Freiburg: Alles für Alle. Kapitalismus überwinden!

Alles für alle!

Für Samstag, den 27. Februar 2010, rufen wir* zusammen mit anderen sozialen Gruppen zum kollektiven Schwarzfahren auf. Die Idee dazu kam im Zusammenhang mit der Forderung nach einem Sozialticket für finanziell benachteiligte Menschen auf. Wir unterstützen dieses Vorhaben, möchten jedoch in diesem Rahmen eine weiterführende Kritik an den bestehenden Verhältnissen üben.

 

Wir finden die teuren Ticketpreise des RVF ebenfalls unverschämt, jedoch darf unsere Kritik hier nicht aufhören. Ein Sozialticket für beispielsweise 14 € im Monat klingt anfangs zwar schön und gut, jedoch würde dies keine grundlegenden Probleme, welche der Kapitalismus tagtäglich produziert, aus der Welt schaffen. Der öffentliche Personennahverkehr muss immer auch im Zusammenhang mit der kapitalistischen Verwertungslogik kritisiert werden, welche heute jeden Teilbereich unseres Lebens maßgeblich beeinflusst. Denn natürlich ist eine Fahrt in der Straßenbahn auch „nur“ eine Ware, da sie nützlich ist und einen bestimmten Zweck erfüllt, bzw. Bedürfnisse befriedigt (Weg zur Lohnarbeit, zum Einkaufen, zum Sonntagsausflug, etc.).

 

Uns reicht es nicht aus, für einen besseren Hartz IV-Regelsatz, bessere Arbeitsbedingungen oder billigeren Wohnraum – also für ein „schönes Leben im falschen Ganzen“ – zu kämpfen. Wenn wir ein selbstbestimmtes Leben frei von jeglicher Herrschaft erreichen wollen, müssen wir weitergehen und die bestehenden Verhältnisse als Problem erkennen und bekämpfen. Der Kampf gegen Symptome macht keinen Sinn, wenn damit nicht gleichzeitig das kapitalistische System, welches diese erst erzeugt, überwunden wird.

 

Eine Grundlage des Kapitalismus ist zum Beispiel die Tatsache, dass es Privateigentum gibt. Dabei geht es jedoch nicht um die persönliche Zahnbürste oder einen Kühlschrank, sondern um die Produktionsmittel (also alles, was zur Produktion von Waren benötigt wird). Privateigentum zu besitzen, heißt, andere Menschen von der Verfügung über sie auszuschließen. Von der Verfügung über die Produktionsmittel ausgeschlossen zu sein, heißt aber, dass einem die Mittel zur Existenzsicherung verwehrt werden.

 

Wenn wir an diesen Verhältnissen etwas ändern wollen, müssen wir den Weg in ein schönes Leben – ohne Ausbeutung, Herrschaft und Kapitalismus – selbst beschreiten. Es ist paradox, ein solches Leben von Staaten zu fordern, die Privateigentum durch das Gewaltmonopol sichern, verteidigen und ohne Hierarchien und die Ausübung von Macht nicht existieren könnten. Außerdem sind die Handlungsweisen des Staates auch nur von der momentanen ökonomischen Lage abhängig, denn in der jetzigen Situation stellt ein Staat auch „nur“ ein riesiges Unternehmen dar.

 

Ein Staat wird niemals in der Lage sein, ein schönes Leben für alle zu gewährleisten. Dazu müssen wir uns selbst organisieren und unsere Handlungsmöglichkeiten innerhalb des Systems, welche natürlich auch nicht komplett ohne Widersprüche auskommen, wahrnehmen. Kollektive Aneignungen – wie gemeinsames Schwarzfahren – sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn sie ermöglichen es uns zu nehmen was allen gehören sollte.

 

Kollektives Schwarzfahren | 27. Februar 2010 | 12 Uhr | Bertoldsbrunnen


Alles für Alle. Kapitalismus überwinden!


Linksradikales Bündnis Kontrollverlust im Februar 2010


* Das linksradikale Bündnis Kontrollverlust hat sich im Frühsommer 2009 gegründet und mit anderen linksradikalen Gruppen zu einer antikapitalistischen Demonstration am 11. Juli mobilisiert. Gleichzeitig zum G8-Gipfel in Italien demonstrierten rund 700 Menschen unter dem Motto „Kapitalismus überwinden, die falsche Freiheit auf der Strecke lassen!“ unangemeldet durch die Freiburger Innenstadt.


Mehr Infos, Konzept, Materialien, Presseberichte usw. sind auf unserem Blog unter www.kontrollverlust.blogsport.de zu finden.

 

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"Kollektive Aneignungen – wie gemeinsames Schwarzfahren – sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn sie ermöglichen es uns zu nehmen was allen gehören sollte"

 

Und was ist daran die kollektive Enteignung privatisierter Produktionsmittel? Schwarzfahren ist hier doch nicht mehr als die sozialdemokratische Forderung, der Staat möge Eigner gerade dieses Produktionmittels sein um den arbeitenden, bzw. transportbedürftigen Menschen diese Last abzunehmen. Die von euch gewünschte Form der Aneignung hat mit der Frage nach de Privateigentum eigentlich gar nichts zu tun und stellt eher die Frage, wie die Nutzung und damit verbundene Profit durch das staatliche Gewaltmonopol gesichert wird.

Deshalb Schwarzfahren für umme und ohne Durchgriff der staatlichen Organe, aber bitte, Enteignungsphantasien sind wohl eher nicht angebracht.

Und was ist daran die kollektive Enteignung privatisierter Produktionsmittel?

 

Warum glaubst du, dass die Kollektivierung der Produktionsmittel hinreichend zur Überwindung des Kapitalismus ist? Wenn dem so wäre, könnte der DDR doch nicht vorgeworfen werden, dass die kapitalistisch gewesen sei.

Schwarzfahren ändert sicher nichts an der Lohnabhängigkeit der Bahnmitarbeiter, sprich die Ware Arbeitskraft bleibt Ware, aber es reduziert die eigene Abhängigkeit vom kapitalistischen Verwertungsprozess, dass die geschaffene Aufmerksamkeit natürlich mit einer Verschärfung staatlicher Sanktionen einher geht, ist die andere Seite der Medaille.

Egal was du tust, es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Du bleibst immer Gefangener des Systems. Worum es allerdings in erster Linie gehen sollte, ist eine Delegitimation staatlicher Institutionen, denn ohne staatlichen Schutz dürfte die kapitalistische Verwertungsmaschinerie in Probleme kommen.