Aachen: Die kleinen Anfragen der AfD

AZ Aachen

Mit verschiedenen Anfragen an die Stadt Aachen macht momentan die AfD Aachen von sich Reden. Dabei werden verschiedene Personengruppen fokussiert, denen gemeinsam ist, dass sie von struktureller, institutioneller oder alltäglicher Diskriminierung betroffen sind. Es ist eine Politik gegen Minderheiten, die von der AfD betrieben wird, wobei wir „Minderheiten“ nicht als eine quantitative Bestimmung begreifen, sondern als Position innerhalt gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Konkret richtet sich die AfD gegen Migrant_innen, Schwule, Lesben, Transpersonen und Flüchtlinge.

 

Anfragen bestehen aus Fragen. Allerdings können auch Fragen Aussagen über etwas oder jemanden transportieren. Wenn beispielsweise gefragt wird, wie viele Flüchtlinge an HIV erkrankt sind, vermittelt diese Frage nicht nur, dass die Kopplung beider Themen wahrscheinlich sei, sondern es verstärkt auch rassistische Bedrohungsszenarien. Um nicht falsch verstanden zu werden: Unsere Kritik richtet sich nicht dahin, dass Menschen Fragen stellen. Aber wir meinen, dass auch Fragen auf etwas abzielen. Mit den Antworten soll Politik, soll Meinungsbildung gemacht werden. Die Antworten sollen „Beweise“ für von der AfD und anderen extremen oder populistischen Rechten forcierte Überzeugungen liefern. So können die Fragen Aufschluss geben über ebendiese Weltsicht. Und es ist ebendiese ausgrenzende, diskriminierende und stigmatisierende Weltsicht, gegen die wir uns richten. 

 

 

Gegen wen und was die AfD also Politik machen will und welche impliziten Zuschreibungen sie gegen diese Personengruppen macht, das wird im Folgenden anhand der Anfragen aufgezeigt.
 

Homosexualität und Transidentität 


Die Anfrage vom 1.12.2014 bezüglich der Initiative „SchLAu“ (Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung) stellt die AfD zunächst fest, dass das „Schwule Netzwerk NRW“ 43 Mitgliederorganisationen und über 100 Initiativen koordiniere. Diese Aussage soll Unverhältnismäßigkeit suggerieren. Innerhalb der extremen und populistischen Rechten kursiert das Schlagwort der staatlich finanzierten „Homosexuellen-Lobby“ – so auch in der AfD. Die Frage nach finanzieller Förderung zielt auf diese Einschätzung ab. Die Fragen, ob und wie viele Veranstaltungen an Schulen oder im Rahmen städtischer Jugendarbeit von Organisationen des „Schwulen Netzwerks NRW“ durchgeführt wurden, verweist auf die in rechten Zusammenhängen angenommene „Homosexualisierung von Kindern“. Diese Annahme stemmt sich gegen die Einsicht, dass auch in Schulen unterschiedliche Lebens- und Liebesentwürfe dargestellt werden und Sexualaufklärung nicht (hetero)sexuell normierend, sondern an gesellschaftlichen Realitäten und an Vielfalt orientiert sein sollte. Entsprechend fragt die AfD weiter, ob Projekte mit dem Themenschwerpunkt „Sexualpädagogik“, „Diversity“ und „Frühaufklärung“ geplant seien.
 

Flüchtlingspolitik 


In einer Anfrage vom 23.11.2014 zur „Situation von Flüchtlingen“ fragt die AfD zunächst nach den Kosten für die Stadt Aachen. Es ist ein altes Argument der extremen und populistischen Rechten, dass Flüchtlinge den Staat, die Länder und Kommunen „zu viel“ kosten und Deutschland „zu viele“ Flüchtlinge aufnehme. Entsprechend wird folgend nach den Zahlen derer gefragt, die als Flüchtlinge der Stadt Aachen zugeordnet sind. Im fünften Punkt fragt die AfD tatsächlich nach den Zahlen HIV-infizierter Flüchtlinge. Geflüchtete werden so in der Imagination der Öffentlichkeit mit todbringender (und ansteckender) Krankheit assoziiert. Das, was in den 1980er/90er Jahren als Kampagnen gegen Homosexuelle in Bezug auf HIV hervorgebracht wurde, dient nun der Stigmatisierung von Flüchtlingen. Bezüglich unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge wird aufgetrumpft. Hier stellt die AfD die Frage nach Kriminalität, bzw. dem Verdacht der Kriminalität und möchte die Ergebnisse nach Herkunftsland aufgeschlüsselt haben, ganz als ob Kriminalität etwas mit tatsächlicher oder vermeintlicher Herkunft zu tun hätte. In einer Pressemitteilung zur Anfrage schreibt die AfD unverhohlen: „AfD will klären, ob Zusammenhang zwischen zunehmender UMF-Zahl und ansteigender Anzahl brutaler Raubüberfälle besteht“. Auch die Anfrage vom 1.12.2014 zur „Hilfe zur Erziehung“ zielt auf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ab. Die AfD fragt danach, in welchem Verhältnis die Betreuungsquote liegt und welche „Kostenlast“ sie verursachen.


Zwischenresümee


Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Homosexualität in den Fragen implizit als Gefahr für Kinder erscheint und Flucht mit Krankheit, Kriminalität und Kosten gekoppelt wird.

Die AfD fragt nicht danach, wie man die soziale Situation von Menschen verbessern könnte. Sie fragt nicht danach, wie viele Menschen von Diskriminierung und Übergriffen betroffen sind, sie fragt nicht danach, wie man Diskriminierung abbauen kann, was dafür getan wird, ob genug Geld dafür bereitgestellt wird. Denn genau das liegt nicht im Interesse der AfD. Die AfD ist eine Partei, die sich gegen Minderheiten richtet, die zur Stigmatisierung Marginalisierter beiträgt.

Aber was will man von einer Partei erwarten, aus deren Reihen bereits Forderungen laut wurden, dass beispielsweise Hartz-IV-Empfänger_innen zur Verbesserung ihrer Finanzen ihr Organe verkaufen dürfen sollten oder aber dass Angehörigen der Unterschicht das passive Wahlrecht entzogen werden sollte. Und auch die geschlechterpolitischen Ansichten der Partei sind nicht ohne. Bezüglich der Kinderbetreuung hat die AfD Aachen ebenfalls eine Anfrage gestellt.


Familienpolitik


Rechten war „Fremdbetreuung“ von Kindern immer schon ein Dorn im Auge. Die Erziehung der Kinder sei Sache der Mutter (die im Idealfall nicht erwerbsarbeiten solle) während dem Vater die Funktion des Familienvorstands und die Erwerbsarbeit zukomme. Familie, wohlgemerkt die heterosexuelle, patriarchale Familie, sei die „Keimzelle der Gesellschaft“ und müsste als solche vom Staat gefördert werden, während Alternativmodelle nicht in den Genuss einer Förderung kommen sollen. Soweit die gängige wie traditionelle Auffassung von Geschlechterrollen und Familienpolitik der Rechten. Teile der AfD stehen Kitas zwar aufgeschlossen gegenüber, im Parteiprogramm heißt es aber: „Wir fordern, Bildung als Kernaufgabe der Familie zu fördern. Kitas und Schulen müssen dies sinnvoll ergänzen“ und ein Münsteraner AfD-Ratsherr sah im Bau neuer Kindergärten gar einen Angriff auf die Grundlage der deutschen Verfassung, ganz als ob jemand gezwungen werde, sein Kind in die Kita zu schicken. In der Anfrage der AfD Aachen vom 16.1.2015 bezüglich der U3 Betreuung, also der von Kindern über einem und unter drei Jahren ist von politisch gewollter „(Teil-) Verstaatlichung der Kindererziehung“ die Rede. 
Dass der Begriff der Verstaatlichung Assoziationen zu der Rechten verhassten sozialistischen Gesellschaftsmodellen aufkommen lässt, ist wohl nicht ganz unbeabsichtigt. Dass auch Kitas kosten, das wird in der Anfrage überdeutlich gemacht. Über eine Seite lang werden Zahlen von Kosten für die Betreuung in den Raum geworfen. Auch die Fragen beziehen sich auf die Kosten, wobei die AfD auch noch wissen will, wie viele Betreuer_innen selbst Mutter oder Vater sind, wie viele Alleinerziehende und sozialtransferbeziehende Menschen ihre Kinder in Kitas schicken. Offensichtlich entscheidet sich die Aachener AfD im parteiinternen Richtungsstreit für eine Kita-kritische Position, die in rechten Zusammenhängen in der Regel mit einer Anrufung der Frau als Mutter einhergeht und dazu geeignet ist, Frauen (wieder) in den Bereich des Privaten und der Reproduktionsarbeit zu verorten und so Wahlfreiheit, was weibliche Lebensentwürfe betrifft, erheblich einschränkt. So ist in der letzten Frage von einer Erhöhung der Beiträge von 25% die Rede. Das alles verwundert nicht, schaut man sich die explizit antifeministischen geschlechterpolitischen und familienpolitischen Aussagen und Forderungen der Partei einmal genauer an.
 

Autonome Kultur und Politik


Schließlich finden sich da Anfragen bezüglich des Autonomen Zentrums in Aachen vom 16.1.2015. In diesen spricht die AfD davon, dass das AZ für „Linksextremisten (Hervorhebung durch die Verfasser_innen) als Anlaufstelle“ diene. In dieser Formulierung drückt sich die für die Extremismustheorie grundlegende Annahme aus, dass von linksautonomen Gruppen eine Gefahr ausgehe, wie sie rechtsmilitante Nazis darstellen – in der Extremismustheorie werden beide Gruppen als ähnliche Gefahr für die Gesellschaft verstanden. In Anbetracht der kulturellen, sozialen und politischen Arbeit, die im AZ geschieht, und den stadtweit und überregional bekannten, seit Jahren andauernden Übergriffen von Nazis auf die autonome Szene und Migrant_innen sind diese Wortwahl und deren implizite Annahmen völlig irrsinnig und zeugen von einem verzerrten Weltbild. In diesem Kontext beklagt die AfD, dass aus „rechtsfreien Räumen“ nun „rechtsverbindliche Verträge“ entstanden seien, um der Stadt eine Schuld für das imaginierte Bedrohungsszenario durch die autonome Linke zuzuweisen. Dass die AfD anhand eines Zitats aus dem Verfassungsschutzbericht von 1997 belegen will, wie „militant“, also gefährlich die „linksautonome Szene in Aachen“ sei, zeigt nur, auf welchem Aktualitätsniveau sich ihre Anfragen bewegen.

 In einer weiteren Frage möchte die AfD eine Auskunft über die Räumlichkeiten sowie den Grundriss des AZs erhalten. In Anbetracht der eben erwähnten, zahlreichen Angriffe auf das AZ stellt das Öffentlichmachen von Räumen dieser Art ein enormes Risiko für alle Menschen dar, die sich im AZ (bei Veranstaltungen) aufhalten. Dass zudem mit Alexander Jungbluth ein Mitglied der Burschenschaft der Raczeks – die dafür bekannt ist, den sogenannten Arier-Nachweis als Aufnahmekriterium in Burschenschaften zu fordern – in der AfD vertreten ist, der ausserdem in ultrarechten Zeitschriften Artikel verfasst, mindert diese Gefahr der Angriffe durch Nazis wohl nicht, im Gegenteil.
 

 Das bohrende Fragen nach vermeintlich der Stadt entstehenden Kosten suggeriert, dass autonome Kultur und Politik auf Kosten der steuerzahlenden Menschen gehen, obwohl alle Aktivitäten des AZ und des Vereins „Freunde unabhängiger Kultur in Aachen“ dem Gedanken der eigenverantwortlichen, selbstfinanzierten, basisdemokratischen Selbstorganisation folgt und das Leben der Stadt in vielfältiger Weise bereichert.

Die Frage nach möglichen Kündigungsgründen forciert dann letztendlich die Abschaffung des AZs in Aachen. Statt eine kulturelle Vielfalt in der Stadt und ein soziales, politisches Engagement für viele gesellschaftliche Minderheiten zu fördern, zielt die AfD auch hier auf das genaue Gegenteil ab: Die Verhinderung eines übergreifenden, solidarischen Miteinanders.

  

Nicht mit uns!


Dem stellen wir uns entgegen. Wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen und stattdessen gemeinsam gegen die eintreten, die für Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung stehen!

 

Autonomes Zentrum Aachen

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Danke für die Zusammenfassung und kleine Analyse.