Am Dienstag, den 15. April 2014 versammelten sich mehrere AktivistInnen zu einer Kundgebung unter dem Motto "Solidarität mit den linken Kräften in der Ukraine!". Die Kundgebung fand in der Stuttgarter Innenstadt auf dem Schlossplatz statt und machte auf die aktuelle Situation in der Ukraine aufmerksam. Dort kamen, nach den regierungsfeindlichen Protesten der Maidan Bewegung, faschistische Kräfte an die Macht.
Die Proteste in der Ukraine entflammten Ende November 2013, nachdem der ehemalige Präsident Janukowitsch das geplante Assoziierungsabkommen mit der EU ablehnte. Das Wirtschaftsabkommen hätte eine Schwächung der ukrainischen Oligarchie bedeutet und damit den Einflussbereich der EU massiv ausgeweitet. Dabei geht es um die Integration der Ukraine in den europäischen Wirtschaftsraum, was Sozialabbau, Privatisierungswellen und die Verarmung breiter Gesellschaftsteile bedeuten würde, wie die Entwicklungen in Spanien, Portugal oder Griechenland deutlich aufzeigen.
Die Hoffnung, dass nach dem Sturz Janukowitsch und dem Einsetzen der Übergangsregierung tiefgreifende demokratische Strukturen etabliert und soziale Probleme bekämpft werden, entuppt sich schnell als trügerisch, betrachtet man die politischen Akteure der Opposition und die Zusammensetzung der Protestbewegung.
Die nun ohne demokratische Legitimation an die Macht beförderte Übergangsregierung besteht nicht nur aus Timoschenkos Vaterlandspartei, sondern an ihr beteiligt sich auch die offen faschistisch auftretende Swoboda, die ukrainische Schwesterpartei der NPD. Sie stellt vier Minister und den Generalstaatsanwalt der neuen Übergangsregierung. Die Etablierung der Nazipartei wurde maßgeblich durch die von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung aufgebauten und von Vitali Klitschko angeführten UDAR (Ukrainische demokratische Allianz für Reformen) gefördert. Die UDAR ist selbst nicht an der Übergangsregierung beteiligt, hat aber in Swoboda immer einen legitimen Verhandlungspartner gesehen. Sowohl die UDAR als auch die Swoboda haben die stückweise Vereinnahmung durch und die Rolle von faschistischen Kräften in den Protesten toleriert und unterstützt. Die Stimmung, die von Swoboda und anderen faschistischen Kräften verbreitet wird, ist nicht nur klar gegen die dort lebenden RussInnen gerichtet, sondern führte auch schon zu den ersten brennenden Synagogen und Hetzjagden auf KommunistInnen und weitere Andersdenkende.
Auf der Kundgebung wurde in verschiedenen Redebeiträgen die faschistischen Umtriebe in der Ukraine benannt und die Zusammenarbeit der EU und Deutschlands mit der ukrainischen Regierung kritisiert. Desweiteren wurde zur Solidarität mit den linken Kräften in der Ukraine aufgerufen und die Spendenkampagne der Roten Hilfe vorgestellt.
Die Kundgebung war eine erfolgreiche Aktion es konnten viele Menschen mit Flugblättern und in Gesprächen um die Kundgebung herum erreicht werden. Es geht nicht darum sich entweder auf Seiten der EU oder Russlands zu schlagen, denn beide vertreten nicht die Interessen der ukrainischen Bevölkerung. Unsere Solidarität gilt in erster Linie den von Faschisten verfolgten und von Diskriminierung betroffenen linken Kräften und AntifaschistInnen. Sie gilt auch den ArbeiterInnen, die durch das inzwischen unterzeichnete Assoziierungsabkommen bald massenhaft unter Kündigungen und sozialen Kürzungen leiden müssen.
www.otkm-stuttgart.tk
quelle
habt ihr dazu eine quelle?
Re: quelle
Bisher ist das mit den "antisemitischen Auswüchsen" der Regimeauswechslung nur Gerede, auch wenn's von gewissen Kräften gern kolportiert wird. Es gab, soweit ich gehört habe, Angriffe auf Synagogen (Größenordnung: Brandsatz vor der Tür) in Simferopol (Krim) und Donezk (Ostukraine), also beide Male im "russischen Gebiet", Täterschaft unklar, ebenso wie bei einigen tätlichen Angriffen auf Synagogenbesucher in Kiew während der unruhigsten Tage des Umsturzes. Möglicherweise will da also auch jemand was inszenieren; aus der jüdischen Gemeinde ist jedenfalls die Rede von "Provokationen" und da schreit jetzt niemand "Putin rette uns". Der letzte derartige Streich waren offiziell aussehende Handzettel, die irgendeine Spaßguerilla an Synagogenportalen aufgehängt und am Samstag an GottesdienstbesucherInnen verteilt hatte, wonach sämtliche Juden sich für eine Gebühr von 50 Euro registrieren lassen sollten, andernfalls müssten sie das Land verlassen.
Das ändert nichts daran, dass Antisemitismus in der Ukraine weit verbreitet ist, und zwar nicht nur bei den "Banderowzi", sondern auch auf der "linken" oder sagen wir mal besser pro-russischen Gegenseite -- EU-GegnerInnen wie die KPU verwenden u. a. für die EU (russisch "Jewrosojus") den Kampfbegriff "Jiddosojus" (abgeleitet von einem Schimpfwort für "Jude", normalerweise bezeichnet man sie als "Jewrei", also "Hebräer").
Diskussion und Frage
Eine Quelle für den Amgriff auf die Synagogen würde mich auch interessieren.
Ein anderer stets wieder diskutierter - und daher eben auch hier nicht fehlen dürfender Punkt: Bedeutet eine linke Position zu den Vorkommnissen in der Ukraine zu beziehen, automatisch sich mit dem Regime aus Moskau zu solidiarisieren? Wenn ja - was hat das für Auswirkungen auf das eigenen linke Selbstverständnis - z. B. homophobe Positionen, straker Staat, etc.? Bedeutet die Ablehnung der offen faschistischen Bewegunbgen in der Ukraien, gleichzeit auch die Ablehnung aller pro-westlichen Positionen? Ist eine Annäherung an die EU, in allen Fällen und allen politischen Kontexten zwingend eine reaktionäre Entwicklung? Gibt es Aspekte, die auch aus einer linken Perspektive, eine EU-Annäherung als politische Emanzipation interpreteieren können? Wie stellt sich gerade und besonders die deutsche Linke zu dem historischen Faktum, des traditionellen nationalen Selbstverständnisses als Mittlermacht (und damit automatisch europäische Großmacht) zwischen Ost und West. Wie geht die Linke in Deutschland mit dem Fakt um, dass gerade in Deutschland das Verständnis für Putin´s Politik in der Bevölkerung besonders groß ist (diese Menschen unterstützen Putin bestimmt nicht, weil er eine emanzipatorische Politik verfolgt, sondern weil sie sich selbst nach einem starken Mann im Staat sehnen, oder weil sie den "Westen" noch viel mehr hassen als Russland)?
Ich bin der festen Überzeugung, die deutsche Linke hat sich mit diesen und noch vielen weietren Fragen und Problemen, die jetzt zwingend wieder auf der politischen Agenda stehen, zu beschäftigen. Ich bin mir über die Antworten nicht sicher und würde mich über eine konroverse aber sachliche Debatte innerhalb der Linken freuen.
paar Antwortversuche
"Bedeutet eine linke Position zu den Vorkommnissen in der Ukraine zu beziehen, automatisch sich mit dem Regime aus Moskau zu solidiarisieren?"
Nein, wiso sollte es. Wenn sich zwei Kapitalfraktionen oder 2 kapitalistische Staaten streiten kann man das nutzen, kann man dazu eine Position beziehen, kann man aus taktischen oder strategischen Gründen durchaus auch Aktionen eines dieser Staaten für gut befinden und sich sozusagen zeitweise auf eine Seite schlagen. Sich mit einem kapitalistischen Staat sollte man sich aber natürlich nicht solidarisieren, schon garnicht uneingeschränkt. Ums kurz zu sagen: Auch wenn man das Verhalten des russischen Staates bezüglich der Ukraine befürwortet kann man ihn an sich natürlich trotzdem ablehnen, die Welt ist zum Glück nichz schwarz-weiß.
"Bedeutet die Ablehnung der offen faschistischen Bewegunbgen in der Ukraien, gleichzeit auch die Ablehnung aller pro-westlichen Positionen?"
Nein, wiso sollte es?
"Ist eine Annäherung an die EU, in allen Fällen und allen politischen Kontexten zwingend eine reaktionäre Entwicklung?"
Nein, nicht zwingend und nicht in allen Kontexten, aber in der Realität ist es dies aber eigentlich immer. Warum sollte ein Staat sich sonst der EU annähern wenn nicht aus Kapitalinteressen? Aus Menschenliebe sicher nicht.
"Gibt es Aspekte, die auch aus einer linken Perspektive, eine EU-Annäherung als politische Emanzipation interpreteieren können?"
Im Fall der EU sicher höchstens eine Emanzipation des Kapitals, aber sicher nicht eine politische. Wie kann die Annäherung an ein Instrument des europäischen Kapitals emanzipatorisch sein? Höchstens bei ehemaligen absolutistischen Monarchien welche durch die Annäherung zumindest formale, parlamentarische Demokatie bekommen, aber das wär nur ein Gedankenspiel.
"Wie stellt sich gerade und besonders die deutsche Linke zu dem historischen Faktum, des traditionellen nationalen Selbstverständnisses als Mittlermacht (und damit automatisch europäische Großmacht) zwischen Ost und West." Diese Mittlermacht nutzt doch ausschließlich dem nationalen Kapital bzw. dem Staat welcher dieses schützt und befördert. Als Linke hat man doch kein Interesse an einer Vermittlung zwischen unterschiedlichen Kapitalfraktionen.
"Wie geht die Linke in Deutschland mit dem Fakt um, dass gerade in Deutschland das Verständnis für Putin´s Politik in der Bevölkerung besonders groß ist (diese Menschen unterstützen Putin bestimmt nicht, weil er eine emanzipatorische Politik verfolgt, sondern weil sie sich selbst nach einem starken Mann im Staat sehnen, oder weil sie den "Westen" noch viel mehr hassen als Russland)?" Wie soll man damit umgehen? Es wird erkannt und kritisiert und gleichzeitig aber auch aufgezeigt dass "der Westen" daran selbst schuld ist dass viele Leute Putins Politik nicht als schlimmer oder ungerechter empfinden als die der westlicher Staaten.
Alles in allem: Wenn sich kapitalistische Staaten oder Staatenbünde streiten sollte sich die Linke zwar aus taktischer Sicht einmischen und dies nutzen sich aber keinesfalls einfach auf die Seite eines dieser Staaten stellen.
Oligarchie
" Das Wirtschaftsabkommen hätte eine Schwächung der ukrainischen Oligarchie bedeutet" , oh mein Gott
denn das führt zu "Verarmung breiter Gesellschaftsteile".
Passt doch mal auf was ihr so schreibt.
Wenn ihr wenigstens der ukrainsche Wirtschaft im Osten geschrieben hättet, aber nein der ukrainischen Oligarchie.
Und der Witz ist ja, dass an der neuen Regierung Teile der Oligarchie beteiligt sind.
Ach ja und der Satz
"Die nun ohne demokratische Legitimation an die Macht beförderte Übergangsregierung"
Zucker; das war eine Revolution und die wird nun mal nicht an den Wahlurnen gemacht.
Zum Schluss noch: ich hoffe ihr meint mit "Linken" nicht die Kräfte in Osten, die sich mit Russland vereinigen wollen.
Die sind nämlich auch nur ein von Putin finanziertes Pedant zum rechten Sektor.