ACAB - Katzenfreund wg Beleidigung verurteilt

ACAB

Am Donnerstag, den 26. März, folgten etwa 25 solidarische Unterstützer*innen dem Aufruf des Betroffenen und der Roten Hilfe Ortsgruppe Erfurt zur Begleitung vor das Amtsgericht Erfurt. Verhandelt wurde, wie berichtet, über das Tragen eines pinken Stoffbeutels mit der Aufschrift „acab – all cats are beautiful“ und der Abbildung eines Katzenkopfes.

 

Warum ist das Tragen eines banalen Gegenstandes laut Urteil des Richters Grönke-Reimann strafbar?

 

Angeklagt wurde der Betroffene, der an einer Protestkundgebung gegen die NPD-Wahlkampftour am 12. September vergangenen Jahres teilnahm, weil er mittels des Beutels einen konkreten Polizeibeamten beleidigt haben soll. Die vermeintliche Tat sollte nach Auffassung der Staatsanwaltschaft mit 90 – neunzig(!) – Tagessätzen geahndet werden. Der erarbeitete Strafbefehl wurde vom zuständigen Amtsgericht jedoch nicht unterzeichnet, sodass dieser nicht wirksam und die mündliche Verhandlung anberaumt wurde.

Vor dem Amtsgericht sammelten sich bis 10 Uhr mehrere Unterstützer*innen des Beklagten, die sich auch sichtlich erkennbar mit ihm solidarisierten. Auch die allgemeine Katzenfreundin war eingeladen, sich am bevorstehenden rechtstaatlichen Klamauk zu beteiligen. Die Stimmung sollte sich jedoch noch ändern.
Nach dem die langwierigen Sicherheitskontrollen für den Einlass ins Gericht überstanden waren, begann die Verhandlung bereits mit einiger Verspätung. Angesetzt hatte das Gericht eine Verhandlungsdauer von 30 Minuten – diese sollten nicht ausreichen.

 

Richter Grönke-Reimann freute sich vorerst noch über das rege Interesse an seiner Verhandlung, bis er feststellte, dass es sich nicht um eine „Schulklasse“ handle, sondern um „uniformierte“ Freund*innen des Beschuldigten. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, sich weiterhin autoritär und erzieherisch an alle Anwesenden zu wenden und diese mit seinem bildungsbürgerlichen Hintergrund in Form allerlei geäußerter Phrasen, Geschichtchen und Zitate abzuwerten.

 

Belehrungen wurden getätigt – die Anklage vorgetragen – die erste Zeugenvernehmung begann.

Polizeiobermeister Mario Bückert konnte sich erst nach Vorhalt des Einsatzberichtes zum 12. September wieder erinnern. Zwar wisse er, dass „acab“ auch als „acht Cola acht Bier“ ausgelegt werden könne, er dies aber immer als die bekannte Parole „all cops are bastards“ lese. Diese stehe „für sich in der ganzen Welt“ als solche und er fühle sich damit beleidigt. Damit stimmte er mit seinem Vorgesetzten Poser überein, der die Anzeige gegen unseren Genossen am besagten Tag in Erfurt gefertigt hatte, aber nicht als Zeuge geladen war. Wie üblich befragten Richter, Staatsanwältin und auch die Verteidigerin den Zeugen. Für manch Unterstützer*in stellte sich dies als sehr unterhaltsam dar. Konkrete Fragen betrafen, das Auftreten des Beschuldigten, der laut Aussage des Zeugen Bückert mit dem betreffenden Beutel über der Schulter durch die Reihen der Kundgebung gelaufen sei, sich aber nicht aggressiv oder ablehnend gegenüber den Polizeibeamten geäußert oder verhalten habe.
Die Identität des Betroffenen mussten die Beamten nicht extra feststellen, denn dieser sei ihnen wohlbekannt, sodass sie die Anzeige gegen ihn verfassten, ohne dass der Betroffene bis zum Eintreffen der Ladung zur Verhandlung von dem Ermittlungsverfahren gewusst hätte.

 

Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde der betreffende Katzen-Beutel als Beweisstück eingeführt. Die Fragen der Verteidigerin bezogen sich auf die Größenrelation zwischen der Buchstabenfolge „acab“, dem Schriftsatz „all cats are beautiful“ und der Abbildung eines Katzenkopfes. Beim Vorführen des Tragens des Beutels wurde eines sichtbar: die Katze und der Schriftsatz. Selbst die protokollierende Justizangestellte konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, als der Zeuge mehrfach gefragt wurde, was er auf diesem Beutel wahrnehme – sinngemäße Antwort: ausschließlich die Buchstabenfolge „acab“ und natürlich die ausdrucksstarke Farbe des Beutels. Ahja.

 

Da der zweite Polizeizeuge Köthe zur Sache nichts beitragen konnte, folgte der Beweisaufnahme ein ausführliches Rechtsgespräch zwischen Richter, Staatsanwältin und Verteidigerin. Es wurde mit höherinstanzlichen Urteilen zur Parole „acab“ argumentiert, aber vor allem wurde die Auslegung des §185 StGB (Beleidigung) diskutiert. Während die Staatsanwältin davon ausging, dass die Buchstabenfolge „acab“ immer „all cops are bastards“ heißen würde und das auch jeder – ausschließlich der Oma von neben an – wüsste, sei das in Verbindung mit den konkreten Begleitumständen eine individuelle Beleidigung der Polizeibeamten. Als Beweis führte sie den – nicht durch die Zeugen belegten – Blickkontakt zwischen Beklagtem und den Polizeibeamten an, der als Interaktion unter anderem nötig für eine Verurteilung ist.

 

Und überhaupt – denn die moralische Verurteilung der Tat durfte keineswegs zu kurz kommen: Wie könne mensch sich anmaßen, Polizeibeamte, welche die Versammlungs- und Meinungsfreiheit schützen, zu beleidigen? Eine mit Entsetzen gestellte Frage trifft auf ein mal mehr mal weniger stilles Lachen, das durch die Reihen wandert – vor allem in Anbetracht des gerade laufenden Verfahrens um „Weimar im April“ ein Zeichen für die realitätsferne Einschätzung der Staatsdienerin. Dass Polizisten, Freund und Helfer seien, ist eine fade Kindererzählung.

 

Zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht passe in der Frage der Ehrhaftigkeit der deutschen Polizei kein Blatt, so der Richter. Als der Beschuldigte die mit Gnade von der Staatsanwälting angebotene Einstellung nicht annahm, wurde Richter Grönke-Reimann wirklich böse. Auch die Staatsanwältin konnte diese Entscheidung in ihrer politischen Dimension nicht begreifen und zog das Angebot in beleidigtem Tonfall zurück. Einstellungen ermöglichen es der Justiz unliebsame Verfahren zum Ende zu bringen, ohne einen eindeutigen Freispruch oder eine eindeutige Verurteilung zu sprechen. Dabei trägt der Beschuldigte seine Auslagen selbst und muss ggf. gestellte Auflagen erfüllen (Geldstrafe, Arbeitsstunden etc.).

 

Unser Genosse entschied sich bewusst dafür, der Einstellung der Anklage wegen des Tragens eines Katzenbeutels, der die Parole „acab“ in ironischer Weise aufgreift, abwandelt und neu kontextualisiert, nicht anzunehmen. Nur ein Urteil verschafft hier Klarheit auch für andere Repressionsfälle dieser Art – wir denken dabei u.a. an die im antirassistischen Kontext verwendete Formulierung „all colours are beautiful“. Für uns geht es ums Prinzip! §185 StGB ist in den Grenzen des Artikel 5 Grundgesetz auszulegen!

 

In seinem Urteil folgte Grönke-Reimann der Argumentation der Staatsanwältin und berief sich damit auf Zeugenaussagen, die im Sitzungssaal 8 anscheinend nur diese beiden vernommen haben. Danach habe sich der Beschuldigte direkt an die Beamten gewendet und sei „paradierend“ und „aufreizbar“ vor diesen mit seinem Beutel umhergegangen. Das Urteil umfasste eine relativ niedrige Anzahl an Tagessätzen und die Übernahme der Kosten des Verfahrens. Die Verhandlung endete kurz nach 12 Uhr. Der Prozess vor dem Amtsgericht Erfurt kam damit nur zu einem vorläufigen Ende.

 

Wenn ihr den Genossen unterstützen wollt, dann könnte ihr auf unser Ortsgruppen Konto Spenden unter dem Stichwort „cats“ überweisen.

 

Betroffen ist einer, gemeint sind wir alle! Solidarität ist eine Waffe!

Wir sehen uns wieder! All Cats Are Beautiful!

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... und danke für die Infos.

Nach langer zeit mal wieder ein Prozessbericht der sich lesen lässt. So muss Prozessbeobachtung aussehen.