Reflexion der diesjährigen „Langen Nacht der Rigaerstraße“ am 13. und 14. Juni

Liebig 34

Never R.I.P. - Dorfplatz bleibt laut & dreckig!

Zu den bisher erschienen Texten über die Lange Nacht der Rigaer Straßen wollen wir ein paar Dinge ergänzen und zum ein oder anderen unsere Perspektive schildern.

English translation

 

Freitag

 

Am Freitagabend gab es zum Auftakt der Langen Nacht im XB eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Was bleibt von 25 Jahren Hausbesetzungen in Ostberlin?“ in der es um die Entwicklungen in der Hausbesetzerszene in den letzten Jahrzehnten und der Gegenwart ging. Hierbei wurde Bezug auf das Mobivideo zur Langen Nacht genommen und u.a. die Frage diskutiert warum es heute nichtmehr so ist wie damals in der Mainzer Straße und was Hausprojekte im Kiez heute noch bedeuten. Wir haben auch diskutiert welche Funktionen sie für die Szene, aber auch für die Nachbarschaft haben könnten und welche sie tatsächlich haben.

In ihren sanierten und gentrifizierten Nachbarschaften wirken sie wie Fremdkörper. Sind sie Beispiele für kollektives Wohnen bei bezahlbaren Mieten, oder subkulturelle Freiräume auf dem Rückzug, die durch ihre Exotik sogar noch zur Aufwertung beitragen?

 

Wir hätten uns gewünscht, dass mehr Menschen aus dem Kiez bzw. anderen Hausprojekten Teil der Debatte gewesen wären und hoffen dies in einem anderen Moment nachzuholen.

 

Für uns war diese Diskussion wichtig, denn im fast durchgentrifizierten Friedrichshain sehen wir für uns die Notwendigkeit einer größeren Diskussion, da wir einige offene Fragen haben z.B. in Bezug auf unser Verhalten im Kiez und den Umgang mit Nachbar_innen.

Während um uns herum die Luxus- und Eigentumswohnungen (Ziegert & co., „Bambiland“) in die Höhe schießen, die Mieten immer mehr steigen und unsere Nachbar_innen wegziehen müssen, haben wir das Gefühl den Kontakt zur Nachbarschaft eher zu verlieren und fühlen wir uns wie Inseln im kapitalistischen Meer. Können wir mit den Leuten nebenan überhaupt noch was anfangen? Sind die alle reich und hip? Oder solidarisch? Wollen wir, dass die uns mögen? Wissen die Leute aus der 14 eigentlich warum wir sie scheiße finden? Brauchen wir in Zukunft vielleicht ein bisschen Unterstützung aus der Nachbarschaft? All dies sind so Fragen, über die wir uns gerne mal mit ein paar mehr Menschen austauschen würden.

Wobei wir sagen müssen, dass wir das Leben im Hausprojekt bzw. besonders in unserem Haus mit einem ziemlich beschissenen Vertrag, durchaus als Kompromiss sehen, trotz vergleichsweise günstiger Miete und der Möglichkeit das Leben in einem großen Kollektiv zu erproben.

 

Samstag

 

Am Samstag mochten wir, dass viele Leute auf der Straße waren (trotz anfänglich schlechtem Wetter) und endlich wieder viel Leben auf dem Dorfplatz. Uns allen war klar, dass die Bullen versuchen würden uns die Nacht zu verkürzen, was ihnen sicherlich auch zum Teil gelungen ist. Und dennoch waren Leute vorbereitet und es gab einige Überraschungen für die Bullen und Momente, in denen ihnen die Kontrolle über die Straße entzogen wurde.

An dieser Stelle solidarische Grüße an alle die festgenommen oder verletzt wurden, lasst uns der Repression die kommen wird gemeinsam begegnen.(Vorschlag: der Satz klingt für mich etwas leer, könnte man vielleicht ersetzen durch: Wenn ihr Hilfe braucht die kommende Repression zu bewältigen kommt auf uns zu, wir tun unser bestes euch zu helfen!)

 

Unsere Vorstellungen vom gemeinsam etwas in der Straße organisieren, viele Menschen auf die Straße bringen und Raumnehmen hat in vielen Momenten gut geklappt, somit haben wir in der Bilanz ein positives Gefühl. Und wenn wir mal ehrlich sind, war das Ziel der „Lange Nacht...“ nicht vordergründig mit Nachbar_innen in Kontakt zu kommen, die sich außerhalb der „Szene“ bewegen um bspw. über Gentrifizierung zu reden. Das wäre auch nett gewesen, aber darauf war die ganze Geschichte halt nicht wirklich ausgelegt. Die Infoveranstaltung am Freitag war eine Szeneveranstaltung (nicht weil wir das so entschieden haben, aber wir haben auch nichts getan um Nachbar_innen einzuladen), und auch ansonsten haben wir uns bei vielen Nachbar_innen warscheinlich eher unbeliebt(er) gemacht und spätestens als die Sonne unterging aufgehört uns um Offenheit zu bemühen.

Dies ist keine Kritik – wir finden das ok wenn der Fokus war, auf der Straße zu sein, Spaß zu haben und zu zeigen dass wir uns unsere Räume so einfach nicht nehmen lassen.

Wir wollen aber anmerken, dass es auch andere Konzepte oder Zielrichtungen geben könnte, die wahrscheinlich hilfreicher wären um eine größere Auseinandersetzung mit der Veränderung im Kiez anzuregen.

 

Sonntag

 

Wir wollen noch ein paar Worte zum Sonntag sagen, den nur wenig Menschen mitbekommen haben und zu dem bisher noch nichts geschrieben wurde, abgesehen von viel Grütze in sämtlichen Zeitungen.

Am Nachmittag trafen sich ein paar Leute spontan zu einem kleinen Rave auf dem Dorfplatz. Die Stimmung war entspannt und die Leute gut drauf (jedenfalls diejenigen, die Techno mögen) und der Dorfplatz bunt, die paar Kilo Konfetti taten ihr übriges. Die 50 vermummten Personen, die 2 Std. später angeblich auf dem Dorfplatz gesichtet worden seien, müssen dann wohl die Bullen gewesen sein. Die Bullen fanden die Veranstaltung natürlich gar nicht witzig, kamen behelmt von 3 Seiten, haben die gefährlichen Dekoelemente entfernt und die Straße von 1,2 Sofas „befreit“. Was dann kam war eine unverhältnismäßige Frustentladung an den Herumstehenden. Es wurden  zahlreiche Platzverweise erteilt und 5 Menschen festgenommen. Stundenlange Ausweiskontrollen und Sperrgebietsatmosphäre wurden gekrönt vom (gefühlt) 2 Megawatt Flutlicht bis in die Morgenstunden. Aber auch die Bullen hatten Momente, in denen sie sich lieber mal wo untergestellt haben. Was in den Zeitungen stand – Vermummte bauen Barrikaden und greifen die Polizei mit Flaschen an – haben sich die Bullen wohl ausgedacht weil sie sich irgendwann doch lächerlich vorkamen zwischen dem ganzen Konfetti (welches die BSR eindrucksvoll aber vergeblich versucht hat mit einem Bagger zu entfernen).

Die Bullen waren dann noch bis Montagabend mit mehreren Wannen und Zivis in der Straße und auf dem Dorfplatz um uns auf die Nerven zu gehen und zu provozieren.

Aber alles in allem war es eine nette Party. Bitte mehr davon! Vielen Dank an alle die am Wochenende hier waren und mit uns vor und hinter den Barrikaden standen, das war ziemlich cool.

Lasst uns die von Repression Betroffenen nicht vergessen, getroffen hat es 14 Menschen (jedenfalls soweit wir wissen), gemeint sind wir alle. Wir hoffen auf eine ergiebige Nachbereitung und viele lange Nächte nicht nur in der Rigaer Straße!

 

Friede Freude Friedrichshain?

Never R.I.P. - Dorfplatz bleibt laut und dreckig!

Eure anarcha-feministische Liebig34

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Ein sehr wichtiger Punkt ist die Eingebundenheit in den Kiez und der gute Kontakt zu den Nachbarn. Da ist in der Vergangenheit (nicht nur rund um den Dorfplatz) zu wenig Wert drauf gelegt worden. Vielleicht ist es jetzt sogar fast schon zu spät, das nochmal in die richtige Richtung hinzubiegen. Wie ihr selbst schreibt, entwickelt sich der Kiez immer mehr in eine Richtung mit teueren Wohnungen und dementsprechenden Bewohner_innen (z.B. Schlachthof, Bambiland...). Darüber wenigstens mal eine Diskussion anzuleiern ist schonmal nicht schlecht.

wie sollen die denn unter den nachbarn sein, wenn sie gleichzeitig die "verkörperung" unserer kritik sind. wir kritisieren das arme verdängt werden durch finanziell besser gestellte. eben die sind ja aber gleichzeitig die nachbarn.

man kann ja wohl nur schlecht vermitteln, dass man im grunde gegen alles ist, was sie sind. das sie nur puppen sind und natürlich nicht persönlich zur verantwortung gezogen werden können, sondern das system die ursache ist, mach erstmal klar....

 

gleichzeitig kommt ja noch das zerstörende verhalten dazu. ständiges bullen rufen, ruhestörung, usw.

Revolutionär sieht anders aus. Revolutionäre machen Analyse, aber Revolution wollen in der BRD noch nicht mal die Revolutionäre, dabei ziehen dort erstaunlich viele hin. Seltsam komisch.

Magst du sicher richtig liegen. Sie schläft dort aber tief und fest und hat zur auch dort rapide stattfindenden Gentrifizierung nicht zu sagen. Und ihre Feste feiert sie lieber mit der ÖDP und der Familienpartei (Metzer Platz)...

Fürwahr, es ist ein autonomes Miteinander, zum Spaß, einer freien und sogar einer schwul-lesbischen Entfaltung für die Vielfalt des Lebens. Weißt Du, ob Du's wirklich bist, oder warum bist Du dann überhaupt hier? Um zu leben, weißt Du's nicht, was leben wirklich ist? Die Identität mit den antifaschistischen, antiautoritären Gruppierungen zu teilen ist das aktive Zusammensein in jedem Augenblick um so viel mehr wert als sich zu verstecken und seine falsch durchlebte, oft unter Folter und Unterdrückung der eigenen, weil nicht freien Persönlichkeit zu verleugnen. Gerade dann beginnst Du selbst damit, Dich zurückzulehnen und das Aktive Leben zu genießen ... aber es sollte doch immer mit anderen Menschen zu leben sein.

 

Die Isolation, wir wir sie aus der Geschichte her kennengelernt haben, mag es die individuelle Lebensgeschichte sein oder die eines Kollektiv, worin die Freiheit besteht, sich selbst zu opfern für das utopisch erscheinende Ganze, einer mächterelativierenden autonomen Bewegung ganz im Zeichen der klassenlosen Gesellschaft, ist gleichzeitig ein permanenter Verlust der garantierten Menschenrechte eines Jeden. Darin die Herausforderung zu suchen ist meines Erachtens ein falscher Ansatz wenn Wir beginnen, uns gegen diejenigen aufzulehnen, die als Hausbesetzer begannen und als Gebäudespekulanten den größten, ja den größten Missbrauch an menschlichen, humanistischen Ressourcen betreiben. Diese Herausforderung ist nicht zu suchen, sie existiert, in einer beängstigenden Beständigkeit, schon über Jahrzehnte hinweg. Sie zu suchen, fordert Ressourcen, sucht nach Informationen, quetscht die Jugendlichen aus, möchte sich beteiligen, gibt sich als Kooperationspartner und Allerweltsversteher aus.

 

Dabei ist es ein bestehendes Gefühl im autonom geprägten Leben, sich der Herausforderung bewusst zu bleiben, darin ein kleines Glück zu bewahren und mit diesem solange man lebt, aktiv verbunden zu bleiben. Was treibt Uns zu dem Schlaf, gleich dem in Isolation erfahrenen Leben, wo Folter, Zwangsernährung, Schweigen die Fähigkeiten unterdrückt um in Schablonen zu passen? Und wenn wir erst einmal diese Isolation erfahren haben, wovon leben wir dann, wenn nicht von den Ideen der anderen, sie auszubeuten, sie zu erbetteln, sie mehr schlecht als recht zu kopieren und zu erkennen, dass es nicht unsere Geisteskraft ist, solange wir nicht bereit sind, aus der Isolation auszutreten und das Leben so zu leben, wir wir es noch können.

 

Aber Ihr, die Ihr Uns jeden Tag aufs Neue versucht, anzupassen an Eure Vorstellungen vom Neuen Berlin, Zentrum der Reichen und der staatlichen Willkür, Ihr toleriert den Nazismus, durchlebt den Faschismus und fühlt Euch als Gewinner, weil Ihr ruhig schlafen könnt, weil man Euch am nächsten Tag sagt, was Ihr zu tun habt, damit es Euch an nichts fehlt.

 

Wer nix im Kopf hat, dem fehlts dann auch an nix, weil wo nix is, kann auch nix fehlen.

 

Never ever rest in peace, talking about a revolution ...