[Chile] Peanuts für die Opfer, PR für Staat und Wirtschaft. Der Teletón hilft kräftig mit

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Lauthals schreit Don Fransisco in die Kameras. Mit dem Finger zeigt er auf sie, "nur 10 Millionen Pesos?!", provoziert er den Spender. Seine angespannte Stimmung ist gekonnte Schauspielerei. Geschickt wechselt er von einer Emotion zur anderen. Es wirkt, das Publikum folgt seinen Animationen wie ein höriger Hund: jubelt ihm frentisch entgegen oder wiegt sich in Trauer, wenn seine Stimme andächtig sinkt.

 

offizielle Homepage des Teletón

 

Seit seinen Anfängen moderiert er den Teletón, die größte und beliebteste Benefiz-Veranstaltung in Chile. In aller Kürze wurde dieses immense Happening aus dem Boden gestampft, um den Opfern des Erdbebens zu helfen.

Illustre Gäste gesellen sich zum Spektakel: die Präsidentin Bachelet, der zukünftige Präsident Piñera des rechten Parteibündnisses Alianza por Chile, bedeutende Vertreter_innen aus Wirtschaft und selbst der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Ansprachen der Präsidentin rühren, die Einheit des chilenischen Volkes wird heraufbeschworen. "Unsere Flagge mag zwar beschädigt sein, aber sie ist noch immer eins", verkündet Bachelet. Zerstört, aber vereint. Chile ayuda a Chile. Ganz klar, alle sind miteinander solidarisch. Jetzt ziehen alle am selben Strang. Kein Wort über die schweren Versäumnisse der Behörden hinsichtlich der Tsunamiwarnung. Heute Abend wird das Herz geöffnet, ein Herz für Chile.
Betroffene Bürger_innen kommen zu Wort und spenden willfährig ihr Monatsgehalt. Don Fransisco hält eine Zigarettenschachtel in die Kamera und preist den Hersteller: "Raucht Pall Mall, denn Pall Mall unterstützt den Teletón!". Die Menge klatscht. Von der Propagandaveranstaltung, die 27 Stunden ohne jegliche Unterbrechung andauert und auf allen nationalen Fernsehkanälen übertragen wird, zehren alle möglichen Akteur_innen. Jede_r manövriert sich ins Rampenlicht. Politiker_innen stimmen das Volk auf zukünftige Maßnahmen ein, Musiker_innen nutzen die Gunst der Stunde, um vor versammelten Volk aufzutreten. Die Wirtschaft spendet fleißig. Generalsekretäre und Vorstandsvorsitzende lächeln froh, wenn der Scheck überreicht wird. Denn die Rechnung zahlt sich aus: ein paar Millionen Pesos - Peanuts für die Firmen - genügen und die PR ist perfekt. Ein ausgedehnter Auftritt vor Millionen, Jubelrufe und Danksagungen Don Fransiscos und in der Werbung erneute Salbungen für das korporative Image. "Telmex, deine Telefonfirma ist mit dir, denn wir stellen die Kommunikation, die Chile heute braucht."
Unvorstellbar, in kaum einer Woche haben alle großen Firmen eine Reihe von Werbespots fabriziert, um ihre Produkte auch in Krisenzeiten bestens absetzen zu können. Die Weste wird weiß gewaschen. Eine bessere Plattform könnte es nicht geben.
Zwischen den Werbepausen flackern kurze Sequenzen über die Mattscheibe. Ein Einzelschicksal folgt auf das andere. Am Boden zerstörte Witwer schluchzen um ihre kürzlich verstorbene Familie. Tränen fließen. Der Kameramann hält indessen munter drauf. Je größer das Leid, das unverblümt über den Bildschirm flimmert, umso größer rollt der Rubel. Im Anschluss folgt fetziger Cumbia. Die Masse tobt.

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Für die die es noch nicht wissen. Telmex gehört dem (ehemals) reichsten Mann der Welt - Carlos Slim.

 

Der könnte Chile alleine wieder aufbauen wenn er denn möchte - will er aber gar nicht!