Auflösung von Avanti in die IL

torte 25 jahre Avanti

Nach 25 Jahren kündigt die Organisation Avanti ihre Auflösung in die interventionistische Linke an. Auch in dem Abschiedsbrief der antifaschistischen Linken Berlin ist von Eintritten in die iL zu lesen. Von der Organisation selbst gibt es dazu keine Stellungnahme. Im Gegenteil: der Onlineauftritt ist seit Wochen nicht mehr erreichbar. Speziell für Berlin stellen sich in diesem Zusammenhang wichtige Fragen.

 

Kündigt sich hier ein ein bevorstehender Durchmarsch linker Bewegungsmanager an? Oder gar die Verdrängung antagonistischer Ansätze durch Reformlinke? Wie sollen wir Autonome darauf reagieren?

 

Zur Dokumentation an dieser Stelle die Auflösung von Avanti:

 

 

25 Jahre Avanti – ab jetzt sind wir Interventionistische Linke

Diese Erklärung ist absehbar die letzte, die wir als „Avanti – Projekt undogmatische Linke“ unterzeichnen. Sie ist dennoch kein Auflösungspapier. Wir berichten nicht von Zerwürfnissen oder Scheitern, sondern von unserem gemeinsamen Aufbruch – in und mit der Interventionistischen Linken (IL), die im Begriff ist, zu einer lokal verankerten, bundesweit handlungsfähigen und europäisch vernetzten linksradikalen Organisation zu werden.

 

 
Als sich im Oktober 1989 zwei Gruppen aus Kiel und Lübeck zu der neuen Mini-Organisation Avanti zusammenschlossen, hatten wir uns viel vorgenommen: Wir wollten die verbreitete autonome Unverbindlichkeit und Organisationsfeindlichkeit überwinden, ohne in den dogmatisch erstarrten Organisationsfetisch der traditionellen ML-Gruppen zurückzufallen. Das Verhältnis der Genoss_innen zueinander sollte von offener Debatte, basisdemokratischen Strukturen, bewusster Delegation und – vor allem – von einer Kultur des Vertrauens und des Vertrauensvorschusses geprägt sein. Wir hatten uns vorgenommen, die Beschränkung vieler Linksradikaler auf die eigenen Zentren, Szenen und Kieze zu durchbrechen und stattdessen Politik in und für die Gesellschaft machen. Radikalität sollte sich nicht in martialischem Auftreten, in subkultureller Abgrenzung oder in szenetypischen Sprachcodes ausdrücken, sondern in klaren Standpunkten, offenem Politikstil und offensiven Aktionen, die wir – wo immer möglich – in breiten Bündnissen angehen wollten. Am Anfang stand für uns die lokale Verankerung, in den Bewegungen und Bündnissen vor Ort. Nur auf dieser Basis hielten wir den Aufbau von überregionalen und perspektivisch bundesweiten Organisationsstrukturen für möglich.


Heute, 25 Jahre später, können wir zufrieden feststellen, uns in diesem Projekt treu geblieben zu sein und uns auf immerhin sieben Ortsgruppen in Norddeutschland und in Berlin ausgedehnt zu haben. Diese Kontinuität ist keine geringe Leistung, denn sie schließt eine beständige Erneuerung unserer Politik und unserer Gruppen mit ein. Bei uns sind heute Genoss_innen im Alter von 3 bis 60 aktiv. Auch wenn nur wenige davon die ganzen 25 Jahre dabei geblieben sind, ist Avanti damit nicht das Projekt nur einer politischen Generation, das eine kurze Blüte erlebt, aber dann in Stagnation und Niedergang endet, weil die Weitergabe der Grundlagen und Erfahrungen an jüngere, nachkommende Genoss_innen nicht gelingt.


Gleichwohl sind wir noch nicht zufrieden mit dem Erreichten, wenn wir es an der Größe der Aufgabe messen. Revolutionäre Organisierung ist kein Selbstzweck, sondern muss stets fragen, welchen Beitrag sie zur Entwicklung einer linken gesellschaftlichen Gegenmacht leistet, die die Macht des Staates und des Kapitalismus ernsthaft herausfordern und eine Perspektive zur Überwindung sozialer, patriarchaler und rassistischer Unterdrückung eröffnen kann. Diese Gegenmacht – auch das wussten wir schon 1989 – kann nicht von einer Organisation allein geschaffen werden, sondern nur aus starken und unabhängigen sozialen Bewegungen entstehen. Die Aufgabe wird nicht leichter dadurch, dass Befreiung immer weniger in der Beschränkung des nationalstaatlichen Rahmens denkbar ist, sondern über die solidarische Bezugnahme hinaus, die tatsächliche Formierung von Bewegung und Gegenmacht im mindestens europäischen, perspektivisch globalen Rahmen erfordert.


Um nicht ins stolpern zu geraten, gilt es für den mutigen Sprung auf die europäische und globale Ebene aber zwei Voraussetzungen nicht aus den Augen zu verlieren: Erstens die lokale Verankerung in den Kämpfen und Bewegungen vor Ort und zweitens die Schaffung eines zunächst bundesweiten, handlungs- und strategiefähigen Akteurs der radikalen Linken. Mit diesen Zielen ist Avanti seit 2005 an den Debatten und der Praxis der Interventionistischen Linken beteiligt, die wir von Anfang an als ein Netzwerk mit Organisierungsperspektive begriffen und kennengelernt haben.


Im Jahr 2008, ein Jahr nachdem die IL ihre erste praktische Bewährungsprobe bei den Aktionen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm erlebt hatte, nachdem also Vertrauen gewachsen war, aber auch Konflikte deutlich geworden waren, haben wir das in einem grundsätzlichen Papier so ausgedrückt:
„So wie wir uns jetzt und in Zukunft nur eine plurale, aus vielen Strömungen, Bewegungen und Organisationen bestehende, nicht vereinheitlichte Linke vorstellen können, sind wir umgekehrt davon überzeugt, dass diejenigen Gruppen und Akteure, die ein gemeinsames Verständnis an entscheidenden Punkten teilen, die Verantwortung haben, ihre Zersplitterung zu überwinden und sich zu organisieren. Wir sehen Avanti als Teil einer bestimmten, politischen Strömung innerhalb der radikalen Linken, die einen ernsthaften revolutionären bzw. antagonistischen Anspruch in Theorie und Praxis mit der Bereitschaft zu einer verbindlichen Organisierung verbindet, die basisdemokratisch (also nicht zentralistisch) aufgebaut ist. Diese Strömung steht für eine offensive, weder legalistische noch militanz-fixierte politische Praxis, mit dem Anspruch selbstbewusst in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einzugreifen, um diese zu radikalisieren und Gegenmacht aufzubauen. Sie bemüht sich um ein undogmatisches Herangehen und einen fairen, offenen Umgang nach innen wie nach außen.
Heute bietet die Interventionistische Linke die reale Chance, einer der aktiven Kerne der Organisierung „unserer Strömung“ und damit gleichzeitig einer erstarkenden, sich neu formierenden radikalen Linken zu werden.“ (Intervention braucht Organisation, 2008)


Mit Heiligendamm ist einer der Meilensteine der Zusammenarbeit in der IL genannt. Mit Dresden Nazifrei, NoNATO Straßburg, Castor Schottern und Blockupy sind weitere Großmobilisierungen gefolgt, in denen sich ein politischer Stil der IL herausgebildet hat, der auf strategischer Bündnisorientierung und der Radikalisierung in ungehorsamen Massenaktionen beruht. In den mittlerweile 9 Jahren IL-Beteiligung haben wir insbesondere das Niveau und die Ernsthaftigkeit von grundsätzlichen Debatten zu strategischen Fragen für die (radikale) Linke schätzen gelernt. Diese haben unseren Horizont sehr erweitert und wir wünschen uns für die Zukunft mehr davon.
Seit 2010 führen wir in der IL eine intensive Debatte, wie wir die erfolgreiche Zusammenarbeit bei Großprojekten in kontinuierliche Projekte und in lokale Verankerung ausdehnen. Mit anderen Worten: Wie und ob wir mit der IL den Schritt vom Netzwerk zur Organisation gehen können. Diese Debatte war und ist oft anstrengend, manchmal zäh und sie fördert nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Unterschiede zwischen den Gruppen, ihren politischen Methoden und Kulturen zu Tage. Viele Avantis haben sich in diesen Diskussionen aufgerieben, sich geärgert und gestritten, waren enttäuscht, wenn Dinge nicht vorangingen und sich das gemeinsame Verständnis nicht einstellen wollte. Einige wollten diesen anstrengenden Weg auch nicht mehr weitergehen. Mit Sicherheit sind auch wir vielen IL-Genoss_innen auf die Nerven gegangen, mit unserem Beharren auf transparenten, festgelegten und demokratischen Strukturen oder auf gemeinsamen inhaltlichen Grundlagen für AGs und Kampagnen.


Um ehrlich zu sein, können wir auch für die Zukunft nicht versprechen, dass dieses unbequeme Nerven aufhört, weil wir ja unsere persönlichen Überzeugungen und Erfahrungen als Avantis in die IL mitbringen. Aber wir werden diese Diskussionen nicht mehr als Avanti mit anderen Gruppen führen, sondern als IL-Genoss_innen mit IL-Genoss_innen. Sie werden immer mehr auch quer durch unsere Ortsgruppen geführt werden.


Die Schwierigkeiten und Herausforderungen für uns werden durch den Schritt in die IL nicht kleiner. Im Gegenteil, sie werden größer, weil die Organisation eine größere ist. Wir sehen diese Herausforderungen in der internen Struktur der IL vor allem in der Herausbildung und Festigung von basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen, in der Verankerung der IL auch in den lokalen Kämpfen und Bewegungen und in der Entwicklung genauerer thematischer Positionen, z.B. zu den Perspektiven der Antifa-Bewegung oder in der Anti-Kriegs-Politik. Hierzu wollen wir als IL-Genoss_innen unseren Beitrag leisten.
Konkret haben wir beschlossen, dass unsere Ortsgruppen in Kiel, Norderstedt, Lübeck, Hamburg und Bremen ab sofort lokale Gruppen der Interventionistischen Linken sind. Die Avanti-Gruppen in Hannover und Berlin werden ihre Integration in die dortigen örtlichen Strukturen der IL fortsetzen und vollenden. Unsere überregionale praktische Zusammenarbeit erfolgt zukünftig ausschließlich im Rahmen der IL.
Damit verbunden ist eine bewusste Öffnung unserer Gruppen für alle Aktivist_innen, die sich in den Grundsätzen und Zielen der IL wiederfinden und sich verbindlich in diesem Rahmen organisieren wollen. Die Inhalte des  Avanti Grundsatzpapiers wird für unsere Genoss_innen, seine Bedeutung als Erklärung unseres Wegs in die IL, für die von uns mitgebrachten Positionen und Methoden behalten. Entscheidend für die Aufnahme neuer Aktivist_innen sind nun aber die grundsätzlichen Papiere und Verfahrensweisen der Interventionistischen Linken.


Deswegen machen wir als Avanti an dieser Stelle auch keine weiteren Aussagen über die zukünftige politische und strategische Ausrichtung. Dies bleibt einer gemeinsamen Stellungnahme der gesamten Interventionistischen Linken vorbehalten, die demnächst folgen wird.
Am Schluss bleibt natürlich auch ein bisschen Wehmut und Nervosität, weil wir Vertrautes aufgeben und einen Schritt ins Neue wagen, ohne uns völlig sicher zu sein, dabei immer Boden unter den Füßen zu haben. Trotzdem und gerade deswegen wünschen wir uns aber, dass viele unseren Schritt ins Offene als eine Einladung verstehen, mit uns gemeinsam in der Interventionistischen Linken aktiv zu werden.

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Hab in den letzten Jahren in Berlin, eine innere Distanz zu Gruppen dieser Art aufgebaut, das Papier oben, weichgespülter gehts nicht.

Ich sehe inzwischen diese art Gruppen als Ärgernis, sich bildenden emanzipatorische Strömungen werden (versucht) vereinnahmend und somit die Kreativität erstickt.

 

Alles in allem sehe ich in diesen Zusammenschlüssen einen neuen Versuch auserpalamentarische Dynamiken im Sinne der IL... zu zentralisieren und zu benutzen.

Diese Gruppen haben durch ihre Rücksichtslosigkeit, zumindest für Berlin kann ich sprechen, nach meiner Einschätzung schon sehr viel Schaden angerichtet.

Von daher Emanzipatorisches ist nicht zu erwarten. Also....

Bei uns sind heute Genoss_innen im Alter von 3 bis 60 aktiv.

 

bitte was? ist das ernst gemeint?? 3 jahre - ja nee, is klar!

 

wo ist denn der text herkopiert, wenn er hier "dokumentiert" wird und der netzauftritt nicht erreichbar ist?

Der Text ist so auch auf den Avanti-Seiten erschienen, die zumindest gestern noch erreichbar waren (nur die Seite der IL hat ne merkwürdige downtime)

Dazwischengehen.org sieht im Moment ziemlich verlassen aus - als würden die nen serverumzug machen, aber die domain noch nicht umleitet. Schade eigentlich, als Kieler bin ich gespannt, was aus dem Ganzen so wird, mangelt es uns doch hier stark an Gruppen abseits der üblichen Verdächtigen wie Linkspartei, DKP oder Antifa.

also wenn du aus Kiel bist, solltets du eigentlich mitbekommen haben das Avanti dort schon seit Jahren eine Ortsgruppe hat:

 

http://avanti-projekt.de/kiel

Ja, wusste ich. Aber irgendwie sind die mir nicht in Erinnerung geblieben, weder positiv noch negativ. Aber das ließe sich eigentlich über alle Gruppen sagen, Kiel ist halt kein heißes Pflaster, auf dem ständig Bewegung ist. Außer den obligatorischen Demos zu Feiertagen und Jubiläen wie dieses Jahr ist eher wenig los.