoLinX-ARL (http:// www.oekolinx-arl.de/) die internationale BDS-Kampagne und BDS Berlin (http://bdsberlin.org/) als antisemitisch, ohne dies zu begründen. Während die überwiegende Mehrheit der anwesenden Gruppen diesen Vorwurf zurückwies, haben sich andere der Stimme enthalten.

Wir wollen das zum Anlass nehmen, eine längst überfällige Diskussion über die internationale BDS-Kampagne zu führen, die außerhalb Deutschlands seit Jahren als selbstverständlicher Bestandteil emanzipatorischer Bewegungen wahrgenommen wird.

Dazu findet eine offene Diskussionsrunde statt, zu der wir ausdrücklich auch BDS-Kritiker*innen und -skeptiker*innen eingeladen haben. Wir wünschen uns einen offenen und respektvollen Umgang miteinander. Dies soll eine Diskussion ermöglichen, in der die unterschiedlichen Standpunkte mit ihren Implikationen deutlich werden.

BDS Berlin, kontakt@bdsberlin.org

Die Veranstaltung wird auf deutsch und englisch sein!

Einladung für den 22. Mai 2016 als PDF-Datei:

bdsberlin.org/wp-content/ uploads/2016/05/Einladung-für-den-22.-Mai-2016.pdf

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Ökologische Linke   Antizionistischer Antisemitismus  Warum wir aus dem Revolutionären 1. Mai-Bündnis (Berlin) ausgetreten sind  
Wir waren jahrzehntelang Mitglied im Revolutionären 1. Mai-Bündnis. Es gelang meistens, antisemitische Positionen aus der Demo herauszuhalten. Am 6.4.2016 wurden plötzlich mehrere antizionistischantisemitische Gruppen auf fragwürdige Weise Mitglied im Bündnis. Man ließ sie, trotz unseres Widerspruchs, sogar über ihre Aufnahme mitabstimmen. Es handelt sich, allen voran, um BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) und FOR-Palestine. Ihr zentrales Ziel ist die Zerstörung Israels.   Am 13.4. beantragten wir mündlich, die undemokratischen Aufnahmen rückgängig zu machen sowie antisemitische Positionen aus der Demo auszuschließen. Unsere Anträge wurden vom Tisch gewischt. Für die Sitzung am 20.4. hatten wir 4 schriftliche Anträge (s.u.) samt Informationen über beide Gruppen verschickt und eine Abstimmung verlangt. Es folgte die antisemitisch verhetzteste Diskussion, die wir je in einem linken Bündnis erlebt haben. Ein Vertreter von FOR-Palestine sprach zustimmend von "nationalem Sozialismus". Die RLB erklärte, dass sie unsere 4 Anträge inhaltlich ablehnt. Wir verloren. Die antizionistisch-antisemitischen Organisationen blieben im Bündnis. Wir traten aus.  Antrag 1: Personen oder Gruppen, die auf der Revolutionären 1. Mai Demonstration in Berlin antisemitische Inhalte in Form von Transparenten usw. mit sich tragen, werden von der Demonstration ausgeschlossen. Beispiel eines solchen Inhalts: "Israel verübt einen Genozid an den Palästinensern".  Antrag 2: Im Revolutionären 1. Mai Bündnis werden Positionen zum Israel/Nahost-Konflikt im Aufruf für die Berliner Revolutionäre 1. Mai Demo nur im Konsens verabschiedet.  Antrag 3: Neues Mitglied des Revolutionären 1. Mai Bündnisses kann eine Gruppe nur werden, deren Mitgliedschaft von der Mehrheit der bisherigen Bündnismitglieder durch Wahl akzeptiert wurde.  Antrag 4: Explizit antisemitische Gruppen wie der BDS und FOR-Palestine, welche nicht nur etwa Kritik am Staat Israel und seinen Handlungen, sondern die ausdrückliche Abschaffung und Zerstörung des Staates Israel zum Ziel haben, können nicht Mitglieder des Revolutionären 1. Mai Bündnisses sein.  Abstimmungen:  Zu Antrag 1: Dafür: Ökologische Linke Berlin, Ökologische Linke, ÖkoLinX-Antirassistische Liste. Dagegen: BDS (neu), FOR-Palestine (neu), Venceremos (neu), Demokratische Komitees Palästinas (neu). DKP, SDAJ, Gruppe Arbeitermacht, Revolution (Arbeitermacht-Jugend), Internationalistischer Abend, Klassenkämpferischer Block (KKB), Internationalismo 21, Kurdistan Solikomitee. Enthaltung: Interventionistische Linke (IL), Radikale Linke Berlin (RLB), Antifaschistische Linke Jugend (ALJ). Zu Anträge 2-4: alle wie zu Antrag 1 - außer ALJ: gegen alle drei Anträge. 
Die antizionistischen Antisemit*innen von BDS und FOR-Palestine haben keinen Begriff von Israel als Klassengesellschaft, sondern stellen das palästinensische gegen das israelische "Volk". Mit ihrer Unterstützung eines Boykotts gegen das ganze Israel bestrafen sie Lohnarbeitende und Unterschicht in Israel, die jüdische und die arabische. Der Boykott ist nur eine Zwischenstufe zum eigentlichen Ziel: der Zerstörung des Staates Israel. Alle Bewohner*innen Israels werden in Kollektivhaftung für die Menschenrechtsverletzungen des Staates, des Militärs und der orthodoxen Siedler*innen genommen. Die antizionistischen Antisemit*innen maßen sich darüber hinaus einen Alleinvertretungsanspruch für alle Palästinenser*innen an und lassen kein kritisches Wort über Raketenangriffe, Selbstmordattentate und Messeranschläge zu.   FOR-Palestine behauptet, Israel begehe einen "Genozid am palästinensischen Volk" (so wie der NSFaschismus einen Genozid an den Juden begangen habe). Die Definition des Begriffes bleibt vage. Es wäre vermutlich der erste "Genozid" der Weltgeschichte, in dem die angeblich ausgerottete Menschengruppe in Wirklichkeit (glücklicherweise) wächst. FOR-Palestine fordert ausdrücklich die "Abschaffung" des Staates Israel und die Vertreibung  aller "Zionist*innen" (vgl. "Über uns", auf: http://for-palestine.org/de/uber-uns-4/). Da im Jargon der antizionistischen Antisemit*innen praktisch alle jüdischen Menschen als Zionist*innen gelten (außer denen, die sich antizionistisch-antisemitischen Interessen unterwerfen), blieben dann kaum noch Juden und Jüdinnen in Israel übrig. 
2  Nicht nur die 1947/48 tatsächlich vertriebenen Palästinenser*innen sondern alle ihre Nachfahren sollen nach Israel zurückkehren. Aber das Völkerrecht kennt kein "vererbbares Rückkehrrecht" und Israel ist etwa so klein wie Hessen. Gälte ein solches Erbrecht für deutsche "Vertriebenen"-Nachfahren und alle anderen Menschen, wären neue Vertreibungen und Kriege in aller Welt sicher. In der Praxis beträfe ein "vererbbares Rückkehrrecht" viele Millionen Palästinenser*innen und wäre die neue Gestalt der antisemitischen Forderung "Juden ins Meer".   Die internationale BDS-Kampagne, deren Finanzierung im Trüben liegt, ist eine antisemitische Kampagne pro-palästinensischer Organisationen mit dem Ziel, Israel erst zu delegitimieren und dann zu zerstören. Aus Platzgründen sei hier nur auf eine zentrale Behauptung eingegangen: Der Staat Israel sei auf Land gegründet, das zuvor ‘ethnisch‘ von seinen palästinensischen Bewohner*innen ‘gesäubert‘ worden sei. Aber Palästina war ein kleiner Landstrich im Osmanischen Großreich als im 19. Jahrhundert arabische Großgrundbesitzer, die meist im Ausland lebten, freiwillig Grundstücke an jüdische Einwanderer*innen verkauften. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das "in der Balfour-Deklaration [1917] gegebene Versprechen der Errichtung eines jüdischen Staates in das britische Völkerbundmandat über Palästina inkorporiert" (Salzborn). Es gab, was den Ursprung des Staates Israel angeht, keinen "Siedlungskolonialismus", wenn auch unstrittig viele Konflikte. Wenn der BDS das Ende der "Kolonisation arabischen Landes" fordert, was ist gemeint? Westbank, Gaza, Ostjerusalem oder nicht eben doch das ganze Israel?  Die Aussage "ich bin kein Rassist, aber..." entlarvt den Sprechenden so wie "man darf Israel nicht kritisieren, ohne gleich als antisemitisch zu gelten…". Das ist ein Verschwörungsmythos, denn wer sollte Kritik an Israel verbieten? Man kann Israel, wie jeden Staat auf der Erde, von morgens bis abends kritisieren. Zum Beispiel so: Israel hält die Westbank völkerrechtswidrig besetzt und muss sie freigeben. Die israelische Gesellschaft ist, wie jede kapitalistische, auch rassistisch. Wer sich aber, statt zu kritisieren, antisemitisch äußert, muss damit leben, Antisemit genannt zu werden, "denn Antisemitismus ist das Gegenteil von Kritik" (Salzborn). Wer Fakten leugnet und sein Interesse zum Glauben erhebt, wird nur die eigenen Ressentiments füttern. Moderne Antisemit*innen leugnen ihren Judenhass, sie raunen und sie manipulieren die Fakten und die Geschichte.  Über die Jahrhunderte haben sich verschiedene Formen des Antisemitismus entwickelt: während 2000 Jahren der christlich-antijudaistische, ab dem 19. Jahrhundert der rassistische, nach 1945 der sekundäre, Schuld abwehrende, seit einiger Zeit der antizionistische und auch der islamistische. Und heute gibt es sie alle. Im Fall von BDS und  FOR-Palestine haben wir es mit antizionistischem Antisemitismus zu tun, der für seinen Judenhass den Staat Israel als Projektionsfläche braucht. Der Antizionismus, der früher eine andere Bedeutung hatte, wurde zu Maske und Mantel einer neuen Form des Antisemitismus.   Typische "Argumente" der Delegitimation sind: Der Staat Israel sei ein rassistisches Projekt, dessen Existenz auf Raub und Vertreibung beruhe. Von Israel wird ein anderes Verhalten gefordert als von jedem anderen kapitalistischen Staat und ihm wird bei Nichtbefolgen eine weit höhere Strafe angedroht: Vernichtung (doppelte Standards). Eine vergleichbare Kollektivstrafe gegen Deutschland, Russland oder die USA ist nicht vorstellbar. Mit linker Staatskritik und aufgeklärtem Antinationalismus hat dieser antizionistisch-antisemitische Wahnsinn nicht das geringste zu tun.   Und Israel wird dämonisiert wie kein zweiter Staat. Es wird zum Objekt der Wahnvorstellung von einer "jüdischen Weltmacht", verschärft seit der Weltwirtschaftskrise von 2008ff, und es wird mit dem NSFaschismus gleichgesetzt. Das verharmlost nicht nur die Shoah, den millionenfachen Massenmord an den deutschen und europäischen Juden und Jüdinnen durch Deutschland. Es soll auch deutsche Antisemit*innen von aller geschichtspolitischen Verantwortung frei sprechen.   
Bundessprecher*innenrat (BSR) der Ökologischen Linken, 1. Mai 2016  
Lesetipps:  [1] Samuel Salzborn: "Israelkritik oder Antisemitismus? Kriterien für eine Unterscheidung", in: http://www.hagalil.com/2013/06/israelkritik-oder-antisemitismus/  [2] Micha Brumlik: "Politik der Moral oder Moral der Politik?", in:  http://www.akweb.de/ak_s/ak586/02.htm. [3] Hans-Peter   ttne : "Antisemitismus als Denkform", in:            -                           Theorie der Gesellschaft (2014) [4] Moishe Postone: Deutschland, die Linke und der Holocaust, Freiburg: ca ira-Verlag 2005

http://www.hagalil.com/2013/06/israelkritik-oder-antisemitismus/

 

 

"Kritik, so viel kann an dieser Stelle festgehalten werden, unterscheidet sich insofern doppelt vom Ressentiment, in seiner Distanz zum Mythos und in seiner Distanz zum Instrumentellen. Ein wesentlicher Lackmustest für die Praxis kann immer die Frage sein, ob diejenigen, die Israel zu kritisieren meinen, auch bereit sind, die eigene Weltsicht in Frage zu stellen und ob sie dazu in der Lage sind, aufgrund von Fakten ihre eigene Position zu revidieren. Sind sie dies nicht, dann formulieren sie keine Kritik, sondern lediglich Ressentiment — ob in seiner mythologischen oder seiner instrumentellen Variante, ist im Ergebnis nebensächlich."

"Als Kernbestandteile eines antizionistischen Antisemitismus werden in der Arbeitsdefinition der Europäischen Union genannt:

• „Das Abstreiten des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
• Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird.
• Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
• Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
• Das Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen.“[http://www.fra.europa.eu/fraWebsite/material/pub/AS/AS-WorkingDefinition... (dt. Übersetzung: European Forum on Antisemitism).">21]"

Zum BDS:

 

"Zuletzt aber zeigt sich die antisemitische Ausrichtung der BDS-Kampagne auch darin, dass mit ihr Individuen bekämpft werden, um auf diesem Weg den jüdischen Staat zu treffen: jede Boykottmaßnahme, die sich gegen ein demokratisches Regime richtet, trifft zuvörderst die boykottierten Individuen — vom Gemüsehändler bis zum Naturwissenschaftler. Denn alle werden in Kollektivhaftung genommen, ausschließlich aufgrund ihrer vermeintlichen oder realen Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, sie alle werden für etwas abgestraft, was mit ihrer persönlichen Haltung und Person nichts zu tun hat — was, nebenbei bemerkt, auch auf ein völkisches Verständnis von Strafrecht verweist: es geht nicht darum, was ein Individuum tut, sondern um seine soziopolitischen Hintergründe — dies ist exakt das Strafrechtsverständnis des Nationalsozialismus, der auch nicht die Tat, sondern die Täter bestrafte und insofern dieselbe Tat in einem Fall als Straftat und im anderen Fall als legitime Handlung bewertete, je nachdem, wer die Tat ausgeübt hatte."

Wer ausser euch und zionistische Gruppen verwenden diese 'Arbeitsdefinition' denn noch, nachdem sie recht schnell als untauglich verworfen worden ist?

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Ich halte eure Positionen für falsch, aber ich finde es gut, dass ihr eine solche Veranstaltung macht, bei der sich begegnet werden kann! Leider findet dies in bereits einseitig belasteten Räumen statt und wird von euch als Veranstalter ausgerichtet. Deshalb werden diverser Menschen mit einer kritischen Haltung wahrscheinlich fern bleiben und ein Dialog nur schwer entstehen können. Nicht zuletzt weil es in letzter Zeit auch zu Bedrohungen oder Angriffen gekommen ist (womit ich nicht sagen will, dass ihr persönlich das gut heißen würdet).

Vielleicht wäre es daher besser, wenn ein solches Podium von einer 'neutralen' Gruppe veranstaltet würde...

!

es gab eine solche veranstaltung in den räumen der Taz, hier ein Video (die Kommentare darunter, ekelhaft!):

 

https://www.youtube.com/watch?v=618sECmymLY

 

die auswertung einer der diskutanten:

 

http://www.akweb.de/ak_s/ak586/02.htm

Politik der Moral oder Moral der Politik?Diskussion Eine Entgegnung auf Achim Rohdes Artikel »Was tun gegen die Besatzung?« in ak 584

Von Micha Brumlik

"Die in ak begonnene Diskussion über die BDS-Kampagne bietet mir die Gelegenheit, mich - anders als in der Hitze des Gefechts einer öffentlich geführten, mündlichen Debatte (1) - meiner Argumente systematisch zu versichern. Die systematische Frage, um die es bei meiner Debatte mit Omar Barghouti ging, war die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Moral bei dem übereinstimmend geteilten Ziel, die Besatzungsherrschaft Israels im Westjordanland zu beenden. Im Weiteren also darum, rechtliche, moralische und politische Einsichten und strategische Überlegungen richtig zu vermitteln. Daher gilt:

1. Juristisch: Aus Sicht der von einer überwältigenden Mehrheit von Völkerrechtlern und der Mehrheit der Weltgemeinschaft geteilten Überzeugung - wie sie in der Resolution des Sicherheitsrates 237 vom 14.6.1967 und schließlich in der Resolution des Sicherheitsrates 446 vom 22. März 1979, die ohne Gegenstimme angenommen wurde, zum Ausdruck kommt - ist die Besetzung und Besiedlung der bis zum Juni 1967 von Jordanien regierten Westbank formal und material völkerrechtswidrig und steht besonders im Widerspruch zur vierten Genfer Konvention. Zudem widerspricht die Besatzung dem nach wie vor von der internationalen Gemeinschaft anerkannten »Selbstbestimmungsrecht der Völker«, in diesem Fall der PalästinenserInnen, einem Recht, auf dem auch die Regierungen und politischen Mehrheiten des israelischen Parlaments bestehen, wenn sie darauf beharren, dass der Staat Israel als »jüdischer Staat« anerkannt werden möge.

2. Moralisch: Die Lage der in der Westbank lebenden palästinensischen Bevölkerung, die - das ist unbestreitbar - zu einem nicht unerheblichen Teil von dem von Israel kontrollierten Arbeitsmarkt profitiert, widerspricht gleichwohl menschenrechtlichen Minima, wie zumal die israelischen Menschenrechrechtsorganisationen Be Tselem und Women in Black immer wieder zu Recht dokumentiert haben.

3. Politisch: Sowohl israelische Regierungen, Teile der politischen Führung der palästinensischen Autonomie als auch die überwiegende Mehrheit der Staaten der internationalen Gemeinschaft befürworten daher die sogenannte Zwei-Staaten-Lösung. In meiner Debatte nicht nur mit Omar Barghouti, sondern auch - Wochen und Monate früher - mit Judith Butler, die ebenfalls zu den Unterstützerinnen von BDS gehört (2), ging es daher nicht um die Frage, ob die Ziele von BDS moralisch und grundsätzlich akzeptabel sind oder nicht, sondern darum, ob sie einen erfolgversprechenden Beitrag zur Verwirklichung der Zwei-Staaten-Lösung liefern. Das aber ist nicht der Fall. Folgendes sind die offiziellen Ziele von BDS, wie sie 2005 publiziert wurden:

»Diese gewaltlosen Strafmaßnahmen müssen solange aufrecht erhalten bleiben, bis Israel seiner Verpflichtung nachkommt, den PalästinenserInnen das unveräußerliche Recht der Selbstbestimmung zuzugestehen, und zur Gänze den Maßstäben internationalen Rechts entspricht, indem es: 1. Die Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes beendet und die Mauer abreißt; 2. Das Grundrecht der arabisch-palästinensischen BürgerInnen Israels auf völlige Gleichheit anerkennt; und 3. Die Rechte der palästinensischen Flüchtlinge, in ihre Heimat und zu ihrem Eigentum zurückzukehren, wie es in der UN Resolution 194 vereinbart wurde, respektiert, schützt und fördert.«

Ein unrealistisches und ungenaues Programm

An diesem Programm ist zu kritisieren, dass seine Ziele in mancher Hinsicht unrealistisch oder - schlimmer noch - ungenau sind: Zunächst ist nicht klar, wer überhaupt »die PalästinenserInnen« sind; sofern es sich um die arabischen BewohnerInnen des Gazastreifens und der Westbank handeln soll, ist die Forderung unproblematisch - unklar bleibt freilich, ob darunter auch die arabischen StaatsbürgerInnen Israels fallen. Sodann: ist zwar erstens die Forderung nach dem Ende der Besetzung und Kolonisation arabischen Landes dann unproblematisch, wenn darunter die Westbank, der Gazastreifen und der Ostteil Jerusalems verstanden werden. Unklar ist, ob sich die Formulierung »arabisches Land« auch auf Grundstücke innerhalb der Grenzen Israels von 1967 bezieht.

Zweitens ist unklar, was die Forderung nach einer völligen Gleichheit der palästinensisch-arabischen BürgerInnen Israels bedeutet. Sollen auch arabische Israelis zur Armee eingezogen werden? Soll das hochgradig zerklüftete Schulsystem mit seinen arabischen und jüdischen, zudem noch jüdisch-religiösen Schulen zugunsten eines - von mir aus auf jeden Fall zu begrüßenden Einheitsschulsystems - aufgegeben werden?

Drittens: Die Forderung nach Anerkennung eines Rückkehrrechts, das - wenn es denn wirklich ein »Recht« sein soll - auch wahrgenommen werden kann, widerspricht jeder politischen, demographischen und städtebaulichen Realität. Zudem ist es in dieser Formulierung juristisch haltlos. Sollte darunter das individuelle Recht jener Personen verstanden werden, die 1947/8 tatsächlich vertrieben wurden, ist die Forderung auf jeden Fall moralisch akzeptabel; sollte darunter jedoch die Einreise all jener Personen, die heute als »PalästinenserInnen« gelten und die - obwohl 1947/48 noch gar nicht geboren - ihre Herkunft aus Familien, die 1948 vertrieben wurden, belegen könnten, so ist die Forderung inakzeptabel. Und zwar deshalb, weil es ein völkerrechtlich anerkanntes »Recht auf Heimat« - anders als ein Recht auf Eigentum - nicht gibt und es daher auch nicht vererbbar sein kann. (Das hat die Debatte um das »Recht auf Heimat« der deutschen Vertriebenen unzweifelhaft gezeigt, ebenso wie die Debatte um neuere Konflikte, etwa auf dem Balkan. Tatsächlich entspricht völkerrechtlich - man mag das bedauern oder für weise halten - dem klaren Verbot der Aussiedlung oder Vertreibung kein Recht auf Rückkehr, schon gar nicht der Nachkommen der Vertriebenen.)

Eine Art politischer Mahnwache

In jener Debatte in den Räumen der taz aber hat Omar Barghouti wieder und wieder darauf bestanden, dass diese Anerkennung eines »Rechts auf Rückkehr« - gleichgültig ob es wahrgenommen wird oder nicht - wichtiger sei als pragmatische Lösungen, die am Ende zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen können. Damit erweist sich Barghouti - ebenso wie Judith Butler und die meisten anderen UnterstützerInnen von BDS - gemäß der berühmten Unterscheidung Max Webers als ein Gesinnungsethiker, dem die Reinheit und Konsistenz seiner moralischen Überzeugung wichtiger ist als eine - wenn auch nur allmähliche und begrenzte - Verbesserung der Verhältnisse. Zudem agieren beide unpolitisch: Weder Barghouti noch Butler kümmern sich darum, unter der liberalen Öffentlichkeit in Israel Zustimmung zu finden; daher drängt sich der Verdacht auf, dass sie daran auch gar nicht interessiert sind. Die - um noch einmal Max Weber zu bemühen - verantwortungsethisch zu reflektierenden Folgen ihres Handelns oder ihres Nichthandelns interessieren beide, aber auch alle anderen BefürworterInnen von BDS nicht im Geringsten.

So stellt am Ende »BDS« nicht mehr dar als eine Art politischer Mahnwache. Derlei mag legitim sein, ist in Deutschland jedoch - in diesem speziellen Fall des undifferenzierten Boykotts israelischer Waren und Personen - historisch belastet. Hier jedenfalls irrt Achim Rohde, wenn er die grundsätzliche Legitimität eines Boykotts israelischer Waren dadurch zu erhärten sucht, dass er ausgerechnet auf den Boykott zionistischer Organisationen gegen arabische Produkte in den 1920er Jahren hinweist. Erstens war auch dies keine Maßnahme, die man für legitim halten würde, zweitens aber gilt angesichts des Judenboykotts der Nationalsozialisten: Auch Gesten und politische Rituale haben ihre Hermeneutik und ihre Geschichte: Käme heute jemand auf die Idee, rechtsradikale Literatur öffentlich zu verbrennen?

Barghouti und Butler erweisen sich mit ihrer Politik der Moral einer Moral der Politik unterlegen, der es nicht um das »Recht-Haben«, sondern um das »Recht-Bekommen«, also um den Erfolg einer Zwei-Staaten-Lösung geht. Deshalb ist die Entscheidung der EU, alle Subventionen für israelische Unternehmen und Institutionen in der Westbank künftig zu streichen, moralisch, politisch und rechtlich vollauf gerechtfertigt und verdient jede Unterstützung. Sie ist zudem eines jeden Antisemitismus unverdächtig, da sie auf dem weltweit anerkannten, universalistischen Völkerrecht beruht und darüber hinaus - ebenso wichtig - in der Sache zielführend ist, da sie Israels Außenhandelswirtschaft empfindlich und effektiv trifft. Was aber die Frage der möglichen, moralisch motivierten individuellen Ablehnung von in der Westbank produzierten israelischen Waren betrifft, so scheint mir die Maßnahme der Schweizer Lebensmittelkette Migros angemessen, die derlei Waren als solche kennzeichnet und es dann den KonsumentInnen überlässt, sie zu erwerben oder nicht.

Butler und Barghouti jedoch, mitsamt ihrem Beharren darauf, den Boykott solange fortzusetzen, bis Israel das Rückkehrrecht anerkennt, (also nie), sind vom Hegel der »Phänomenologie« vor mehr als 200 Jahren genau charakterisiert worden: »eine unglückliche sogenannte schöne Seele, verglimmt sie in sich, und schwindet als ein gestaltloser Dunst, der sich in Luft auflöst.«

Micha Brumlik war bis zu seiner Emeritierung Anfang 2013 Professor für Erziehungswissenschaft an der Uni Frankfurt."

 

http://www.akweb.de/ak_s/ak586/02.htm