Am vergangenen Freitag wurden zwei Sporthallen in Hellersdorf durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) beschlagnahmt und von Unterstützer_innen für die Unterbringung von bis zu 200 Menschen hergerichtet. Damit wurden nunmehr insgesamt vier Hallen im Bezirk zu Notunterkünften umgenutzt.
Freiwillige Helfer_innen verlegten Bodenplatten, bauten Betten auf und nahmen schutzsuchende Menschen bis spät in die Nacht in den beiden Gebäuden in der Carola-Neher-Straße und der Straße Am Baltenring in Empfang.
Kurz nach Bekanntwerden der Notquartiere im Stadtteil Hellersdorf meldeten sich die ersten „besorgten Bürger“ und riefen spontan zu einer Versammlung vor einer der beiden Hallen auf. Unter den Teilnehmer_innen befanden sich bekannte Neonazis wie die Hellersdorferin Daniela Fröhlich. Bereits seit 2013 ist Fröhlich eine der führenden Protagonistinnen der extrem Rechten „Bürgerbewegung Hellersdorf“. Zusammen mit den Neonazis Marcel Rockel und Kai Schuster ist sie für eine Vielzahl rassistischer Aktionen verantwortlich.
Während Ehrenamtliche am Freitagabend mit dem Aufbau von Betten beschäftigt waren, verschaffte sich eine Gruppe Neonazis um Daniela Fröhlich illegal Zutritt zum Gebäude Am Baltenring, fotografierte das Innere und pöbelte Freiwillige an. Die Aufnahmen tauchten wenig später auf einer Internetseite der NPD auf. Die extrem Rechte Partei gehörte von Anfang an zu den Mitinitiator_innen der rassistischen Mobilisierungen gegen Geflüchtete und ihre Unterkünfte in Hellersdorf und später in Marzahn.
Die herbeigerufene Polizei verwies die Gruppe des Hauses und erlaubte ihnen sich mit weiteren schaulustigen „Besorgten“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu versammeln. Etwa zehn Personen verweilten dort einige Stunden.
In der Carola-Neher-Straße, wo sich seit 2013 bereits eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete befindet, vollzog sich die Herrichtung der Sporthalle zunächst ohne Zwischenfälle. Zwar fotografierten immer wieder Neonazis die Tätigkeiten rund um das Gebäude, doch ließen sich an diesem Abend keine größeren Gruppen Rassist_innen blicken. Stattdessen brachten solidarische Nachbar_innen den freiwilligen Helfer_innen Tee und Kaffee.
Am Samstagnachmittag jedoch fokussierten sich die Hellersdorfer Neonazis auf die Sporthalle in der Carola-Neher-Straße. Über eine Nachfolgeseite der schon länger inaktiven „Bürgerbewegung Hellersdorf“ riefen Daniela Fröhlich und der dem extrem Rechten „Dritten Weg“ nahestehende Rassist Kai Schuster zu einer Kundgebung unmittelbar an der Geflüchtetenunterkunft auf. Auch die NPD war mit ihrem Kreisvorsitzenden Andreas Käfer vor Ort. Die Polizei genehmigte entgegen der bisherigen Praxis im Bezirk diese Versammlung in direkter Hör- und Sichtweite zur Gemeinschafts- und Notunterkunft.
Etwa 30 Rassist_innen sammelten sich gegen 19 Uhr an der Ecke Maxie-Wander-Straße/Carola-Neher-Straße. Sie führten eine NPD-, Reichs- und Berlinfahne sowie aus der extrem Rechten Szene bekannte Transparente mit. Diese waren bereits bei verschiedenen Naziaufmärschen in Marzahn-Hellersdorf und erst am vergangenen Montag bei einer Demonstration der NPD in Hellersdorf eingesetzt worden.
Ausgestattet mit einem Megaphon versuchten Daniela Fröhlich und Kai Schuster verzweifelt während der einstündigen Kundgebung die umliegende Bevölkerung für ihre rassistische Hetze zu begeistern – ohne sichtbaren Erfolg. Einige Anwohner_innen brachten stattdessen ihren Unmut darüber zum Ausdruck, dass nun wieder Neonazis vor ihren Haustüren Hass schürten, während sich in den zurückliegenden 2 ½ Jahren eine gute Nachbarschaft zur Geflüchtetenunterkunft und ihren Bewohner_innen entwickelt hat. Freiwillige Helfer_innen der Notunterkunft in der Carola-Neher-Straße waren vor Ort, informierten die Geflüchteten über die Hetzaktion vor dem Gebäude und stellten sich demonstrativ schützend vor die Einrichtung.
Im Anschluss versuchte die Nazi-Gruppe eine Demonstration zur anderen Notunterkunft in der Straße Am Baltenring anzumelden, was ihr jedoch durch die Polizei verwehrt wurde. Zu Fuß liefen die Neonazis in Richtung Neue Grottkauer Straße und verstreuten sich nach dem erfolglosem Demnstrationsversuch wenig später im Wohngebiet.
Die Hellersdorfer Neonazis um Daniela Fröhlich, Marcel Rockel und Kai Schuster versuchen wieder im Bündnis mit der NPD offensichtlich an die von ihnen organisierte rassistische Mobilisierung des Jahres 2013 anzuknüpfen. Die drei waren zuvor bereits in verschiedenen neonazistischen Strukturen aktiv. Im Sommer 2015 bemühten sich die selben extrem Rechten Akteur_innen aus Hellersdorf von sich reden zu machen, als sie zu einer Kundgebung gegen ein Hotel in Kaulsdorf, in dem ebenfalls geflüchtete Menschen wohnen, aufriefen (wir berichteten: https://www.facebook.com/antifainfo.mh/posts/1163156203700983?_rdr=p).
Die neuerlichen Aktivitäten rund um die Notunterkünfte in Hellersdorf legen nahe, dass die 2013 entstandenen und zwischenzeitlich brachliegenden neonazistischen Strukturen im Stadtteil weiterhin funktionieren und nunmehr ein neuer Anlauf für eine breitere rassistische Mobilisierung versucht werden soll. Es ist jedoch fraglich, ob dies gelingt. Durch das Engagement vieler solidarischer Hellersdorfer_innen ist es in den vergangenen Jahren gelungen ein offeneres Klima gegenüber Geflüchteten im Stadtteil zu etablieren, als dies 2013 der Fall war. Die negativen Erfahrungen vieler Anwohner_innen mit extrem Rechter Propaganda und Gewalt sind noch vielen in Erinnerung und so war es auch wenig verwunderlich, dass die Nazis am Samstagabend weitgehend isoliert standen.
Textquelle: facebook.com/antifainfo.mh
Fotoquelle: twitter
Fröhlich, Rockel und Schuster
Umfassende Recherchen zur Bürgerbewegung Hellersdorf erschienen Anfang 2014:
Im vergangenen Herbst kam es rund um den Bezug einer Notunterkunft für Geflüchtete in Berlin-Hellersdorf zu einer rassistischen Mobilmachung, die bundesweites Aufsehen erweckte. Zwar scheint die erste große Mobilisierung fürs Erste abgeebbt zu sein, jedoch geht die rassistische Hetze im Internet ungebrochen weiter und im Umfeld der Unterkunft sind steigende Zahlen rechter Übergriffe und Anschläge zu verzeichnen. Als Reaktion, auf einen erneuten Angriff am vergangenen Donnerstag, beleuchten nun umfassende Recherchen die gewaltbereiten und terroraffinen Strkuturen hinter der sogenannten „Bürgerbewegung Hellersdorf“, der Partei „Die Rechte“ und der militanten Neonaziszene in Berlin-Hellersdorf.
http://www.recherche-und-aktion.net/2014/03/die-buergerbewegung-hellersd...