Szeneperistaltik

Deutschland im Winter

Gegen linken Konservatismus – zum ständigen Gezänk zwischen Antideutschen und Antiimps
Die Auseinandersetzungen im Gefolge der Verhinderung des Films „Pourqoi Israel?“ von Claude Lanzmann im Oktober ´09 im Hamburger Szenekino B-Movie, die nicht mehr zählbaren Papiere und Statements dafür oder dagegen, v.a. natürlich dagegen, die antideutsche Demo mit 350 TeilnehmerInnen und das beinah weltweite Aufsehen, das das aufgebrachte Geschrei um diese törichte Aktion ausgelöst hat, die noch gar nicht absehbaren Folgen für die Hamburger Linke sind Auslöser, das folgende niederzuschreiben.


Vorm B-Movie und in der Folge eskalierte ein seit Jahren schwelender Konflikt, der geprägt ist vom gegenseitigen Versuch zweier Strömungen einander mundtot zu machen. Das verbal und gelegentlich auch physisch mit brachialen Mitteln ausgetragene Gezänk von Antideutschen und Antiimps dominiert mal mehr, mal weniger Diskussionen und Praxis der radikalen Linken - und behindert sie damit enorm. Mal mehr, mal weniger gelingt es einem der Flügel, andere politische Strömungen für sich einzuspannen. Wir könnten uns damit beruhigen, daß hier geistige Not mit intellektuellem Elend eine selbstzerstörerische Symbiose eingehen. Letztendlich denunzieren beide Seiten sich mit ihren durchgeknallten Positionen selbst, könnten uns also egal sein, wenn, ja wenn ihre Auseinandersetzung nicht weit in die Linke hineinwirken würde – wie der breit getragene Aufruf zur antideutschen Demo am 13.12. gezeigt hat.

Es soll an dieser Stelle nicht um die konkrete Auseinandersetzung gehen, sondern wir werden Verhaltensweisen und Denkmuster kritisieren, die in der hiesigen Linken weit verbreitet sind. Hierin sehen wir die wirklichen Ursachen dafür, daß die Denunziation der sachlichen Auseinandersetzung vorgezogen wird, daß man sich bestenfalls ignoriert und schlimmstenfalls die Fäuste fliegen. In einer Zeit, in der es scheint, als könnten wir unsere Ziele niemals erreichen, verlagert sich das Interesse auf Nebenschauplätze, in die sodann alle Kraft gesteckt wird. Nach dem Motto, wenn wir das Schlechte dieser Gesellschaft schon nicht verändern können, wollen wir wenigstens in der eigenen Szene unsere moralischen Vorstellungen durchdrücken. Der andersdenkende Mitstreiter findet sich plötzlich in der Rolle des primären politischen Gegners wieder.

Rechthaberei und Verächtlichmachung anderer Positionen

Linker Konservatismus drückt sich in dem Axiom aus, nur der eigene Standpunkt sei der einzig richtige und alle anderen Positionen sind eigentlich nicht mehr links (in der Regel antisemitisch oder proimperialistisch).

Man lese dazu einmal antideutsche Texte. Die dortigen AutorInnen stilisieren sich wortreich zu Alleswissern und intellektuellen Alles-Zermalmern, die den angeblich in der Linken grassierenden Antisemitismus als einzige erkannt und kritisiert haben. Wo eine Kritik an der einseitigen und unsensiblen (weil unter Außerachtlassen des eigenen Standorts, nämlich dem Land der Shoah) Palästina-Solidarität dringend ist, kehren sie deren Argumentationsmuster um und verlangen eine unkritische Solidarität mit Israel als der Zufluchtsstätte für die Opfer des Antisemitismus. Sie blenden dabei aus, daß Israel eben nicht nur Refugium für Juden und Jüdinnen ist, sondern auch ein ganz normaler Nationalstaat und desweiteren ein Staat, der einen Anteil daran hat (aber keineswegs allein dafür verantwortlich zu machen ist), daß er immer noch nicht in Frieden mit seinen Nachbarn lebt. Israel ist eine historische Notwendigkeit, es besteht jedoch keine Ursache Israel zu glorifizieren.

Die antideutschen DenunziantInnen eines jeden linken Widerparts gebrauchen den Antisemitismus-Vorwurf derart inflationär, daß er in ihrer Argumentation, ohne daß sie dessen gewahr würden, jede Trennschärfe und analytische Qualität eingebüßt hat. Genau betrachtet verharmlosen Antideutsche auf diese Weise den real existierenden Antisemitismus.

Aber auch ihr selbst erwählter Contrepart (selbstgewählt von beiden Seiten), die sog. Antiimps (nach der gegenwärtigen Verwendung dieses Begriffs für AnhängerInnen einer sehr traditionellen und zumeist unkritischen Solidarität mit den verschiedensten antiimperialistischen Bewegungen weltweit), ist wenig mehr als die andere Seite dieser Medaille: Die Analysen, die ihrer trüben Gedankenwelt entspringen, sind ein lauwarmer Aufguß vergleichbarer Ansichten der 1980er Jahre. Sie sind den Antiimps quasi ewig gültige Wahrheiten. Neue Aspekte und Kritiken werden von ihnen nicht lediglich verworfen, vielmehr hat es den Anschein, als würde über sie gar nicht erst nachgedacht. Dem kritischen – wenn auch bestimmt nicht immer richtigen - Diskurs über Sinn und Unsinn von „Volksbefreiung“ oder „Antizionismus“ haben sie sich konsequent verweigert und geben in ihren Publikationen daher einen stets altbackenen, überkommenen Eindruck ab. Kritiken an tradierten Auffassungen in der Linken werden nur zur Kenntnis genommen, um Munition für die eigenen Erklärungen gegen die KritikerInnen zu gewinnen. Deshalb wirken Diskussionspapiere aus diesen Kreisen nicht nur ungeheuer angestaubt, sondern eben auch ahnungslos. Und ein Besuch in der B5 hat etwas von einer Zeitreise in die Vergangenheit.

Dieses Spektrum steht moderneren Formen des Antisemitismus hilflos gegenüber: Der hier immer wieder angeführte Vergleich einzelner Facetten der israelischen Besatzungspolitik mit den Verbrechen des deutschen Faschismus bestärkt letzendlich all jene, die die deutschen Verbrechen mit der „Erkenntnis“ verharmlosen möchten, wo anders gehe es doch ebenfalls recht übel zur Sache. Niemals wurde in diesen Kreisen zur Kenntnis genommen, wie sehr die NS-Vergleicherei in der deutschen Bevölkerung einer Schuldabwehr dient.

Moralischer Rigorismus

Beide Seiten sind in ihren Äußerungen und ihrem Handeln stark moralisch und weit weniger als sie selber sich gern darstellen von einer kritischen Gesellschaftsanalyse geprägt. Hinter ihrer Parteinahme für jeweils eine Seite des Israel-Palästina-Konflikts verschwinden Auseinandersetzungen in unserer Gesellschaft zwar nicht vollständig, werden aber zur Randerscheinung. Die moralisch fundierte Parteinahme entweder für „die“ PalästinenserInnen oder „die“ Israelis führt zu einem Austrag eines stellvertretenden Nahost-Konflikts in der BRD, wie er absurder nicht sein könnte. Beide Seiten verstecken sich hinter Nationalstaaten resp. Nationalstaatsgründungsorganisationen und sind in derem bürgerlichen Denken gefangen. Auf der einen Seite Verherrlichung der imperialistischen Staaten als „Zivilisation“, auf der anderen Seite ein völlig verlotterter Halbmarxismus, der bestenfalls auf die Unterstützung staatskapitalistischer Elendsverwaltung hinausläuft. Es drängt sich der Eindruck auf, daß sich, je handlungsunfähiger und gesellschaftlich marginalisierter die deutsche Linke ist, umso lauthalser der Antideutschen-Antiimp-Streit in den Mittelpunkt zu drängen vermag.

Suche nach Identität

Die bürgerliche Gesellschaft erzeugt ständig neu Konformität – nur wer mitmacht und Einverständnis bekundet ist ihr akzeptiertes Mitglied – alle anderen setzen sich der Gefahr aus, in eine Außenseiterposition abgedrängt zu werden. Auf der anderen Seite ist ausschließlich „graue Masse“ langweilig (und damit auch geschäftsschädigend), so daß ständig der Ruf nach dem Besonderen, Einzigarten laut wird, das der oder die Einzelne darzustellen habe. So wird die eingeforderte Individualität zur Attitüde, zur Distinktion zum Zwecke gesellschaftlicher Teilhabe. Die Möglichkeiten der Zugehörigkeit zu allerlei Szenen, des Angebots diverser Moden, unter einer Unzahl von Hobbies auszuwählen oder des Anhängens an Traditionen, helfen nach außen eine Persönlichkeit darzustellen (eben auch da, wo gar keine vorhanden ist).

Neben vielen anderen Varianten, sich ein Image als pseudoindividuelles Kennzeichen zu verschaffen, macht – was zunächst widersinnig klingt – auch linke Politik unausgesprochen Angebote einer Identitätsfindung außerhalb des gesellschaftlichen Mainstreams. Welcher links orientierte Jugendliche bewundert nicht den gesetzlosen Militanten, den weder Normen noch deren staatliche VollstreckerInnen zu interessieren scheinen.

Antiimps und Antideutsche haben hier ganz einzigartige Angebote zu machen, um sich einer In-Group zugehörig fühlen zu können und sich von der „Masse“ auch der übrigen Linken abzugrenzen. Diese stete Abgrenzung von „den Anderen“ ist konstitutives Moment beider Strömungen, wie sie sich derzeit präsentieren; womöglich gäbe es beide ohne diese Abgrenzungspolitik gar nicht. Während das theoretische Rüstzeug der einen zu flach, ihre Außendarstellung (in diesen Kreisen noch ganz klassisch als Agitation und Propaganda bezeichnet) zu altmodisch ist, um Anziehungskraft zu entfalten, ist das Gedankengebäude der anderen zu absurd, um ohne identitäre Motivationen des Mitmachens auszukommen.

Beide Strömungen haben ein eigenes, unverwechselbares Erscheinungsbild entwickelt. Während die Antideutschen sich gern sehr modern, der Zeit voraus, gerieren und sich das Image der entschiedensten KritikerInnen anmaßen, geben sich die Antiimps hemdsärmlig als die entschlossensten Fighter gegen den Imperialismus. Beispielhaft mag für die ersten der Name einer dieser Truppen stehen: „sous la plage“ heißt übersetzt „unter dem Strand“ und rekurriert auf die ´70er Parole „unter dem Pflaster liegt der Strand“: Sie schürfen eben noch tiefer und sehen nach, was denn unter dem Strand noch zu finden wäre. Für zweitere ist die gern ´mal – scheinbar nur nebenbei – eingesträute Bemerkung charakteristisch, wenn sie wegen ihre Gewaltbereitschaft innerhalb der Linken kritisiert werden, dies sei doch gar nicht so gravierend, mensch habe schließlich auch ehemalige Guerillakämpfer in den eigenen Reihen (und unausgesprochen: diese echten Kerle sind ganz anderes gewohnt). Aus diesem ganzen Gehabe spricht mehr Eitelkeit als Ernsthaftigkeit in der politischen Auseinandersetzung. Aber: Beide brauchen´s, um ihre Läden zusammenzuhalten, daher ihre Unbedingheit und Kompromißlosigkeit.

Perspektivlosigkeit

Beide Seiten der Medaille sind auch ein Ausfluß der derzeitigen Perspektivlosigkeit linksradikaler Politik. Die Antideutschen haben daraus den Schluß gezogen, daß, wenn es mit der (welt)revolutionären Veränderung schon keinen Zweck mehr habe, mensch wenigstens verhindern solle, daß sich das schlimmste Menschheitsverbrechen der Moderne – der Holocaust – wiederhole. Dieses ehrenwerte Anliegen wurde von einigen AkteurInnen im Laufe der Zeit in eine Lobbyarbeit für die israelische Regierungspolitik überführt und damit der Lächerlichkeit preisgegeben. Eine ernsthafte Analyse und Bekämpfung des real existierenden Antisemitismus hierzulande findet in diesen Kreisen längst nicht mehr statt. Sie haben den schwerwiegenden Vorwurf des Antisemitismus zum Schlagwort in innerlinkem Macht- und Einflußgerangel verkommen lassen. Aber auch die Antiimps haben ihre Kompensation der hiesigen unerfreulichen Zustände durch die Projektion ihres romantisch verklärten bewaffneten Kampfes auf alles, was irgendwo in der Welt knallt und schießt, gefunden. Dabei lassen sie allzugern außer acht, was da für AkteurInnen auf dem Platz stehen. Es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, daß, wenn man sich irgendwie auf Palästina bezieht, mitgedacht werden muß, daß die dortigen Hauptbeteiligten des „Widerstands“ eben die faschistoiden IslamistInnen der Hamas sind. Wer das unterschlägt oder gar mit der Parole verteidigt, diese seien „objektiv antiimperialistisch“, weil sie eben gegen Israel und die USA kämpften, hat das Ziel einer befreiten Gesellschaft aus den Augen verloren.

Ihre Art von Theorie ist beiden Seiten nicht Teil ihres Ringens um eine bessere Welt, sondern ein Haltegriff, um in den komplizierten tatgtäglichen Auseinandersetzungen nicht ins Schlingern zu geraten. Die einen schätzen es, in einer bemüht akademischen Sprache mit ihren Theorieversatzstücken um sich zu schmeißen. Nachwuchsantideutsche sind häufig als Jugendliche in die autonome Szene gegangen und mußten später bei ihren ersten intellektuellen Gehversuchen an der Universität feststellen, daß ihre eigenen Szene theoretisch kaum unterfüttert ist. In dieser Situation bieten sich die Antideutschen mit ihrem Sprachbombast geradezu an zum Erwerb der nun neuen Identität als kritische Intellektuelle. Wer antideutsche Texte liest, wird feststellen, daß zumeist mit einem elaborierten Sprach- und Formulierungsschatz umgegangen wird, daß aber der Inhalt dazu in keinem Verhältnis steht. Sprache wird hier auf Distinktion getrimmt und reduziert.

Ihr Antiimp-Pendant kommt da ganz anders und doch so gleich daher. Auch hier kommt es nicht vornehmlich auf die Richtigkeit dessen, was mensch sagt (oder schreibt), an, sondern darauf, wie es vorgetragen wird. Wo das Image des gestählten, seiner selbst absolut sicheren Kämpfers dargeboten werden soll, muß die Theorie dem entsprechen. Ihr Inhalt hat sich seit bald 100 Jahren nicht verändert, abgesehen von einem Update in den ´70ern, ihre Wahrheiten sind die stets gleichen, immerwährenden. Der dort geliebte Leninismus oder Maoismus wird auf griffige Formeln ´runtergebrochen. Wenn aber ein Theoriegebäude seit mehreren Jahrzehnten nicht verändert wurde, bedeutet dies entweder, die Welt hat sich nicht gewandelt oder die Theorie ist längst überholt. Aber auch sollte letzteres der Fall sein, in Antiimp-Kreisen würd´s eh keinen stören!

Politische Theorie dient beiden Strömungen nur der gegenseitigen Identitätsversicherung und will weit weniger zu einer Auseinandersetzung über die Welt, in der wir leben, und wie sie zu verändern wäre, beitragen. Die moralische Reinheit der eigenen Szene, ihrer Ideen und Veröffentlichungen ist beiden weit wichtiger als der Versuch, zu überzeugen, Menschen für die Vorstellungen einer anderen Welt zu gewinnen. Weder Antideutsche noch Antiimps tragen zur gesellschaftlichen Emanzipation bei. Hier nicht – und auch nicht in Israel und Palästina.

Beiden Seiten ist der Gedanke fremd, daß eine radikale Linke Veränderung nicht nur erfordert, sondern daß sie geradezu ihr Bewegungsprinzip ist. Als EinwohnerInnen eines bürgerlichen Staates, die eine andere, freie Gesellschaft anstreben, frei von Ausbeutung und Unterdrückung, dafür selbstbestimmt und kollektiv organisiert, stehen wir täglich zwischen dem, was uns diese Gesellschaft aufzwingt, zwischen bürgerlichen Verhaltensweisen, die wir jahrzahntelang eingeübt haben, und dem, wohin wir wollen. So gesehen sind Fehler vollkommen unvermeidlich. Sie sind auch überhaupt nichts Schlimmes, solange wir bereit sind, aus ihnen zu lernen. Der Wille zu verändern, auch sich selbst zu verändern, gefaßte Standpunkte zu revidieren, die politische Praxis immer wieder zu überprüfen und eingefahrene Wege zu verlassen ist ein konstitutives Element jeder linksradikalen, revolutionären Bewegung!

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Na nu, wie hat sich denn die Vernunft in diese Debatte verirrt? Deiner/eurer Analyse kann ich nur zustimmen. Die radikale Linke hat in den Zeiten der (emotionalen) Kapitalismuskrise ebensowenig anzubieten wie der Rest der politischen Sphäre (außer den Nasen, die unterbieten wie immer das Mindestniveau).

Die Perspektivlosigkeit sowohl im Kleinen (der Zapatistakaffee schmeckt plötzlich nach Luxus) und im Größeren (die ArbeitnehmerInnen wollen auf Lohnerhöhungen verzichten, ohne das sie überhaupt dazu aufgefordert wären, die Studies freuen sich über die netten PoitikerInnen) macht die dritte Position in dieser Debatte, den distanzierten und reflektierten Umgang mit den Themen schwierig. Gehört werden die, die am lautesten schreien, die sich gegen ihre Feinde zusammenrotten und wie traditionelle Männerbünde linke Freiräume, Medien etc. dominieren.

Die Analyse der zu Antideutschen konvertierenden Studis passt gut. Hinzu kommt noch, dass diese Szene oft Widersprüche integriert und ignoriert: Fashion (Markenklamotten vs. Punkattitüde), Provokation (McDonalds & Coca Cola vs. Veganismus), Drogen (Koksnasen vs. Straight edge) – erlaubt ist, was gefällt und Identität stiftet. Kommunistische Versatzstücke werden mit militaristischem Machismo verquickt und queere Coolness wird durch rosa Inventar angezeigt. Political correctness wird als Dogmatismus verbrämt.

 

Auf der anderen Seite sind die eiskalt ausnutzenden Antiimps, die für ihre vermeintlich revolutionären Zielen die Solidarität opfern, die sie aber nicht müde werden zu propagieren und einzufordern. Die seichtesten Bündnisse werden als Schritt weg vom Szenesumpf in die Mitte der Gesellschaft gefeiert und Sexismus gehört  schon fast zum guten Ton. Wer nicht auf Linie ist, wird ausgegrenzt – aber natürlich nur, falls er/sie keinen Einfluss in einer reformistischen Partei oder Gewerkschaft hat.

seit langem das beste was zum thema geschrieben wurde.

dass sich sowohl die radikalen antiimp- & antideutschen positionen schon längst von einer linken realität entfernt haben fällt wohl jedem auf der auch nur ansatzweise einen überblick hat. aus einer historischen konsequenz raus ist israel in dieser welt mit ihrer ordnung eine notwendigkeit. dass sich dadurch eines ergibt ist eben auch typisch: antideutsche hängen zu großen teilen an der vergangenheit fest, antiimps dagegen schon irgendwo in der zukunft, wo die staaten dann schon längst zur neuen weltordnung aufgelöst wurden. am häufigsten wird dabei wohl die gegenwart vergessen.was am ende dabei rauskommt sieht man dann bei der mobilisierung in dortmund zum "nationalen antikriegstag". was man wohl erreicht hätte wenn man sich zusammengerauft hätte und pseudoidentitäres getue weggelassen hätte.

Einer der besten Artikel seit langem hier !

Eine unparteiische aber sehr kritische Analyse dieser beschissenen Spaltung war schon lange mal nötig, sollte jeder der sich mehr oder weniger einer der beiden Gruppen zuordnet lesen !

Ich will euch (der AG/R-HH) nicht absprechen, den Versuch der Unparteilichkeit unternommen zu haben und beide Seiten kritisiert zu haben. Ich muss mir jedoch einige der Zitate des Artikels (und der Kommentare) herausgreifen, da sie zum Teil und paradoxerweise genau die Attitüde ausdrücken, welche der Text angibt, kritisieren zu wollen.
Darüber hinaus konstruiert euer Text idealtypische AntiD's und AntiImps quasi als Karrikaturen, was ich zumindest für die meisten Personen meiner Bezugsgruppe und weiteren mir persönlich bekannten Genossen des AntiImp-Spektrums (inkl. jene mit nahöstlichem Migrationshintergrund) nicht nachvollziehen kann. (Um das gleiche für die AntiD's zu sagen fehlt mir der konkrete Umgang)

zu AG/R-HH:

"[...] geprägt ist vom gegenseitigen Versuch zweier Strömungen einander mundtot zu machen."
>Aus antiimp. Sicht ist die Position der AntiD's eben keine Strömung innerhalb der Linken. Mich persönlich wundert, dass ihr aufgrund der im Text aufgezeigten Kritik nicht auch dieser Meinung seid. Ich spreche den AntiD's übrigens nicht in jedem Fall ab, antifaschistisch zu sein.
Es ist nur ein reaktionärer bürgerlicher und system-affirmativer Antifaschismus, der m.E. in der Linken nichts verloren hat. Vielmehr traten die AntiD's ja explizit an, um antiimp. Positionen auszuschalten. Das ist/war ihr einziger Zweck und wenn es uns AntiImps nicht mehr gäbe, wären sie unnötig und würden einfach verschwinden, ohne auch nur ein einziges Problem gelöst zu haben. Die Konsequenz ihres Handelns ist die Manifestation und Verschärfung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die wir jetzt haben.
Im übrigen könnt ihr ja mal radikale Linke sonstwo auf der Welt fragen, welche Spektren der deutschen Linken sie noch als links ansehen. Da ist Antiimperialismus Konsens und im Prinzip betont das gar keiner, weil es völlig redundant wär. Wenn du links bist, bist du eben antiimperialistsch. Dass Teile der deutschen Linke hier wieder einen Sonderweg gehen wollen und sich für hundert Jahre weiter halten, ist bezeichnend genug.

"Wir könnten uns damit beruhigen, daß hier geistige Not mit intellektuellem Elend eine selbstzerstörerische Symbiose eingehen."

"[...] mit ihren durchgeknallten Positionen selbst."

"Die Analysen, die ihrer trüben Gedankenwelt entspringen, sind ein lauwarmer Aufguß vergleichbarer Ansichten der 1980er Jahre."

"Deshalb wirken Diskussionspapiere aus diesen Kreisen nicht nur ungeheuer angestaubt, sondern eben auch ahnungslos."

"... auf der anderen Seite ein völlig verlotterter Halbmarxismus,"


>Literarisch schön formuliert, aber die vorhergehenden vier Zitate zeigen leider auch kaum mehr als eine völlig typische intellektuelle(?) Arroganz von Leuten, die glauben die Wahrheit für sich erkannt zu haben. Ohne für jeden einzelnen Genossen sprechen zu wollen, richtet ihr eure Kritik auf einen konstruierten AntiImp, dem ihr implizit unterstellt von Marx nur die Überschriften gelesen und diese nicht verstanden zu haben. Ihr macht damit genau das, was ihr bei uns anprangert. Siehe auch weiter unten.

"Linker Konservatismus drückt sich in dem Axiom aus, nur der eigene Standpunkt sei der einzig richtige und alle anderen Positionen sind eigentlich nicht mehr links (in der Regel antisemitisch oder proimperialistisch)."
>Im Umkehrschluß heißt das, dass alle Standpunkte außer dem eigenen auch richtig sein könnten, bzw. auch links sind / sein könnten. Das wäre dann eures Erachtens nach progressiv? Ohne hier jetzt näher drauf eingehen zu wollen, jedeR hat eine persönliche Definition, was er als Links zulässt und was nicht. Ihr, genauso wie wir. Und es kann auch nicht ernsthaft politisch gewollt sein, jede beliebige Meinung (vor allem, wenn sie sich gegenseitig ausschließen) als links gelten zu lassen, nur weil der Urheber sich zufällig so sieht und sich innerhalb linker Strukturen bewegt.

"Während das theoretische Rüstzeug der einen zu flach, ihre Außendarstellung (in diesen Kreisen noch ganz klassisch als Agitation und Propaganda bezeichnet) zu altmodisch ist [...]"
>Hier zeigt ihr nur, dass euch Formen wichtiger sind als Inhalte. Welche Terminologie von der antiimp. Linken benutzt wird, ist doch völlig bedeutungslos, solange sie die Welt angemessen und KONSISTENT beschreiben kann. Was wir sagen, soll nicht cool, hip, stylish oder angesagt sein. Wir sind nicht die hedonistische Spass-Guerilla, die ihre "Programmatik" (Parties veranstalten) einem kulturellen Mainstream (Feiern bis zum umfallen) anpasst.
Das "flache theoretische Rüstzeug" (welche Authorität das zu beurteilen, habt ihr eigentlich?), also ein mehr oder weniger klassischer Marxismus ist auch nicht mal eben so entstanden, sondern ist eine anerkannte wissenschaftliche Theorie. Das heute irgendwie jedeR, der zwei Semester Politologie studiert und drei Seminare zur kritischen Theorie hatte, meint, er/sie hätte die Welt verstanden und kann eine neue aufstellen ist lächerlich.

m übrigen muss die ganze Theorie auch nicht auf jeder Antifa-Seite komplett niedergeschrieben werden. Von diesen Selbstdarstellungen gibt es wirklich genug im Netz und daraus irgend etwas über das Selbstverständnis und die tatsächliche theoretische Unterfütterung der Akteure abzuleiten ist völlig unangebracht.

"[...] es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, daß, wenn man sich irgendwie auf Palästina bezieht, mitgedacht werden muß, daß die dortigen Hauptbeteiligten des „Widerstands“ eben die faschistoiden IslamistInnen der Hamas sind."
>Mir ist keine antiimp. Gruppe bekannt (ich kenne natürlich nicht alle .. geschenkt), die sich mit der Hamas oder mit Selbstmordattentaten solidarisiert und diese nicht als reaktionär, fundamentalistisch und / oder faschistoid einschätzt. (Sogar die DKP-Hardliner laufen mit Transparenten "Existenzrecht für Israel und Palästina" auf Demos.) Mir ist auch keine Gruppe bekannt, die nicht EINDEUTIG von einer >kritischen< Solidarität mit eher Palästina als Ganzem sprechen würde.

Ich habe persönlich auch kein Problem, Amadinejad (oder wie immer der heißt) als faschistoid zu bezeichnen, aber wir übernehmen auch nicht jede westlich-bourgeoise Kritik, bloß um Israel einen Gefallen zu tun. Klassenkampf orientiert sich nicht an ethnischen Gruppen oder Religionszugehörigkeit und wir werden auch nicht vergessen, dass gesamtgesellschaftliche /  faschistoide / imperialistische Herrschaftverhältnisse, ausgeübt durch wen auch immer, für diese reaktionären Entwicklungen großteils verantwortlich sind.

Die Hamas ist ja nun auch nicht von selbst und durch Zufall entstanden und in dieser Form radikalisiert worden. Da spielt es auch keine Rolle, dass die entsprechenden Grundannahmen hundert Jahre alt sind. Der moderne außermarxistische Diskurs der Sozialwissenschaften zu Ursachen von Konflikten sieht das heute auch nicht anders, mal abgesehen davon, dass die Terminologie eine andere ist.

"Wenn aber ein Theoriegebäude seit mehreren Jahrzehnten nicht verändert wurde, bedeutet dies entweder, die Welt hat sich nicht gewandelt oder die Theorie ist längst überholt."
>Diese These hört sich gut an, vermutlich weil sie so einfach ist. Tatsache ist aber, dass sich bestimmte und relevante Aspekte gesellschaftlicher Zustände tatsächlich nicht gewandelt haben. Im übrigen war der Marxismus im Großen und ganzen einfach nie konkret so ausformuliert, das er nur für einen bestimmten Zeitraum Gültigkeit hat. Sieht mensch ja auch schon an der Menge der möglichen Interpretationen.

zu anon1:

"Die seichtesten Bündnisse werden als Schritt weg vom Szenesumpf in die Mitte der Gesellschaft gefeiert und Sexismus gehört schon fast zum guten Ton."
>Das beinah schon rituelle "Abfeiern" ist ein leidiger Umstand, den ich der ganzen Szene vorwerfen könnte und sicherlich nicht nur einem einzelnen Spektrum. (Wenn es etwas gibt, was die Szene eint, dann das ...)
Das mit dem Sexismusvorwurf ist echt nur primitiv, .. wenn auch typisch und erwartbar

zu anon2:

"[...] dass sich sowohl die radikalen antiimp- & antideutschen positionen schon längst von einer linken realität entfernt haben fällt wohl jedem auf der auch nur ansatzweise einen überblick hat."
>Und noch jemand der den Artikel gut findet, den Überblick hat und daher weiß, was richtig und falsch ist. Wie war das nochmal mit dem linken Konservativismus?
Dass das, was innerhalb der Linken Realität ist, manchmal erschreckend ist (die AntiImp. vs- AntiD Debatte mal ganz außen vor gelassen) kann sich auch jedeR selber ausrechnen.
Und wer bestimmt eigentlich was Konsens/Mode/Style ist? Die Mehrheit? Danke, für uns sind Positionen wichtiger ...

"was man wohl erreicht hätte wenn man sich zusammengerauft hätte und pseudoidentitäres getue weggelassen hätte"
>Zusammenraufen? Wenn ich sowas immer lese, frage ich mich ernsthaft, wieviel Ahnung du tatsächlich von der linken Realität hast. Warum und wie sollen wir mit Leuten demonstrieren, die Positionen vertreten, die wir nicht nur 100%ig ablehnen, sondern die radikal auch eine Politik propagieren, die wir aus klassenkämpferischer Perspektive für faschistisch und konfliktursächlich halten? Da sollten sich eher mal diejenigen "Linken" fragen, die auf AntiD-Demos gehen, wie sie die inneren Widersprüche vereinen wollen.


Lenin hat mal gesagt, "Zeig mir wer dich lobt und ich sage dir was dein Problem ist."
Und wer Zuspruch von Rechtsextremisten bekommt und/oder deren Ziele unterstützt, mit dem demonstriert zumindest niemand aus meinem Umfeld.

 

Das ist nicht verhandelbar.

genau so sieht es aus

und wo sind nun die leute welche die blumen für diesen artikel verteilt haben ?

 

meiner meinung nach ist der artikel nicht gelungen da er eine sterotyp antiimp zeichnet den es nur in anitdeutschen wahnvorstellungen gibt

ich bin bin anti imp und spreche das exsistenz recht israel nicht ab auch von der hamas will ich nichts wissen

a

genau deshalb bezieht sich der artikel auf den stereotyp, weil viele diesem hinterherrennen, warum sonst beziehst du deine darstellung als "anti-imp" direkt auf deine position zu akteueren in israel und palästina.

 

und mal ganz direkt an dich, gegen welchen imperealismus steht dein "anti"?

Ich bin nicht der den du gefragt hast aber es gibt nur einen globalen Imperialismus. Wer ihn "hier" bekämpft, bekämpft ihn überall auf der WElt.

 

Die Antiimps, die so sind wie die autorInnen es beschreiben sind ein Propagandabild der AD's. für die jeder außer ihnen selber antisemit ist. 

und das viele diesem klischee hinterherennen ist quatsch. ich kenne nicht einen der so ist.

hm,ja, es gibt doch die "gute" alte marxistisch-leninistische fraktion der antiimps, den dem beschriebenen prototyp sehr nahe kommen.

 

dennoch ist natürlich eine anti-imperialistische position an sich nichts verkehrtes, es muss ja niemand auf Lenins doofe "imperialismus als höchste stufe des kapitalismus"-these dabei zurückgreifen. Imperialismus kann dabei mehreres sein, sei es Gramscis umfassendes "Empire", welches an keine Nationalstaaten mehr gebunden ist oder eine Definition von Imperialismus, die die aggressiven, militärischen Verteidigungen wirtschaftlicher Interessen beschreibt.

 

in tübingen leiden wir gar nicht unter anti-imps, die gibt es hier kaum, sondern nur unter leider immernoch viel zu übertriebenen anti-d positionen. damit will ich nicht einigen kern-kritiken wiedersprechen, dennoch ist diese endlose antisemitische Zuschreibung, nachder die "falsche" kapitalismuskritik "antisemitisch" sein soll extrem ermüdend, lähmend und sorgt für eine aktionsfeindliche stimmung.

 

Ich hoffe daher, dass positionen, wie die hier beschriebenen endlich sich auch in unser "dorf" vorarbeiten und eine undogmatische, herrschaftskritische und produktive diskussion sich etabliert.

 

Es muss schön sein in einer Welt zu leben, in der das Böse böse und das Gute gut ist, einfach so. Für jedeN erkennbar, nur ein paar böse Jungen und Mädchen, von der Zivilisation geblendet und von finsteren Mächten unerkennbar gesteuert wollen all diejenigen in Versuchung führen, den Pfad der Tugend zu verlassen in der Lage sind. Aber, Genossen und Genossinnen, wir stellen uns der Gefahr und überwinden sie in einem großen schönen kuschlig weichen warmen wir.

vor allen Dingen das "anti"-deutsche WIR.

 

Der Beitrag der AG/R hat in seiner versuchten Neutralität eine zentrale Schwäche: Um neutral zu sein, setzt er die Hamburger AntiD's (ob sie sich nun selbst so bezeichnen oder nicht) und die Hamburger AntiImps (mit denen aber scheinbar ausschließlich das B5-Spektrum gemeint ist) gleich. Dabei wird entscheidenes ausgeblendet, wie die Wahl der Mittel in der Auseinandersetzung. Während Antideutsche mehr oder minder inhaltsvolle Texte schreiben, die häufig für die Kritisierten in ihrer Polemik schwer zu ertragen sind, und hier und da eine Israelfahne zeigen, geht vom B5-Spektrum körperliche Gewalt aus. (Die Liste der Vorfälle in Hamburg ist ansehnlich lang, nie ist darauf von einem durch Antideutsche angegriffenen AntiImp zu lesen.) Gleiches gilt auch für den Vorfall vor dem B5. Antideutsche traten bei ihm als verbale Provokateure und als Betroffene körperlicher Gewalt auf, AntiImps als verbale Provokateure und als Ausübende der körperlichen Gewalt. Und dieser Unterschied in der Wahl der politischen Mittel macht den Unterschied zwischen anstrengender, auszuhaltener innerlinker Auseinandersetzung (die ohne körperliche Gewalt auskommen muss) und einem Verhalten, das notwendigerweise ein Ausgrenzen der Ausübenen aus linken Strukturen, Zusammenhängen und Diskursen zur Folge haben müsste.

 

Dieser Beitrag ist nicht neutral.

Richtig.

Er ist parteiisch.

Er kämpft nämlich gegen zwei entgegengesetzte bürgerliche Blödheiten an. (von denen die "Anti"deutschen natürlich nur den einen 'Pol' bilden)

 

... und die "Anti"deutschen schreiben fast nur Unsinn. Ihre Theorien sind derart post-mao-stanlinstisch veblödet, das geht auf keine Kuhhaut. Kein Wunder das die Leute kein Bock mehr auf Theorie haben (LEIDER! ) wenn so ein bullshid dabei herauskommt, kann man schon verstehen.

 

harry heine

 

Den Artikel hab ich zu einem drittel gelesen (zugegeben).

Er zeigt zwei Seiten ein und der selben Medaille im bürgerlichen befangenen Denken aus. Ati-Ds und Anti-Imps sind eben doch nur Müll-Text produzierende Winkelementeherumfuchtler :

 

Während die einen mit ihrer jahrelangen Islamhassproduktion Geert-Wilderes-Verharmlosung (z.B. in Jungle World), Fallaci-Bejubelung ("Moslems vermehren sich wie Ratten") bereits der NPD eine neue faschistische Strategie frei Haus geliefert haben und einen verschwörungstheoretischen Schatten-Antisemistumus ("Unterwanderung durch den Islam") etablierten,

 

haben die anderen mit ihrer Israel-Hass-Produktion nicht nur einen erneuerten Antisemitismus beschleunigt, sie haben auch einen rassistischen Antisemitismus mit zum Durchbruch verholfen.

Beide sind dialektisch gesehen die Scheiße und die Gegen-Scheiße (Negative Dialektik)

 

Harry Heine