Vorläufige Auswertung zum Schwarzen Dezember

Die Nächte erleuchten...

Ohne einer tiefer gehenden Analyse vorgreifen zu wollen, hier zunächst ein erster Eindruck über die Resonanz, die der Aufruf von Nikos Romanos und Panagiotis Argirou gefunden hat. Bereits im November gingen Menschen in mehreren Ländern auf diesen Versuch einer informellen Koordinierung der Anarchie ein und entfesselten eine Folge von Interventionen im öffentlichen Raum, Brandanschlägen und Textbeiträgen, wie sie in letzter Zeit nur selten von einem der unzähligen, meist unbeachtet gebliebenen Aktionsaufrufen ausgelöst wurden. Die umfangreichste Auflistung in deutscher Sprache findet sich auf urbanresistance.noblogs.org.

 

Von ähnlichen Kampagnen Versuchen unterscheidet sich der „Schwarze Dezember“ in seinen Überlegungen und auch seiner Wortwahl, die anscheinend mit dem Diskussionsstand vieler anarchistischer Zusammenhänge korrelierten und dabei eine zeitlich praktikable Vision vorschlugen. Im Gegensatz zu vielen Aufrufen für sehr kurzfristige Ein-Punkt Kampagnen, etwa Solidarität zu einem Repressionsfall, die mit ihrem bekannt werden bereits oft überholt sind oder nur wenig Angriffspunkt bieten.

 

Der Text „Für eine neue, kämpferische Position des anarchistischen Aufstands – Für einen Schwarzen Dezember“ wurde schnell in mehrere Sprachen übersetzt und nachweisbar auf Internetseiten verbreitet, die von dem angesprochenen Milieu genutzt werden; ein Hinweis auch auf Versäumnisse anderer Aufrufe, die zu wenig und zu langsam verbreitet werden und selten übersetzt sind.

 

Überhaupt kommt den Übersetzungen eine große Bedeutung im Kampf für den umfassenden Angriff auf das Bestehende zu, das Wissen um Theorie und Praxis unserer Verbündeten ist ein wichtiger Faktor für eigenes Handeln. Wie nahe dem Original die übersetzten Erklärungen im Dezember wirklich gekommen sind, ist nicht einfach zu beurteilen. Bei manchen Texten aus dem Spanischen drängt sich der Verdacht auf, das die Übersetzungen nicht so gut sind oder manche Gruppen bspw. in Südamerika doch von ganz anderen Schwerpunkten ausgehen.

 

Womit wir dann schon bei der Richtung angekommen sind, auf die der informelle, anarchistische Aufstand zielen wird. Heraus kristallisiert als Targets haben sich eindeutig die Profiteure und Verursacher von Unterdrückung und Krieg, sowohl als Konzerne als auch in Form von individueller Verantwortung und staatlichen Organen. Banken, Fahrzeuge von Sicherheitsfirmen und Behörden waren oft das Ziel militanter Gruppen, mancher Orts wurde sich auch bei Krawallen auf den Aufruf bezogen. Eine Zermürbung einzelner Akteure der repressiven Gesellschaftsordnung liegt durchaus im Bereich anarchistischer Handlungsfähigkeit und was nicht übersehen werden darf, parallel zu Angriffen mit Bezug auf den Schwarzen Dezember gingen ähnliche Angriffe mit anderen Begründungen oder anonym weiter.

 

Die vielen Texte, von denen noch einige nicht übersetzt wurden, auszuwerten um in eine weltweite, andauernde Sabotagewelle über zu gehen, könnte eine Aufgabe für diesen Winter werden. Sprachbegabte können sich hier https://gr-contrainfo.espiv.net/tag/%CE%BC%CE%B1%CF%8D%CF%81%CE%BF%CF%82... versuchen, einige Links führen auch ins Spanische.

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Ich verstehe mich als Anarchist, aber ich habe am Vorgehen der anarchistischen Szene starke Kritik.  Ich habe nichts gegen Militanz, aber etwas gegen destruktive Gewalt.

 

Das Zerstören von Bankautomaten als Angriff auf den Kapitalismus trifft stets nur die kleinen Menschen die darauf angewiesen sind ihr Geld am Automaten abzuholen. Es ist sehr verärgerlich für diese wenn sie Kilometerweit einen anderen Automaten suchen müssen und dringend an Geld müssen. Die Reichen interessiert ein beschädigter Geldautomat nicht!

 

Auch das Spielen mit Feuer so sehr ich den Reiz verstehen kann und auch die dahinter liegende Wut dieses willkürlich über das "schweine System" zu ergießen, widert mich eher an, da es auch hier unschuldige Menschen trifft und nicht das System als Eigentliches.

 

Abschließend bin ich der Meinung dass Anarchismus, vor allem weil es Anarchismus ist und als Utopie so fern von den Menschen der nationalistischen Bürgergesellschaft, nicht durch Zerstörung sondern durch Demokratie und Politische Arbeit erreicht werden muss. Seit 2007 treten willkürlich inflationär anarchistische Symbole auf. Die Anarcho-Szene ist im Boomen, besonders in Spanien und Griechenland; aber inhaltlich hat sie nichts anzubieten außer das bestehende System zerstören zu wollen und tja was dann? Anarchie? Wem ist damit geholfen. Dieses System wird sich nicht durch eine gewalttätige Revolution der Verwüstung beenden oder abstellen lassen und Politik-Losigkeit/Gesetzlosigkeit, ist nicht die Utopie die Anarchisten weltweit gerecht wird oder der langen blutigen Historie des Anarchismus.

Bitte legt mal offem was ihe eigentlich anstrebt, was sind eure Ziele.

 

In Texten wie "der kommende Aufstand" oder "an unsere Freunde" werden eure Ziele nicht deutlich, da wird nur in schwurbeliger Sprache um alle klaren Aussagen herumgeredet.Bitte redet endlich mal Klartext!

 

* Andeutungen deuten darauf hin, daß Ihr, oder Teile von euch (ELF etwa) die Bevölerung der Menschheit reduzieren wollen. Ist das so? Und wenn ja, mit welchen Mitteln soll das geschehen?

* Andeutungen deuten darauf hin, daß ihr, oder Teile von euch (Primitivist_innen), die Industrie und Technik komplett abschaffen wollen. Ist das so? Und wenn ja, wie gedenkt ihr, soll die Weltevölkerung ernährt werden? Oder ist gar nicht beabsichtigt, daß alle essen?

* Es bleibt unklar, ob ihr überhaupt eine neue, bessere Gesellschaft aufbauen wollt, oder ob ihr Gesellschaft komplett abschaffen wollt. Ist das so, und wenn ja,wie soll das gehen? Krieg aller gegen alle?

 

Äußert euch mal klar, und nicht nur in schlehcten Gedichten.

Habt mal den Mut dazu, Aussagen zu machen, und redet nicht immer nur um die wichtigen Fragen herum!

Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich deine Fragen verstehen soll - sind sie ernst gemeint oder willst du Insurrektionalist_innen einfach nur Menschenfeindlichkeit etc. unterstellen? Ich gehe jetzt mal von ersterem aus und versuche eine Antwort...

Insurrektionalismus ist keine einheitliche Bewegung des Anarchismus und bezeichnet schon gar nicht ein konkretes Ziel. Eher ist Insurrektionalismus als eine politische Praxis zu verstehen, welche im Kontext anarchistischer Ausrichtung der Kämpfe sein Hauptaugenmerk auf konfrontative und polarisierende Praxen. Wohin das dann führt ist eine andere Frage, die unter Insurrektionalist_innen unterschiedlich beantwortet wird - einige sehen es als einen Prozess ohne Ende, mitunter sogar ohne Hoffnung auf Fortschritt, andere beziehen sich auf anarchistisch-kommunistische oder aber individualistische-antisoziale, wieder andere auf primitivistische Utopien. Gemeinsam haben sie alle nur, dass sie den Angriff auf und den Bruch mit der herrschenden Ordnung, gerade auch als individuellen Akt von einem subjektiven Standpunkt aus, für notwendig halten. Dies, weil es Insurrektionalist_innen darum geht Individuen zur Revolte und damit zur Selbstbefreiung (nichts anderes kann Emanzipation bedeuten!) zu befähigen und zu motivieren, anstatt sie von der einen Passivität der kapitalistischen Normalität in die andere Passivität angeblich revolutionärer Gewerkschaften, Parteien oder gar Staaten zu überführen, welche den Zustand der Passivität und Fremdbestimmung nur in alter oder neuer Form reproduzieren und Befreiung immer nur als etwas denken, was Individuen oder Organisationen mit den Menschen machen, aber niemals als etwas, was die Menschen selbst machen, i.S. der Erlangung von Selbstständigkeit, eben Emanzipation. Es geht den Insurrektionalist_innen darum eine revolutionäre Subjektivität zu erlangen, die nicht ohne weiteres bereits vorhanden ist und einfach abgerufen werden kann - so tautologisch es klingt Revolte muss erlernt werden durch das Revoltieren selbst, da mit den kapitalistischen Subjekten, ihrer Passivität, ihren Ideologien, ihrer Unterwürfigkeit etc. keine Revolution zu machen ist, welche nicht wieder nur einen Zustand der Herrschaft schafft oder reproduziert.

Soviel zu meiner Sicht der Dinge... gibt sicherlich Leute, die das anders sehen.

Es war eine ernstgemeinte Frage. Anlass dafür war halt, daß einige Strömungen, die sich zu den Insurrektionalist_innen zählen (ELF, Primitivist_innen) tatsächlich über eine Ausrottung eines großen Teiles der menschheit fantasieren, und andere sich davon nicht distanzieren. Mit Emanzipation hat sowas überhaupt nichts zu tun.

Ich glaube nicht, daß alle Insurrektionalist_innen das selbe Ziel haben, so wie du es schreibst, sind die Ziele sehr verschieden. Und doch stehen sie zusammen in Solidarität, die anarchistisch-kommunistischen zusammen mit den prinitivistisch-menschenfeindlichen. Das kann ich nicht nachvollziehen. Hier herrscht wohl Einigkeit über die Mittel, aber nicht über die Ziele, und noch nicht mal darüber, ob menschliche Emanzipation das Ziel ist.

Ist das wirklich alles, was dahinter an Absichten steckt?

Dass unter Menschen, welche sich als Insurrektionalist_innen sehen, auch einige zu finden sind, deren Ansichten keineswegs emanzipatorisch sind, ist nicht zu bestreiten, aber auch kein alleiniges Kennzeichen dieser Strömung. Was ich aber bestreiten würde ist, dass Insurrektionalist_innen unbedingt solidarisch zu einander sind - auch hier gibt es Auseinandersetzungen und Konflikte und nicht jede und jeder wird supportet oder als Teil oder Verbündeter des/im eigenen Kampfes gesehen. Ich habe bisher z.B. noch von keiner Solidaritätsbekundung von den eher klassisch anarchistischen Aufständischen aus Italien oder Griechenland gegenüber den primitivistischen Aufständischen in Südamerika oder umgekehrt gelesen. Deine Forderung, dass sich die Insurrektionalist_innen von anderen Insurrektionalist_innen distanzieren oder für sie rechtfertigen müssen, ist nur vor dem Hintergrund eines Bildes von Insurrektionalist_innen schlüssig, das sie als eine  einzige Bewegung mit eigener Theorie etc. zeigt, was sie aber schlicht nicht sind - dafür ist der Individualismus innerhalb dieser Strömung ohnehin zu stark ausgeprägt. Das verbindende ist lediglich eine bestimmte Praxisform, wobei ihre theoretische Rechtfertigung, ihr Zweck, ihre Verortung im gesellschaftlichen Kontext und dessen Analyse stark divergieren. Hier eine Distanzierung zu fordern, wäre vergleichbar damit diese Forderung an Linksradikale in Bezug auf die verschwörungstheoretischen Montagsmahnwachen zu richten, da sie beide sich des Mittels der Kundgebung bedienen, sonst aber wenig gemein haben bzw. gemein haben sollten.

Auch wenn ich an dieser Stelle Insurrektionalist_innen eher verteidigt habe, will ich dennoch nicht von der Hand weisen, dass in eben der Betonung dieser Praxisform auch einiges an antiemanzipatorischem Potential liegt.Insurrektionalist_innen waren immer offen für einen Praxis-, Gewalt-, Opfer- und Rachefetisch/-kult, der schnell in eine Sackgasse führen oder sogar reaktionär werden kann bzw. es bereits ist. Dennoch hat der Insurrektionalismus unter Umständen und in bestimmter Form seinen Platz innerhalb der linksradikalen Bewegung und ist sogar unerlässlich z.B. da er in meinen Augen wie sonst niemand das subjektive Moment der Emanzipation und die Notwendigkeit von Selbst-Emanzipation betont und gegen zu Disziplinierung und Objektivismus neigenden Strömungen in Marxismus, aber auch Anarchismus stark macht. Es gilt sich seiner Risiken bewusst zu sein und aus Fehlern und nicht zu begrüßenden Entwicklungen in seiner langen Geschichte zu lernen - genauso wie es auch mit den anderen reformistischen, pazifistischen, projekt- oder masseorientierten Ansätzen in der radikalen Linken ist.

eine komplette Übersicht über alle Aktionen findet ihr hier: http://rabble.org.uk/black-december-timeline/