[USA/RUS] Alter Wein in neuen Schläuchen – der Welt-Familien-Kongress in Moskau

Screenshot der Webseite des Internationalen Forums, bevor Hinweise auf den WCF getilgt wurden

Homophobe Hassgruppe aus den USA veranstaltet heimlich einen reaktionären Familienkongress in Moskau - zusammen mit der Russisch-Orthodoxen Kirche und den dubiosen kremlnahen Oligarchen Jakunin und Malofejew, die in den Ukraine-Krieg verwickelt sind. Außerdem mit dabei: Rechtsnationalisten der französischen Front National und der österreichischen FPÖ, sowie eine alte Bekannte Jürgen Elsässers - die Autorin des "Homopropaganda"-Gesetzes Elena Mizulina. -- Die Übersetzer*innen


15. September 2014


In einem meiner vorherigen Posts und einer Gastkolumne für „War is Boring“ schrieb ich, dass die US-amerikanische Anti-LGBT Hass-Gruppe World Congress of Families (WCF) ihre jährliche Versammlung (World Congress of Families VIII) – „Jedes Kind ein Geschenk:  Große Familien – die Zukunft der Menschheit“ erst plante, und dann absagte. Diese Versammlung sollte vom 10. bis 12. September 2014 in Moskau stattfinden. Als diese Veranstaltung  abgesagt wurde, schrieb ich:

 

"[Wegen der empörenden Annexion der Krim durch Putins Russland] haben die USA auch Sanktionen gegen drei russische Einzelpersonen verhängt: Wladimir Jakunin, Elena Mizulina und Alexej Puschkow."


(Anmerkung der Übersetzer:
Wladimir Jakunin ist Chef der Russischen Eisenbahn und Mitglied des allerinnersten russischen Machtzirkels, der Silowiki (von "sila", Macht, Kraft). Jakunin ist Putin-Vertrauter und hat nicht nur als Herr über das russische Eisenbahnsystem eine hilfreiche Rolle bei der Annexion der Krim gespielt, sondern ebenso als Unterstützer der homosexuellenfeindlichen Gesetze. Darüber hinaus hat er sich auch lautstark über den Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest geäussert. Jakunins Söhne leben und arbeiten in Großbritannien bzw. in der Schweiz.
 

Alexej Puschkow ist Außenpolitiker und Vorsitzender der russischen PACE-Delegation, der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Als der damalige ukrainische Aussenminister, Andrij Deschytsia,  wegen seines „Putin Huylo“ –Statements unter Beschuss aus Russland geriet, forderte er von Präsident Poroschenko nicht nur die Entlassung des Ministers, sondern für den Verweigerungsfall auch einen Gas-Lieferstop.
 

Elena Mizulina sollte allen geläufig sein, die sich in Deutschland mit Homophobie, Querfront und Wahnwichteln beschäftigten. Sie ist Autorin des Gesetzes, das „homosexuelle Propaganda“ unter Strafe stellt. Mizulina war einer der Redner auf Jürgen Elsässers „Compact-Familienkonferenz“ in Leipzig. Ihr Sohn, Nikolai Mizulin, lebt in Brüssel und ist dort als Anwalt in einer zutiefst angloamerikanischen Anwaltsfirma tätig.)

 

„Da der WCF vor allem eine Organisation mit US-amerikanischen Wurzeln ist, hat er sich höchstwahrscheinlich entschieden, seine Reputation im Inland nicht dadurch zu beschädigen, dass er mit sanktionierten Individuen zusammenarbeitet.“

 

Eine der Organisationen, die geplant hatten, am WCF VIII teilzunehmen, war „Concerned Women for America“ („Frauen, die sich um Amerika sorgen“), die sich aus einem ähnlichen Grund zurückzogen. Wie dessen Präsidentin, Penny Nance, sagte: „Wir haben uns entschieden, nicht nach Russland zu gehen. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, Wladimir Putin Trost und Hilfe zu gewähren.“

 

Aber wie das so oft bei „guten Christen“ aus verschiedenen Hassgruppen der Fall ist: die Story von der Absage war eine Lüge. Der WCF VIII fand sehr wohl statt, und zwar am 10. Und 11. September 2014, aber er hatte einen anderen (allerdings nicht besonders überraschenden und ähnlichen) Namen: „Große Familien und die Zukunft der Menschheit“.

 

WCF-Generaldirektor Lawrence Jacobs und Kommunikationsdirektor Don Feder waren auf der Website der Stiftung „Sankt Andreas der zuerst Gerufene“ aufgeführt, als Mitglieder des Organisationskomitees des den Kongresses. Später jedoch wurden ihre Namen gelöscht, damit die Verwicklung des WCF nicht so offensichtlich wurde. Wie dem auch sei: hier ist ein Screenshot der unbearbeiteten Seite:

 

Screenshot der Webseite des Internationalen Forums, bevor Hinweise auf den WCF getilgt wurden

(Anklicken und "Download" drücken, um den Screenshot in voller Größe zu betrachten)

 

In seinem August-Newsletter schrieb der WCF:

 

„Der WCF hielt ein Leadership- und Strategiemeeting für die Repräsentanten von Pro-Familen-Gruppen ab, die an diesem Ereignis teilnehmen werden. Es gab Berichte über das anstehende internationale Forum: ‚Große Familien und die Zukunft der Menschheit‘ (Moskau, 10-12. September 2014) und den Welt-Familien-Kongress IX, Salt Lake City, 27.-30. Oktober 2015.“

 

Bitte folgendes beachten: Dass Treffen in Salt Lake City 2015 wird WCF IX heißen, und nicht etwa WCF VIII (was ja normal gewesen wäre, denn WCF VIII war ja angeblich abgesagt worden) - und so ist das noch eine andere Bestätigung dafür, dass es sich beim internationalen Forum „Große Familien und die Zukunft der Menschheit“ in Wirklichkeit um die geplante WCF-Veranstaltung, „Jedes Kind ein Geschenk: Große Familien – die Zukunft der Menschheit“ handelte.

Doch die Führung des WCF und andere, die an der Organisation beteiligt waren, haben sich sehr viel Mühe gegeben, die Verwicklung des WCF zu vernebeln, so dass sogar der WCF-Generaldirektor, Larry Jacobs, auf der Facebook-Seite von Konstantin Malofejews  „St. Basilius der Große Wohltätigkeitsstiftung“ nicht als Kopf des WCF, sondern als „Präsident und CEO der Jabez Consultingvorgestellt wurde.

 

Die „St.-Basilius der Große“ Wohltätigkeitsstiftung bezeichnet Lawrence Jacobs als „Präsidenten, CEO von Jabez-Consulting“. Jedoch: Hashtags beachten!

Die „St.-Basilius der Große“ Wohltätigkeitsstiftung bezeichnet Lawrence Jacobs als „Präsidenten, CEO von Jabez-Consulting“. Jedoch: Hashtags beachten!

 

Jacobs ist in der Tat der Gründer von Jabez Consulting, doch das ist für ihn nicht mal wichtig genug, um es auf seinem Hauptprofil bei LinkedIn zu erwähnen, wo er sich im Wesentlichen über seine deutliche Beziehung zum WCF definiert.

 

Lawrence Jacobs auf Linked-In - zuallererst Vizepräsident des WCF

 

Mit anderen Worten: die Organisatoren des WCF-Meetings in Moskau haben eine Menge gemacht, um die durchschnittlichen Beobachter zu verwirren – doch nicht genug, um andere zu täuschen. Möglicherweise haben die US-Behörden ja Fragen an den WCF, was dessen Beitrag zur Unzivilgesellschaft  in Russland und die Zusammenarbeit mit sanktionierten Einzelpersonen betrifft (siehe unten).

 

Logos des WCF und "Große Familien - Zukunft der Menschheit"

 

Abgesehen vom WCF wurde das Treffen mitorganisiert von: der Russisch-Orthodoxen Kirche, Wladimir JakuninsZentrum für nationale Größe“ und der „Stiftung des Heiligen Andreas, des Zuerst-Gerufenen“, sowie Konstantin MalofejewsSt. Basilius der Große Wohltätigkeitsstiftung“. Beide, Jakunin (sanktioniert durch die USA) und Malofejew (sanktioniert durch die EU) sind russische Oligarchen. Darüberhinaus ist Jakunin (s.o) einer der wichtigsten Vertreter der Silowki-Gruppe, die offensichtlich gegenwärtig den Kreml kontrolliert, während Malofejew ein wichtiger Verbindungsmann zu den rechtsextremen Parteien in der EU ist und zudem zutiefst verwickelt in das Lostreten der ukrainischen „Krise“.

 

Der in separatistische Aktivitäten in der Ostukraine verwickelten russische Terrorist, Igor Strelkow-Girkin (in Flecktarn) und der russische Faschist Alexander Dugin (im schwarzen Anzug) treffen am 28. August im Kloster Walaam (Karelien) zusammen.

Bild 5: Der in separatistische Aktivitäten in der Ostukraine verwickelte russische Terrorist Igor Strelkow-Girkin (in Flecktarn) und der russische Faschist Alexander Dugin (im schwarzen Anzug) treffen ihren Sponsor Konstantin Malofejew am 28. August 2014 im Kloster Walaam (Karelien)

  

Wie der österreichische Journalist Bernhard Odenahl berichtete, lud Malofejew unlängst zu einem Treffen russischer und europäischer Faschisten, sowie rechter Politiker wie Alexander Dugin (Internationale Eurasische Bewegung), Marion Marechal-Le Pen (A.d.Ü.: Tochter von Marine Le Pen), Aymeric Chauprade (Front National, Frankreich), Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus (FPÖ, Österreich) ein.

Chauprade nahm auch am WCF VIII teil und saß sogar im Präsidium des Kongress.

 

Präsidium des WCF VIII (von links nach rechts) Russlands Oberrabbiner Berel Lazar, Russlands Großmufi Talgat Tadschuddin, Aymeric Chauprade, Elena Mizulina, Konstantin Malofejew, Natalia Jakunina und Wladimir Jakunin, 10. September 2014, Moskau

Bild 6: Präsidium des WCF VIII (von links nach rechts) Russlands Oberrabbiner Berel Lazar, Russlands Großmufi Talgat Tadschuddin, Aymeric Chauprade (Front National), Elena Mizulina, Konstantin Malofejew, Natalia Jakunina und Wladimir Jakunin, 10. September 2014, Moskau

 

Präsidium des WCF VIII (von links nach rechts): Russlands Großmufi Talgat Tadschuddin, Aymeric Chauprade, Elena Mizulina, der Führer der Russisch-Orthodoxen Kirche, Wladimir Gundjajew (Patriarch Kirill I.), Natalia Jakunina, Oleg Morosow und Wladimir Jaku

Bild 7: Präsidium des WCF VIII (von links nach rechts): Russlands Großmufi Talgat Tadschuddin, Aymeric Chauprade, Elena Mizulina, der Führer der Russisch-Orthodoxen Kirche, Wladimir Gundjajew (Patriarch Kirill I.), Natalia Jakunina, Oleg Morosow und Wladimir Jakunin.


(A.d.Ü.: Nachdem Stalin 1941, anlässlich des „Grossen Vaterländischen Kriegs“ die Verfolgung der Religionen einstellte, da man zur Mobilisation der sowjetischen Völker ohne deren geistliche Führer nicht auskam, sind diese stets handverlesen und laufen, wie man sagt, an der Führungsschiene des Geheimdienstes, aktuell des FSB. Allen drei hier abgebildeten Geistlichen wird nachgesagt, dass sie enge Vertraute von Putin seien. Oleg Morosow ist der Vizevorsitzende der Putin-Partei „Einiges Russland“.)


Auch auf dem Kongress anwesend war, für die FPÖ, Johann Gudenus. (A.d.Ü.: Gudenus ist aktuell „Klubobmann“ = Vorsitzender der Wiener Freiheitlichen Gemeinderäte und Landtagsabgeordneten, sowie Stellvertretender Bundespartei-Obmann). Gudenus verdammte in seiner Rede die Sanktionen des Westens gegen Russland, das ja gegen die Ukraine Krieg führt, und erzählte von einer „starken Homosexuellen-Lobby“, welche „die Massenmedien kontrolliert“. (A.d.Ü.: wie er in Österreich seine Positionen verteidigt, kann hier nachgelesen werden.) Gudenus zufolge stecken hinter allen angeblichen Versuchen, in Europa traditionelle Werte zu zerstören, offensichtlich die USA.

 

Alle großen politischen Parteien Österreichs kritisierten Gudenus’ Botschaft, und die Bundessprecherin der österreichischen Grünen, Eva Glawischnig, ersuchte den Vorsitzenden der FPÖ, Hans-Christian Strache, sich von Gudenus‘ Rede auf dem Kongress zu distanzieren: „Der FPÖ-Vorsitzende muss entscheiden, ob er und seine Freunde Moskau verpflichtet sein wollen, oder auf der Seite Europas stehen“. Aber wie es scheint, hat Strache bereits gewählt.

 

 Johann Gudenus (FPÖ) spricht zur Homosexuellenlobby in Europa und zu den hinterhältigen Vereinigten Staaten. Moskau, 11.September 2014

Bild 8: Johann Gudenus (FPÖ) spricht zur Homosexuellenlobby in Europa und zu den hinterhältigen Vereinigten Staaten. Moskau, 11.September 2014

 

Im März 2014 gehörten Chauprad und Gudenus zu den „Beobachtern“ des illegalen Referendums in der ukrainischen Autonomen Republik Krim, die zuerst von Russland besetzt und dann annektiert wurde. Wie viele andere rechtsextreme Politiker auch besitzt jeder von ihnen eine lange Geschichte der Zusammenarbeit mit den russischen Behörden.

 

 

Der Kongress war im Grundsatz ein politisches Ereignis mir dem Ziel, Russland als eine Bastion von Familie und traditionellen Werten zu präsentieren und dieses Bild noch zu verstärken. In Abwesenheit progressiver Modernisierungstendenzen muss Russland zumindest einige primitive Ideen für sich beanspruchen, um Ambitionen auf globale Führerschaft geltend zu machen.

Übersetzt durch das Übersetzer*innen-Kollektiv eugen1979.
Original hier: http://anton-shekhovtsov.blogspot.de/2014/09/a-rose-by-any-other-name-world-congress.html
 

 

Eugen1979 empfiehlt zum Thema die folgenden Links:

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...und was rechte charaktermasken der hearstschen aufmerksamkeitsoekonomie mit linken ideen zu tun haben, weiss man nicht - hauptsache konzernprodukte ala wurst.