Aus Lucioles, Bulletin anarchiste de Paris et sa region (Glühwürmchen, anarchistisches Bulletin von Paris und Umgebung)

Lucioles

Üb. mc, Knast Bostadel, CH-Menzingen aus franz.

 

Aus Lucioles, Bulletin anarchiste de Paris et sa region (Glühwürmchen, anarchistisches Bulletin von Paris und Umgebung), Sept. 2013, N.11

lucioles@riseup.net, luciolesdanslanuit.blogspot.fr

 

Die Glühwürmchen sieht man weil sie in der Nacht fliegen. Die Aufsässigen erleuchten die Nacht, weil die

Gesellschaft grau ist wie die Befriedung. Das Problem sind nicht die Glühwürmchen sondern die Nacht.

 

KURZNACHRICHTEN

 

- MANTES DER BRANDSTIFTER …- Heiss ist es, in Mantes-la-Jolie (78). In der Nacht 2./3. Juni brechen zwei Brände aus. Auf der Baustelle einer zukünftigen Schule haben zwei «schlechte Schüler» an neben einer Baumaschine aufgestapelten Paletten Feuer gelegt. In den Flammen standen zwei geöffnete Gasflaschen... der Knall wurde verhindert weil die Feuerwehr... wie die Feuerwehr vor Ort war. Gleichzeitig zündete jemand anders zwei Autos im unterirdischen Parkhaus eines Einkaufszentrums des Val-Fourré an. Der Brand beschädigte elektrische Installationen und verhinderte Mittwochmorgen die Öffnung von 20 (auf 80) Läden. Die Schule gegrillt, keine Maloche und keine Einkäufe: jede Altersstufe verwüstet ihren Käfig!

 

- KEIN VERGEBEN KEIN VERGESSEN – Es war der Aufruf zu einer Demo in Gedenken an Clément Méric, der am 6. Juni von einem Fascho getötet wurde. Sonntag 23. Juni zogen tausende Menschen von der Opéra zur Seine und dann bis Stalingrad. Neben denen, die für ihre Partei oder Gewerkschaft Werbung machten, gab es auch einige, die echt wütend waren. Menschen, die Clément nicht unbedingt kannten, ihn nicht unbedingt als ihren «Gefährten» betrachteten. Menschen, die denken, dass Faschismus nichts als eines der kranken Gesichter dieser Welt der Feinde der Freiheit ist. Dass man sich nicht für Faschismus oder Demokratie entscheidet sondern dazu, sie anzugreifen. Weil beide nichts als die brutalere und vielleicht weniger brutale aber hinterhältigere Spielart derselben Herrschaft sind. Dutzenden Banken wurden ihre Automaten zerstört, Schaufenster eingeschlagen und beschriftet, Kameras blind gemacht. Auf der gesamten Strecke haben diese herzigen Spielzeuge für KleinbürgerInnen wie Gratisleihautos, Werbetäfelchen von JCDecaux, RATP-Wartehäusschen, Telefonkabinen oder Immobilienbüros die Schläge jener erhalten, die diese Welt hassen. Kein Vergeben. Und das ist nur ein ganz kleiner Anfang.

 

- DAS IST UNSER ANTIFASCHISMUS – In der Nacht des 18. Juni wurden zwischen Belleville und République zwei Bankautomaten eingeschlagen und ein allzu neugieriger Citoyen hat einen Zahn verloren. Die Aktion sei Clément Méric gewidmet. In der Erklärung: «Die Stunde zum Angriff auf diese Welt ist gekommen, die den faschistischen Abschaum und seine falschen demokratischen Feinde produziert».

 

- «STRIKE» KNAPP VERFEHLT – In der Nacht 30./31. August in Gennevilliers (92) wird eine Bullenpatrouille knapp nicht von einem 5 kg schweren Scooter-Motorblock zerquetscht, der von oben aus einem Gebäude runter geschmissen wurde. Der Siegespunkt wurde knapp, um einen Meter, verfehlt. Versuche auch du dein Glück!

 

- JEDER/M IHR/SEIN VELIB' (FREIVELO) – Der Albtraum von JCDecaux und der Bobos ( Abkürzung, aus den Wörtern bourgeois und bohémien zusammengesetzt): letztes Jahr, wie jedes Jahr auch, wurden in einem Park 9'000 von 20'000 Freivelos geklaut oder beschädigt, fast eins auf zwei, erklärt das Rathaus von Paris auf seinem Blog. Seit seiner Lancierung ist das fast dreimal der Fahrradpark, der geklaut oder beschädigt wurde. Seit 2009 bzw. zwei Jahre nach dem Anbieten der Dienstleistung wurden 18'000 Fahrräder beschädigt und 8'000 geklaut. Zum jetzigen Zeitpunkt war schon jedes einzelne der 20'000 Pariser Velib' mindestens einmal ersetzt worden, erklärten damals JCDecaux und seine Kumpane vom Figaro. Die Erscheinung konzentriert sich heute im Wesentlichen auf den Nordosten von Paris. Auf ein Gebiet mit dem 18., 19. und 20. Arrondissement von Paris, Pantin, Aubervilliers und Bagnolet sind täglich etwa fünfzig Stationen betroffen, darum wurden etwa zwanzig davon einfach „bis auf neuen Befehl“ geschlossen, was eine Lücke für alle Bobos geschaffen hat, die die von der Gemeinde saint-bobo zur Verfügung gestellten Fahrräder befreit haben. Mut ihnen und hoch lebe der Vandalismus!

 

- UND EINE DEN FASCHISTEN – Etwa zehn Tage nach seiner Einweihung wurde der Aufenthaltsraum von Boulogne-Billancourt (Hauts-de-Seine) der Schweine des Front National am vergangenen 15. Juli von einem guten alten Molli aufs Korn genommen, verursachte minimale aber doch immer sympathische Schäden. Denn es freut doch immer, wenn die fascho-populistische Bande eins auf die Fresse kriegt!

 

- FERNSEHEN IST SCHEISSE! - Anfang Juli, erneut in Boulogne-Billancourt, wurde ein inspirierter Sechzigjähriger verhaftet nachdem er Claire Chazal einen Kübel voller Scheisse in die Fresse geschmissen hatte. Die Szene spielte sich ab als die Journiflic die Lokale von TF1 am Steuer ihres Autos verliess, wovon eine Scheibe Pech hatte offen zu sein. Claire kennt nun den Geschmack dessen, was sie uns tagtäglich in der Tagesschau auftischt.

 

 

TOD DER MACHT!

 

In der Nacht 23./24. Juni gingen die Scheiben des Lokals der PS in der rue Ernest Lefèvre in Brüche. Auf den grauen Mauern ist ein schöner Satz (ein Versprechen?) erschienen: «Tod der Macht!». Dieselben Scheiben wurden schon im Mai 2012 eingeschlagen, kurz vor der Wahl von Hollande (damals mit den Schriften «Nieder mit dem Staat» und «Zerstören wir die Macht»). Donnerstag 4. Juli kommt der PS-Sitz in der rue Leopold Bellan (II.) dran, aber dort sind die Scheiben solide und widerstehen den Schlägen. Sonntag 29. Juli Nachmittag schlägt ein Junge die Scheiben des PS-Büros in der rue Dausmenil (XII.) ein, liess sich aber leider von den Bullen fangen. Schliesslich (bis jetzt...) werden in der Nacht 20./21. August vier Büros angegriffen. Das in der Lefèvre und das in der Passage Brady erhalten die Schrift «Abschieber von Sanspapiers». Die Treffs des PS des III. (40, rue Charlot) und des XVIII. Arrondissement werden angegriffen und ebenfalls beschriftet, als Zugabe werden ihnen die Schlösser verklebt.

Eindeutig, die Macht ist nicht beliebt, nicht einmal die sozialistische. Die Hälfte der PS-Lokale der Hauptstadt wurden im letzten Jahr beschädigt, obwohl sie seit Januar schärfer überwacht werden. Dann der Witz, Ende August verkündet der Staat ein noch stärkeres Überwachungsdispositiv bzw. einige armselige kleine Patrouillen für alle sozialistischen Räumlichkeiten der Megalopolis, natürlich nix um die Ausdrücke der Wut zu verhindern...

«Die Lokale der republikanischen politischen Parteien angreifen, ist die Republik und die Demokratie selbst angreifen», klagte Ende Juni F. Calandra, der sozialistische Bürgermeister des XX. Arrondissements. Genau.

 

 

WEDER ATOM NOCH GENDARMEN!

 

15, rue Louis Lejeune in Montrouge. Ist, seit Januar, die neue Adresse der Autorité de Sûreté Nucléaire – des Amtes für nukleare Sicherheit. Dieser Organismus, „Gendarm des Nuklearen“ genannt, ist zur Überwachung der Einhaltung der Sicherheitsregeln (die von der ASN selbst bestimmt wurden) der Einrichtungen zuständig, die radioaktive Substanzen einsetzen oder transportieren (auch für Vorrichtungen, die ionisierende Strahlen ohne Kernspaltung produzieren, wie Röntgenapparate oder in der Strahlentherapie). Es geht um Atomkraftwerke, Depots für Atommüll und auch um weniger bekannte radioaktive Quellen wie etwa Forschungsanlagen und gewisse Anlagen in den nicht atomaren Industrien (wie zur Sterilisation gewisser Produkte oder Werkzeuge usw.), Radiologielabors und andere medizinische Apparate (sie nennen das „Kontaktbereich-Nukleares“ in Anlehnung an den Begriff „Kontaktbereichsbeamte“ also „Nähe zu den Leuten“, allen Ernstes!). Kurz, von den Zahnarztapparaturen bis zu den Atomraketen der Armee.

 

Ausser jene der Kontrolle, hat die ASN auch die Mission der Information. Bzw. besteht die Arbeit dieser vom Staat bezahlten ExpertInnen darin, uns zu sagen, dass alles schon gut ist und die Desaster nur bei den anderen vorkommen. Dass der uns allen tropfenweise alltäglich von der Nukleartechnologie verabreichte Tod ganz und gar akzeptabel ist. Alles ist schon gut und alles wird schon gut gehen, selbst im Fall eines grösseren Desasters wie bei der Kernschmelze eines Reaktors (z.B. Fukushima, Tschernobyl, Three Miles Island...) oder einer grossen Entweichung radioaktiver Elemente. Eine wie es bei JT geschieht, denn „kleine“ hat es jeden Tag in allen Kraftwerken, Sammellagern usw.. Und da es kein „Nullrisiko“ gibt, ist das Ziel nicht die Verhinderung von Unglücksfällen, sondern dass man lerne damit zu leben. Mit der alltäglichen nuklearen Verseuchung oder mit einem Leben in verseuchten Gebieten „á la Tschernobyl“ … Klar doch, «die Verwaltung von Situationen radiologischer Notfälle» gehört ebenfalls der ASN. Und wenn wir daran denken, dass die «Verwaltung» des Unglücks von Fukushima unter anderem die Evakuation, manu militari, von 180'000 Menschen bedeutete, die in einem Radius von 20 km um das Kraftwerk herum lebten...

 

Aber da wir in einer Demokratie sind und von den Erleuchtendsten (mit all der Elektrizität atomaren Ursprungs, die wir haben!), denkt die ASN schon daran die BürgerInnen immer besser zu informieren. Um uns besser zu ködern hat die ASN gegen Mitte Juni ein nagelneues Informationszentrum im Erdgeschoss ihres Sitzes eröffnet. Sie stellen dort einen Haufen Bücher und Zeitschriften aus und empfangen gerne ganze SchülerInnengruppen. Man weiss sehr wohl, wozu ihre Propaganda dient: uns die Pille der Notwendigkeit des Nuklearen, um diese Welt in Gang zu halten – gefahrlos, sicher doch! -, schlucken zu lassen. Aber wir wollen gerade dieser Welt und allen ihren todbringenden Technologien ein Ende bereiten. Wieso sie nicht informieren gehen, was wir über das Nukleare (und die dazugehörige Gesellschaft), seine Gefahren, Kontrolleure und Gendarmen und ihre Lügen denken?

 

 

Aus LUCIOLES Sept. 2013, N.15

 

KURZNACHRICHTEN

 

- AUF DEN KNIEN?- Samstag 4. Juni im XVII. Arrondissement in der Kirche Sainte Odile in Paris werden eine Jesuskind – und eine Sankt Theresa-Statuette zerbrochen am Boden aufgefunden. Was kein Was kein Wunder ist, sondern das Werk eines Individuums, das in demselben Elan den Altar beschädigt, Kandelaber zerbrochen und das Weihwasser ausgeleert hat. Am 13. Dezember im XVI. Präsentierte die Kirche von Notre-Dame de Grâce einige feindliche Tags auf ihren Mauern: «Tod dem Gott, Feuer den Kirchen». Am 29. Januar werden auf der Kirche Saint-Jean Baptiste von Belleville, im XIX, «Dreckspriester, friss deine Soutane und deine Moral...», «Die einzige Kirche die aufklärt ist die, die brennt», «Alle Mächte sind mörderisch, weder Gott noch Herren». Delanoë hat die „beleidigenden Inschriften“ sofort verurteilt und gefordert, dass die Autoren sofort verhaftet werden (aber nix gewesen!). Die Wahlkampagne verpflichtet, man muss seinen Kumpanen Pfaffen doch den Arsch lecken während der eigene Präsident vor dem Papst niederkniet... Die Kirchen werden schon immer dazu benutzt, die Toten in Frieden und die Lebenden auf den Knien zu halten, also sollen sie brennen!

 

- CATASTOR!!!- Am Nachmittag des 23. Dezember entgleiste im Rangierbahnhof von Bourget bei Drancy ein Waggon mit sechs Tonnen Atommüll, diesmal ohne eine Katastrophe zu verursachen. Effektiv fahren jährlich 500 Castor-Züge mit radioaktivem Material durch Frankreich, jedes mal unter der Gefahr, eine Katastrophe auszulösen. In einer Welt, in der gewisse Leute nichts als Rohstoffe zur Ausbeutung sehen, wo das Leben in homöopathischen Dosen verläuft, wo ein Nuklearunglück „technischer Zwischenfall“ genannt wird, muss man sich entscheiden: anständig und nett warten bis ein kleiner Krebs uns auf einen kleinen Tod hinführt oder dem Nuklearen den Garaus zu machen.

 

- PAFF DEM TAV! - In der Nacht 7./8. Januar erhielten die Scheiben der SNCF-Läden des 4., 13. und 17. Arrondissements zahlreiche Schläge und Schrift «Der Kampf geht weiter, Freiheit» in Solidarität mit dem Kampf gegen den Bau einer neuen Hochgeschwindigkeitslinie Lyon-Turin (TAV) in den italienischen Alpen. Gegen die Hochgeschwindigkeit, greifen wir immer schneller an!

 

- SOLL SIE DOCH VERBRENNEN, DEINE ENERGIE! - Am Morgen des 13. Dezember verursachte ein materieller «Zwischenfall» einen Stromausfall in 150'000 Haushalten in sieben Arrondissements von Paris, der 20 Minuten dauerte. Die Einspeisung einer Höchstspannungslinie, welche die Werke Cretaine, Tolbiac, Gobelins (im 13.) und Erasme (5.) verbindet, wurde unterbrochen. Die Ursache des Zwischenfalls wird in der Presse nicht genannt, aber RTE signalisiert immerhin, die Panne «hänge nicht mit der Kälte zusammen»... böswilliger Akt also? Was wir hoffen!

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Lucioles N. 15 ist aus Februar 2014