(FR) Schweige-Umzug in Gedenken an Rémi Fraisse und alle Opfer polizeilicher Gewalt

Gedenken an Rémi Fraisse

Am Abend des 7. November beteiligten sich in Freiburg knapp 40 Menschen an einem Schweige-Umzug in Gedenken an den am 26. Oktober am Rande des Staudamm-Protestes im südfranzösischen Sivens von einer Granate der Bullen tödlich verletzten Rémi Fraisse. Der Tod des 21-jährigen Studenten der Umweltwissenschaften aus Toulouse löst derzeit frankreichweite Proteste an Schulen und Universitäten aus, die von massiver Bullengewalt reprimiert werden. Lasst uns grenzenlos gegen die staatliche Gewalt solidarisieren!

 

Gegen 18:15 Uhr begann die heutige Aktion mit einer Auftaktkundgebung am Bertoldsbrunnen, in der die bisher bekannten Umstände des Todes von Rémi beleuchtet, die Aufrüstung der europäischen Bullen kritisiert und der Hintergrund des Staudammprotestes im Tescou-Tal erläutert wurde. Mittlerweile wurde bekannt, dass die eingesetzten Bullen in der Todesnacht auf den 26. Oktober über 400 Granaten verschossen haben...

 

Die Freiburger Aktivist*innen wählten die Aktionsform eines Schweige-Umzuges, um ihre Solidarität mit den trauernden Angehörigen Remis und dessen Umfeld würdig zu demonstrieren. Den massiv in der Innenstadt und ums Revier Nord verstreuten Bullen (spontan geschätztes Verhältnis von 1 zu 3) hielten sich zurück und bekamen am Anfang auf Nachfrage die geplante Route genannt. Viele Passant*innen nahmen interessiert Informationen entgegen und solidarisierten sich mit unseren Anliegen.

 

Die Demonstrant*innen verteilten annähernd 500 Flugblätter und trugen mehrere Transparente mit Bezug auf die Bullengewalt, den Mord an Rémi und den Kampf im Tarn. Das schweigende Laufen verbreitete eine teils gruselige Stimmung. Nach einem Schlenker über die Badische Zeitung ging es über die Rathausgasse und um die alte Unikirche herum zurück auf die Bertoldstraße. Der schweigende Umzug machte etwa zehn Minuten vorm Revier Nord Halt und plazierte Teelichte auf dem Pflaster der Einfahrt. Danach ging es über Rotteckring und Sedanstraße über die Belfortstraße ins Grün, wo sich die Versammlung ohne Vorfälle auflöste.

 

Wir kommen wieder, in Gedenken an unsere Freund*innen.

Der beste Weg sie zu ehren ist es, ihre Kämpfe fortzuführen.

 

 

Rémi, Wissam, Sébastien, et touTEs les autres – inoubliables et vivantEs dans nos luttes!

 

Hier das auf der Versammlung verteilte Flugblatt:

 

In Gedenken an Rémi Fraisse (+ 26.10.'14) und alle Opfer polizeilicher Gewalt


Schweigender Umzug 7.11.2014 in Freiburg

Toter Demonstrant bei Staudammprotest im Tarn!

 

Am Samstag vergangener Woche ereignete sich im Rahmen von Protestaktionen gegen einen Staudammbau in Südwestfrankreich ein Drama. Rémi Fraisse, ein 21-Jahre alter Umweltaktivist aus Toulouse, wurde bei Protesten auf dem Bauplatz im südfranzösischen Tarn, von einer so genannten „offensiv“- Granate der Polizei tödlich verletzt.


Nachdem am Nachmittag über 5.000 Menschen gegen die Rodung des Waldes von Sivens, die Zerstörung der Feuchtzone „Le Testet“ und die Aufstauung des „Tescou“ demonstrierten, gingen die Proteste gegen das Großprojekt weiter. Es gab Auseinandersetzungen bis spät in die Nacht. Die Bereitschaftspolizei ging mit massiver Gewalt gegen die Platzbesetzer*innen vor und traf Rémi mit einer Granate tödlich am Oberkörper.


Wir versammeln uns heute hier, um unsere Solidarität mit Rémis Angehörigen, Freund*innen und Mitstreiter*innen zu bekunden.


Wir wollen auf die repressiven Geschehnisse in Frankreich und die aktuellen umweltpolitischen Kämpfe aufmerksam machen – und Rémi würdig Gedenken.


Wir wollen unsere Solidarität bekunden mit den Opfern staatlicher Gewalt, sei es in Frankreich oder anderswo – Beispiele gibt es leider zu viele. Wir fordern die Abrüstung der Polizei, eine Einstellung des Bauprojektes in Sivens und eine lückenlose unabhängige Aufklärung der Todesumstände Rémis.

 

Das Schweigen der Medien


Schweigen zeichnete die vorwiegende Haltung zahlreicher Journalist*innen im Bezug auf den skandalösen Tot im Departement Tarn aus – mal wieder. Über Frankreichs Grenzen hinweg war in der regionalen Presse vorerst nirgendwo etwas zu hören, vom Tod Rémis. In Freiburg dürften nur die wenigen tausend Nutzer*innen, von Medien wie linksunten.indymedia.org oder dem freien Radio Dreyeckland, überhaupt von den Vorfällen erfahren haben. Das große Pressehaus schweigt.


Dabei müsste doch gerade hier, im ökologischen Südbaden, in der Green-City selber ein großes mediales Interesse vorhanden sein, über die Hintergründe von umweltpolitischen Kämpfen im französischen Nachbarland zu berichten. Besonders wenn dabei ein 21-Jahre alter Umweltwissenschaft-Student durch den hemmungslosen Beschuss mit Blendschock- und Gasgranaten ermordet wird.

Dass die öffentliche Rezeption massiver Einschnitte in die selbst-gegebenen Gesetze, bis hin zur Erschießung eines Demonstranten, hier, zu geballtem Anteil an der Tageslaune einer „Badischen Zeitungs-Redaktion“ liegt, denen der Vorfall keine Zeile wert war, bleibt unser kleines lokales Demokratiedesaster. Doch auch überregional wurde der Tod von Rémi nur geringfügig rezipiert, jetzt da der Einsatz zur Staatskrise zu werden droht, rühren sich die Redaktionen allmählich. Aber auch wir Linken sollten unseren Arsch hoch kriegen und uns gegen die ausufernde Staatsgewalt verteidigen – auf vielen Wegen.

 

Le Testet: ZAD Partout


Doch von Vorne. Der massive Widerstand gegen die Rodung des Waldes von Sivens und die Errichtung eines Staudammes im Tescou-Tal, zur Förderung der Agrarindustrie im Tarn, Region Midi-Pyrénées, zieht sich mittlerweile über Jahre. Spätestens seit den Kämpfen auf dem Larzac Plateau etwas weiter nordöstlich gab es in der Region eine fest verankerte Tradition des Ungehorsams. Mittlerweile kommen in diversen Regionen in Frankreich neue, oftmals ländliche, Kämpfe, gegen Großbauprojekte und für den Erhalt ökologischer und sozialer Strukturen vor. Ähnlich wie in Notre-Dame-des-Landes oder der mittlerweile geräumten, geplanten Autobahntrasse in der Provence, wurde auch im Wald von Sivens eine „ZAD“ ausgerufen.


Diese „Zone A Defendre“ – eine „zu verteidigende Zone“ – ist mittlerweile ein Inbegriff von Widerstandskämpfen gegen „unnütze Großprojekte“ geworden. Besonders das selbstverwaltete Gebiet gegen den Flughafenbau in der nähe von Nantes sticht heraus.


Doch auch die NoTAV-Bewegung in Italien hält an, in einigen Regionen besetzen Aktivist*innen Waldstücke und Bohrplätze gegen Kohleabbau oder Fracking. Und von den Goldminen in Griechenland bis Lacoma in der Lausitz schickt der Staat im Auftrag der Konzerne Polizist*innen zur Wiederherstellung der Ordnung.


Viele Umgänge mit vielen Problemen


Die Macht-arrogante Verweigerung diplomatischer Wege, der Ausschluss demokratischer Mittel, der exzessive finanzielle Aufwand und die Nichtberücksichtigung von Mensch und Natur treibt Wütende über Grenzen hinweg umso mehr auf die Straßen und in die Wälder. Und die kapitalistische Zerstörungswut legitimiert viele Wege. Der Widerstand ist bei vielen dieser ökologischen Brennpunkte sehr breit gestreut. Bürgerinitiativen, Autonome, Umweltschützer*innen, Landwirt*innen, Abgeordnete und Waldbesetzer*innen demonstrierten auch in den vergangenen Tagen anlässlich des Todes von Rémi.


Unter anderem in Nantes, Toulouse, Dijon, Albi, Rouen, Paris und Marseille kam es zu Protesten und Ausschreitungen mit teils massiven Übergriffen durch die Polizei und zahlreichen Festnahmen.

Vor wenigen Tagen wurde, ein weiteres Beispiel, das gegen Braunkohletagebau besetzte Gebiet im Hambacher Forst anlässlich der Eröffnung der nagelneuen A4 brutal geräumt. Polizeigewalt gegen Ungehorsame, die sich dem industriellen System widersetzen, geht uns alle an.

Der vielfältige Widerstand gegen die Großprojekte wird nicht aufhören, Solidarisiert euch mit den ZAD in Frankreich und überall!


es sind überall die Gleichen...


Die Polizei verschoss am tragischen Abend des 26. Oktober massenhaft Tränengas und Blend-Schock-Granaten. Bereits im Frühjahr hatten drei Demonstrant*innen infolge von Polizeieinsätzen zur Durchsetzung des Staudammes ihr Augenlicht verloren. Polizeigewalt ist allgegenwärtig und das stetige Schweigen birgt die Gefahr zu banalisieren was nicht banalisiert werden darf. Die Tatsache zu verharmlosen, dass auf allen Ebenen gegen Menschenleben vorgegangen wird, um die Interessen des Kapitals durchzusetzen.

In Sivens fand die Polizei eigenen Angaben zufolge um 2 Uhr Nachts den leblosen Körper des Demonstranten und schleppten ihn hinter ihre Reihen. Später wurden Spuren von TNT aus der polizeilichen „offensiv“- Granate am Körper des jungen Mannes gefunden. Dies scheint die Todesursache zweifelsfrei zu beweisen. Die Präfektur lehnt zum jetzigen Zeitpunkt die Suspendierung der Täter*innen ab. Der Einsatz der Granaten wurde vom Ministerium vorerst beendet.

 

Entwaffnet die Polizei!


Hier und Anderswo: Der Staat rüstet sich weiter und unterdrückt im Zweifel die Bedürfnisse der Betroffenen mit äußerster Gewalt. Dies gilt selbstverständlich in der Außenpolitik und in der faschistoiden Grenzpolizeipolitik Europas, doch ebenso im Inneren, wo stetig mehr Ressourcen für Geheimdienste, neue Polizeien und bestehende Repressionsorgane frei gemacht werden.

Sei es das Gummischrot schweizer Polizist*innen, die Blendschockgranaten in Frankreich, oder die Teleskopschlagstöcke und Masschinenpistolen deutscher Streifenpolizist*innen, der Kubotan in Barcelona oder die Elektroschocker britischer Bullen. Die Überrüstung Hunderttausender „Sicherheitsbeschäftigter“ in Europa stellt eine wachsende Gefahr für die Sicherheit aller da.

Frankreich-weit entbrennt zurzeit eine Debatte um das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei in Sivens und in den letzten Tagen gab es militante Mobilisierungen gegen Polizeigewalt in Nantes, Toulouse und Dijon.


Hierzulande – Nichts als Schweigen.


Kaum wurde der Skandal der Tötung des Demonstranten rezipiert, über Tage war es kaum möglich deutschsprachige Informationen zu bekommen.

Wir wollen heute unsere Solidarität mit den Angehörigen und Freund*innen von Rémi demonstrieren.Wir ziehen in einen schweigenden Umzug in Gedenken Rémi und an die zahllosen Opfer polizeilicher Gewalt vom Bertoldsbrunnen zum Polizeirevier Nord.

Schweigend gegen das stetige Schweigen.

Schweigend, um das Schweigen umso lauter brechen zu können.

Die beste Art Rémi zu gedenken ist den Widerstand weiter zu führen. Wir solidarisieren uns mit den Kämpfen der ZADs und unterstützen die Mobilisierung gegen den Weltklimagipfel in Paris im Dezember 2015.


In unseren Kämpfen leben ihre Träume weiter – Rémi unvergessen.

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Schön, dass Ihr diese Aktion gemacht habt.

Nichts und Niemand wird vergessen!

Danke für diese tolle Aktion!