Aufruf zum 2. bundesweiten Iransoli-Aktionstag

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Gegen religiösen Fundamentalismus, Sexismus und Homophobie – Nieder mit dem islamistischen Regime im Iran! Solidarität mit den iranischen Feministinnen!
 Aufruf zum 2. bundesweiten Iransoli-Aktionstag am Weltfrauentag, 8. März 2010.

Eine grimmig dreinblickende Frau mit verrutschtem Kopftuch schleppt eine Hand voll Steine, im Hintergrund rauchende Barrikaden; eine junge Frau schreit und streckt dabei die Faust in die Luft; eine dritte liegt auf dem Boden, Blut rinnt ihr aus Mund und Nase – sie stirbt, erschossen von Milizen auf einer Demo, sie hieß Neda. Diese Bilder aus dem Iran 2009 gingen um die Welt.

 

Der iranische Aufstand, der sich zunächst gegen eine allzu dreiste, putschartige Wahlfälschung seitens Präsident Mahmoud Ahmadinedschad richtete, weitete sich aus zu einem Aufstand gegen die herrschende Zustände und für Freiheit, Menschenrechte und eine Lebensperspektive. Getragen wird er hauptsächlich von Jugendlichen und jungen Erwachsenen – sie machen 70% der iranischen Gesellschaft aus – und in erster Linie von Frauen; jungen, geschminkten, sich den islamischen Kleidernormen widersetzenden Frauen, die mit ihren Stöckelschuhen auf Pasdaran-Milizen und Polizei losgehen.

 

Weg mit dem Scheiss System. 


Auch wenn Ahmadinedschad der beste Kumpel vom „sozialistischen“ Staatschef Hugo Chavez aus Venezuela ist: im Iran herrscht nicht Sozialismus, und sei es eine noch so kaputte Variante davon, sondern eine religiös-fundamentalistische Horror-Diktatur. Diese ist nicht, wie manche glauben, die Vorhut des anti-imperialistischen Widerstands, sondern eine um Einfluss bemühte regionale Großmacht im nahen und mittleren Osten, die in islamischen Nachbarländern Terrorgruppen finanziert und ihre eigene Bevölkerung mit Gewalt beherrscht. Darüberhinaus bastelt das Regime an einer Atombombe, mit der es vor Allem Israel bedroht.

 

Doch viele Menschen im Iran haben schon lange die Schnauze voll davon. Die Wirtschaft liegt am Boden, es gibt kaum Arbeit, die Leute haben keine Perspektive, und alles was Spaß macht, ist verboten: Sex außerhalb der Ehe, Alkohol und andere Drogen, Parties, Diskos oder auch nur knutschen und anziehen, was man und besonders frau will. Eine freie Presse gibt es nicht, Versammlungsfreiheit genauso wenig und Gewerkschaften sind so gut wie verboten.

 

Seit Jahrzehnten leisten die Menschen im Iran dagegen Widerstand. Und letztes Jahr im Juni ist ihnen der Kragen endgültig geplatzt. Seitdem kommt es regelmäßig zu Massendemonstrationen und kleineren Aktionen gegen die Diktatur und für Freiheit – wobei die verschiedenen Strömungen innerhalb der mit der Farbe grün symbolisierten Freiheitsbewegung durchaus unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was darunter zu verstehen sei. Ganz vorne dabei: vor allem junge – Frauen.

 

Eine frauenverachtende Gesellschaft ist eine menschenverachtende Gesellschaft.


Die Frauenunterdrückung ist eine zentrale Säule des islamistischen Regimes der “Islamischen Republik Iran“ (IRI). Hijab und Tschador (Kopftuchpflicht und die Erlaubnis, nur bestimmte Farben in der Öffentlichkeit zu tragen) sind politische Mittel, mit denen nicht nur die Frauen drangsaliert werden. Jeder Mann ist verantwortlich für die „Ehre“ „seiner“ Frauen, kontrolliert sie und wird dabei selbst kontrolliert. So müssen Väter ihre Töchter, Brüder ihre Schwestern, Ehemänner ihre Frauen und Söhne ihre Mütter überwachen und auf die Aufrechterhaltung der „Ehre“ achten. Das sorgt logischerweise ständig für Stress.

Weder für Frauen noch für Männer gibt es Aufklärung über Sexualität, heterosexuelle Kontakte vor der Ehe sind strengstens verboten, Homosexualität mit der Todesstrafe belegt. Es gibt kaum Zugang zu Wissen über Sex und Reproduktion, eine der wichtigsten Voraussetzungen für weibliche Selbstbestimmung und ein befriedigendes Sexualleben von Männern und Frauen.

 

Frauen dürfen nicht ohne Begleitung männlicher Verwandtschaft in der Öffentlichkeit auftreten, geschweige denn reisen, dürfen nicht mit „fremden“ Männern auf der Straße reden, die meisten gesellschaftlichen Bereiche bleiben ihnen verschlossen, selbst Sport dürfen sie nur in wallenden Gewändern betreiben. Die Spaltung durch den Ausschluss der Hälfte der Gesellschaft soll jeden oppositionellen Widerstand im Keim ersticken.

 

Doch Widersprüche tun sich auf. Das Regime musste immer wieder Zugeständnisse machen: Frauen dürfen inzwischen studieren – ihr Anteil an den Studierenden beträgt nach anfänglichem striktem Universitätsverbot nun über 55%. Da ihnen aber berufliche Perspektiven größtenteils verschlossen bleiben, staut sich Wut an. Durch Internet, Fernsehen und Erzählungen aus dem Exil wissen sie, welche Möglichkeiten sie anderswo hätten. An ihren Müttern und Großmüttern sehen sie, was ihnen unter der IRI blüht: ein Leben, eingepfercht zu Hause, ausgeschlossen von den meisten Events des gesellschaftlichen Lebens, auf der Straße auf Schritt und Tritt überwacht von Tugendwächtern und islamischen Revolutionsgardisten.
Ihre Unzufriedenheit und ihre Wut machen sie so zum Motor des sozialen Widerstands.

 

Women in action.


1963 erhielten die Frauen im Iran das Wahlrecht und spielten dann eine wichtige Rolle in der Revolution 1979. Kaum hatten sich die Islamisten unter der Führung von Khomenei durchgesetzt und frauenverachtende Gesetze wie die Kleidervorschriften mit Hijab und Tschador erlassen, wehrten sich die Frauen mit Aktionen und Demos gegen diese Maßnahmen.

 

Die iranische Frauenbewegung geriet mit der und gegen die islamische Revolution richtig in Fahrt und hält bis heute stand. 
Nach den bleiernen 80er Jahren mit Massakern, Hinrichtung und Verfolgung aller emanzipatorischen Kräfte waren es während der Zeit der leichten Liberalisierung unter Khatami in den 90ern wiederum die Frauen, die als erste und bis Juni 2009 aktivste soziale Bewegung für ihre Rechte kämpften. Sie traten mit Forderungen nach punktueller Gleichberechtigung auf den Plan und konnten hier und da Erfolge erringen. Gleichzeitig liefern sich die jungen, urbanen Frauen ein Battle mit den Tugendwächtern, in welchem diese bereits 1990 ihre Erfolglosigkeit eingestanden: „Solange wir die Einstellung und Denkart der Frauen nicht geändert haben, können die Pasdaran und andere Streitkräfte gewiss nichts erreichen. Wenn wir die Art des Tragens des Kopftuchs regeln, ändern die Frauen den Schnitt des Kopftuchs. Bekämpfen wir diesen Verstoß, ändern sie die Farbe. Verhindern wir dies, schminken sie sich stärker, wird dies nicht zugelassen, ändern sie die Kleidung, stoppen wir dies, kommen Brille, Gürtel, Schal.“ (Resalat 05.05.1990, Zitiert nach Peyman Jahaver Haghighi: Iran, Mythos und Realität. S.155. Münster 2008)

 

Your liberation is bound up with mine.


Das Bewusstsein über die Rolle der Frauen treibt den Widerstand voran. Solange die Frauen des Iran nicht frei und gleichberechtigt sind, kann es niemand sein, da alle über ihre „Ehre“ und Sexualität kontrolliert werden. Da die Frauenunterdrückung so ein wichtiger Stützpfeiler des Systems der IRI ist, ist der Kampf dagegen ein zentraler Hebel um das System zu Sturz zu bringen. 


 

Solidarität muss praktisch werden.


Wir wollen nicht länger dulden, dass die freiheitsliebenden Iraner_innen mit deutscher Technik überwacht, gefoltert und ermordet werden. Es ist inakzeptabel, dass ausgerechnet deutsche Firmen der IRI die Technik für die Atombombe liefern.

 

Wir leben im Kapitalismus. Auch wenn Firmen vordergründig noch so sehr ihre Liebe für Menschenrechte und internationale Abkommen beschwören, letztlich zählt der Profit, so funktioniert das Spiel. Wer dabei sein will, darf sich an irgendwelchen ethischen und moralischen Bedenken nicht stören; gemacht wird, was Geld bringt, nicht was gut für Menschen und Umwelt ist. Deswegen können wir sie genau dort auch treffen. Wenn nur Bilanzen zählen, dann lasst uns die Bilanzen verhageln. Zerren wir sie an die Öffentlichkeit und machen wir ihnen klar, dass das Irangeschäft ein Verlustgeschäft ist! 

Es gibt eine Prophezeiung unter Iraner_innen: Der Tag, an dem die iranischen Frauen ihr Kopftuch ablegen und auf die Straße gehen, ist der Tag, an dem die IRI fällt. Der 8.März könnte dieser Tag sein. Lasst sie uns unsere Solidarität spüren und ihnen Kraft geben, den Kampf um ihre Freiheit – und damit die Freiheit aller Iraner_innen – bis zu Ende zu führen. 


 

Deutsches Kapital, wir wissen wo Dein Auto steht.



„Wenn die Schlagstöcke auf Demonstranten niederprasseln, wenn Elektroschocker Geständnisse herauspressen, wenn moderne Abhörtechnik aus dem Iran den perfekten Überwachungsstaat macht, ist vieles davon „made in Germany““ (Magazin MONITOR vom 02.07.2009)
Die BRD ist einer der wichtigsten Handelspartner der iranischen Diktatur. Etwa zwei Drittel der Industrie der Islamischen Republik „stützen sich auf Maschinen und Anlagen deutschen Ursprungs“, konstatierte im Februar 2006 Michael Tockuss – zu jener Zeit Präsident der „Deutsch-iranischen Industrie- und Handelskammer“.

 

- Rohde & Schwarz, eine deutsche Firma für Sicherheitstechnik, „pflegt seit vielen Jahren Geschäftsbeziehungen mit Kunden im Iran“ wie sie dem Magazin „Monitor“ mitteilten. Diese „Kunden“ sind Firmen der Pasdaran-Milizen und andere staatliche Repressionsorgane.

 

- Thyssen&Krupp machen nicht nur Geschäfte mit dem Iran: Der iranische Staat war bis 2003 drittgrößter Anteilseigner bei ThyssenKrupp mit einem Aktienpaket von 7,8%. Internationaler Druck führte zu einer Reduzierung der iranischen Anteile auf 4,5%. Besonders aktiv im für Sanktionen vorgesehenen Energiebereich ist Thyssens Tocherfirma Uhde.

 

- Siemens-Nokia, ein JointVenture der beiden Firmen, hat dem iranischen Regime im Sommer Technik verkauft, die die Überwachung des Mobilfunk- und Internetverkehrs ermöglicht. Seitdem werden beide Firmen von den Aufständischen heftig boykottiert. Das Handygeschäft von Nokia im Iran brach um die Hälfte ein, wie die englische Zeitung „The Guardian“ herausfand.

 

- Siemens allein setzte im Jahr 2008 438 Millionen Euro im Iran um. Die Firma steht unter Verdacht, sogenannte „Dual-Use-Güter“, also Dinge, die sich sowohl für das Atomprogramm als auch für etwas anderes verwenden lassen, an das iranische Regime zu liefern.

 

- Der deutsche „Nah- und MittelOst-Verein e.V.“(NUMOV) koordiniert das deutsche Irangeschäft. Ehrenvorsitzender: Gerhard Schröder, im Vorstand finden sich des weiteren Vorstände von ThyssenKrupp, Rheinmetall, E.ON Ruhrgas und der Deutschen Bank.

 

- Das bayrische Familienunternehmen Knauf verbot im Sommer seinem iranischen Personal unter Androhung fristloser Kündigung das Aufbegehren gegen das Regime.

 

- Das Siegener Familienunternehmen Steiner baut im südlichen Iran für circa 100 Millionen Euro Anlagen, in denen Erdgas verflüssigt wird

 

- Die im südwestlichen Niedersachsen gelegene Aerzener Maschinenfabrik liefert Prozessgasgebläse und Schraubenverdichter für eine Stahlschmiede in Isfahan – ihr größter Einzelauftrag seit dem Unternehmensbestehen.

 

- Auch mit dabei beim Aufrüsten iranischer Behörden: Daimler, BMW, Dräger (Tränengas), Heckler&Koch (Maschinengewehre etc) , MAN, Bayer, BASF, Linde.

 

Nieder mit der islamischen Republik! Marg bar jomhuri-ye eslami!
 Grenzen auf für iranische Flüchtlinge! Keine Abschiebungen in den Iran!
Gegen die deutschen Geschäfte mit der iranischen Diktatur! Kapitalismus überwinden!

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