Nürnberg brennt wir tanzen! Unter diesem Motto kamen am 17.10.2015 ca. 200 Menschen auf dem Jamnitzerplatz zusammen, um für mehr Freiräume und gegen Gentrifizierung sowie Überwachung tanzend durch Nürnberg zu ziehen.
Mobilisation
Aufgerufen hatte zu dieser Nachttanzdemo ein Bündnis aus verschiedenen Freirauminitiativen oder bestehenden Projekten aus Nürnberg und Umgebung sowie libertären Gruppen. Im Vorfeld wurde mittels breit angelegter Plakatierung so wie dem anbringen von 2000 Stickern im Stadtbild und einer gut besuchten Warm up Party, auf die Tanzdemo mobilisiert. Zwei Zugtreffpunkte aus Ingolstadt und München rundeten die groß angelegte Mobilisierung ab.
Tanzen!!
Ab 19:00 Uhr sammelten sich nach und nach immer mehr Menschen vor dem Stadtteilladen Schwarze Katze, denn eine der haarspalterischen Auflagen der Cops und Stadt war dass sich die Demo nicht direkt auf dem Jamnitzerplatz zusammenfinden darf. Begründet wurde dies mit vermeintlichen Straftaten die in keinem Zusammenhang mit der Nachttanzdemo standen und sich schon vor Monaten ereigneten. Auch die ursprünglich vom Bündnis angemeldete Route wurde so nicht genehmigt. Denn Gostenhof (der Stadtteil in dem die Demo startete) ist seit Jahren zunehmend immer stärker von Gentrifizierungsprozessen betroffen, sichtbar wird dies gerade am besagtem Jamnitzerplatz in dessen direkter Umgebung immer mehr neue Luxuslofts und Eigentumsstadthäuschen wie Pilze aus dem Boden sprießen. Logischerweise bleibt der Rest der Kiez Bewohner_innen davon nicht unbetroffen und viele müssen überdurchschnittliche Mieterhöhungen in Kauf nehmen oder werden gar aus dem Stadtteil verdrängt. Da sich die Demo des Bündnisses explizit gegen diese Entwicklungen positioniert, wurde kurzer Hand untersagt dass diese direkt an den neuen Luxuslofts und Eigentumshäuschen vorbei tanzen kann. Wir vermuten wohl aus Angst der Behörden vor farblichen Verschönerungen und anderen kreativen Mitteln, Gentrifizierung sichtbar zu machen.
Nach Redebeiträgen des Bündnisses zur immer perfekteren Überwachung und Kontrolle des öffentlichen Raumes, einem Redebeitrag der Organisierten Autonomie zu Gentrifizierung, wurde noch ein kurzes Grußwort der ehemaligen Besetzer_innen der Bucher Hauptstr. verlesen, welche eine Möglichkeit des aktiven Kampfes gegen all die vom Bündnis thematisierten Entwicklungen kapitalistischer Stadtpolitik den Teilnehmer_innen ins Gedächtnis riefen.
Danach setzte sich lautstark knatternd der Lautsprecherwagen in Bewegung und die Bässe wabernd über die tanzwütende Menge hinweg. Scheinbar gefiel dem Unterstützungssonderkommando (USK) die Beleuchtung der Demo nicht, denn nachdem eine etwas größere „Wunderkerze“ (Bengalo) erleuchtete, rückten diese näher an die Feiernden heran. Allgemein wurden übertrieben viele Cops und Repressionstechnik für ein paar hundert tanzende Menschen aufgefahren. So fuhr die gesamte Zeit über, ein Kamerawagen der Cops vor der Demo her. Fast den kompletten Weg über gab es ein lockeres Spalier des USK und zur Krönung wurde, im als „Wohnmobil“ getarnten Spielzeug des Staatsschutzes, die lokalen Funkzellen des Mobilfunknetzes abgefragt.
Doch der kleine aber feine tanzende Mob bahnte sich seinen Weg durch Nürnberg, über den Frankenschnellweg vorbei am selbstverwalteten Jugend- und Kulturzentrum Projekt 31 hin zum Kohlenhof, an dem solidarische Menschen ein Feuerwerk für alle abbrannten. Nach einigen vernebelten Unterführungen, vielen begeisterten Blicken und hunderten am Rande verteilten Flugblättern zur Demo, erreichten die motorisierten Bauwägen und feiernden Menschen die Nürnberger Südstadt, um am Annapark zum Abschluss nochmal ordentlich ab zu dancen.
Danach starteten die, die nicht genug von technoiden Klängen bekommen konnten, noch auf dem Parkplatz des gerade wieder eröffneten Kunstvereins, eine Party bis in die frühen Morgenstunden.
Ausblick
Das zweite Jahr in Folge konnte ein breit aufgestelltes Bündnis die Themen Selbstverwaltung,„Freiraum“, kollektives/alternatives Wohnen und Leben in die Öffentlichkeit tragen. Auch wurde nicht an Kritik gegenüber den unhaltbaren Zuständen der kapitalistischen Stadtentwicklung und allgemeinen Auswüchsen des heutigen Kapitalismus gespart. Es entstand eine Broschüre im Rahmen des Bündnisses, die sich leicht verständlich mit den Themen Selbstverwaltung und „Freiraum“ auseinandersetzt, sowie einen unvollständigen Überblick über solche Projekte in der Region Nürnberg bietet. Des weiteren könnte sich aus dem Nachttanzdemobündnis eine dauerhafte, lokale Vernetzung selbstverwalteter Freiräume mit einem emanzipatorischen Anspruch entwickeln, was noch abzuwarten bleibt. Auch wenn die Zahl der Demoteilnehmer_innen im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, sehen wir weiterhin immer noch das Potenzial und den Wunsch Freiräume zu entwickeln, zu erkämpfen und zu erhalten!
Squat the world reclaim your city!
http://aufdersuche.blogsport.de/
Seite des Nachttanzdemobündnis:
Aufruf zur Nachttanzdemo:
http://ntdnbg.blogsport.eu/aufruf/
Interview mit dem A-Radio Berlin:
http://aradio.blogsport.de/2015/11/16/die-nachttanzdemo-und-die-freiraeume-in-nuernberg/
Artikel zu Freiräumen in Bayern in der Gaido (Seite 8):
http://issuu.com/fda-ifa/docs/gaidao-58?e=0/30419677