In
der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 2013 warfen die beiden
Bundeswehrsoldaten Florian Schebaum und Florian Probst aus Arnstadt
Feuerwerkskörper vorm Asylbewerberheim in der Ichtershäuser Straße (siehe hier) ,
beleidigten die Bewohner_innen mit fremdenfeindlichen Beschimpfungen,
zeigten den Hitlergruß und demolierten die Kamera vorm Haus mit einer
Zaunslatte. Probst wurde nun vorm Arnstädter Amtsgericht freigesprochen.
Was passierte in der Nacht auf den 21. Juli?
Schebaum,
Probst und dessen Verlobte sowie Hund befanden sich gegen 2.45 Uhr auf
dem Nachhauseweg nach einer Feier in der Firma von Schebaums Vater. Laut
Aussage von Probst wollten die Angetrunkenen (1,05 Promille Atemalkohol
bei Probst, 1,44 Promille bei Schebaum) auf dem Weg zum Auto nochmal an
der Tanke in der Ichtershäuser Straße (gegenüber vom Asylbewerberheim)
Zigaretten kaufen. Auf dem Weg und vorm Heim zündete Probst
Feuerwerkskörper. Die Bewohner_innen des Heimes beschwerten sich
daraufhin an den Fenstern. Es kam zu Wortgefechten. Die beiden Deutschen
(die Frau stand während der Auseinandersetzung abseits) beschimpften
die Heimbewohner_innen mit ausländerfeindlichen Parolen, zeigten den
Hitlergruß, schrien „Sieg Heil“ und forderten sie auf, Deutschland zu
verlassen. Dabei soll Schebaum eine aktivere Rolle als Probst gespielt
haben. Ein Zeuge aus dem Heim berichtet von einem Flaschenwurf. Außerdem
riss Schebaum, nachdem er von der abseits stehenden Frau auf die Kamera
vorm Heim aufmerksam gemacht wurde, eine Holzlatte aus dem Zaun,
demolierte die Kamera mit Hilfe von Probst, der ihn beim Klettern
abstützte und warf anschließend die Zaunslatte in Richtung
Bewohner_innen. Die zügig anrückende Polizei nahm die Personalien der
Täter auf, die zunächst jede Beteiligung abstritten. In der
Öffentlichkeit wurde der Fall später vor allem deshalb stark
thematisiert, weil die Täter als Zeitsoldaten Angehörige der deutschen Bundeswehr waren bzw. im Fall von Probst noch sind.
Der Prozess
Der
Prozess am 6. Februar 2014 vorm Arnstädter Amtsgericht fand ohne
Florian Schebaum statt. Schebaum hatte nach dem Angriff auf das Heim
ebenso wie Probst einen Strafbefehl wegen des Verstoßes gegen §86a StGB erhalten
– Schebaum in Höhe von 5.000 €, Probst in Höhe von 2.750 €. Ersterer
bezahlte und wurde daraufhin aus der Bundeswehr entlassen, letzterer
legte Widerspruch ein.
Im
Prozess bestritt der Angeklagte das Zeigen des Hitlergrußes, das ihm
als Tatbestand zur Last gelegt wurde. Vom berüchtigten
Kameradschaftsgeist der Bundeswehr bekam man dabei so einiges zu spüren.
Probst schob alle Verantwortung für die Tat auf seinen Kameraden
Schebaum. Probst selber habe nur daneben gestanden und einen
schimpfenden Hausbewohner aufgefordert, die Fresse zu halten. Die
aufgerufenen Zeugen aus dem Heim bestätigten die Geschichte insoweit als
sie Schebaums aktivere Rolle bezeugten. Dass aber auch Probst den
Hitlergruß zeigte, bezweifelte nur einer der drei Zeugen aus dem Heim
standhaft, der allerdings nicht während der ganzen Auseinandersetzung am
Fenster stand. Die Aussagen der Bewohner_innen bei der Polizei, die
immer wieder im Prozess verlesen wurden, sprachen eine deutlichere
Sprache. Hier wurden beide Täter des Zeigens des Hitlergrußes bezichtigt.
Die
Staatsanwaltschaft plädierte für eine härtere Strafe, da Probst weder
Einsicht noch Reue zeigte. Der Verteidiger Kummer wollte einen
Freispruch für seinen Mandanten und lieferte beim Plädoyer ein
affektiertes Schmierentheater, das er vermutlich eher bei Barbara
Salesch auf Sat. 1 als auf der Uni lernte. Er sprach über drei bloß
„rudimentär“ der deutschen Sprache mächtige Zeugen – als wäre a) die
Sprachkenntnis entscheidend und als wäre es b) nicht genau anders herum,
dass nämlich Migrant_innen die Sprache mit der Zeit, ob nun schneller
oder langsamer, lernen und sie nicht vergessen. Die Einlassung seines
Mandanten hielt er für „nachvollziehbar“. Als ginge es hier um
Nachvollziehbarkeit statt um Glaubhaftigkeit. Dass Probsts Einlassungen
nachvollziehbar waren, konnte man seinem letzten Wort entnehmen. Er habe
keinerlei rechtsradikale Gesinnung und bzw. denn: er wolle ja seinen
Job behalten – ein nachvollziehbares Motiv für einen, der glaubt,
kein Nazi zu sein. Das Gericht sprach den Angeklagten frei, da, der
Auffassung des Richters nach, das Zeigen des Hitlergrußes nicht
unanzweifelbar nachgewiesen werden könne. Probst wird daraufhin seine
Karriere bei der Bundeswehr fortsetzen.
Offen bleiben Fragen, wie die, wozu denn eigentlich die Kamera vorm Haus da ist.
Bis zu ihrer Zerstörung durch Schebaum müsste sie doch Bilder
aufgezeichnet haben. Dient die Kamera dem Schutz der Bewohner_innen im
Haus oder ihrer Überwachung? Ihre Rolle im Prozess ließ auf zweiteres
schließen.
Zur politischen Einschätzung
Der
Angriff auf das Heim ist nach unserem bisherigen Erkenntnisstand nicht
als geplanter Angriff einzuschätzen, sondern eher als eine spontane
Entladung zweier potentieller Faschisten, die – zumindest uns – im
Vorfeld nicht als Nazis bekannt waren. Sicher wussten die Angreifer,
dass es sich bei dem Haus um das Heim der Asylbewerber_innen in Arnstadt
handelte. Ob sie aber mit dem Vorsatz handelten, die Bewohner_innen mit
Feuerwerkskörpern zu wecken und zu beschimpfen bzw. anzugreifen, ist
fraglich. Wahrscheinlicher – und darin liegt das eigentlich bedrohliche,
weil so wie die beiden Täter wohl
ein Großteil der Deutschen ticken – fielen sie während der
Auseinandersetzung auf gewohnte deutsche Muster zurück, machten der
bisher im Verborgenen schlummernden (soweit man das bei Soldaten
überhaupt sagen kann) Vernichtungswut gegen Fremde spontan, ohne groß
darüber nachzudenken, Luft.
Bezeichnend
war auch die Urteilsansprache des Richters. Der mahnte den
Freigesprochenen zu mehr Vorsicht im Umgang mit Fremdenfeindlichkeit.
Dies sei gerade in Deutschland eine „sensible Angelegenheit“. Gerade als
Angehöriger der Bundeswehr stehe bei seinem öffentlichen Auftreten
nicht weniger als das Ansehen der Bundesrepublik in der Welt auf dem
Spiel und man dürfe nicht den Eindruck erwecken, faschistische Ideologie
spiele hier noch eine Rolle. Das Image der Bundesrepublik hatte für den
Richter offenbar stärkeres Gewicht, als die körperliche und seelische
Unversehrtheit der Bewohner_innen. Vermutlich wurde deswegen auch nur
wegen des Hitlergrußes verhandelt und nicht etwa wegen
Landfriedensbruchs, Beleidigung oder versuchter Körperverletzung.
Angesichts eines für Flüchtlinge in Deutschland derzeit bedrohlichen Klimas, wirkt das Urteil wie ein bedenkliches Signal: Die Täter rassistischer Angriffe kommen immer wieder damit durch.