1. Mai in Plauen: Antifaschist*innen eingekesselt

1. mai plauen 2014

Im Zuge der Gegenproteste gegen den Aufmarsch des „Freien Netz Süd“ zum 1. Mai in Plauen, setze die Polizei ihre Inszenierung der „sächsischen Demokratie“ fort. Wider Erwarten kam es zu einer erfolgreichen Blockade entlang der Strecke des Aufmarsches, die aufgrund des Ortes jedoch nur für eine symbolische Verkürzung der Naziroute sorgte.

 

Vor allem jüngere Antifaschist*innen und Teile der Zivilgesellschaft nutzten einen günstigen Moment um direkt neben der Mahnwache der Paulus-Kirche eine Sitzblockade zu errichten. Deren Rückraum wurde etwas später von einigen, etwas militanter agierenden Antifaschist*innen, mit Teilen einer nahen Baustelle gesichert. Im Nachgang des Tages sorgt dies auch für Kontroversen. Nach der Blockade wurden knapp 400 Antifaschist*innen zum Teil 5 Stunden in einem Kessel festgehalten und einzeln einer ausführlichen Identitätsfeststellung unterzogen.


Anwesende Antifaschist*innen haben die Ereignisse zusammengefast und rufen dazu auf sich kollektiv der Kriminalisierung durch die Polizei zu widersetzen:

 

Über lange Zeit ließ die Polizei das Treiben rund um die Kirche schlicht unkommentiert. Einen anfänglichen Versuch die Versammlung anzumelden wurde von den Beamt*innen ignoriert, was die Anwesenden als Duldung interpretierten.


Das Vorgehen änderte sich jedoch schlagartig nachdem der Naziaufmarsch in sicherer Entfernung vorbeigezogen war. Die zuvor eingesetzten „Kommunikationsteams“  seitens der Polizei verschwanden und Hundertschaften der BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) aus Leipzig gingen ohne Vorwahrnung gegen die versammelten Antifaschist*innen vor. Deren erstes Ziel waren jedoch nicht die auf der Straße ausharrenden Blockierer*innen, denen bis dato auch keine Aufforderung zur Räumung der Blockade ausgesprochen wurde, sondern jene die sich in und um die Kirche versammelten.


Mehrere Menschen wurden von den sächsischen Beamt*innen unter dem Einsatz von Faustschlägen und Tritten aus der Kirche geprügelt, offensichtlich ohne Absprache mit dem ebenfalls anwesenden Pfarrer. Nachdem es schon zuvor unmöglich war den noch relativ großräumig abgesperrten Bereich um die Blockade zu verlassen, wurden alle bis dato nicht aktiv an der Blockade beteiligten Personen unter Einsatz von Gewalt auf die Straße und damit in den Bereich der Blockade gedrängt.


Die Absurdität erreichte ihren Höhepunkt als die Polizei anschließend alle im Kessel festgesetzten Personen aufforderte diesen zu verlassen – was allerdings zu keinem Zeitpunkt möglich war und von der BFE-Prügeltruppe verhindert wurde. Anschließend kündigte die Einsatzleitung an, alle Anwesenden wegen des Verdachts auf Ordnungswidrigkeiten und Straftaten einer Identitätsfeststellung zu unterziehen. Den Betroffenen wird nach bisheriger Schilderungen vor allem der Verstoßes gegen §21 Versammlungsgesetz (Störung einer genehmigten Versammlung) vorgeworfen, sowie Vermummung und Sachbeschädigung.


Die Unrechtmäßigkeit der ganzen polizeilichen Maßnahme folgt nicht nur aus den fehlenden Aufforderungen zur Räumung der Blockade, sondern auch aus der Tatsache, dass viele sich angesichts von vier fotografierenden und filmenden Nazis mit Hilfe von Tüchern und Schals schützten, gegen deren Porträtaufnahmen die Polizei eine Stunde lang nichts unternahm.


Insgesamt wurde 395 Personen polizeilich erfasst und müssen zumindest mit einer kollektiven Anzeige wegen Verstoß gegen §21 VersG rechnen. Die letzten Antifaschist*innen konnten den Kessel erst 20Uhr verlassen, ca. 3 Stunden nachdem die Neonazis die Stadt verlassen hatten und knapp 5 Stunden nach Beginn der Kesselung durch die Polizei.


Die sächsische Polizei unter ihrem Innenminister Markus Ulbig setzt damit ihre Politik der Kriminalisierung antifaschistischer Massenblockaden fort. Bis dato ist diese auf unterster juristischer Ebene zumindest teilweise erfolgreich, zahlreiche Gerichtsverfahren und Revisionen im Zuge der Blockaden vom 13. Februar 2011 (!) stehen jedoch bis heute aus. Mit dem Kessel von Plauen hat die sächsische Polizei sich und der ebenfalls Blockade-unfreundlichen Justiz eine Menge neuer Arbeit ins Haus geholt – und ein paar mehr Menschen gezeigt, das „Demokratie“ in Sachsen im Zweifelsfall bedeutet die Straße für bekennende Faschisten von Antifaschist*innen und Zivilgesellschafter*innen zu säubern.


Alle anwesenden des Kessels von Plauen sollten sich darauf einstellen, dass hier auch noch juristisch nachgetreten wird und demnächst die ersten Strafbefehle zugestellt werden. Deshalb ist es äußerst wichtig sich kollektiv gegen diese Repression zu wehren und auch zukünftig am Mittel der Blockade gegen Naziaufmärsche festzuhalten. 




Was jetzt zu tun ist:

  • fertigt so schnell wie möglich ein Gedächtnisprotokoll vom Tag in Plauen an, konzentriert euch dabei auf die Zeit vor und währende des Kessel, bezichtigt euch keiner Straftaten. Wichtige Tipps rund um das Gedächtnisprotokoll findet ihr hier. Meldet euch anschließend beim EA in eurer Nähe und lasst diesen euer Protokoll zukommen, aber nur persönlich oder verschlüsselt! EA Leipzig / EA Dresden / EA Thüringen / Rote Hilfe
  • Legt mit Hilfe der Anwält*innen des EA Widerspruch gegen Beschlagnahmungen und andere Zwangsmaßnahmen ein, die die Polizei im Zuge des Kessels durchgeführt hat
  • Unterstützt Menschen die durch die Maßnahmen der Polizei traumatisiert wurden. Wie wir wissen kam es sowohl zu physischen als auch psychischen Übergriffen durch Polizeibeamte. Sucht den Arzt eures Vertrauens auf und besorgt euch Atteste um Übergriffe belegen zu können. Das geht auch noch am Montag oder Dienstag!
  • Widersprecht kommenden Strafbefehlen und folgt nicht den Vorladungen der Polizei, diese sind immer freiwillig. Die ganze polizeiliche Maßnahme war rechtlich höchst fragwürdig, jeder der bei der Polizei aussagt, hilft ihnen den Kessel im Nachhinein zu rechtfertigen. Nur vor Gericht und mit Hilfe von Anwält*innen kann sinnvoll gegen solche Polizeimaßnahmen vorgegangen werden.

Informiert eure Genoss*innen über diesen Aufruf. Nur wenn viele Betroffene sich wehren, können wir Erfolg haben.



Das Vorgehen der Polizei, insbesondere die Erstürmung der Kirche hat bis in die bürgerliche Medien für Kritik gesorg. Dies ist eine gute Voraussetzung für kommende Verfahren und die Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über den vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz.


Insbesondere der Falschbehauptung, dass es zu Flaschen- und Steinwürfen aus der Blockade kam, muss entschieden widersprochen werden.


Die antifaschistische Presse ist deshalb ebenfalls aufgerufen ihre Foto- und Videodokumente dem EA zukommen zu lassen.


 Bilder: Caruso Pinguin

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Am 07.05. findet um 18 Uhr eine Rechtshilfeberatung für Betroffene im Projekt Schuldenberg in Plauen statt.