[B] Über deutsche Pogrome, antifaschistische Strafexpeditionen und sinnentleerte Eventpolitik

Merkel und Naziskins

„Der Lynchmob ist krank vor Neid … “ – In Deutschland herrscht wieder Pogrom-Stimmung

Seit einiger Zeit spitzen sich die rassistisch motivierten Ereignisse im gesamten Bundesgebiet zu. Allein in den vergangenen Tagen wurden wieder zahlreiche zukünftige sogenannte „Asylbewerberunterkünfte“ in Brand gesteckt, beispielsweise in Nauen, Weissach, Leipzig, Berlin und Döbeln … Die rassistische Hetze deutscher Natur hat in Form der Pogrome im sächsischen Heidenau zudem ein neues Level erreicht. Nazis, besoffene Hooligans und dummdeutsche „Asylkritiker“ (sic!) belagern seit Freitag, von den Bullen ungestört, eine neu eingerichtete Unterkunft für Geflüchtete.
Wir waren erschrocken, aber nicht überrascht, über die seit Freitagnacht eintreffenden Nachrichten aus Sachsens Hinterland. Während der letzten Monate spitzte sich die Lage immer weiter zu, bereits durch Schneeberg und den massenhaften Zulauf bei „Pegida“, spätestens aber durch die Ereignisse in Freital und den Angriff durch Nazis auf das Zeltlager in Dresden, war die Frage nicht mehr, ob sich ein Pogrom in deutscher Tradition wiederholen wird, sondern wann ...


Wer meint, die derzeitigen Zustände beruhten nicht auf patriotischer Deutschtümelei, der irrt gewaltig, denn rassistisches Denken und Handeln ist in Deutschland wieder salonfähig, eine Entwicklung die seit Jahren durch die parlamentarische Politik und deren Handlanger_innen vorangetrieben wird. Bosbach, Sarrazin, Buschkowski, Petry und Seehofer sind nur einige Namen auf der langen Liste der Rassist_innen in Nadelstreifen. Angeheizt durch die etablierten geistigen Brandstifter_innen schafften es rechts-populistische Schweine à la „AFD“, „Pro Deutschland“ und letztendlich „Pegida“ in der Mitte der Gesellschaft Akzeptanz abzugreifen. Noch Anfang des Jahres begab sich Siggi Gabriel auf Kuschelkurs mit „Pegida“ und äußerte, dass es „ein demokratisches Recht darauf gebe, rechts zu sein oder deutschnational“. Nach der politisch gewollten Eskalation in Heidenau beginnt nun die große Schadensbegrenzung. Die derzeitigen Auftritte sind an Heuchelei nicht zu übertreffen: so werden in einem Atemzug „Asylrechtsverschärfungen“ (sic!) gefordert und im nächsten Geflüchtete gestreichelt.

Heidenau – Zwei Nächte in Dunkeldeutschland

Seit Freitagnacht haben sich die Ereignisse in Heidenau überschlagen. Vielen antifaschistischen Gruppen aus dem gesamten Bundesgebiet war klar, dass gehandelt werden muss, um der akuten Gefährdungslage der Geflüchteten etwas entgegen zu setzen. Nach einer zeitlich sehr begrenzten Phase der Mobilisierung fanden sich einige entschlossene Menschen zusammen, um gemeinsam nach Heidenau zu fahren und ein neues Lichtenhagen am 23. Jahrestag der Rostocker Pogrome zu verhindern.
Schon die Anreise in die Zone gestaltete sich durchaus kompliziert: an der einzigen Zufahrtsstraße ins 16 000-Seelen-Drecksnests kontrollierten scharenweise Nazis die Autos und deren Insass_innen. Vor Ort herrschte unter den betrunkenen Nazis und dummdeutschen Kaffbewohner_innen regelrechte Volksfeststimmung. Während der gesamten Nacht kam es zu teils gut organisierten Angriffswellen auf die bereits bezogene Unterkunft in einem ehemaligen Baumarkt. Unter dem Beifall des rassistischen Mobs kamen Feuerlöscher, Steine, Pyrotechnik und Flaschen zum Einsatz. Die antifaschistische Kundgebung musste sich auf den Selbstschutz beschränken, da zu wenige Leute vor Ort waren und die Lage im Vorfeld schlichtweg unterschätzt wurde. Bis zur geschlossenen Abreise wurde die antifaschistische Kundgebung immer wieder angegriffen.

Antifa bleibt suboptimal¹

Immerhin schafften es am Sonntag etwa 400 Menschen aus verschiedenen Städten, den beschwerlichen Weg in die sächsische Provinz auf sich zu nehmen, um eine antifaschistische Strafexpedition durchzuführen. Wir halten es nicht für notwendig, in diesem Text eine weitere Legitimation für diese „Aktionsform“ auszuführen, denn diese liegt unserer Meinung nach auf der Hand. Wer trotzdem noch Argumente benötigt, warum es notwendig, richtig und gerechtfertigt war, aggressiv, feindlich und militant aufzutreten, dem legen wir die Lektüre des Cafe Morgenland ans Herz.
Es war gut, dass etwa 300 der mitgereisten Expediteur_innen von Beginn an die Notwendigkeit einer Vermummung und Bewaffnung erkannt hatten und Heidenau somit einen entschlossenen Besuch abstatten konnten. Es überraschte uns wenig (und sei deswegen nur am Rande erwähnt), wie die Bullen uns dort empfangen haben. Es war, besonders in Sachsen, von vornherein klar, auf welcher Seite sie stehen und daran haben sie am vergangenen Wochenende ein weiteres Mal keinen Zweifel gelassen: Während sie die hetzenden Nazis tagelang gewähren ließen, kamen die Knüppel erst zum Einsatz, als sich Antifaschist_innen ankündigten.
Auch wenn zumindest die Strafexpedition aus unserer Sicht ein politischer Erfolg war, hätten wir, besonders am Samstag, mehr sein müssen. Auf antifaschistischen Großdemonstrationen wird oft die Parole „Wo wart ihr in Rostock?“ skandiert. Für uns stellt sich hier die Frage: Wo wart ihr in Heidenau? Wir möchten an dieser Stelle auf den Text „Fünf Jahre nach Rostock: Ein Blick zurück im Zorn“ aus dem Jahre 1997 hinweisen.

Eventpolitik – Aus all den Fehlern nichts gelernt?!

Wir sehen die jahrelange Symbol- und Eventpolitik der (zum Teil ehemals) bestehenden antifaschistischen Gruppen als fatalen Fehler an, der sich nun auszahlt.  Der tagesaktuelle, antifaschistische Kampf weicht der Selbstbeweihräucherung der Szene, Verbalradikalität und Lifestyle-Attitüden. Die Großevents der letzten Jahre haben bewirkt, dass ausschließlich konsumiert wird, anstatt sich selber zu vernetzen, zu organisieren und zu handeln, welches in Zeiten wie diesen, in denen sich die Lage zuspitzt und eine „radikale Linke“ eigentlich mehr denn je gefordert ist. Heidenau hat mal wieder bewiesen, dass militanter Antifaschismus gegen den rassistischen Mob zwingend notwendig ist.
Leider scheint die Konsequenz aus den bisherigen Umtrieben in Heidenau wieder nur die Organisation einer weiteren Massendemonstration zu sein. Wir halten es für falsch Energie in symbolpolitische Veranstaltungen mit Event-Charakter und Großgruppen-Repräsentation zu verschwenden. Unsere Interventionen müssen offensiver sein. Mit einem Konzert im Feindesland kann keine Zivilcourage geschaffen werden, denn die einzige Willkommenskultur der Heidenauer Kartoffeln sind Flaschen, Steine und Heugabeln gegen Geflüchtete. Und ganz ehrlich: Was bringt es den Geflüchteten, die einsam und eingesperrt im Hinterland nicht ohne Grund ihr Leben bedroht sehen, wenn sich in der nächstgelegenen Großstadt tausende angebliche Unterstützer_innen auf einer Demonstration mit Gleichgesinnten scharen und sich gegenseitig für das ach so tolle Engagement auf die Schulter klopfen? Es sollte hier außerdem die Frage gestellt werden, was mit dieser Demo erreicht werden soll in einem der regressivsten, rassistischsten und korruptions- verseuchtesten Bundesländer, dass dieses scheiß Land zu bieten hat? Politische Kampagnen jeglicher Coleur gab es in den letzten Monaten zu Hauf, geändert haben sie am rassistischen Status quo nichts. Bereits vor wenigen Wochen hat in Dresden eine Großdemonstration mt 2500 Teilnehmer_innen als Reaktion auf die Zustände in Freital stattgefunden. Dieser zaghafte Versuch bewirkte weder ein Umdenken in der dummdeutschen Bevölkerung des nur wenige Kilometer entfernt liegenden Heidenau, noch übte es den immer wieder gerne angepriesenen “Druck auf die Politik” aus.
Anstatt am Samstag mit schönen Transparenten nach Dresden zu fahren, sollten wir uns, wenn wir wirklich und nicht nur propagandistisch und scheinheilig den Anspruch haben, „Pogrome zu verhindern, bevor sie entstehen“, mit den Möglichkeiten auseinandersetzen, dezentral und fernab von großen Events dort zu intervenieren, wo es brennt. Es ist realistischerweise davon auszugehen, dass es in den nächsten Tagen irgendwo in Deutschland erneut zu pogromartigen Ansammlungen von Rassist_innen und bedrohlichen Szenarien wie in Heidenau kommen wird. Der antifaschistische Anspruch muss es sein, an jedem Ort, zu jeder Zeit den deutschen Mob zu bekämpfen.

 „No Lager, Nowhere!“

Es liegt uns am Herzen, abschließend noch auf die derzeitigen Forderungen nach “menschenwürdigen Unterkünften” einzugehen. Noch vor kurzer Zeit gab es eine Bewegung, die gefordert hat, alle Lager – denn genau das sind diese Massenunterkünfte – aufzulösen. Dies wollen wir wieder ins Gedächtnis rufen, es kann dort keine würdige Unterbringung geben: eingezäunt, isoliert und abhängig gemacht von staatlichen Institutionen.

Für antifaschistische Ausrufezeichen: schlagkräftig, wehrhaft, entschlossen und solidarisch!
Solidarische Grüße und ein großes Dankeschön an die Antifa-Strukturen vor Ort.

AK36 im August 2015
1 Die Leipziger Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar nannte den Auftritt der Antifa in Heidenau “suboptimal”.

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"Der antifaschistische Anspruch muss es sein, an jedem Ort, zu jeder Zeit den deutschen Mob zu bekämpfen."

 

Ja genau, überall in der rassistischen Geographie Deutschlands & der Welt, da bastelt ihr euch hübsch eure eigenen Nierderlagen. Ihr wart " erschrocken, aber nicht überrascht" über den offenen Rassismus in der "Zone". Naja, von daher müsste euch doch auch klar sein, dass es  leider  ein Ding der Unmöglichkeit ist im Jahre 2015. So hat man das eigene Scheitern schon im Aufruf manifestiert.

Eure dicke-Eier-Rethorik/Layout erinnert genau an jene Antifapolitik, die ihr so vehement kritisiert. Jene Aussage ist vor Selbstüberschätzung nicht zu toppen. Also mal gesetzt den unmöglichen, (aber durchaus zu begrüßenden Fall) eine "Antifa-Action-Autoflotte" ist im Stande " an jedem Ort, zu jeder Zeit den deutschen Mob zu bekämpfen" , also auch im Hinterletzten Kaff in der "Zone" oder vielleicht auch mal in Bayern. Analysen genau jener "Event-Antifa" Zusammenhänge/ Gruppen haben auch irgendwann frustriert feststellen müssen, dass eine alleinige Antifa-Intervention nicht aussreicht. Es müssen Menschen vor Ort  supported werden ,Strukturen aufgebaut werden, auch in der "Zone", die vor rassistischen Drecksnazis und deren Millieu nur so strotzen, n richtiger Haufen Scheisse und echt keine leichte Aufgabe. Denn stellt euch mal die Frage, was denn ist, wenn der AFA-Mob dann weg ist. .. dann is wieder rassistischer Alltag. Es geht neben praktischer Solidarität auch immer um politische Lösungen, die ne Afa-Sportgruppe nicht herbeiprügeln/ Stickern kann, da sind auch Großdemos n Teil einer Öffentlichkeitsarbeit. Und im Gegensatz zu 1992 hast du in Deutschland durchaus Menschen oder eine wie auch immer "zivilgesellschaft" die Rassismus thematisieren, geflüchtete Menschen unterstützen.

Ihr kritisiert Verbalradikalität, nun guckt doch mal was bei euch so geht  ;) . Natürlich muss man nicht über das "ob" von militanten Interventionen in Heidenau streiten, doch aber über das wie.

Vergesst doch bitte nicht, dass es n haufen Menschen gibt, die unterschiedliche Gründe haben, sich nicht mit Nazis zu boxen, nicht so viel Zeit/ Kraft haben sich zu vernetzen und zu pushen und auf eine "Konsum-Haltung" angewiesen sind, auch wenn ihr das nicht hören wollt.

solidarische grüße

Sowas in der Art habe ich beim lesen auch gedacht.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass beim ganzen Rumgereise die eigentliche politische Arbeit verloren geht... Dadurch hat man dann noch weniger Rückhalt und die wenigen Leute müßen noch mehr rumfahren.

Die realexistierende Antifa/militante Linke ist inzwischen leider ein Ausbund an Sektierertum und geistiger Beschränktheit und dieser Artikel ist ein Symptom davon.

 

Ist ja schön, dass sich militante Antifaschisten nun auf die Schulter klopfen können, weil sie eine "Strafexpedition" veranstaltet haben. Total tolle Bilder für's Fotoalbum, "hach was sind wir doch gefährlich!"

 

Wer die Twitter-Meldungen, Indy-Kommentare und persönlichen Debatten in der Szene (Soll's ja auch noch geben.) verfolgt, wird überall den gleichen O-Ton finden: "Tolle Sache, die Demo! So wie Silvio Meier und Genossen damals! Weiter so!"

 

In Wahrheit wurde für das, um was es geht oder wenigstens gehen sollte - die Sicherheit der Refugees - nichts  erreicht. Überhaupt nichts. Der Heidenauer/Ostsächsische Mob hat sich kaum beeindruckt gezeigt - wodurch auch? - sondern hat sich bereits am nächsten Tag ungetrübt weiter versammelt. Flankiert von knapp 4.000 Rassisten im benachbarten Dresden.

 

Dort wo Schutz - auch militanter - notwendig gewesen wäre - vor dem Heim, dessen Bewohner akut bedroht waren -  seid Ihr nicht geblieben! Stattdessen war "Nazis suchen" angesagt. Antifa heißt schließlich Angriff und so. Ich war dort, hab versucht Leute zum Bleiben zu animieren - bis auf meine Bezugsgruppe zwecklos. Man war schließlich auf Krawall gebürstet. Der "Wut über die Zustände" musste schließlich Ausdruck verliehen werden. "Eine kraftvolle, entschlossene Spontandemonstration" heißt's dann im üblichen Duktus. In Wahrheit einfach nur ne riesen Blödheit. Wer vollvermummt und mit Knüppeln bewaffnet vor einer sächsischen Einsatzhundertschaft auftaucht, muss sich nicht wundern, wenn er zu Brei geschlagen wird. Das relativiert nicht das Handeln der rechten sächsischen Polizei und der Politik, die hinter ihr steht - das zeigt einfach nur Kausalitäten auf. Wer sich so verhält, gibt den Bullen den Vorwand, um zuzuschlagen, ganz einfach.

 

Was ist geblieben? Ein paar schwerverletzte Antifaschisten (Scheiße!), ein paar aufgemischte Nazis/Pogrombürger (Gut! Aber hätte man auch anders haben können.), willkommene Bilder für die Rechts-Presse ("Suboptimal.")

 

Ihr echauffiert euch über die Lazar - aber die war vor dem Heim und ist dort geblieben. Und damit war sie 5x schlauer als die, die böllernd und gröhlend in Richtung Bahnhof abgedampft sind.

 

Für mich - als militanten Antifaschisten - bleibt als Heidenauer Fazit nur, dass man weiten Teilen der (militanten) Antifa beim Schutz der Refugees nicht vertrauen kann.

 

Ich weiß nicht, wie es weitergeht und was man tun kann - ich weiß nur, dass ich mich weiter vor Menschen stellen werden, die angegriffen werden.

Da sektierst du ja fleißig selber rum ;-)

 

Das rumstehen vor dem Heim wurde ja schon am Tag davor "ausprobiert". Die Erwägung, dass man da eben nicht ewig rumstehen kann und wenn man weg ist alles so weiter geht wie zuvor finde ich nicht falsch.Auch können Faschos, die ihre Wunden lecken, nicht mehr ganz so gut angreifen. Das Vorgehen kann ich also schon nachvollziehen.

Dann sprichst du von Schutz für die Refugees... big news... den können wir eh nicht alleine leisten. Unser Kampf ist daher in erster Linie ein politischer, damit die Menschen weniger oder besser gar keinen Schutz mehr brauchen.

 

Das dich das "Militanz-Selbstzweck-Gehabe", was zum Teil an den Tag gelegt wird, abschreckt kann ich verstehen.

Einiges wurde in den Kommentaren schon gesagt. Für einen Tag Alarm zu machen und Krawall mit den lokalen Nazis zu suchen ist schön - für´s interne Mackergequatsche, aber den Flüchtlingen und den regionalen Antifa´s ist damit nicht geholfen...

Ich erinnere mich an Demos in der Provinz, wo die "Berliner Antifa" im Brandenburgischen den Nazis auf die "Finger klopfte", am nächsten Tag jedoch waren die Antifas wieder unter sich und mussten das Verhalten der ach so tollen Hauptstädter "ausbaden". Ich bin nicht gegen konzentrierte Aktionen, aber wichtig ist es doch, permanente Strukturen in den ländlichen Gebieten zu schaffen, die für sich erfolgreich arbeiten können. Da heißt es sicherlich auch mal auf Demo´s zu fahren, aber eben auch Kampagnen mit lokalen Strukturen zu initiieren/unterstützen, vielleicht mal länger als einen oder zwei Tage in der Provinz zu verbleiben und vor allem Knowhow zur Verfügung zu stellen. Dort wo es "Linke Leuchttürme" gibt, alternative Jugendklubs oder Zentren, oder auch einfach nur engagierte Leute, dort sollte Unterstützung stattfinden, auch wenn der Weg manchmal etwas weiter ist, als zum nächsten Späti, zum nächsten Klub und zur nächsten linken Kneipe im tollen Szenekiez.

Aber das Berlin ja eh gerade ein Problem in der Antifa-Arbeit hat, sieht man an der mangelnden Beteiligung dort bei Antira- und Antifaaktionen.

Nauen - 16.000 Einwohner*innen: Antira-Demo in der Woche mit 350 Leuten

Berlin - 3.5 Mio. Einwohner*innen: Antira-Demo mit 500 Leuten (jetzt im Wedding)

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Ich denke, der Text bringt einen sehr wichtigen Aspekt ein, der viel zu wenig diskutiert wird: Militanz. Nazis und Rassist_innen lassen sich nicht wegglitzern und wegflauschen. Sie werden auch nicht aufhören, wenn die nächste Sitzblockade stattfindet. Wir müssen beginnen, ihnen offensiv Angst einzujagen, damit sie sich nicht mehr trauen vor den Unterkünften aufzutauchen. Deshalb ist die Strafexpedition durchaus positiv zu deuten, wenn gleich es besser wäre, einen dauerhaften antifaschistischen Schutz vor Lagern wie in Heidenau gewährleisten zu können.
So oder so fehlt es vielerorts an Aktionen, Arbeit mit Betroffenen, antifaschistischen Schutz und Militanz. Oft scheint es so, als hätte die deutsche Linke keine Methoden, die über Sitzblockaden hinaus gehen. Denjenigen, die neu in die Szene kommen, bleibt nichts übrig, als sich gegenüber der Nazis zu stellen und sie anzuschreien. Nichts Anderes haben sie in den letzten Jahren gesehen und gelernt. Es ist klar, dass es auch andere Dinge als Militanz braucht, um die Zustände zu ändern. Meistens werden diese Aufgaben aber bereits diskutiert und übernommen, sodass eine Debatte um Militanz angebracht ist und diese auch wieder mehr in Erwägung gezogen werden sollte.
Die meisten Berliner_innen konzentrieren sich unterdessen nicht auf ihre Umgebung, sondern weiter auf Großevents oder Mobi für ein Willkommensfest in Heidenau mit großen Bands, die samt ihrer Fans am nächsten Tag wieder weg sein werden. Die Presse kann dann wieder schreiben, dass tausende Menschen die Refugees in Heidenau willkommen heißen und am Ende bleibt nichts als Ohnmacht. Vielleicht gibt es auch die Möglichkeit, dass auf diesem Fest dann doch ein paar Heidenauer_innen zusammen gekommen, die auch keinen Bock auf Rassist_innen haben. Aber im Großen und Ganzen hält es die Brandstifter_innen nicht auf.
Berlin 2015. Während die Einen ein Großevent planen, dass wenigstens ein paar nicht-rassistische Heidenauer_innen gewinnen könnte, streiten sich andere Verrückte auf einer "Antirademonstration" über Israel, während 15 Minuten entfernt Nazis in Marzahn demonstrieren. In Marzahn gab es nur wenige Tage vorher ebenfalls einen Brandanschlag auf den neu errichteten Container für Refugees. Und 1000 Leuten fällt nichts besseres ein, als weiter in der Innenstadt zu demonstrieren und sich aufgrund des Nah-Ost-Konflikts anzuschreien oder gar Leute mit Hilfe der Bullen von der Demo zu schmeißen, weil sie zu Antiimp sind. Ein ganz normaler Tag im Szene-Krieg, während sich die deutschen Zustände immer weiter zuspitzen.
Was können wir tun? Wir können an Orte wie Heidenau, Nauen oder anderswo fahren, wenn wir benötigt werden. Wir können allerdings keine kontinuierlichen Strukturen vor Ort stellen, weil wir spätestens nach ein paar Tagen wieder zurück fahren. Was wir aber tun können, ist vor der eigenen Tür anzufangen, Strukturen aufzubauen. Wer war gestern in Marzahn? Wer war Dienstag in Köpenick? Wer war Montag in Hohenschönhausen? Kaum eine_r. Seit fast einem Jahr fragen Antifas an diesen Orten wöchentlich nach Support. Warum schaffen wir es nicht, an einem Tag in der Woche für 15 Minuten in die S-Bahn zu steigen und hinzufahren?
Der 23. November 2014 hat gezeigt, dass auch an Orten wie Marzahn etwas geht, wenn alle entschlossen rausfahren. Leider sind nur 2 Tage nach diesem "Event" wieder 1000 Nazis auf der Straße gewesen - dieses mal mit einer Gegenwehr von nur zwei-dreihundert Antifas. Ein kontinuierliches Herausfahren nach dem 23. November hätte den Nazis sicherlich ein, zwei, viele Steine in den Weg gelegt. Wenn wir diese Arbeit dauerhaft leisten, dann können wir vielleicht dazu beitragen, dass diese Rassist_innen, die momentan an den besagten Orten wüten, nie wieder angreifen... Wir müssen nur endlich den Arsch hochkriegen und mit allen Mitteln versuchen, die Rassist_innen aufzuhalten. In Berlin und überall.

"Der tagesaktuelle, antifaschistische Kampf weicht der Selbstbeweihräucherung der Szene, Verbalradikalität und Lifestyle-Attitüden."

 

Willkommen im Club, mit euerm Text könnt ihr euch gleich hinten anstellen.

Deutschlandbeschimpfung mag schön fürs gefühlte subkulturelle Dasein sein, mit der Suche nach antifaschistischen Bündnispartner*innen jenseits der etablierten Politik hat es aber leider nix zu tun. Nazis und Rassist*innen greife ich auch gerne mit Leuten an die keine linksradikale Position haben. Und mit bürgerlichen Supportern von Refugees mache ich auch gerne ein gemeinsames Welcome-Fest. Gleichwohl ist auch völlig Ok, selber wütende Ausdrücke zu finden und sich nicht nur an lokalen antirassistischen Bürgerinis zu orientieren. Das wir als Antifas durch Heidenau gerockert ist gut und nicht schlecht!

 

Eure Reduzierung auf solches militantes Auftreten ist gleichzeitig aber eine Sackgasse. Auch und grade für autonome und linksradikale Antifa-Konzepte. 

...ist nicht das Problem, sondern diese überflüßigen Statements, die ich als eher fragwürdig denn nützlich empfinde. Ich frage mich wozu dieser Artikel? Er bietet allerdings viele Angriffspunkte...

... Warum eine Symbol-Demo in Dresden? Der Text ist gut gelungen und kritisiert an richtiger Stelle!

Warum wird dieser Text sofort in die Schublade "Militanzfetisch" einsortiert? Er macht doch eine ganz andere Diskussion auf, nämlich ob etwas für die Flüchtlinge erreicht wird, wen an Zivilgesellschaft und Behörden appeliert wird. Wir hatten die gleichen Vorgänge, die gleichen Diskurse und die gleichen Positionen schon Anfang der 90er Jahre. Jetzt glauben wieder welche, dass es nur eine Frage der besseren Argumente und besserer Vermittlung ist, damit die Bullen die Lager schützen und der Volksmob sich zurück zieht. Eine völlige Fehlanalyse, denn nach dem staatlich verordneten abklingen der Progromwelle vor 20 Jahren hat genau dieser Staat den NSU aufgebaut und greift nach dessen Auffliegen wieder auf den Volkszorn zurück. Jetzt, nach Jahren mit Lichterketten, an denen sich die Regierung beteiligte, einer Phase von faschistischen Großdemos, die mit Blockaden scheinbar eingedämmt wurden und nach einer von den Medien betriebenen neuen Kampagne gegen Flüchtlinge, mit Pegida Demos seit einem Jahr, jetzt glauben welche, es würde etwas verändern mit einer friedlichen, angemeldeten Demo vor dem sächsischen Innenministerium zu landen? Da sind Parteien involviert, die in den letzten 20 Jahren ausreichend Zeit hatten durch Regierungsbeteiligung in den Bundesländern etwas zu verändern. Haben sie das gemacht? Nein, sie haben alles mitgetragen. Die Deutschen kämpfen bis zur letzten Patrone für den Faschismus, dass haben sie 1945 bewiesen. Sie verstehen nur eine Sprache, was aber nicht heisst, dass sich die Antifa auf Gewalt beschränken muss. Aber sie muss den Kreislauf von Anschlägen auf Flüchtlinge und das Betteln um mehr Menschlichkeit verlassen. Wenn Antifa schon ein Abwehrkampf sein muss, dann bitte richtig. Und nicht nur symbolische StellvertreterInnen Politik.

Hallo

 

 

Ich bin traurig und entsetzt, wie sehr der Selbstverwirklichungstrip bei den Leuten greift, auf ein Festival wird ein Zelt mitgenommen, nach Heidenau nicht. Bei Castortransporten gibt es Gruppen die Dauermahnwachen anmelden, in Heidenau nicht... usw. Also fahren x Leute die sich wenigstens auf den Weg gemacht haben wieder heim, entweden nach-viel-zu-weit-weg oder eben heim, um zu chillen, um lieber mit Freund, Freundin / Affaire zu ficken, oder oder.

 

Is schade. Ich wäre froh, wenn es mehr Infrastrukltur gäbe, als eben Antifa Merchandise Shops in Kreuzberg, mehr als nur eine Handvoll Szeneärzte, Messebauer, Rechtsanwaltskanzleien, Dokumentarfilmende, Handwerkende - also Linksaldernative  die Halbwegs über ihre Zeit im Berufsleben selbst entscheiden können und nicht beim kleinsten bisschen Druck sich wieder zurückziehen oder sich dadrauf ausruhen, dass sie offensichtlich noch viel Schwächere als Opfer um ihres Opferstatus wegen brauchen, statt genau wegen dieser grässlichen Widersprüche die Systemfrage stellen.

 

Gut, die Castorbewegung war auch deswegen so stark, weil die radioaktive Asche auf die Spielplätze runterschneite, auf denen sonst die eigenen Kinder waren und weil es diesen Scheiss Ost-West KOnflikt mit Atomwaffen gab, auch diese lahmen Ökodemos am Brandenburger Tor werden zu grossen Teilen von Eltern besucht, deren Kinder eben nicht lauter Scheiss essen sollen, was nicht heisst, dass ich diesen Loha und Boheme Bourgeoisie, BoBo toll find.

 

Gute Frage in wie weit direkte Betroffenheit ein Antriebmittel ist, die allgemeine Wut scheint ja schnell ins Leere zu rennen, wie man ja sieht, oder in die heimische / innere Leere.  Wichtig wäre doch den Alltag so zu organisieren, dass so merkwürdige Sachen wie Arbeit teil der sozialenpolitischen Reflektion unserer Leute wird.

 

Managementberater leben davon normale gemeinschaftliche Prozesse in die Spielwiesen der Fremdbestimmung zu bringen, so dass sie in das Fachwissen eingepflegt werden können, weswegen ich mit vielen Soziologen ein Problem hab, oder eben jenen Instanzen die durch Wohlstand Zwänge verinnerlichen, um die Produktivität zu erhöhen und die Öffentlichkeit so merkwürdig neutral zu den Cashflows halten, egal wie bunt - wäre ja vermessen, wenn sich der Kapitalismus sich doch kreativ wegbeten liesse und wir sind dann die Ungläubigen...!

 

Ficken gegen rechts bringts nicht und gegen Nazis zu sein ohne Staat, Wirtschaft und quasi kulturelle Hegemonie absetzen zu wollen schlägt der Hydra Köpfe ab die nachwachsen. Ob es schön wäre, wenn der Staat der in Berlin für die A100 abreissen liesse, ebenso leerstehende Bürogebäude zu Gunsten vieler Refugees enteignete oder wenn die Ordnungsamtmenschen endlich mal auf die Idee kämen sich rechtskonform zu verhalten in dem sie endlich die massenhafte, strafbare Überbelegung der Flüchtlingssammelunterkünfte registrierten und anzeigten um so völlig legal juristischen Druck auf die Minister und Staatssekretäre auszuüben die das alles wahrscheinlich wissen oder nicht verstanden haben wie der Informationsfluss in hierachischen Strukturen allgemein und im besonderen läuft...

 

 

Was weiss ich. Zieh(-t) Konsequenzen, bringt euch ein gegen die Unbewusstmachung der Verhältnisse, ändert Arbeitsverhältnisse, damit sich andere Massenerfahrungen den Leuten erschliessen und der nötige Druck nicht im klein-klein des Privaten ausgetragen wird, untergrabt die Grenzen von Allgemein- und Spezialwissen durch das wir uns offenbar selbst lähmen oder so ultraanfällig für Resignation sind.

 

 

LEBT DAS ÄNDERN!

sondern um Geflüchtete, die in Provinznestern unter Nazis leben müssen. Klar, ist der Anspruch, dem Mob überall entgegenzutreten, gut gemeint, aber unrealistisch. Oftmals bekommt mensch es auch zu spät mit. Warum nicht Selbstverteidigungskurse in Heimen anbieten? Nicht, dass Geflüchtete sich selbst überlassen werden sollen, aber dennoch muss Teil emanzipatorischer Politik auch darin bestehen, Antifaschistischen Selbstschutz bei den Betroffenen zu organisieren.

 

P.S.: Die Aktion in Heidenau am Sonntag war okay - nur mangelte es an Absprachen und taktischem Geschick (Polizei wurde vom Heim abgezogen, das war wirklich "suboptimal").