Dortmund: Die Anti-Antifa-Site der Dortmunder Naziszene geht weiter

Bedrohung

Auch dieses Jahr installieren Nazis eine Anti-Antifa-Site über vermeintliche Dortmunder AntifaschistInnen.

Wie nicht anders zu erwarten setzt die Dortmunder Naziszene ihre Anti-Antifa-Aktivitäten fort. So auch ihre Internet-Site (antifa-dortmund.nw.am) auf der sie im letzten Jahr 53 Personen als AntifaschistInnen outete. Jeden Sonntag wurden Fotos zu einem/r vermeintlichen Antifaschisten/in mit personenbezogenen Daten, wie Geburtsdatum, Wohnort, Arbeitsstelle, Freizeitlokalitäten und Ähnliches gepostet.

 

Großspurig verkündeten, die sich als „Autonomen Nationalisten Utrecht“ ausgebenden Nazis: “Egal ob Antifa Union, Hippihaus, Linkspartei, Kirche, oder DGB. Wir haben sie alle!“

Die Umsetzung fiel aber wie zu erwarten aus. Neben einem Mitglied der Falken und einer Frau des Linken Bündnis Dortmund, wurden lediglich sechs Mitglieder der Linkspartei präsentiert. Die restlichen 45 Menschen waren vorwiegend Teenager oder junge Erwachsene, die die Nazis diversen Antifagruppen oder Jugendkulturen zuordneten. Von wegen Kirche und DGB.

Die mit der Stadt Dortmund über den „Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus“ verbändelten Kirchen und der DGB finden keine Erwähnung auf der Site. Ganz abgesehen von anderen „Systemvertretern“.

Gezielt sollten die linken Zusammenhänge und zwar vor allem aktive antifaschistische Strukturen in Dortmund eingeschüchtert werden. Ein Schulterschluss linker und bürgerlicher AntifaschistInnen war nicht erwünscht. Nicht nur aus Mangel an geouteten bürgerlichen AntifaschistInnen, sondern am generellen Mangel solidarischen Verhaltens durch die bürgerliche Mitte Dortmunds, blieb dieser wünschenswerte Schulterschluss dann auch aus.

Am 21. Januar letzten Jahres erschien noch ein volllippiger Artikel in der Lokalausgabe der WR. Dann war aber auch Schluss mit solidarisch.

 

War die Aufregung in Dortmund Anfang letzten Jahres noch verhältnismäßig groß, so stumpfte die Beachtung dieser site rapide ab. Man gewöhnte sich an den Umstand, dass neben den aktiven Angriffen eine permanente Bedrohung via Internet weiter ausgebaut wurde. Ein Übriges tat mit Sicherheit auch das Verhalten verschiedener „linker“ Internetsites wie z.B. Indymedia und das Sozialforum, die auf unseren Hinweis auf die Existenz dieser Anti-Antifa-Site mit Löschung der Artikel reagierten. Die absurde Argumentation von ihnen lautete, wir würden Werbung für diese Anti-Antifa-Site betreiben.

(Originaltexte sind unten angehängt.)

Als die Existenz dieser Site nicht mehr zu leugnen war, verniedlichte die Antifagruppe „Union“ in einer ihrer Communiques die Anti-Antifa-Site gar als „Ideenlosigkeit innerhalb der extrem rechten Szene“. Diese sei Nichts weiter als ein Ausdruck „ihrer Hilfslosigkeit“.

Das sich an dieser katastrophalen Einstellung gegenüber der Anti-Antifa-Site nicht viel geändert hat lässt sich an dem letzten Antifa-Adventskalender aus Dortmund nachlesen. Die Ersteller der Antifa-Adventskalender 2009 und 2010 halten es angesichts der politischen Bedrohungslage in Dortmund dringend für nötig Nazis zu outen und sprechen ihrer eigenen Praxis Erfolg zu.

Für die gleiche Praxis der Nazis haben sie aber nur Häme und sprechen von deren Realitätsverlust.

Angesichts der massiven Anti-Antifa-Praxis und angesichts der Tatsache, dass die Nazis konsequenzlos eine Site mit persönlichen Daten über ein Jahr lang betreiben können, stellt sich die Frage, ob nicht hier ein Mangel an Einschätzungsfähigkeit besteht.

O-Ton der Advents Crew:“Nachdem die Dortmunder Antifa in diesem Jahr um bald 52 neue Mitglieder gewachsen ist, können wir entspannt und gestärkt ins neue Jahr starten, mit dem Wissen, über eine der größten antifaschistischen Szenen in Deutschland zu verfügen“.

Mag dies vielleicht ironisch gemeint sein, so trägt diese Minimierung in keiner Weise der Tatsache Rechnung, dass 53 Menschen von Nazis als zu bedrohenden und anzugreifende Personen gekennzeichnet wurden. Es verniedlicht die Bedrohung in Dortmund, stellt sie als nicht ernst zu nehmend hin, baut die erforderliche Solidaritätsbereitschaft ab. Was mögen die Betroffenen der Anti-Antifa-Site von dieser Darstellung denken? Ob die Personen nun wirklich antifaschistisch aktiv sind oder durch einen Zufall dazu gerechnet werden. Fakt ist, dass sie bedroht werden. Das alle Antifas und ihr Umfeld einer Bedrohung ausgesetzt werden. Egal, ob sie so töricht waren ihre Fotos und Daten über die bekannten My Stace oder Face Book Sites zu veröffentlichen oder nicht.

 

Die Site kam zuletzt ins Gerede, als ein Monitorbeitrag im November 2009 die Bedrohung einer antifaschistischen Familie aus Dortmund-Dorstfeld thematisierte. Auch nach diesem Bericht geschah Nichts zur Abschaltung der Site. Da sie, laut Ina Holznagel von der Dortmunder Staatsanwaltschaft, im Ausland geschaltet sei. Das nächste Outing nach dem Monitorbeitrag am 19. November (http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2009/1119/neonazis.php5) betraf übrigens die interviewte Frau aus der Familie, Barbara Engelhardt. Ihr Sohn war bereits im August geoutet worden.

Ende des Jahres zog die Familie aus Dortmund-Dorstfeld weg. Sie sah sich allein der Bedrohung ausgesetzt, ohne die notwendige Solidarität allein gelassen. Ihr Wegzug wurde allgemein als demokratisches Fiasko empfunden.

 

Die aktualisierte Anti-Antifa-Site ist ähnlich derjenigen aus dem letzten Jahr aufgebaut.

Auf der aktuellen site heißt es jetzt: „Nachdem 2009 jede Woche ein Antifaschist inklusive seiner persönlicher Daten der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, geht es 2010 munter weiter. Diesmal werden wöchentlich drei Fotos von Antifaschisten und anderen Linksextremisten veröffentlicht, die uns in den letzten Jahren bei den unterschiedlichsten Anlässen negativ aufgefallen sind. Wir hoffen, dass ihr uns Informationen über diese Personen zuzuschickt, da unsere Archive teilweise noch Lücken aufweisen, die gestopft werden sollen. Selbstverständlich sind auch Informationen zu nicht veröffentlichten Antifaschisten gerne gesehen!“

Und so sieht man drei Bilder von männlichen Jugendlichen, die die Nazis hoffen, dass diese jemand für sie denunziert.

 


 

http://www.nadir.org/nadir/initiativ/azzoncao/

 

Vorsicht Anti-Antifa!


Sonntag, 11.01.2009

 

Seit Anfang des Jahres veröffentlicht eine spezielle site mit der bewusst irreführenden web-Adresse: antifa-dortmund.nw.am Steckbriefe von AntifaschistInnen aus Dortmund. Verantwortlich zeichnet sich eine Gruppe, die sich den Namen "Autonome Nationale Utrecht" gibt. Auszugehen ist davon, dass sich die Dortmunder Nazis hinter dieser Namensgebung verbergen. Die von ihnen veröffentlichten Namen, Adressen, Fotos und weiteren personenbezogene Angaben sind ein weiterer Schritt alle diejenigen einzuschüchtern, die sich den Nazis in den Weg stellen.

So kündigen sie an, in diesem Jahr jede Woche eine Person aus der antifaschistischen Szene, der alternativen Szene, den Parteien, Gewerkschaften und Kirchen auf ihrer Feindliste zu benennen. Ihr Motto lautet: "Egal ob Antifa Union, Hippihaus, Linkspartei, Kirche, oder DGB. Wir haben sie alle!" Die Existenz der site belegt die langfristige und koordinierte "Anti-Antifa"-Arbeit, die die Nazis betreiben und ist ein weiterer Baustein zum Aufbau antidemokratische und gewalttätiger Politik.Nach den zahlreichen Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Übergriffen und Körperverletzungen ist dieses Anti-Antifa-site eine ernstzunehmende Bedrohung für (nicht nur) Dortmunder AntifaschistInnen.

Wir erinnern hier noch einmal kurz an die Ereignisse der letzten Jahre in Dortmund. Die Überfälle auf die "Hirsch Q" in der Brückstraße, die Zwillenangriffe auf das Büro der "Die Linke", die Buttersäure-Angriffe auf das Büro der "Die Grünen", die Buchhandlung "Taranta Babu" und das "Hippiehaus". Die Farbanschläge auf das Haus der Familie Richter. Die Bedrohung eines Vertreter des "Bündnis 28.3.", sowie die vielen tätlichen Pöbeleien und Angriffe, die es in Dortmund gegeben hat. Den Mord an Thomas Schulz am 28.3.2005. Die Morde an den drei PolizistInnen 2000. Den bewaffneten Raubüberfall in Dortmund-Brechten im Februar 2007, bei dem ein 59jähriger Kunde fast erschossen wurde. Durch eine Waffe, die der rechte Täter von dem Nazi Sebastian Seemann erhielt. Einem Mann der Verfassungsschutzagent war und gleichzeitig die Dortmunder Naziszene mit Waffen belieferte.

(Indymedia und das Sozialforum Dortmund verweigerten die Veröffentlichung dieser Informationen. Tenor war es, dass man über die Nennung der site-Adresse, Werbung machen würde.
Den Leuten kann man nur erwidern:
Nazis sind die Minderheit, die ein linkes Web-Portal besuchen. Sie suchen rechte sites auf, diskutieren, informieren und werben dort. Dort werden sie über die Anti-Antifa-Site der Dportmunder Nazis schon informiert werden. Auf eine linke site gehen Nazis höchstens, wenn sie sich über die Gegenaktivitäten zu ihren Demos erkundigen wollen. Oder als Anti-Antifa-AktivistInnen. Es ist ein unrealistisches Argument zu behaupten, der Anti-Antifa-Site aus Dortmund mit einem Artikel über diese Kundschaft zu organisieren. Gerade die Nennung dieser neuen Bedrohung und Warnung der diversen linken Spektren auf einer spartenübergreifenden site, wäre die Aufgabe dieser Medien. Und nicht nur die Aufgabe von Antifas. Die Nennung der primären Quelle dient dabei der Verifizierung der Information, sowie den Leuten die Möglichkeit zu geben, sich eigenständig ein Bild von der Bedrohung zu machen. Darüber hinaus schafft die Information über eine Bedrohung auch immer erst die Möglichkeit Gegenaktivitäten zu entfalten.)

 


 

http://antifaunion.blogsport.de/2009/01/13/outing-kampagne-dortmunder-neonazis/


Dortmunder Neonazis starteten Outing-Kampagne

13. Januar 2009

Anfang des Jahres starteten Dortmunder Neonazis eine Outing-Kampagne vermeintlicher und tatsächlicher Linker. Betroffen davon werden, laut eigenem Bekunden, sowohl vermutete MitgliederInnen der Antifa Union, des DGB und der Partei Die Linke, sowie Personen des HippiH-Hauses und VertreterInnen der Kirche sein.
Da gerade Dortmunder Neonazis vor Übergriffen und sogar vor nicht Mord zurückschrecken, dürfen die möglichen Konsequenzen solcher Kampagnen nicht unterschätzt werden.

Dass die Nazi-Kampagne als Reaktion auf eine Outing-Aktion von AntifaschistInnen initiiert wurde, zeugt einmal mehr von der Ideenlosigkeit innerhalb der extrem rechten Szene, ist aber zugleich ein Beweis ihrer Hilflosigkeit. Erschrocken darüber, dass ihre personellen und organisatorischen Strukturen bestens bekannt sind, versucht man sich nun, mit den mühsam zusammengebastelten Infos aus verschiedenen Internet-Communitys zu brüsten.

Das alles macht es für die Betroffenen natürlich nicht leichter. Wir bitten deshalb alle Personen, die von den Neonazis diffus zu einem Antifa-Dortmund-Konglomerat subsumiert wurden, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Das könnt ihr am besten verschlüsselt an unsere E-Mailadresse tun.
(Beachtet dabei bitte unseren neuen pgp-key!)

 


 

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/dortmund/2009/1/21/news-1068...

 

Staatsschutz ermittelt

 

Neonazis rufen im Internet zur Antifaschisten-Verfolgung auf


Dortmund, 21.01.2009, Alexander Völkel

 

Dortmund. Neonazis betreiben seit jüngstem eine weitere Internetseite, auf der sie heimische Antifaschisten denunzieren und indirekt zu deren Verfolgung aufrufen. Polizei und Staatsschutz ermitteln, da dort in einem Fall auch Adresse und Telefonnummer von Unbeteiligten veröffentlicht wurden.

Eine betroffene Dortmunder Familie - deren persönliche Daten nach einer Namensverwechselung dort veröffentlicht wurden -hat bei der Polizei Anzeige erstattet, weil sie sich bedroht und verfolgt fühlt. „Wir hatten mehrere Anrufe. Anschließend haben wir das Telefon ausgestöpselt.” Auf der Seite werden persönliche Angaben, beispielsweise über Freundes- und Verwandtenkreis und das schulische und berufliche Umfeld veröffentlicht, um die Antifaschisten einzuschüchtern.


Auch DGB und Kirchen im Visier

 

Egal ob Antifa Union, Hippihaus, Linkspartei, Kirche, oder DGB. Wir haben sie alle!” heißt es auf der Startseite. Jede Woche folgen weitere Steckbriefe.

In Foren begründen Neonazis den Start ihrer Seite auch mit Äußerungen von DGB-Chef Eberhard Weber. Dazu steht der Sprecher des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus auch weiterhin: „Man muss die Protagonisten von Rechtsaußen identifizieren, damit man weiß, mit wem man es zu tun hat”, betont Weber. „Das gehört zur politischen Aufklärung dazu.” Dabei gehe es nicht darum, diese einzuschüchtern oder zu bedrohen. „Aber man muss um deren Gedankengut wissen, um diese Verfassungsfeinde politisch zu bekämpfen.” Die Betonung liegt auf „politisch”: Das habe nichts mit gezielten Attacken und Übergriffen zu tun, wie sie die Neonazis betreiben, so der DGB-Chef.


Gegendemonstranten werden fotografiert und gefilmt

 

Das Thema Steckbriefe ist übrigens nicht neu: Schon dem Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai 2007 gibt es „Fahndungsseiten” mit Fotos von Antifaschisten. Dort wurde aufgerufen, Informationen über die Abgebildeten zu liefern. Auch eine Belohnung wurde geboten. Außerdem verhöhnten sie Betroffene, dass sie das Herausnehmen ihrer Fotos dadurch erreichen könnten, wenn sie eine Personalausweiskopie einschickten.

Mittlerweile ist es üblich, dass bis zu einem Dutzend ihrer eigenen „Medienvertreter” die Aufmärsche begleiten. Überall dort, wo Protestrufe erfolgen, werden Kritiker von Neonazis fotografiert und gefilmt. Gleiches gilt auch für Klingelschilder - überall dort, wo Kritik aus den Fenstern an der Route hallt. Protest soll so durch Angst und Bedrohung verhindert und bekämpft werden. Das war zuletzt beim Aufmarsch am 6. September 2008 der Fall. Die Polizei hat dieses Thema mittlerweile auf dem Radar.

 

Jelpke: Nicht einschüchtern lassen

 

"Meine Solidarität gilt all denjenigen, die aufgrund ihres antifaschistischen und demokratischen Engagements ins Fadenkreuz der Faschisten geraten sind. Sie dürfen sich durch die Nazidrohungen nicht einschüchtern lassen", betont Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Links-Partei für Dortmund. "Trotz solcher Drohungen, zahlreicher Naziaufmärsche und Überfälle leugnet der Dortmunder Polizeipräsidenten Hans Schulze beharrlich, dass es in Dortmund ein Naziproblem gibt. Dies bestätigt mich einmal mehr in meiner Forderung nach dem Rücktritt des Dortmunder Polizeipräsidenten."


Hintergrund: Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht

 

  • Die nicht gewünschte Adress-Veröffentlichung ist für Fachanwalt Thomas Meinke ein Verstoß gegen den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, zu dem neben der Intim-z.B. auch die Geheim-, Privat- und Sozialsphäre zählen.

  • Ich halte die unerwünschte Veröffentlichung von Privatadressen, gerade wenn die fraglichen Personen z.B. aus politischen Gründen gefährdet sind, für nicht zulässig.”

  • Es gebe ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Folglich schützt das Bundesdatenschutzgesetz grundsätzlich alle Informationen, die über den Betroffenen etwas aussagen, wie z.B. den Familien- und Vornamen, die Anschrift, Staatsangehörigkeit und den Beruf.

  • Schwierig wird die Strafverfolgung, wenn die Seite auf ausländischen Computern beheimatet ist. Dennoch kann versucht werden, neben dem Verfasser, der die Adresse veröffentlicht hat, auch zivilrechtliche Ansprüche z.B. gegen einen Forenbetreiber, der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung erlangt hat, ebenso richten wie gegen einen Nachrichtenseitenbetreiber, geltend gemacht werden. Auch Zugangsvermittler können ggfs. als Störer in Betracht kommen und auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

 


 

http://www.derwesten.de/nachrichten/staedte/dortmund/2009/10/7/news-1359...

 

Anschlagsserie

 

Rechte terrorisieren Dortmunder Familie

 

Dortmund, 07.10.2009, Klaus Brandt

 

Dortmund. Barbara Engelhardt ist eine Kämpferin für Toleranz und Vielfalt, Multikulti und Menschenrechte. Demokratin durch und durch. Seit Monaten wird sie von Nazis terrorisiert. Jetzt haben die Rechten Engelhardts Auto zertrümmert - und die 47-Jährige an den Rand der Verzweiflung getrieben.

„Ich kann nicht mehr”, sagt Barbara Engelhardt verzweifelt. Die 47-Jährige aus Dortmund Dorstfeld setzt sich mutig für Menschenrechte und Demokratie ein. Doch beim Anblick, der sich ihr am Dienstag bietet, verlassen sie die Kräfte. Die Heckscheibe ihres Autos ist zertrümemrt. Sie bricht zusammen, weint. „Bald haben die es geschafft...” Die – das sind Nazis. Rechtsradikale, bekannt bei der Polizei.

Wittener Straße 10, das alte evangelische Gemeindehaus. In der zweiten Etage wohnt Barbara Engelhardt mit Ehemann Joachim Striepens (43) und Sohn Yasa. Der 18-Jährige ist engagierter Antifaschist. Seit einem Jahr. „Wegen der ganzen Aufmärsche und Demos der Rechten. Die betrachten Dorstfeld ja als ihr Revier”, sagt Barbara Engelhardt. Und die friedensbewegte Familie wohl als Eindringlinge. Seit einem halben Jahr, seit die Dorstfelder beschlossen haben: „Wir zeigen Gesicht!” – seither machen die Nazis ihnen die Hölle heiß.

 

Nazi-Aufkleber über Friedenstaube

 

Am 28. April, es ist Barbara Engelhardts Geburtstag, haften Nazi-Aufkleber am Haus. Als die Familie sie entfernt, schauen drei Neonazis von der anderen Straßenseite zu. Barbara Engelhardt ruft die Polizei. Als sie kommt, räumen die Nazis das Feld. Vorerst.

Ein paar Tage später ist die Friedenstaube auf dem Privat-Pkw mit einem Nazi-Motiv überklebt. Auch das wird abgeknibbelt, doch kurz darauf kommt es dicker. „Sie haben das ganze Auto besprüht, mit schwarzer Farbe”, sagt die Mutter. „Schon da haben wir uns bedroht gefühlt.” Es kommt schlimmer.

 

Pflasterstein durchschlägt Fenster

 

Am 28. August um 2.20 Uhr reißt ein Knall die Familie aus dem Schlaf. „Ein Anschlag!”, denkt jeder – und hat Recht: Ein Pflasterstein hat das Küchenfenster durchschlagen. Draußen quietschen Autoreifen. Die Täter entkommen im Dunkel der Nacht. Es ist die Nacht, in der Barbara Engelhardt spürt, dass es an ihre Substanz geht. Der Psychoterror reißt Wunden in die Seele.

Sie setzt „einen Hilferuf” ab, schreibt eine E-Mail an das Büro für Vielfalt und Toleranz. Kopien habe sie an Ullrich Sierau (SPD), Frank Hengstenberg (CDU) und Mario Krüger (Grüne) geschickt, sagt Barbara Engelhardt. Doch: „Nicht einer hat geantwortet.”

 

Im Stich gelassen

 

Gestern sind Front- und Heckscheibe des Familiengefährts eingeschlagen. Ein Stein liegt auf der Rückbank. Aufgebrochen ist das Auto nicht. Es fehlt auch nichts. Ein reiner Zerstörungsakt also. Das ist zuviel für die 47-Jährige. „Ich kann nicht mehr”, sagt Barbara Engelhardt. Sie fühlt sich alleine, im Stich gelassen – von Politik, Polizei, Gesellschaft. „Absolut hilflos.”

Drei Anzeigen hat sie erstattet. „Zwei Verfahren sind von der Staatsanwaltschaft eingestellt”, sagt Polizeisprecher Wolfgang Wieland. Und: Die Polizei stehe der Familie gerne mit Rat und Tat zur Seite. Barbara Engelhardt hat Zweifel. Aber nicht an ihrem Sohn. Yasa, der 18-jährige Antifaschist, das sei kein Straßenkämpfer. Keiner, der mit Steinen auf Nazis werfe. Polizeisprecher Wieland bestätigt das.

 

"Tut was, verdammt nochmal"

 

Barbara Engelhardts Wunsch: „Dass die Bevölkerung endlich wach wird und, verdammt nochmal, was tut. Wenn wir alle Gesicht zeigen, sind wir stärker. Die können ja nicht überall die Fenster einschmeißen.”

 


 

Familie flieht vor Nazi-Terror und sucht eine neue Bleibe

 

Quelle: WR Dortmund, 10.10.09


Gespenstisch: Polizisten schützen eine kirchliche Mahnwache vor einer Gruppe von Neonazis. Fernsehteams laufen umher, Radio- und Zeitungsleute. Bürger stehen schweigend herum. Als wäre wer gestorben. Dabei wohnt hier nur eine Frau, die sich mit Mut gegen Nazis stemmt. Doch wie lange noch?

Aus der Wohnung im zweiten Stock schaut ein blasses Frauengesicht auf die Straße. Barbara Engelhardt weiß: Wegen ihr sind alle hier. Weil sie sich getraut hat, Gesicht zu zeigen gegen Rechtsradikale, wird sie mit Terror bestraft. Und irgendwas in ihr ist wirklich gestorben.

Systematisch drangsaliert

Seit Dienstag weiß die Stadt, was diese Dorstfelder Familie im letzten halben Jahr erlebt hat. Barbara Engelhardt (47), Joachim Striepens (43) und Sohn Yasa (18) sind von Rechtsextremen systematisch drang- saliert worden – weil sie Antifaschisten sind, und diese Einstellung auch leben. Sie haben Nazi-Aufkleber entfernt und Radikale zur Rede gestellt. Die Quittung: Drohungen und Angriffe. Immer häufiger, immer schlimmer. Erst wurden Haus und Auto beschmiert. Dann durchschlug – nachts um 2 – ein Pflasterstein das Küchenfenster. Als die Scheiben ihres Autos zertrümmert wurden, ging Barbara Engelhardt an die Öffentlichkeit.

„Erfreulich, dass es Menschen gibt, die sich Nazis entgegenstellen”, sagt Ullrich Sierau. Die Pressekonferenz mit einem Medienaufgebot, wie es Dorstfeld noch nicht gesehen hat, ist eröffnet. SPD, CDU, Grüne, FDP, Linke – alle haben jemanden geschickt.

Runder Tisch „sehr naiv”

Alle sagen: So etwas darf nicht passieren. Ist es aber. Und niemand der Anwesenden hat es verhindert. Obwohl zwei wussten, wie es um die Familie steht. Denn Bezirksbürgermeister Hans-Ulrich Krüger (SPD) und Bernd F. Tücking (CDU) sitzen am „Runden Tisch für Toleranz, Vielfalt und Demokratie”, an den sich Barbara Engelhardt hilfesuchend gewendet hat.

Sie hat von dem unsäglichen Treiben erzählt, von den Anschlägen auf ihr Hab und Gut. Von einem leerstehenden Haus in Dorstfeld, das seit Monaten mit Hakenkreuzen beschmiert ist. „Geben Sie mir Eimer und Farbe und ich mach es weg”, hat sie angeboten. Der Runde Tisch hat nicht reagiert. „Sehr naiv” sei dieses Gremium gegenüber den Rechten.

Als Tücking vor laufenden Kameras nach einer Stadtpolizei ruft, als Krüger zum „Brandmarken und Ausgrenzen der Rechten” bläst, da fühlt sich Barbara Engelhardt ausgegrenzt. Sie schweigt. Eine andere Stimme spricht für sie. „Dass diese Frau auch noch eine solche Heuchelei über sich ergehen lassen muss”, empört sich eine Dorstfelderin. Barbara Engelhardt ist inzwischen gebrandmarkt. Ihr Foto und das ihres Sohnes hängen seit vorgestern an jeder zweiten Ecke in Dorstfeld. Ein Hass-Flugblatt, das zur Menschenhatz animiert. Wie bei einer Kopfgeldjagd.

Sierau sucht „richtige Antwort”

Als die 47-Jährige davon erfahren hat, ist sie zusammengebrochen. Seither weiß die ganze Familie: „Wir sind hier nicht mehr sicher. Wir müssen weg.” Die Polizei hat das bestätigt. Drei Herren vom Staatsschutz haben gesagt: „Es gibt keinen Schutz.”

Sierau merkt: „Wir haben nicht auf alles die richtige Antwort". Womöglich müsse der Städtetag ran an das Thema. Barbara Engelhardt lebt dann vielleicht schon in einer anderen Stadt. „Das alles kommt viel zu spät.”

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http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2009/1119/neonazis.php5

 

Allein unter Neonazis

Überlässt Dortmund den Rechten das Feld?

Bericht: Mareike Wilms, Isabel Schayani

Sonia Mikich: "Zeit, ein Vorurteil zurechtzurücken. Nämlich die Probleme mit Neonazis allein im Osten Deutschlands zu vermuten. Wir schauen jetzt nach Dortmund. Die Großstadt im Ruhrgebiet ist zu einer Hochburg der rechten Szene geworden, Straftaten mit einem rechtsextremen Hintergrund nehmen auffällig zu. Die jungen Rechten im Westen schüchtern Andersdenkende ein, vergraulen sie. Mareike Wilms und Isabel Schayani waren bei einer Familie, die fertiggemacht wird."

Barbara Engelhardt: "Wir sind da wirklich hineingeraten - mehr und mehr. … Ich hätte das nie gedacht. Das ist für mich ... also eigentlich das Schlimmste, was passieren konnte."

Neonazis in Dortmund. Ihr Look ist neu, ihre Gesinnung nicht. Käppis statt Glatzen, jung und gewaltbereit. Sie nennen sich "Autonome Nationalisten" und sagen: Dortmund ist unsere Stadt. Barbara Engelhardt ist Musiklehrerin, engagiert, aber nicht politisch organisiert. Seit 15 Jahren lebt sie in Dortmund-Dorstfeld mit ihrer Familie in diesem Haus. Dorstfeld ist kein sozialer Brennpunkt, ein ganz durchschnittlicher Stadtteil. Barbara Engelhardt hat beobachtet, wie Dorstfeld sich in den letzten Jahren verändert hat. Immer mehr Rechte, mehr Neonazis.

Barbara Engelhardt: "Ich kann nicht mehr zur Bahn gehen, ohne dass ich jemanden treffe. Ich kann nicht mehr zu meiner Frauenärztin gehen. Ich kann nicht mehr in die Apotheke gehen, ich steh beim Bäcker, da stehen die neben mir, die sind überall."

Sie hinterlassen ihre Zeichen. Die meisten gucken weg. Barbara Engelhardt nicht, sie machte die Aufkleber einfach ab. Doch Sticker abzuknibbeln hat gefährliche Folgen. Im Frühjahr postierten sich Neonazis vor ihrem Haus. Die Polizei sah keine Bedrohung und nahm keine Anzeige entgegen. Nachts wurde ihr Auto schwarz angesprüht. Ein Naziaufkleber blieb als Gruß. Die Polizei stellte die Ermittlungen nach kurzer Zeit ein. Im August wurde mitten in der Nacht ein Pflasterstein in ihr Küchenfenster geworfen. Zuletzt, vor drei Wochen, wurden alle Scheiben ihres Autos zerstört.

Barbara Engelhardt: "Wieso kann die Polizei einen normalen Bürger nicht beschützen? Also wofür ist die Polizei da, frag ich mich dann?"

Hans Schulze, Polizeipräsident Dortmund: "Natürlich, im Rahmen unserer Möglichkeiten müssen wir die Familie schützen. Wobei die Familie jetzt ja nicht als Personen geschädigt worden ist, sondern es sind ... zum Beispiel das Fahrzeug ist geschädigt worden."

Und Sachbeschädigung könne die Polizei nicht verhindern. Außerdem sei der 18-jährige Sohn der Engelhardts politisch aktiv gegen die Nazis. Obwohl er noch nie gewalttätig wurde, ist es für die Polizei eine Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links. Da wird die Mutter gleich „eingemeindet“. Aufkleber abkratzen als linke Provokation? In Dortmund gibt es noch mehr Engelhardts: Sieben Anschläge auf den Buchladen von Hassan Sahin. Schaufenster zerschossen, Hakenkreuze auf der Fassade. Schaden: 13.000 Euro. Der Besitzer ist beinahe pleite. Ein anderer Stadtteil: Vier Übergriffe gegen das Ehepaar Richter. Sie hatten immer wieder vor den Neonazis gewarnt. In keinem der Fälle haben die polizeilichen Ermittlungen etwas ergeben. Warum?

Hans Schulze, Polizeipräsident Dortmund: "Es gibt relativ wenig Bestrafungen. Ich hab ja gesagt, es geht im Wesentlichen dann um Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt. Bei Vermummungen ist es ausgesprochen schwierig ..."

Reporterin: "Wie kommt das? Dass es so wenig gibt?

Hans Schulze, Polizeipräsident Dortmund: "So wenig Verurteilungen? Ja, weil die Beweisführung ausgesprochen schwierig ist."

Kann die Polizei nicht mehr machen? Wir schauen in den Osten. In Brandenburg, genauer in Zossen sind die „Autonomen Nationalisten“ auch aktiv. Sie bedrohen Leute wie Jörg Wanke von der Bürgerinitiative gegen Rechts. 50 bis 60 Mann können die Rechten hier mobilisieren. Und wie reagiert die Polizei? Eine spezielle Einsatztruppe, die MEGA, wurde extra für die Bekämpfung der rechten Szene eingerichtet wurde und ist eng mit den Bürgern vernetzt.


Holger Krüger, Leiter Kriminalpolizei Teltow-Fläming: "Die rechtliche Palette gibt sehr viel her, man kann mit Aufenthaltsverboten arbeiten, man kann mit Platzverweisen arbeiten, mit Personalienfeststellung. Ja, das ist ein Hauptaugenmerk, was unsere Mitarbeiter der MEGA betrifft, die ihre Klientel wirklich persönlich kennen, die Gefährderansprachen machen und wirklich darauf hinwirken, dass so wenig wie möglich Straftaten passieren und insbesondere, dass rechte Gewalt verhindert wird."


Jörg Wanke, Bürgerinitiative "Zossen zeigt Gesicht": "Wenn ich mit meinem Auto hier durch Zossen fahre und sehe, dass irgendwelche Rechten Aufkleber kleben oder anders unterwegs sind, dann reicht oft ein Anruf bei der Polizei, die kommen, nehmen die Personalien auf, reagieren daraufhin unmittelbar."

In Brandenburg arbeiten Bürger, die mobile Einsatztruppe der Polizei und Beratungsteams nach einem gezielten Konzept zusammen. Das funktioniert. Die rechte Gewalt sinkt seit zwei Jahren. Von einem Konzept gegen Rechts wie in Zossen steht im Sicherheitsprogramm der Dortmunder Polizei kein Wort. Alles, was die Polizei in der Stadt bekämpfen will, steht in diesem Programm. Die „Autonomen Nationalisten“ tauchen hier nicht mal auf, geschweige denn die in Dorstfeld. Wie soll man etwas bekämpfen, was man gar nicht sieht? Und dabei hat sich die Zahl der registrierten rechtsextremen Straftaten in Dortmund von 2005 bis 2008 mehr als verdoppelt. Und dabei ist Dortmund in der Szene schon seit Jahren als Neonazi-Hochburg bekannt. Wir treffen einen, der von Anfang an bei den Autonomen Nationalisten war und sich heute zurückgezogen hat.

Aussteiger: "Gerade in Dortmund haben wir uns oft gewundert, wie es sein kann, dass wir solche Dinge tun, wie körperliche Angriffe auf Antifaschisten, ohne dass es Konsequenzen gegeben hat. Dass wir entweder gar nicht festgenommen wurden, es gar nicht zur Anzeige kam oder dass die Anzeige eingestellt wurde."

Um ihre Familie irgendwie zu schützen, ging Barbara Engelhardt schließlich an die Öffentlichkeit. Kaum war die Presse eingeschaltet, traten die Dortmunder Politiker auf, die vorher nicht auf ihre Briefe geantwortet hatten. Drinnen schauten alle betroffen, draußen standen Rechtsextreme und warnten auf Flugblättern vor den kriminellen Engelhardts. Wie die Rechten den Stadtteil kontrollieren wollen, erleben wir selber. Kaum sind wir da, tauchen die ersten auf. Kurz darauf sind sie dann zu Acht. Sie warten auf den Kopf der Gruppe, auf Dennis G. Das smarte Auftreten täuscht. Hauptberuflich verkauft er rechtsextremes „Werbematerial“.

Reporterin: " Welche Strategie verfolgen Sie hier?"

Dennis G.: "Über Strategie wird nicht gesprochen."

Reporterin: "Warum nicht?"

Dennis G.: "Das wird auch in der Armee so gemacht, wer über Strategie spricht, der verrät."

Reporterin: "Haben sie Angst vor denen, vor der Polizei?"

Dennis G.: "Nein, vor der Polizei muss man doch keine Angst haben. Freund und Helfer, die wollen doch hier den Schutz aller Bürger garantieren und da haben wir gar kein Problem mit."

Barbara Engelhardt: "Ich weiß nicht, wer mich beschützen soll. Keine Ahnung. Die Polizei nicht. Die Politiker auch nicht. Die Bürger auch nicht.

Aussteiger: "Das ist die klassische Einschüchterungstaktik, dass man solche Aktionen so oft wiederholt, bis der andere aufgibt. Bis er sich nicht mehr traut, bis er das nicht mehr aushält."

Barbara Engelhardt traut sich nicht mehr in ihre Wohnung, sie hat bei Freunden Zuflucht gefunden. Familie Engelhardt wird aus Dorstfeld wegziehen.