Leipzig: Rassisten-Kundgebung geht unter

Nazikundgebung am 3. Februar in Schönefeld (Foto: caruso.pinguin, flickr).

Die NPD-gesteuerte Initiative "Leipzig steht auf" brachte in Leipzig-Schönefeld nur 80 Leute auf die Beine, will aber wiederkommen.

Mehr als 800 Menschen haben gestern Abend in Leipzig-Schönefeld gegen eine rassistische Kundgebung demonstriert. Ihr hatten sich lediglich 80 Personen angeschlossen, die sich gegen eine nahe gelegene Notunterkunft für Asylsuchende sowie “gegen Minderheiten Politik” (sic!) wandten. Veranstalterin war die so genannte “Eltern- und Bürgerinitiative Leipzig steht auf”, die mit weitaus mehr Teilnehmenden gerechnet hatte und hinterher von “200 Leipzigern” sprach. Die Veranstaltung wurde dennoch nach einer reichlichen Stunde vorzeitig beendet.

 

Etliche Nazis beteiligt


Die Kundgebung war öffentlich von der NPD sowie mithilfe einer eigenen Website beworben worden, hinter der allerdings keineswegs ein “Leipziger”, sondern Ronny Robrecht aus Delitzsch steht. Er ist Mitglied des NPD-Kreisverbandes Nordsachsen und Geschäftspartner des dortigen Kreisvorsitzenden und stellvertretenden NPD-Landeschefs Maik Scheffler. Beide betreiben die R&S Servicegesellschaft GbR und bieten Gesinnungsgenossen Hilfe beim Webdesign.

 

Bei der Kundgebung anwesend waren neben Scheffler auch der Leipziger NPD-Kreisvorsitzende Helmut Herrmann, der verurteilte Gewalttäter und Stadtratskandidat Alexander Kurth, Nachwuchs-Aktivist Daniel Speck und Lok-Hooligan Enrico Böhm, zudem Mitglieder der Kameradschaft “Heimattreues Leipzig” wie Tim Krüger und Marcus Hölscher. Aus dem Umland waren Gerold und Benjamin Pitzinger angereist. Den weitesten Weg hat vermutlich Michael Fischer aus dem thüringischen Bad Berka auf sich genommen, der immer öfter in Sachsen auftaucht, seitdem er durch Thüringer Kameraden als “Spalter und Provokateur” ausgegrenzt wird.

 

“Bürgerinitiative” ist NPD-Projekt


Bereits seit November und stets unter Beteiligung von Nazis gab mehrere Kundgebungen und eine Demonstration gegen die Notunterkunft im Stadtteil Schönefeld, die in einer ehemaligen Schule eingerichtet worden ist. Dabei war erstmals eine “Elterninitiative” in Erscheinung getreten, die vorgab, Eltern der benachbarten Astird-Lindgren-Grundschule zu vertreten und sich jetzt mit der “Bürgerinitiative Gohlis”, die gegen einen dortigen Moschee-Bau vorgehen will, zur Initiative “Leipzig steht auf” zusammengeschlossen haben will. Die Website der Initiative verweist auf angeblich 12.000 Unterstützer.

 

Scheffler, der es wissen muss, hat sich allerdings bei “Facebook” damit gebrüstet, niemand anderes als seine NPD habe “den Protest in die Stadt getragen und von dort aus breitet er sich in der Fläche aus.” Zur Bewerbung der gestrigen Kundgebung hatte die Initiative auch auf ein Motiv zurückgegriffen, das erst kürzlich auf einem NPD-Flyer erschienen war.

 

Unnötiger Gewalteinsatz der Polizei


Die gestrige Versammlung wurde von mehrere Gegenveranstaltungen kritisch begleitet, zu der antirassistischen Kundgebung von “Refugees Welcome Leipzig” war etwa die zehnfache Zahl an Menschen erschienen als auf Nazi-Seite. Medienangaben zufolge waren sogar bis zu 1.000 Personen an Gegenaktivitäten beteiligt.

 

Hinzu kamen etwa 250 Beamte der Polizei, die einen Blockadeversuch auf einer Kreuzung mit Kräften einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) durch Gewalteinsatz und das Versprühen von Pfefferspray zurückgedrängt hat. Obskur bleibt, dass die Polizei noch vor Ort über Lautsprecher behauptete, kein Pfefferspray eingesetzt zu haben, nachdem etliche Personen über Augenreizungen klagten. Heute hat die Polizei erklärt, es sei lediglich Wasser verspritzt worden. Fotos zeigen allerdings eine Schaumbildung, denkbar ist der Einsatz von Seifenlauge.

 

NPD-Strategie geht nicht auf


Die rassistische Initiative “Leipzig steht auf” will künftig jeden ersten Montag im Monat demonstrieren und benennt auf ihrer Website weitere Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende sowie ein Therapiehaus für Sexualstraftäter in Leipzig-Reudnitz als Anlaufpunkte für ihren “Protest”. Die Initiative wirbt jetzt schon für den 2. März (ein Sonntag), eine weitere Anmeldung liegt jedoch nicht vor.

 

Es ist aber davon auszugehen, dass bei weiteren Veranstaltungen dieser Art die NPD noch verstärkt in Erscheinung treten wird, ihre Schwerpunkte zur Kommunalwahl entsprechen eins-zu-eins denen der “Initiative”. Das Vorgehen der Partei in Schönefeld ähnelt den aus anderen Orten bekannten Versuchen, rassistische Aktionen anzustiften und zu organisieren, sich aber öffentlich zurückzuhalten. Mit der Strategie soll der Anschein erweckt werden, es handle sich um “Bürgerproste”, wohl in der Hoffnung, mehr Leute mitzuziehen.

 

Die bleiben aber zumindest in Leipzig weitgehend aus: Im Gegensatz zu beispielsweise Schneeberg ist hier das Mobilisierungspotential der NPD auf einem Tiefpunkt.

 


Veranstaltungs-Hinweis aus aktuellem Anlass:


 

Mittwoch, 5. Februar, 19 Uhr
Uni Leipzig, Universitätsstraße 3, Seminargebäude, Raum S 202


Leipzig: Refugees welcome?


Die Proteste gegen Asylunterkünfte und mögliche Gegenstrategien in Leipzig und Umland


Im Jahr 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl in Deutschland radikalen Einschränkungen unterworfen. Viele der politisch Verantwortlichen begründeten diesen Schritt damit, dass das damals hochaktuelle Problem des Rassismus und der Übergriffe auf Nicht-Deutsche abnehmen werde. Denn die Ursache für den Rassismus in Deutschland nach der Veinigung der beiden deutschen Staaten wurde in der Zahl der Asylbewerber*innen gesucht. Nach der Asylrechtsänderung sank diese Zahl um ein Vielfaches. Doch kann die Ursache für den Rassismus nicht in den Zahlen der von ihm Betroffenen zu finden sein. Denn obwohl die Zahl der Asylsuchenden im Jahr 2013 die der 1990er Jahre bei weitem nicht ereicht, hat es in den zurückliegenden Monaten erneut einen enormen Anstieg rechter Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben.

 

Auch in Leipzig schlugen rassistische Mobilisierungen spätestes mit den Vorschlägen für eine dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden in unterschiedlichen Stadtteilen, hohe Wellen. Die Vergleiche mit den Angriffen auf Asylunterkünfte aus den 1990er Jahn drängen sich schnell auf. Doch im Unterschied zu den 1990er Jahren organisieren sich als Reaktion auf die Angriffe auf vielfältigen Ebenen Unterstützergruppen vor Ort, die Geflüchtete in ihr Stadt willkommen heißen wollen. Einige solcher Gruppen aus Leipzig und dem Leipziger Umland haben wir zu einem Diskussionsabend eingeladen.

 

Aus den verschiedenen Perspektiven sollen sie darüber diskutieren, welche Möglichkeiten es aus ihr Sicht gibt, auf die ablehnenden Proteste zu agien und wie Asylsuchende spektvoll unterstützt werden können. Außerdem fragen wir, wie Asylsuchende selbst ihre Situation in den Asylunterkünften sehen und welche Unterstützung sie sich wünschen.

 

Gäste: Refugees Welcome! Leipzig, Willkommens-Initiative Schönefeld, Asylsuchender aus Leipzig, Asylsuchender aus Borna, Bon Courage e.V. Borna, Michael Marschall (Jugendmigrationsdienst des Diakonischen Werkes Delitzsch/Eilenburg)

 

Moderiert vom Mobilen Beratungsteam Leipzig, veranstaltet und geleitet von Dr. Julia Schulze Wessel, Lehrstuhl Ethik, Politik, Rhetorik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Leipzig.

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Sollte vielleicht wie Pfefferspray aussehen um abzuschrecken. Allerdings ist Wasser im Winter auch schon nervig genug.

Schön das die Bullen zugeben ihre altes Abwaschwasser rumzuspritzen, das schlieszt den dennoch stattgefundenen Pfefferspray-Einsatz doch aber nicht aus. Selbst LVZ-Bilder belegen den Einsatz.

 

dont believe in laugenwasser