Keine Ruhe für den NS-Täter Siert Bruins!

Bruins, a suspected Nazi war criminal, leaves a courtroom after his trial

AK Angreifbare Traditionspflege / neue Folge 26.6.2014

Keine Ruhe für den NS-Täter  Siert Bruins! 21.9.2014 70. Jahrestag der Ermordung  von A.K. Dijkema Kundgebung und Demonstration vor dem Haus von Siert Bruins! 18:00 Uhr  Altenbreckerfeld

 

Wir hatten es schon befürchtet:

die Staatsanwaltschaft Dortmund hat am 24.6.2014 die Revision gegen das Urteil gegen Siert Bruins zurückgezogen. Das skandalöse Nichturteil vom Landgericht Hagen wird damit rechtskräftig und der Mörder des niederländischen Widerstandskämpfers A.K. Dijkema bleibt straffrei!

Aldert Klaas Dijkema wurde 37 Jahre alt. Der Landwirt, Aktivist der Reformierten Kirche in Bierum, war in der örtlichen Widerstandsgruppe “t`Zandt organisiert, die vor allem Verstecke für Untergetauchte organisierte und die versteckte Menschen mit Lebensmittelkarten und Kleidung versorgte. Am 21. September 1944 umstellten SD-Angehörige den elterlichen Bauernhof von Dijkema in Bierum und nahmen ihn fest. Nach einem Verhör  wurde er von Siert Bruins und einem deutschen SS-Mann in einem Pkw in das nahegelegene Dorf Appingedam gebracht und dort erschossen. Bruins berichtete später Angehörigen der SD-Dienststelle, man habe Dijkema aussteigen lassen und zu ihm gesagt: "Geh mal eben pissen!" Sie ließen ihn vor sich hergehen und erschossen ihn. Nach dem Mord benachrichtigten die Täter einen niederländischen Polizeibeamten und gaben zu Protokoll, Dijkema sei nach der Sperrzeit angetroffen worden und auf Anruf nicht stehengeblieben. Man habe ihn deshalb "auf der Flucht erschossen".

 

Die Begründung für Verfahrenseinstellung am 8. Januar 2014 war ungeheuerlich:

"Wir wissen, dass der Angeklagte am Tatort war und auch geschossen hat. Er hat sich des Totschlages schuldig gemacht", sagte Richterin Hartmann-Garschagen. Der sei allerdings verjährt. Das Gericht habe deshalb prüfen müssen, ob das Mordmerkmal der Heimtücke vorhanden gewesen sei. "Es muss sichergestellt werden, dass das Opfer arglos war und keinen Angriff erwartete." Einerseits seien die Hände in den Taschen ein Indiz dafür, dass Dijkema  nicht mit einem Angriff rechnete, nicht fliehen wollte, sagte die Richterin. Auf der anderen Seite könnten die Hände auch ein Indiz dafür sein, dass der Widerstandskämpfer sich des Todes sicher war, und deshalb nicht davon rannte. "Das ist nach so langer Zeit nicht mehr zu klären."  (Zitiert nach Bernd Dörries: der unbestrafte Täter)

http://www.sueddeutsche.de/politik/prozess-gegen-mutmasslichen-ns-verbrecher-der-unbestrafte-taeter-1.1858647

 

Zugespitzt formuliert bedeutet das Urteil: Wer halbwegs bewusst sich an Widerstandsaktionen beteiligt, den darf man (straffrei) töten, auch wenn man das Opfer hinterrücks und geheim erschießt und später die Tat noch als Fluchtversuch gegenüber den niederländischen Behörden deklariert. Mit dieser Einstellung geht die Botschaft durch die Welt, dass die deutschen Sicherheitskräfte WiderstandskämpferInnen straffrei hinterrücks erschießen durften und dass WiderstandskämpferInnen  quasi vogelfrei waren.
 

Keine Ruhe für Siert Bruins!

 

Auch wenn jetzt im Hause Bruins die Sektkorken knallen und der Mörder weiter seine Straflosigkeit genießen kann, wollen wir dem sog. Beest van Appingedam keine Ruhe lassen!

 

Am 21. September jährt sich der Mord an A.K. Dijkema zum 70. Mal.

Wir wollen an diesem Tag mit einer Gedenkdemonstration vor das Haus von Bruins in Altenbreckerfeld  ziehen. An diesem Tag finden auch die alliierten und niederländischen Gedenkfeiern zu „Market Garden“ im Raum Arnhem statt.

 

Wir werden uns in Zusammenarbeit mit niederländischen und deutschen Verfolgtenorganisationen und Antifa-Gruppen bemühen, beide Anlässe zu kombinieren: Vormittags wollen wir mit einer Delegation die Gedenkfeiern in Arnhem besuchen und nachmittags gemeinsam nach Breckerfeld fahren.

Der Mord  an A.K. Dijkema am 21. September 1944 stand übrigens in einem Zusammenhang mit den gescheiterten Luftlande-Operationen der Alliierten. Nach der (vorläufig) gescheiterten Befreiung der Niederlande nahm der deutsche Terror gegen Angehörige der niederländischen Widerstandsbewegung noch mal deutlich zu, überall im Land wurde mit dem sog. Niedermachungsbefehl das Töten von WiderstandskämpferInnen legalisiert.  

 

Der AK Angreifbare Traditionspflege, bekannt aus der Mittenwald-Kampagne, hatte sich in den letzten Jahren intensiv (auch) um die Gruppe der niederländischen  NS-Täter gekümmert, die in Deutschland unbedrängt von der deutschen Justiz politisches Asyl genossen hatten. Bereits 1995 demonstrierten wir mit niederländischen AntifaschistInnen vor dem Haus des SS-Mannes Herbertus Bikker in Hagen, 2006 tauchten wir als gemischter Chor im Altersheim in Eschweiler auf, in dem der SS-Mörder Heinrich Boere bis dahin ungestört -  seinen Lebensabend verbrachte.

http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/bikker_prozess.htm

http://de.indymedia.org/2009/07/255647.shtml

 

Auch der Fall Siert Bruins war für uns ein besonderes Anliegen.

 

Auch nach 70 Jahren existiert bei den meisten Angehörigen der Opfer noch das Bedürfnis, die Nazi-Mörder zur Rechenschaft zu ziehen.

In Zusammenarbeit mit niederländischen Journalisten und den Opferfamilien begannen wir zu recherchieren und erhielten völlig neue Einblicke in den Widerstandskampf in der Region Groningen. Auch das Ausmaß der deutschen NS-Verbrechen im Raum Groningen wurde immer krasser. Allein Siert Bruins war nach unseren Recherchen an mindestens 17 Tötungshandlungen beteiligt, die allerdings von der deutschen Justiz bis heute nicht als Mord verfolgt und bestraft wurden.    

 

Daher müssen wir die Dinge wieder selbst in die Hand nehmen....

 

Mobilisiert mit und kommt alle am 21.9.2014 nach (Alten) Breckerfeld!

 

Keine Ruhe für NS-Täter!

Bikker, Boere, Bruins – Der nächste kommt bestimmt!

Kontakt über: AK Angreifbare Traditionspflege / neue Folge  angreifbar@web.de

 

 

Hintergrundmaterialien:  

 

  

Wir erinnern an die 13 Niederländer, die durch Siert Bruins  direkt oder indirekt getötet  wurden.

 

 

 Nichts und niemand ist vergessen! 

Niets en niemand is vergeten! 

 

 

Reinhardt Zeef + 4.12.1943 U Spijk

 

Willem Cornelis  Wardenaar jr.   8.04.1945 Norg

 

Willem Cornelis Wardenaar sr.  16.02.1945 KZ Sachsenhausen

 

Thijs Gerhardus Drupsteen 18.08.1944  KZ Vught

 

Johannis Christiaan Borgdorff  19.09.1944  Exloo

 

A.K. Dijkema  21.9.1944 Appingedam

 

Baltes Timmer   4.10.1944  Delfzijl.

 

Meint Veninga  5.10. 1944  Hoogezand

 

Jan Sangers  5.10.1944 Martinshoek

 

Jan Huizing  5.10.1944 Martinshoek

 

Kornelius de Haan   6.10.1944 Delfzijl

 

Lazarus Sleutelberg  25.4.1945 Farmsun

 

Meijer  Sleutelberg  25.4.1945 Farmsun

 

Der Letzte von der Liste  

 

Siert B. gehört zu der Gruppe von 30.000 Niederländern, die sich während des Zweiten Weltkrieges der Waffen-SS, dem Sicherheitsdienst (SD)und der sog. Landwacht angeschlossen hatten. Diese hatten sich aktiv an der brutalen Verfolgung des niederländischen Widerstandes und an den Deportationen der Juden beteiligt. Viele der Erschießungen, brutalen Folterungen und Razzien gingen auf das Konto dieser holländischen Nazis.

Nach der Befreiung der Niederlande hatten sich zahlreiche niederländische SS-Männer der Strafverfolgung in ihrem Heimatland entzogen und sich in die Bundesrepublik abgesetzt. Eine Abschiebung mussten die NS-Täter nicht fürchten, weil sie als SS-Angehörige dank eines sog. Führererlasses automatisch zu deutschen Staatsangehörigen ernannt wurden. Auch eine Strafverfolgung in Deutschland fand zunächst nicht statt, noch 1980 standen noch über 300 niederländische NS-Täter auf den Fahndungslisten der niederländischen Justiz.

 

Brutale Widerstandsbekämpfung 

 

Siert B. stammt aus einer Familie niederländischer Nazis, die sich sehr früh in der Nationalsozialistischen Bewegung (NSB) organisierten. Aus „jugendlicher großdeutscher Begeisterung“ meldete er sich im Alter von 20 Jahren im Frühjahr 1941 freiwillig zur Waffen-SS. An der Ostfront erkrankte Siert B. und wurde nach längerem Lazarettaufenthalt als Polizeiangestellter im Range eines SS-Unterscharführers zum SD-Grenzposten nach Delfzijl versetzt.

Anfang September 1944 verstärkte die mit deutschen und niederländischen SS-Angehörigen besetzte SD-Dienststelle Delfzijl die Bekämpfung des lokalen Widerstandes. Hierbei tat sich Siert B. besonders hervor. B. beteiligte sich an Razzien gegen untergetauchte Juden und Zwangsarbeiter. Er ermordete u.a. zwei jüdische „Onderduiker“ und war Angehöriger des im Raum Delfzijl tätigen Exekutionskommandos.

 

Aldert Klaas Dijkema. 

 

Vorgeworfen wird Siert B. im aktuellen Strafverfahren die Ermordung des niederländischen Widerstandskämpfer Aldert Klaas Dijkema. Der Bauer und Aktivist der Reformierten Gemeinde aus Bierum in der Provinz Groningen wurde 37 Jahre alt. Dijkema hatte sich der Widerstandsgruppe „t´ Zandt“ angeschlossen, die im landesweiten Netzwerk für Untergetauchte aktiv war. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Widerstandsgruppe war die Versorgung der Untergetauchten mit gefälschten oder den Deutschen geraubten Lebensmittelmarken. Dijkema selbst hatte auf seinem Hof untergetauchte Juden, WiderstandskämpferInnen und junge Leute untergebracht, die sich der Zwangsarbeit in Deutschland entziehen wollten.

Am 21. September 1944 umstellten SD-Angehörige den elterlichen Bauernhof von A. K. Dijkema in Bierum und nahmen Dijkema fest. Dijkema wurde von B. und einem deutschen SS-Mann in einem PKW in das nahegelegene Dorf Appingedam gebracht und dort erschossen. B. berichtete später Angehörigen der SD-Dienststelle, man habe Dijkema aussteigen lassen und zu ihm gesagt: „Geh mal eben pissen!“ Sie ließen ihn vor sich hergehen und erschossen ihn. Nach dem Mord benachrichtigten die Täter einen niederländischen Polizeibeamten und gaben zu Protokoll, Dijkema sei nach der Sperrzeit angetroffen worden und auf Anruf nicht stehen geblieben. Man habe ihn deshalb „auf der Flucht erschossen“.

Die Verbrechen im Raum Delfzijl/Groningen wurden nach der Befreiung nicht vergessen. Die niederländische Justiz konnte den deutschen und niederländischen Angehörigen des SD-Grenzpostens in Delfzijl zahlreiche Mordtaten und andere Verbrechen nachweisen. Der Tatbeitrag des nach Deutschland geflüchteten Siert B. wurde von einem Militärgericht mit einer Verurteilung zum Tode in Abwesenheit geahndet, das Urteil wurde später in eine lebenslängliche Strafe umgewandelt. Zahlreiche Angehörige der SD-Jagdkommandos in Delzijl konnten verhaftet und abgeurteilt werden. Nur Siert B. blieb verschwunden. Er hatte sich derweil nach Deutschland abgesetzt und baute sich in Breckerfeld ein neues Leben auf.

 

Gefunden 

 

Erst 1978 findet eine Gruppe von ehemaligen Groninger Widerstandskämpfern aus dem Umfeld der jüdischen Gemeinde das Versteck von B. im Ort Breckerfeld bei Hagen. Als ihre Erkenntnisse bei der örtlichen Staatsanwaltschaft aber auf keinerlei Interesse stoßen, bereiten sie auf eigene Faust eine Entführung B. nach Holland vor. Die Vorbereitungen sind sehr fortgeschritten, ein Sportflugzeug steht bereit, B. soll mit Hilfe eines Lockvogel zu einem Rundflug überredet werden und schließlich auf niederländisches Staatsgebiet gebracht werden. Aus unbekannten Gründen scheitert das Vorhaben, schließlich schalten die verhinderten Entführer den Nazijäger Simon Wiesenthal ein. Wiesenthal fordert in einem Brief an die zuständige Staatsanwaltschaft die sofortige Festnahme des B. B. hatte sich mit falschen Papieren als Siegfried Bruns im westfälischen Breckerfeld niedergelassen und eine bürgerliche Existenz mit der Produktion von Jägerzäunen aufgebaut. Er galt als ein angesehener Bürger seines Wohnortes, war Mitglied des Schützenvereins und des örtlichen Kegelklubs. Jeden Sonntag nahm er als Presbyter seinen reservierten Platz in der Kirche ein. Als die Behörden endlich handelten und B. zunächst in Auslieferungshaft nahmen, kam es von Seiten der Bürger von Breckerfeld und eines sozialdemokratischen Ratsherrn zu heftigen Protesten und sogar zu Unterschriftensammlungen für die Freilassung des beliebten Nachbarn. Nach 2-monatiger Auslieferungshaft wurde B. durch seine SS-Zugehörigkeit zum Deutschen erklärt und konnte nicht mehr ausgeliefert werden und wurde vorerst freigelassen.

 

Der Strafprozess von 1979/80 

 

Die deutsche Justiz musste sich nun selbst – diesmal aber vor dem Hintergrund eines massiven internationalen Druckes – mit den Straftaten des B. auseinandersetzen. Auch sein Mittäter bei der Ermordung der jüdischen Brüder, der SS-Mann August Neuhäuser, konnte ausfindig gemacht werden. 1979 kam es vor dem Landgericht Hagen endlich zum Prozess. Angeklagt war aber „nur“ der Doppelmord an den beiden jüdischen Brüdern, der Mord an A.K. Dijkema und B.´s Beteiligung an  Exekutionskommandos wurden 1980 nicht als Mord gewertet und blieben in Deutschland straflos. Auch sonst blieb das Strafmaß milde, „weil“, so die Richter in ihrer Urteilsbegründung „solange nach Kriegsende (…) nicht mehr das volle Strafbedürfnis bestehen würde“: Das Gericht verurteilte B. wegen Beihilfe zu zwei Morden zu 7 Jahren Haft. Ihm wurde vom Gericht eine gute Sozialprognose attestiert. Nach fünf Jahren war er wieder auf freien Fuß.

Der Mord an A.K. Dijkema blieb aber ungesühnt und wurde von der deutschen Justiz einfach 32 Jahre vergessen, obwohl B. wegen der Ermordung Dijkemas bis heute auf der Fahndungsliste der Niederländer steht.

Erst nach den Recherchen des niederländischen Journalisten Gideon Levy zu Beginn des Jahres 2012 ist die deutsche Justiz aufgewacht. Eine neue Rechtslage sei eingetreten, so die zuständige Staatsanwaltschaft in Dortmund: der Mord an dem Widerstandskämpfer Dijkema könne jetzt als Mord gewertet werden.

Nicht nur die niederländische Öffentlichkeit darf daher gespannt sein, ob die Strafverfolgung 69 Jahre nach der Ermordung von A.K. Dijkema gelingt. Die 97jährige Schwester von Aldert Klass Dijkema und ihre Familie hat vorsorglich die Zulassung als Nebenklägerin beantragt und eine klare Meinung: „Er soll hinter Gitter!“

  

Wir waren Nazis und das habe ich nie bereut“

(Siert Bruins im Gespräch mit Haagse Post vom 7.10.1978)

Siert Bruins hat sich seit seiner Jugend nationalsozialistisch betätigt. Mit 18 Jahren trat er dem NSB bei, darüber hinaus war er Mitglied der HJ, der „Reiterei der Partei“ und der Weerbaarheidsafdeling WA.1

Im Frühjahr 1941 meldete er sich als Freiwilliger zur Waffen-SS. Erst nach dem 3. Anlauf wurde er für tauglich erklärt und wurde zur Ausbildung im Elsaß zugelassen: „Diese war hart, fürchterlich hart, aber ich will mal so sagen: wir waren Idealisten, wir kämpften alle gegen den Kommunismus. Dass über 20.000 Niederländer an der Front gefallen waren, dass dieses Blut umsonst geflossen sein sollte, dass wollte mir nicht einleuchten.“2

Weiter führte Bruins aus: „Nach einer halbjährigen Ausbildung wurde uns gesagt, dass wer nach Hause gehen wolle, gehen könne. Die Hälfte hat dann damit aufgehört. Ich selbst habe mich zur Sonderausbildung: SMG und Granatwerfer und zwar in Wien und in Graz gemeldet und wurde dann dem 12. deutschen SS-Regiment Germania zugeteilt. (…) Wir lagen in Radom, in Polen, und zwar solange, bis wir zur Front, in Rußland konnten und dann ging es erst richtig los.“


Einsatz in der Ukraine


Nach seinen eigenen Angaben wurde er dem 12.Regiment des SS-Regiments Germania zugeteilt.3

In den Unterlagen der WAST ist seine Zugehörigkeit zum 1./SS-Inf. Ers. Btl Wiking vermerkt ( Meldung vom 31.7.1941)4

Diese Einheiten waren Teil der Waffen-SS-Division Wiking, die u.a. an der Eroberung Lembergs am 30. Juni 1941 beteiligt waren. Bruins berichtet: „Die erste Stadt, in die wir einzogen war Lemberg. So viele Tote lagen dort, so viele habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Die Leichen lagen am Weg entlang aufgestapelt, viele Juden, aber auch viele Volksdeutsche. Die Russen hatten sie alle – bevor sie sich zurückzogen – umgebracht, dass musste wohl so gewesen sein, denn so etwas würden die Deutschen doch nicht tun und überdies waren wir die ersten Soldaten, die einrückten.“ 5

Bruins war also nicht erst am 8.August 1941 zu seinem ersten Fronteinsatz gekommen, wie dies im Urteil von 1980 vermerkt ist.6

Das führt zu der Frage , in wieweit Bruins an den Tötungen von Juden und russischen Soldaten beteiligt war , die seine Division Wiking im Zeitraum Juni/Juli 1941 zu verantworten hat.

 

Kriegsverbrechen der SS-Division Wiking


Die SS-Division Wiking war am 30. Juni 1941 an der Eroberung der Stadt Lemberg beteiligt (siehe auch Bericht Bruins) Der weitere Weg der Division ging über Ternopil über Bila Zerkwa und Kirowograd zum Dnepr.7

Kirowograd wurde erst Ende August 1941 besetzt.

Bruins selbst gibt an: „Ein paar Tage [nach der Besetzung Lembergs am 30. Juni 1941] haben wir auf Nachschub gewartet und dann sind wir weiter über den Dnepr gezogen. Dort haben wir vierzehn Tage lang einen Brückenkopf gehalten.“8

Diese zeitliche Einordnung stimmt nicht. Am 15.Juli 1941 war die Divison Wiking erst in Biala-Zerkow und war in schwere Kämpfe mit der Roten Armee verwickelt. Vorher war die Division Wiking in Massaker involviert: Laut Ereignismitteilung 19 vom 11.7.41 wurden in Zborow „von der Waffen-SS als Vergeltungsmaßnahme für die Greuel der Sowjets 600 Juden liquidiert.“ Der Historiker Bernd Boll führt dazu aus:

„Zur Massenerschießung wurde die Bergung der Leichen auf der Zitadelle aber erst durch die Teilnahme von Soldaten der SS-Wiking. Diese Division, die dem XIV. Armeekorps der Panzergruppe 1 unterstand und seit dem 1. Juli 1941 in der zweiten Reihe durch den Bereich einer Reihe anderer Divisionen von Lemberg nach Zloczow marschierte, scheint die ersten Tage des Krieges im Osten als eine Art Jagdausflug betrachtet zu haben, mit richtigen Menschen als Wild. Am 2. und 3. Juli blockierte SS- Wiking offenbar mit Absicht die Vormarschstraße, während einzelne Angehörige „Juden jagen“ gingen und dabei auch „alles“ erschossen, „was nur den geringsten Anschein eines Verdachtes trägt, z.B. Zivilpersonen mit kahlgeschorenen Köpfen (russische Soldaten). (...) In Zloczow setzte SS-Wiking jedenfalls das Blutbad fort. Oberst Korfes erfuhr von einem Melder, daß „die SS zusammen mit zivilen Banditen plündern, die Menschen aus ihren Wohnungen herausholen und eine ganze Menge bereits erschlagen hatten.“ (…) Korfes sah zwei SS-Soldaten in der Zitadelle und vermutete, daß die Handgranaten, mit denen die OUN-Anhänger die Juden im Massengrab ermordeten, aus den Beständen ihrer Division stammten.9

Zur Klärung der Frage, ob Siert Bruins in diese Ereignisse involviert war, sind die vollständigen Unterlagen der WAST, seine SS-Akte und weitere Unterlagen zur Division Wiking beizuziehen. Insbesondere interessiert hier, wann, wo und für welche militärische „Leistung“ Bruins das Infantriesturmabzeichen erhalten hat.


Militärische Stationen von Bruins


Im Frühjahr 1942 erkrankte Bruins nach eigenen Angaben an einem Lungenleiden. Laut Urteil verbrachte er Monate in Lazaretten, später war er in der Genesungskompanie der Waffen-SS in Arnheim. Laut WAST war am 23.6.1942 seine Einheit das SS. Ers. Btl. Germania. Einen weiteren Einsatz absolvierte er bei der „Nachrichtenstelle der Waffen-SS in Kattowitz“.10

Am 11.3.1943 wurde aus der Waffen SS entlassen, weil er nicht mehr „kriegsdienstverwendungsfähig“ war. Die Einberufung zur Grenzpolizei erfolgte laut WAST-Mitteilung am 1.4.1943. Am 1.Mai 1945 floh mit anderen SD-Angehörigen mit einem Schiff nach Emden.


Holocaust-Leugnung


Sie glauben nicht, daß sechs Millionen Juden ermordet worden sind? Bruins: Fünfhunderttausend , das mag vielleicht möglich sein. Aber in den lagern mussten sie doch für Krupp, für die Chemie in Leverkusen usw. und so weiter arbeiten nicht wahr? Sie glauben doch nicht, daß Deutschland Arbeitskräfte ermordete. Sie sind durch Hunger und Elend umgekommen – nicht vergast.“ Seine Schwiegertochter fragt erstaunt: Keiner? „Überhaupt keiner“, gibt Bruins zu erkennen. Er fährt dann fort: „Diese Massengräber, das ist doch ein Massengrab bei Dresden, mit Opfern der amerikanischen und englischen Bombardierungen. Meiner Meinung nach haben die Engländer, die Amerikaner mehr Kriegsverbrechen auf dem gewissen als die Deutschen. Wir hatten strenge Vorschriften: Wir durften nicht plündern und nicht vergewaltigen und wenn wir Kinder machten, so mußten wir dafür bezahlen und wir wurden bestraft, weil wir uns mit minderwertigen Rassen, wie beispielsweise in Rußland, eingelassen hatten.“11

 

Chronologie


Wie bereits erwähnt, bestand unsere Aufgabe darin, die Bevölkerung zu überwachen und insbesondere die Widerstandskämpfer ausfindig zu machen und zu vernichten.“ 12

Insgesamt mussten die Widerstandsgruppen in der Region Groningen eine Vielzahl von Opfern bringen. Von etwa 2.100 WiderstandskämpferInnen wurden 478 während des Krieges getötet. In der Region Delfzijl waren vor allem reformiert/calvinistische Widerstandsorganisationen aktiv, die eine Vielzahl von Untergetauchten (Juden, Zwangsarbeitsverweigerer und Piloten etc.) versteckt und zu versorgen hatten. Allein im Jahr 1944 wurden in der Provinz Groningen 20.000 Onderduiker versteckt. Die von reformierten AktivistInnen gegründete Landelijke Organisatie voor Hulp aan Onderduikers (LO) hatte in vielen Dörfern der Region MitstreiterInnen, die u.a. für Lebensmittelkarten und Ausweispapiere sorgten Ein weiterer Schwerpunkt der illegalen Arbeit war die Produktion und Verteilung der calvinistischen Zeitung Trouw.

Bruins ist ab dem 1. April 1943 als sog. Polizeiangestellter bei der SD-Dienststelle Delfzijl tätig. Operationsgebiet von Bruins und dem SD in Delfzijl waren nachweislich Spijk, Sappemeer, Wagenborgen, Groningen, Hoogezand und Delfzijl.

In die Dienstzeit von Siert Bruins ab dem 1.4.1943 fallen sowohl die Exekutionen nach dem April/Mai Streiks in Marum und Slochteren, als auch die Großrazzien vom 24.4.1944 in den Dörfern Bedum, Winsum, Middelstum und Zuidwolde, bei der insgesamt über 1000 deutsche und niederländische Polizisten und SDler mitwirkten. Zugespitzt wird die Situation nach dem Dollen Dinsdag am 5.9.1944 und nach den (gescheiterten) Militäroperationen der Alliierten im Rahmen von Market Garden im Raum Arnhem. Der sog. Niedermachungsbefehl Hitlers, nachdem als WiderstandskämpferInnen Verdächtige ohne Prozess und ohne Anweisung der zuständigen SD -Dienststellen an Ort und Stelle getötet werden konnten. Das führte zu einem weiteren Brutalisierungsschub.

Aber auch in dieser Phase ab September 1944 gab es parallel zu den jetzt erlaubten Adhoc-Tötungen bei Verhaftungen und Razzien weiterhin standrechtliche Erschießungen, Verhaftungen mit anschl. Exekutionen in KZ und anderen Hinrichtungsstätten, aber auch Verhaftungen mit anschl. Deportation in KZ und Zwangsarbeitslager wie in Borkum. Ein Teil der Verhafteten wurde auch regelmäßig wieder freigelassen. Eine besondere Tötungsvariante waren die geheimen Erschießungen wie gegen A.K. Dijkema, die von der SD-Außenstelle in Groningen befohlen wurden. Zusammengefasst: Die Täter des SD Delfzijl hatten freie Hand und konnten situativ entscheiden, wie sie vorgehen. Die größte Gefahr für niederländische Zivilisten war es bei den Razzien und Hausdurchsuchungen „ungeplant“ erschossen zu werden. Wenn es in der Region zu Verhaftungen kam, wurden die Personen in der Regel zunächst nach Delfzijl ins Gefängnis gebracht und dort verhört. In ausgesuchten Fällen wurden sie auch in die SD-Folterstätte Scholtenhuis gebracht. Deportationen in deutsche Gefängnisse, KZ´s und Zwangsarbeiterlager liefen in der Regel über den Hafen von Delfzijl.

 

 Aktionen von Siert Bruins 

Wenn du nur erst einmal einen erschossen hast, dann geht es beim zweiten leicht!“ (Siert Bruins )13

 

Die erste Verhaftungsaktion des SD in Delfzijl, bei denen Siert Bruins namentlich erwähnt wird, ist die Razzia auf dem Bauernhof der Familie Wiertsema am 4.12.193 in Spijk, bei der der Onderduiker Reinhardt Zeef auf der Flucht erschossen wurde. Als Beteiligte werden die Sdler Risch, Jansen und Bruins benannt. Die Familienmitglieder und einige Untergetauchte werden verhaftet und der Bauernhof wurde von den Deutschen beschlagnahmt.

Weiter aktenkundig sind die Verhaftungsaktionen gegen die Familie Wardenaar in Wagenborgen: Am 12.7 und 14.7.1944 wurden in Wagenborgen drei Familienangehörige festgenommen. Bei der Festnahme waren Risch und Bruins beteiligt. Johannes Wardenaar wurde zur Zwangsarbeit nach Ost-Deutschland deportiert, wo er am 5.6.1945 von der Roten Armee befreit wurde. Die beiden anderen,Vater und Sohn kehrten nicht mehr zurück: Willem Cornelis Wardenaar jr, blieb in den Niederlanden in Haft und wurde in Norg am 8.4.1945 exekutiert. Sein Vater Willem Cornelis Wardenaar sr., wurde nach Sachsenhausen deportiert und starb dort am 16.2.1945.

Einen Tag später, am 15.7.1944, verhaftete der SD Delfzijl u.a. durch Bruins Thijs Gerhardus Drupsteen in Sappemeer. Drupsteen war Mitarbeiter der Zeitung Trouw und wurde am 18.8.1944 im KZ Vught hingerichtet.

 

5.9.1944 Der SD Delfzijl (Bruins u.a.) verhaften Johannis Christiaan Borgdorff in Groningen. Er war in der LO und bei Trouw organisiert. Am 19.9.1944 wurde in Exloo hingerichtet.

 

21.9.1944 Ermordung von Aldert Klaas Dijkema


30.9.1944 überfallen Landwächter das Versteck der Onderduiker am Schildmeeer, Baltes Timmer und Harm Kuiper werden nach Delfzijl gebracht. Baltes Timmer wollte als Spediteur mit seinem LKW nicht für den Feind arbeiten und war deshalb untergetaucht.

 

4.10.1944 Hinrichtung von Baltes Timmer auf dem Friedhof von Delfzijl . Siert Bruins ist Mitglied des Exekutionskommando.

5.10.1944 Der SD Delfzijl erhält eine Liste mit angeblichen Widerstandskämpfern in Hoogezand und organisiert Razzien in Hoogezand . (beteiligt sind u.a. Bruins, Neuhäuser, Risch ) In der Wohnung von Jan Sangers misshandelt Bruins Johannes Overman. In der Bäckerei Veninga erschießt Risch Meint Veninga durchs Fenster, ein anderer Bäcker wurde schwerverletzt. Die anderen Personen werden festgenommen. Anschl. Hinrichtung von Jan Sangers und Jan Huitzing durch ein Hinrichtungskommando der Luftwaffe an der Schule in Martinshoek, Kommandeur Neuhäuser. Vorwurf: antideutsche Aktivitäten.

 

7.10.1944 Auch Kornelius de Haan, der auch in der Bäckerei festgenommen wurde, wird hingerichtet. Ein SD-Kommando erschießt de Haan auf dem Friedhof in Delfzijl. Begründung: de Haan hat Onderduiker versteckt, illegale Presse und eine verbotenes Radio zu Hause.

 

28.9.1970: Aussage Risch zu Veninga: „Vor der Aktion gegen holländische Terroristen, die er auf Befehl des Beschuldigten B. durchgeführt habe, habe er bei einem Verhör des festgenommenen Jan Sangers festgestelt, dass sich die Zentrale der Hoogezander Illegalität in der Bäckerei Veninga befinde. Darauf sei er mit drei Beamten zu dieser Bäckerei gefahren.“

 

25.5.1945 Ermordung der Brüder Sleutelberg

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