Rom: Es war einmal … die Area 19

Area 19, Roma, Occupazioni non conformi (ONC)

Letzte Woche wurde die besetzte U-Bahn-Station “Farneto” an der via dei Monti della Farnesina 80 von der römischen Polizei geräumt. Von einer Räumung zu reden wäre übertrieben. Als die Polizei am 27. August 2015 an dem Tunnelkomplex eintraf war keiner der BesetzerInnen vor Ort, die gegen lo Sgombero - die Räumung - Widerstand leistete. Grund der Räumung ist der Umstand, dass die Kommune Rom ihre Räumlichkeiten zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs beansprucht.

 

Bei dem Komplex handelt es sich um die ehemalige U-Bahn Station Olimpico/Farnesina. Diese wurde allein zu der Fussballweltmeisterschaft von 1990 erbaut, aber keine zwei Wochen in Betrieb genommen. Am 23. April 2008 besetzte die faschistischen Bewegung CasaPound Italia den leerstehenden Komplex und nannte ihn Area 19 - nach dem Gründungsjahr der faschistischen Kampfverbände Benito Mussolinis, den Fasci di Combattimento. Die Gründung dieser rechtsterroristischen Schlägerverbände hatte der Duce am 23. März 1919 auf der Mailänder Piazza San Sepolcro verkündet. Die Besetzung der leerstehen U-Bahn-Station erfolgte zur Zeit der Kommunalwahlen in Rom bei der Gianni Alemanno Bürgermeister der Metropole wurde.

Seit acht Jahren fanden in den röhrenförmigen Tunneln und Hallen vor allem in den warmen Jahreszeiten Rechtsrockkonzerte, Kampfsportturniere, Ausstellungen, Modeshows, Lesungen, politische Diskussionen und andere kulturelle und politische Events statt.

Die Administration Roms ließ die Faschisten gewähren. Ein Umstand der in den ersten Jahren kein Wunder war. Von Mitte 2008 bis Mitte 2013 war Gianni Alemanno der Bürgermeister von Rom. In seiner Jugend war Alemanno Mitglied und Präsident der Fronte della Gioventù, der Jugendorganisation der faschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI) gewesen und wegen verschiedenster Gewaltdelikte angeklagt. Er machte in der MSI, später in der Alleanza Nazionale Karriere, brachte es zum Abgeordneten, dann zum Landwirtschaftsminister unter dem Premier Silvio Berlusconi und schließlich für eine Amtszeit zum Bürgermeister von Rom. Er ist verheiratet mit der Politikerin Isabella Rauti, der Tochter des 2012 verstorbenen Rechtsterroristen Pino Rauti. Mit ihr hat er einen Sohn, Manfredi Alemanno. Dieser fiel 2012 als Mitglied des Blocco Studentesco, der Jugendorganisation CasaPounds, durch das Zeigen des römischen Grußes auf. Alemanno kaufte in seiner Funktion als Bürgermeister 2012 das von CasaPound 2003 besetzte Gebäude in der via Napoleone III und wollte es dem eingetragenen Sozialverband CasaPounds überschreiben. Dazu kam es aber nicht. CasaPound hatte sich Ende 2012 als Partei konstituierte und trat 2013, in Konkurrenz zu Alemannos damaliger Partei „Il Popolo della Libertà“, einem Zusammenschluss der Forza Italia und der Alleanza Nazionale, zu den Wahlen an. Dies trübte die schwarz-schwarze Liasion und das Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs Stazione Termini blieb in öffentlicher Hand.

 

Das Area 19 galt CasaPound als wichtiges Event- und Vorzeigeprojekt und zählte zu ihren „centri sociali di destra“ in Rom. Zuletzt fand dort am 25. Juli 2015 die zweite „Bikes and Fight Night“, ein Kampfsportturnier von CasaPound MMA Fightern und den italienischen Hells Angels, statt. Einen Monat zuvor, am 19. und 20. Juni, hatte zum siebten Mal in Folge seit 2009 das CasaPound eigene internationales Kampfsportturnier „tana delle tigri“ - „die Grube der Tiger“ - an der Monti della Farnesina stattgefunden. Mit von der Partie die russische Nazikampfsportorganisation „White Rex“ von Denis Nikitin, verschiedene russische, tschechische und deutsche Kampfsportler und zahlreiche Besucher aus dem In- und Ausland.

So verwundert es, dass CasaPound nach der Räumung des Area 19 lediglich eine magere Protestnote seitens ihres Vizepräsidenten Andrea Antonini zum Besten gab. Ob es daran lag, dass die Kommune ihr Bauprojekt schon seit längerem ankündigte und sich CasaPound den unausweichlichen Bauplänen der Stadt Rom beugt oder ob sie schon ein neues Projekt in Auge hat ist unklar. Klar hingegen sind die Pläne der Stadt Rom, die im nächsten Jahr die seit langen unfertigen und/oder stillgelegten Streckenabschnitte und Haltestellen renovieren, reaktivieren und als vierte Metropolitana in Betrieb nehmen will. Die vorgesehenen Kosten sollen weit über 100 Millionen Euro betragen.

Nach der Räumung des besetzten Sitzes des Blocco Studentesco an der römischen Piazza Perin del Vaga (https://linksunten.indymedia.org/de/node/138636) verliert CasaPound mit der Räumung des Area 19 eine zweite Occupazioni non conformi (ONC) in diesem Jahr. Deswegen von einer generellen Schwächung CasaPounds auszugehen wäre verfehlt. Vielmehr breitet sich CasaPound vermehrt im Norden und in ländlichen Regionen Italiens aus. So weiht heute am 5. September ihr Präsident Gianluca Iannone einen neuen Parteisitz mit dem Namen Nitroglicerina in Isernia, einer ca. 200 Kilometer von Rom gelegenen Kleinstadt am Rand der Abruzzen ein. Lokal, also für Rom, dürfte sich der Verlust der Area 19 für CasaPound aber als negativ erweisen.

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...gehen Hand in Hand mit jenen der Linken.

Der Antifa-Box-Club "Progetto Degage" wurde ebenso geräumt.

 

http://www.romatoday.it/politica/degage-pugili-campidoglio.html

 

http://www.romatoday.it/cronaca/sgombero-occupazione-degage-via-musa.html