70 Jahre nach Auschwitz: Keine Ruhe den SS-Tätern!

Wohnhaus des SS-Täters Herbert Göhler

Am Abend des 27. Januar demonstrierten rund 50 Menschen vor dem Haus des SS-Täters Herbert Göhler in der Julius-Brecht-Straße 29 in Freiburg-Haslach. Mit einem Beamer wurden Filmsequenzen von der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz auf seine Hauswand projiziert, mit Trommeln auf die Kundgebung aufmerksam gemacht und Flyer in seinem Wohnviertel verteilt. Am 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz wurde mit der Kundgebung der Opfer des Nationalsozialismus gedacht und die Verbrechen der SS-Täter aus Freiburg angeklagt.

 


 

70 Jahre nach Auschwitz: Keine Ruhe den SS-Tätern!

 

Am 27. Januar 2015 jährt sich zum 70. Mal die Befreiung des größten deutschen Vernichtungslagers Auschwitz in Polen. Die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen ist ein einziger Skandal. In den Nürnberger Prozessen kurz nach Kriegsende wurden lediglich 209 Nazis angeklagt. Abertausende konnten geräuschlos in Amt und Würden zurückkehren und ihre Karrieren in der Bundesrepublik weiterverfolgen. Erst 1963 begann mit den Frankfurter Auschwitz-Prozessen die Strafverfolgung der Täter. Von den rund 8.000 SS-Tätern in Auschwitz wurden nur rund 800 angeklagt, davon gerade einmal 40 vor deutschen Gerichten.

 

Der Bundesgerichtshof legte zudem 1969 das „Einführungsgesetz zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“ vom 1. Oktober 1968 als stille Amnestie für NS-TäterInnen aus. Mit der Einstellung des Verfahrens gegen den SS-Oberscharführer Hermann Heinrich wegen Verjährung am 20. Mai 1969 begann die Zeit der kalten Verjährung für tausende SS-Männer.

 

Erst 2011 widersprach die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie führte ein Vorermittlungsverfahren gegen John Demjanjuk, einem von der Totenkopf-SS ausgebildeten Angehörigen der SS-Hilfstruppen im Vernichtungslager Sobibor. Die Zentrale Stelle empfahl der Staatsanwaltschaft München, Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in tausenden Fällen anzuklagen. Tatsächlich verurteilte das Landgericht München II den SS-Mann am 12. Mai 2011 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren.

 

John Demjanjuk wurde als „Teil der Vernichtungsmaschinerie“ der Nazis verurteilt, da sich laut Urteil jeder mitschuldig gemacht habe, der in einem Vernichtungslager Dienst tat. Er wurde nach seiner Verurteilung aus der zweijährigen Untersuchungshaft entlassen und starb am 17. März 2012 in Freiheit. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig, da sowohl seine Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt hatten. Doch mit Demjanjuks Verurteilung wurde die Voraussetzung für die juristische Verfolgung der letzten noch lebenden TäterInnen geschaffen: 66 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs.

 

Doch nicht nur bei Legislative und Justiz fehlte der Wille zur Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Ihr heuchlerisches „Wir haben doch von alledem nichts gewusst“ billigte die deutsche Nachkriegsgesellschaft bis 1968 auch den SS-Männer in ihren Reihen zu. Einer dieser Männer ist Herbert Göhler aus Freiburg, der am 26. Januar 2015 seinen 92. Geburtstag feierte. Im Buch „Auschwitz – Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde“ wird Göhler in der Rubrik „Identifizierte SS-Angehörige mit keinen oder wenig Hinweisen zur Tätigkeit“ genannt.

 

Gegen Herbert Göhler und 29 weitere noch lebende SS-Männer wurde nach Demjanjuks Verurteilung Anklage wegen Beihilfe zum Mord erhoben. Am 19. Februar 2014 wurden in Baden-Württemberg die Wohnungen von sechs SS-Männern von der Polizei gestürmt und durchsucht, darunter die Wohnung von Herbert Göhler in der Julius-Brecht-Straße 29 in Freiburg-Haslach. Doch bereits jetzt wurden einige der Verfahren wieder eingestellt, auch das gegen Göhler.

 

Herbert Göhler war einer der SS-Männer, die an der NS-Vernichtungsmaschinerie mitgewirkt haben. Am Jahrestag der Auschwitz-Befreiung wurde er vor seinem Wohnhaus als SS-Täter benannt und seiner Opfer gedacht.

 

Kein Vergeben, kein Vergessen!

 

Communiqué vom 27.01.2015

Autonome Antifa Freiburg

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Rede auf der Kundgebung zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz
Freiburg, 27. Januar 2015

 

 

Liebe Leute,

 

wir stehen heute vor dem Haus des ehemaligen SS-Mannes Herbert Göhler in der Julius-Brecht-Straße 29.
Heute ist der 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz.
An diesem Tag wollen wir vor seinem Haus einen Täter benennen und seiner Opfer gedenken.

 

Bis heute leben SS-Täter unter uns.
Bis heute sind sie akzeptierte Mitglieder einer Gesellschaft, die sie selbst geprägt haben.
Bis heute weigert sich die Gesellschaft, diese noch lebenden SS-Männer zu ächten.

 

Die Nazis haben nicht nur sechs Millionen Jüdinnen und Juden ermordet.
Sie haben nicht nur Synagogen und jüdischen Häuser niedergebrannt.
Tatsächlich haben sie die jüdische Kultur in Deutschland weitestgehend zerstört.

 

Selbst aus dem Alphabet wurde die Spuren jüdischen Lebens getilgt.
Wir sprechen heute von D wie Dora, I wie Ida, N wie Nordpol, S wie Siegfried und Z wie Zeppelin.
Wer erinnert sich noch an David, Isidor, Nathan, Samuel oder Zacharias?

 

Roma und Sinti wurden zu Hunderttausenden von den Nazis ermordet.
Hier in Freiburg erzählen Sinti, dass sie auch nach dem Krieg von Polizisten belästigt wurden.
Von den gleichen Polizeibeamten, die sie schon unter den Nazis verfolgt hatten.

 

Homosexuelle wurden damals wegen ihrer Sexualität ermordet und nach dem Krieg weiter verfolgt.
Ähnlich ging es Menschen mit Behinderung, von denen zehntausende von den Nazis ermordet wurden.
Noch heute darf der NS-Propagandafilm „Ich klage an“ aus Angst vor Sympathiebekundungen nicht öffentlich gezeigt werden.

 

Auch die Linke war erklärtes Ziel der Nazis und das nicht erst seit 1933.
Hunderttausende KommunistInnen, AnarchistInnen und SozialdemokratInnen wurden ermordet oder mussten fliehen.
Fast alle von uns dürften Nazis in ihrer Verwandschaft haben, aber wer von uns hat eine rote Großmutter?

 

Der Antikommunismus der Nazis war wesentlich für die deutsche Nachkriegspolitik.
Er war die zentrale Motivation nach 1945, die Nazis in ihren alten Ämtern mit neuen Würden zu etablieren.
Die „Entnazifizierung“ ist genau so ein Mythos wie die „Stunde Null“.

 

Doch auch 70 Jahre nach Ende des Krieges wollen viele die Täter nicht namentlich nennen und kennen.
Wir mussten uns bei der Vorbereitung dieser Kundgebung oft anhören, dass der Mann doch alt sei und seine Taten schon so lange her.
Genau darum sind wir hier!

 

Weil Herbert Göhler bisher unbescholten in Haslach lebt.
Weil die Opfer der SS heute nicht hier sein können.
Weil die Nazis es nicht geschafft haben, die Erinnerung an die von ihnen ermordeten Menschen auszulöschen.

Rede auf der Kundgebung zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz
Freiburg, 27. Januar 2015

 

 

Nichts ist vergessen!

 

2015 jährt sich zum 70. Mal das Ende des Nationalsozialismus und der Vernichtung des europäischen Judentums.
Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit.
Auschwitz ist zur Chiffre für das Wesen des Nationalsozialsmus geworden: millionenfacher Mord, eiskalt und maschinell.

 

Aber die Nazis brauchten für den Holocaust nicht nur Eisenbahnen, Hollerith-Maschinen und Zyklon B.
Sie brauchten auch Heizer, Sekretärinnen und SS-Männer, um die Infrastruktur des Todes aufrecht zu erhalten.
Ohne die „kleinen Rädchen“ wären keine Jüdinnen und Juden deportiert, auf Lochkarten erfasst oder in Gaskammern erstickt.

 

Es ist aber nur schwer zu ertragen, wenn die Badische Zeitung diese vermeintlich „kleinen Rädchen“ verharmlost.
Oder –  wie vor drei Tagen geschehen – einem SS-Mann zum 90. Geburtstag gratuliert, einem „fleißigen Sammler von historischen Daten“, der sich „um seine Heimat verdient gemacht“ habe.
Der Träger der Landesehrennadel aus Ettenheim-Münchweiher sei zudem „in der Hilfsgemeinschaft ‚Alte Kameraden‘“ aktiv.

 

Tatsächlich ist Adolf Zanger Funktionär der „Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS“.
Im Juli 2006 wurde in Ettenheim das 33. Treffen der HIAG von Antifas gestört an dem sich nie zuvor jemand gestört hatte.
Genausowenig wie am Haus der Waffen-SS in Zähringen.

 

Betrieben wird das „Kriegsversehrtenheim“ von der Veteranenorgansation der lettischen Waffen-SS.
Über Jahrzehnte war das Anwesen Ziel ehemaliger SS-Männer aus Lettland, die sich in Freiburg erholten.
Auch der SS-Arzt Mengele genoss bis 1944 den Blick über Freiburg – von seinem Haus in der Sonnhalde 81 in Herdern.

 

Josef Mengele wurde zum Inbegriff unfassbarer Grausamkeit im Namen der Wissenschaft.
Er floh 1949 über eine der „Rattenlinien“ der katholischen Kirche nach Argentinien.
Nicht so Waldemar Hoven, der Lagerarzt von Buchenwald, aus der Hansastraße 9 in Herdern.

 

Hovens Eltern Jakob Peter Max und Carola waren finanzielle FörderInnen der SS.
Waldemar Hoven wurde für seine Morde und medizinischen Menschenversuche im KZ Buchenwald 1948 erhängt.
Ebenso erging es Eduard Krebsbach, dem Vertragsarzt der Polizeidirektion Freiburg und späteren Lagerarzt von Mauthausen.

 

Krebsbach zündete am 10. November 1938 die Freiburger Synagoge an. Später wurde er Mitglied der SS-Division Totenkopf.
Im KZ wurde Krebsbach wegen seine Morde per Gift-Injektion „Dr. Spritzbach“ genannnt.
Als Standortarzt ließ er die Gaskammer im KZ Mauthausen installieren.

 

Dank Freiburger ForscherInnen wissen wir heute auch von Freiburger SS-Männern wie Emil Maier und Gustav Borell.
Sie arbeiteten als Straßenbahnschaffner oder Angestellter der Kreispflegeanstalt bevor sie SS-Wachkompanien in KZs befehligten.
Freiburgs Geschichte ist untrennbar mit den Morden der SS verbunden, doch 70 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus sind fast alle Täter tot.

 

Fast alle.

 

Hier in der Julius-Brecht-Straße 29 wohnt Herbert Göhler, ein Mitglied der SS, über dessen Taten geschwiegen wird.
Wir stehen heute vor dem Haus eines Täters, einem von 2.000 SS-Männern aus Südbaden.
Wir klagen ihn an, weil es in all den Jahrzehnten niemand getan hat.

 

Nichts ist vergeben!

Kein Vergeben kein Vergessen den SS-Schweinen und ihren heutigen Kumpanen!

Never mind the papers, Demo am 31.1. in Hamburg! 

Wichtige und tolle Aktion!

eine sehr gute action.kann sowas nur unterstützen. bin wirklich begeistert.*daumenhoch*

hat er denn gemacht?

Mir persönlich reicht das, um ihn zu verurteilen. Ansonsten kannst du in der BZ nachlesen, wieso die Akten unter Verschluss gehalten werden.

In der jetzt zugänglichen Online-Datenbank, in der tausende SS-Männer aus dem KZ Auschwitz verzeichnet sind, steht auch Herbert Göhler:

 

GÖHLER Herbert
  
Data urodzenia / Geburtsdatum / Date of Birth: 26-01-1923
Miejsce urodzenia / Geburtsort / Place of Birth: Dresden

 

Służba w / Dienst in den / Service in SS-Verfügungstruppen, Totenkopfverbände, Waffen-SS:
Mitglied der Bewaffneten Verbände der SS seit: [Członkostwo w jednostkach zbrojnych SS od]: 15.07.1941; SS militärische Ränge: [stopnie wojskowe SS]: SS-Rottenführer [kapral]: 01.09.1943 - [07.03.1944]