900 Menschen erinnern an Kamal K. und allen weiteren Opfern rechter Gewalt in Leipzig

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900 Menschen Gedenken an Kamal K. und allen Opfern rechter Gewalt. Die Gruppe “Rassismus tötet!”-Leipzig fordert Entfernung des „Vertriebenen“-Banners am Neuen Rathaus. Naziaufmarsch von der "Offensive für Deutschland" in Markkleeberg musste erneut eine verkürzte Route nehmen.

 

Dem Demonstrationsaufruf der Gruppe „Rassismus tötet!“-Leipzig zum fünften Jahrestag des Mordes an Kamal K. folgten mehr als 900 Menschen. Die Demonstration stand unter dem Motto „5 Years of anger and sorrow – Fight Racism“ und sollte neben Kamal an alle zehn Todesopfer – Gerhard S., Klaus R., Gerhard Helmut B., Horst K., Achmed B., Bernd G., Nuno L., Thomas K., Karl-Heinz T. – rechter Gewalt seit 1990 in Leipzig erinnern.

 

Die Ermittlungen zum Mord an Kamal K. standen im Fokus der Demonstration. So ist bis heute die Rolle des Leipziger Polizeibeamten Jens K., Vater des Täters Daniel K., nicht aufgeklärt. Jens K. gab wenige Tage nach dem Mord eine Reisetasche bei der Polizei ab, jedoch nach der oberflächlich-durchgeführten Hausdurchsuchung in Daniel K.s Wohnung. Die Tasche war mit rechter Literatur und Kleidungsstücken mit rechten Aufdrucken gefüllt und würde Marcus E. gehören. Der Weg, den die Tasche genommen hatte, hätte eigentlich Fragen aufwerfen müssen. Die Tasche wurde bei der Hausdurchsuchung nicht gefunden und rassistisches Material, wie von der Staatsanwaltschaft beauftragt, auch nicht beschlagnahmt.  Ebenfalls wurden die neueren Enthüllungen von engen freundschaftlichen Kontakten von Leipziger Polizisten zum Neonazis Alexander K. von „Die Rechte“ thematisiert, die ebenfalls bis heute nicht aufgearbeitet wurden oder Konsequenzen für die Beamten hatten.


Doch nicht nur die polizeiliche Ignoranz bei dem Mord an Kamal K. wurde thematisiert, sondern auch die Leugnung des rassistischen Tatmotivs beim Mord an Achmed B. am 23. Oktober 1996 durch zwei Neonazis. So meinte der damalige Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube: ‘Ein rechtsextremes Potenzial ist mir hier nie begegnet.’ Der Ausländerbeauftragte Stojan Gugutschkow erklärte: ‘Es hätte auch irgendeinen Deutschen treffen können.’ Bis heute haben weder Lehmann-Grube noch Gugutschkow jene Äußerungen zurückgenommen, obwohl Achmed B. seit Februar 2012 offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt ist. Eine zur Kenntnisnahme der Anerkennung sowie die Zurücknahme der Aussagen halten die InitiatorInnen der Demonstration daher für dringend erforderlich.


Bei einer Zwischenkundgebung in der Nähe des Neuen Rathauses wurde in einem Redebeitrag auch das „Vertriebenen“-Banner kritisiert.

„Die Annahme durch den Vergleich zwischen Danzig 1945 und Kobanê 2015 das Herz deutscher Rassist_innen für Geflüchtete erweichen zu können, ist ein falscher. Falsch nicht nur, weil die Realität – Täglich greifen Deutsche Geflüchtete und ihre Unterkünfte an, verüben Brandanschläge und Gewalttaten, mobilisieren zu Aufmärschen und versuchen alles, um Asylsuchende nicht willkommen zu heißen – gegenteiliges zeigt, sondern ebenso historisch betrachtet.“, so eine Spercherin der Demonstration in der Pressemitteilung.


So heißt es weiter:

"Diese emotionalisierende Gleichsetzung bringt Menschen, die wegen einer Notlage aus ihrem Herkunftsland fliehen müssen, mit einem Personenkreis in Verbindung, der zumindest vor 1945 mehrheitlich die NS-Politik begeistert unterstützte. Durch den ausschließlichen Fokus auf Flucht, werden beide Ereignisse zu etwas Gleichem gemacht, ohne jedoch Ursachen und Gründe für die jeweilige Fluchtbewegung zu nennen. Deutsche Zuschauer_innen, Profiteur_innen durch Arisierung und Täter/innen werden somit ihrer Verantwortung und bewussten Entscheidung, sich nicht gegen den Nationalsozialismus zu stellen, sondern ihn mitzutragen und zu befördern, enthoben.

 

Solchen visuellen Mitteln zur Durchsetzung der Opfer-Täter-Umkehr darf kein Raum geboten werden. Daher sollte, sofern die Unterstützung Geflüchteter seitens der Stadt ernst gemeint ist, zukünftig das Geld an Asylsuchende und nicht in Banner gehen. Und jenes sollte schnellstmöglich entfernt und sinnvoller genutzt werden: So beispielsweise als Jute-Beutel. Mögliche Einnahmen können Projekten gegen Rassismus zu Gute kommen.“

 

Nach der Demonstration beteiligten sich viele Menschen an den Gegenprotesten in Markkleeberg gegen den Naziaufmarsch der "Offensive für Deutschland". Hier könnte zum dritten Mal mit antifaschistischen Aktionen die Route der Nazis verkürzt werden.

 


 

Weiteres zur Demonstration:

 

Aufruf: HIER


Jingle: HIER


Interview: HIER

 

Mobivideo: https://www.youtube.com/watch?v=R12nl-HEIlI

 

Presse zur Demonstration:

 

800 Menschen nehmen an Gedenkmarsch für ermordeten Kamal K. teil

 

Gedenken und Blockieren - Aktivisten erinnern an ermordeten Kamal Kilade und verkürzen OfD-Aufmarsch

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Nicht vergessen:

 

Niemand Wird Vergessen / Hiç unutmadık

 

Gedenkveranstaltungen zum 23. Jahrestag der rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992

 

anıları canlı tutma mücadelesi
das erinnern erkämpfen
reclaim and remember
Αγώνας εις Μνήμη

 

Gedenken ist immer auch ein Erinnern an Gewalt. Und es macht gewalttätige Strukturen sichtbar. Strukturen, die diese Gesellschaft prägen, Hetzreden und Pogrome und Morde ermöglichen. Rechte, rassistische und neonazistische Strukturen. Strukturen von Damals. Strukturen von Heute.

 

Das Haus der Familie Arslan wurde am 23.11.1992 von neofaschistischen Tätern mit Molotow-Cocktails angezündet. Bei dem Anschlag wurden die 10jährige Yeliz Arslan, die 14jährige  Ayşe Yilmaz und die 51jährige Bahide Arslan ermordet. Weitere Familienmitglieder wurden teilweise sehr schwer verletzt.  Zuvor hatten die Neonazis bereits einen Brandanschlag auf die Ratzeburger Straße 13 verübt, wo ebenfalls Menschen türkischer Herkunft wohnten. Neun von ihnen erlitten schwere Verletzungen.

 

Rechte Hetze und Angriffe, Anschläge auf geplante und bestehende Flüchtlingsunterkünfte und deren Bewohnerinnen sind 2015 wieder alltäglich geworden. Angehörige der Ermordeten und Überlebende rassistischer und neonazistischer Gewalt benennen diesen alltäglichen Rassismus. Schildern manchmal offen, wie es ihnen tatsächlich geht. Damals und Heute. Verschaffen sich Gehör. Fordern Antworten.

 

Deswegen bedeutet Solidarität den Betroffenen zu begegnen. In ihrem Alltag. Auf Augenhöhe. Auf Austausch bedacht. Mit offenen Ohren. Und weitem Herzen. Es gibt nicht den oder die Betroffene. Es gibt viele Erfahrungen und Geschichten. Viele Verletzungen. Viele Wünsche und Bedürfnisse. Viele Perspektiven. Sie gilt es zu hören. Aus der Vereinzelung zusammenzubringen. Zu vernetzen. Und so Erinnerungspolitiken herauszufordern. Als Kollektiv in der Vielfalt.

Die Erinnerung überhaupt zu erkämpfen – an das Geschehene, an das Vergessene, an das Verschwiegene, an das unter den Teppich Gekehrte, an die Ursachen und die Folgen, an das Davor und das Danach. Diese Forderungen sind nach wie vor aktuell.

 

Es gibt noch viel zu tun.

 

Der „Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992“
besteht aus Mitgliedern und Freund*innen der Familie Arslan und Einzelpersonen verschiedener anti-faschistischer und anti-rassistischer Gruppen.

Gedenkveranstaltungen:

 

Samstag, 7. November 2015
„Möllner Rede im Exil“
Es sprechen:
Argyris Sfountouris
Überlebender des SS-Massakers im griechischen Distomo vom 10. Juni 1944
und
Angehörige der Familie Arslan
Ort: Foyer im Theater Bremen
Beginn: 16.00 Uhr
Anschrift:  Goetheplatz 1-3, 28203 Bremen

 

 

Montag, 23. November 2015
„Reclaim and Remember“
Offenes Gedenken an Bahide und Yeliz Arslan und Ayşe Yilmaz
Ort: vor dem Bahide-Arslan-Haus
Beginn: 15.00
Ende: 19.00 Uhr
Anschrift: Mühlenstraße 9, Mölln

 

Freitag, 27. November 2015
„Reclaim and Remember“
Gedenkkonzert für die Betroffenen rassistischer und neonazistischer Gewalt
mit Neonschwarz; Refpolk, Daisy Chain, Miss Zebra, Kronstadt und DJ KaiKani; Onejiru, Melanie Wharton und Chassy Wezar
Ort: Schlachthof, Bremen
Beginn: 20.00
Anschrift: Findorffstr. 51, 28215 Bremen

https://gedenkenmoelln1992.wordpress.com/2015/10/03/gedenkveranstaltungen-zum-23-jahrestag-des-rassistischen-brandanschlags-von-moelln-1992/

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am 7.11 nach berlin!