Rassismus und israelische Propaganda als linke Kritik getarnt

Eine Stellungnahme der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost" zur Flugschrift der Aktion 3. Welt Saar “Vorsicht, die Helfer kommen”.

Kurz vor Weihnachten lag der taz eine Flugschrift der Gruppe “Aktion 3. Welt Saar” bei, unter dem Titel “Vorsicht, die Helfer kommen”; darin richtete sich die Kritik hauptsächlich gegen Entwicklungshilfe in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten. Wir halten es für richtig, eine kritische Diskussion über die problematischen Aspekte der vielfältigen finanziellen Interventionen westlicher Länder in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten in der Öffentlichkeit zu führen. Hier aber mussten wir feststellen, dass der Inhalt der Flugschrift nichts mit der Kritik vieler palästinensischer und israelischer Menschenrechtsorganisationen, Aktivist/Innen und unabhängiger Persönlichkeiten zu tun hat. Ganz im Gegenteil, unter einem angeblich kritischen Ton übermittelt diese Flugschrift die offizielle Propaganda der israelischen Regierung wie auch einiger rechter und rassistischer Organisationen, derer erklärten Ziel es ist, Menschen, die Kritik an der israelischen Besatzung üben, einzuschüchtern, zu bedrohen und zu diffamieren.

 

Tatsächlich steht die überproportionale finanzielle Intervention verschiedener internationaler Akteure in Israel-Palästina seit längerer Zeit in der Kritik, denn die Entwicklungshilfe optimiert die Bedingungen der militärischen Besatzung und macht sie somit langfristig erst möglich. Die humanitäre Not, die durch das massive Spenden aus dem Ausland gelindert werden soll, wird nicht durch Naturkatastrophen verursacht, sondern ist das Resultat einer siebenundvierzigjährigen brutalen militärischen Besatzung, die von allen europäischen Staaten geduldet wird, wenn nicht sogar aktiv Unterstützung bekommt. Die internationale Finanzierung von Entwicklungshilfe und die Institution der Palästinensischen Regierungsbehörde führen nicht zur Beseitigung der Besatzung, sondern zu einer permanenten politischen und sozialen Abhängigkeit der palästinensischen Gesellschaft von internationalen Geldgebern. Eine solche Finanzierung verursacht Korruption und setzt Depolitisierungsprozesse in Gang. Anstatt dass der israelische Staat für die miserablen Zuständen in den besetzten Gebieten Verantwortung übernimmt, wie es das Völkerrecht vorsieht, und zur Kasse gebeten wird, freut sich Israel über die Unsummen von internationalen Geldern, die zum größten Teil ihren Weg in die israelische Ökonomie finden, durch Besteuerung und durch Ankauf von israelischen Waren. Das Entwicklungsbusiness entpuppt sich tatsächlich als Hindernis für eine friedliche Lösung, dies aber nicht weil die Geldgeber anti-israelisch wären, wie es die Saar-Gruppe behauptet, sondern weil dieses Geschäft unglaublich profitabel für die Besatzungsmacht ist. Neben den viel größeren Geschäften mit Waffen und mit der Ausbeutung billiger palästinensischer Arbeitskraft erzielt der Staat Israel noch Gewinn durch den Wiederaufbau von Infrastruktur, die er selbst zerstört hat(1). Es ist daher nicht überraschend, dass das israelische Militär enge Kontakte zu vielen Entwicklungsorganisationen pflegt und dass der israelische Staat offiziell jede Investition in den palästinensischen Gebieten begrüßt, solange sie nicht ihren Annexionsplänen zuwiderläuft(2).

 

Gegen diese gescheiterte Entwicklungshilfe organisierte sich in den letzten Jahren breiter und mutiger Widerstand von palästinensischen Organisationen, die den internationalen Geldgebern ihre Zusammenarbeit verweigerten, solange diese nicht politischen Druck gegenüber Israel ausüben(3). Tatsächlich war es die politische Arbeit von Palästinenser/Innen, und nicht irgendwelche dunkle Motive der europäischen Geldgeber, die in den letzten Jahren zu einem kritischeren Umgang mit der israelischen Besatzungspolitik beitrug. Dies wiederum führte zu einer PR-Kampagne der israelischen Regierung gegen jene Organisationen, deren Fingerabdruck wir in dieser Flugschrift gut sehen können und in dem – ganz im Gegenteil zum tatsächlichen Verlauf – jegliche palästinensische Kritik, Handlungsfähigkeit und Selbstorganisation außer Acht gelassen wird.

 

Damit kommen wir zum rassistischen Kern der Flugschrift. Obwohl in vier Seiten über die Situation in Palästina geschrieben wird, kommt keine einzige palästinensische Person zu Wort, außer in einem Zitat des Exilchefs der Hamas, das nur deswegen aufgeführt wird, um die Palästinenser zu dämonisieren. Da die Flugschrift vehement vor Entmündigung der Empfänger von Entwicklungshilfe warnt, kann das totale Verschweigen von palästinensischen Stimmen nur als eine rassistische Praxis verstanden werden. Dass die einzigen Nicht-Europäer, die im Text Erwähnung finden, Vertreter der Hamas oder angebliche “türkische Islamisten” sind, ist ein Ausdruck von anti-muslimischem und anti-arabischem Rassismus, der Muslime oder Araber nur in Verbindung mit Terrorismus und Extremismus auftreten lässt.

 

Inwiefern die Texte in der Flugschrift einer eigenen Recherchearbeit der Saargruppe entstammen oder ob die Argumentationsmuster und zweifelhaften Informationen aus anderen Quellen stammen, lässt sich durch einen näheren Blick in die Fußnoten wie auch durch einen Vergleich mit israelischen Webseiten herausfinden(4). Neben Links zu Wikipedia, zur “anti-deutschen” Zeitschrift Jungle World, zu einem amerikanischen neokonservativen und islamophoben Think-Tank und zum israelischen Außenministerium finden wir in den Fußnoten auch zwei bekannte israelische Organisationen, die sehr eng mit der israelischen Regierung zusammenarbeiten. Neben der Organisation “Palestinian Media Watch”, die von Itamar Marcus geführt wird, Siedler und Mitarbeiter der Premierministers(5), wird auch auf die Organisation NGO-Monitor hingewiesen, die sich in den Vordergrund des Kampfes gegen Menschenrechtsorganisationen in Israel stellte und die anti-demokratischen Gesetze unterstützt, die deren Finanzierung erschweren sollen(6).

 

Die Flugschrift der “Aktion 3. Welt Saar” entlarvt sich noch weiter als Propaganda mit ihrer einzigen längeren thematischen Auseinandersetzung: Kritisiert wird ein Bericht von Amnesty International über die israelische Wasserpolitik in den besetzten Gebieten. Komischerweise handelt es sich dabei nicht um eine Kritik an Entwicklungshilfe – dem angeblichen Thema der Flugschrift – , da Amnesty überhaupt keine Projekte in den besetzten Gebieten unterstützt, sondern lediglich Menschenrechtsverletzungen dokumentiert. Die in der Flugschrift publizierte Kritik basiert fast ausschließlich auf einem inoffiziellen Bericht der israelischen Wasserbehörde, der von Prof. Dr. Haim Gvirtzman – einem Siedler aus der extremistischen Siedlung Dolev in der Nähe von Ramallah – verfasst wurde. Eine ausführliche Gegendarstellung(7) des in Ramallah ansässigen Experten für Wasserwirtschaft Clemens Messerschmid zeigt, wie wenig jene Informationen mit der Wahrheit zu tun haben. Beispielsweise hält die Flugschrift den von Gvirtzman (viel zu hoch) angesetzten Gesamtwasserverbrauch von 287 Liter/Kopf&Tag (aus Trinkwasser und aus industriellem, landwirtschaftlichem und häuslichem Brauchwasser) für den reinen Trinkwasserverbrauch und argumentiert aufgrund dieses Fehlers gegen die von Amnesty genannten Zahlen von 50-70 Liter zum Trinkwasserverbrauch. Beispielsweise behauptet die Flugschrift, der Amnesty-Bericht habe keine Quellen für seine Zahlen genannt, während dieser in Wirklichkeit seine Quellen sehr wohl nennt: die Zahlen stammen aus dem Weltbankbericht.

 

Es wäre interessant zu erfahren, welche Geldgeber diese offensichtlichen Torheiten für so gut und wichtig befunden haben, dass sie sogar bereit waren, die Kosten für die Taz-Beilage aufzubringen. Jedoch es ist für uns wichtiger zu wissen, wie eine Flugschrift, die durch eine klare Zusammenarbeit mit rechtextremistischen Gruppen innerhalb Israel zustande gekommen ist, überhaupt als Beilage in der Taz verschickt werden durfte.

 

Dies sind aber Fragen, die sich nicht nur die Taz-Redaktion stellen sollte. Wir sind zutiefst besorgt, dass eine Organisation, die mit rassistischen und rechtextremistischen Kräften in Israel kooperiert, innerhalb progressiver und anti-rassistischer Netzwerke geduldet wird. Daher rufen wir alle Gruppen auf, denen der Kampf gegen Rassismus, Kolonialismus und Militarismus ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit ist, jegliche Zusammenarbeit mit der Gruppe „Aktion 3. Welt Saar“ zu beenden.

 

 

Links zum Weiterlesen: Palästinensische Kritik an Entwicklungshilfe

MA’AN Development Center Position Paper:
Matrix of Control: The Impact of Conditional Funding on Palestinian NGOs

http://www.maan-ctr.org/pdfs/FSReport/PositionPaper.pdf

Aid industry doing no harm in Palestine? Samer Abdelnour The Electronic Intifada 22 March 2011

http://electronicintifada.net/content/aid-industry-doing-no-harm-palesti...

 


(1) Siehe dazu Shir Hever “Occupation and Aid”:

(2) Ein erhellender Beitrag zu dieser Thema von Oberstleutnant Sharon Biton befindet sich in “Maarachot”, einem internen Magazin des israelischen Militärs, unter dem Titel: “Internationale Hilfsorganisation in Gaza- eine Last oder Vorteil?”. http://maarachot.idf.il/PDF/FILES/7/113177.pdf

(3) Am wichtigsten in diesem Zusammenhang war eine Erklärung im Jahr 2011, in der 28 Bürgermeister die Zusammenarbeit mit USAid abgesagt haben, nachdem die USA eine UN-Resolution für den palästinensischen Staat blockiert hat.  http://www.maannews.net/eng/ViewDetails.aspx?ID=362993

(4) Einige Parallelen sieht man mit Berichten von NGO-Monitor (http://www.ngo-monitor.org) und vor allem mit einer rechtextremistischen Organisation namens “Center for Near East Policy Research Ltd”, die vom Siedler David Bedein geführt wird und sich mit Hetze gegen UNRWA und andere UN-Organisationen spezialisiert hat (http://www.cfnepr.com/site/index.asp?depart_id=205640&lat=en).

(5) Siehe Akiva Eldar “What Did You Study In School Today, Palestinian Child?”in Haaretz English Edition Tuesday, January 2, 2002

(6) Siehe ihre eigene Website

(7) http://www.scharf-links.de/55.0.html

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Die Homepage der Gruppe "Aktion 3. Welt Saar" ist mit anti-islamischer-Propaganda zugemüllt.

haha. "anti-islamische propaganda"

ich finde nur inhalte zum islamismus und politschen islam.

Wieso werden keine Inhalte zu den positiven Seiten des Islams bereitgestellt? Solange das so ist, ist es anti-islamische-Propaganda.

Religion ist scheiße, warum sollte man "positive Seiten" des Islams unter die Leute bringen. Das sollen die Missionare gefälligst selbst tun. Eine Kritik daran von Links ist unbedigt notwendig.

Religion spaltet, allerdings führt sie auch zusammen. Das ist ein Widerspruch, dass weiß ich. Ein bisschen philosphisches Denken hat noch nie jemandem geschadet..., allerdings dogmatisches und intolerantes. Wenn deine Kritik darin besteht, nur die eine Seite zu zeigen, dass ist diese Art der Kritik nicht notwendig.

es gibt schon ein paar positive Dinge zu berichten, z.B. schreibt die taz-Beilage ja selbst (und richtigerweise) dass in Palästina die Kindersterblichkeit verhältnismäßig niedrig ist, die Lebenserwartung höher als in der Türkei usw. Ob das nun alles auf den Islam zurückzuführen ist oder auf Spendengelder oder auf was auch immer wäre zu diskustieren, da bringt auch diese merkwürdige Broschüre keine Infos. Es ist auch kaum zu leugnen, dass der Islam in vielen Ländern eine gewisse Stabilität und Ordnung schafft, ohne die es wirklich katastrophale Verhältnisse gäbe. Besonders unter Armen erfreut sich der Islam (und auch der Islamismus) großer Beliebtheit. Scheinbar hat die Linke oder sonstwer in diesen Ländern dem Islam nichts entgegen zu setzen. Möglicherweise ist der Islamismus auch eine Reaktion auf kapitalitische Globalisierungsprozesse, aber das ist ein Gedanke bei dem antideutschen die Haare zu Berge stehen ;-)

Wird nicht sonst immer kritisiert, die Antideutschen würden völlig zu Unrecht kritisieren, dass Globalisierungskritik nicht per se Fortschrittlich ist sondern sich genauso in autoritären Ideologien niederschlagen kann? Und wird dazu nicht von Antideutschen nicht regelmäßig der Islamismus und andere antisemitischen Ideologien als Beispiel herangezogen?

Keine Ahnung haben aber hauptsache mal über "die Antideutschen" herziehen.

Euer identitärer Kindergarten kann mir echt gestohlen bleiben.

zeig uns doch mal ein Beispel wo Antideutsche die kapitalistische Globalisierung als Ursache für Islamismus ausmachen. Ist mir noch nicht untergekommen.

Schau doch z.B. mal in die Broschüre der der kp Berlin (jetzt Top B3rlin) "Islamismus - Kulturphänomen oder Krisenlösung", oder lies halt mal Artikel zum Thema in Jungle World, iz3w oder Phase2. Sogar in der von mir ansonsten nicht besonders geschätzten Prodomo diskutiert man darüber...

 

Manchmal möchte ich ja fast vor Fremdscham im Boden versinken, bei dem Ausmaß an Ignoranz und Unterstellung das einem hier entgegenschlägt.

Ja, vor Fremdscham im Bodenversinken geht mir umgekehrt auch immer so. Top B3rlin werden von Antideutschen regelmäßig kritisiert (vgl. Grigat), sie selbst bestreiten auch vehement ihre antideutschen Wurzeln, hier geht's wahrscheinlich aber eher um die Vertuschung von früheren Peinlichkeiten, z.B. beziehen KP in der Islamismus-Bröschüre eine beinahe klassische antiimperialistische Position, in dem die theoretische Kasulakette -Kapitalismus führt zu Islamismus- zumindet in Erwägung gezogen wird, der Argumentation einiger unterschiedlicher Autoren folgend, die übrigens alles andere als antideutsch sind. Genauso kann das iz3w unmöglich in die antideutsche Ecke gesteckt werden, nur weil dort ab und zu ein Christian Stock seinen Unsinn verbreitet. Bezgl. der Frage nach den Ursachen des Islamismus nehmen Antideutsche in der Regel eine kulturrelativistische Perspektive ein, wonach es z.B. gar keine Trennung zwischen Islam und Islamismus geben dürfe, weil das ja im Grunde ein und dasselbe sei.

erläuter' das verhältnis von antideutscher kritik und kulturrelativismus doch mal bitte etwas genauer :)

Das ist auch falsch formuliert. Alle AD's die ich kenne lehnen jede Globalisierungskritik als mindestens strukturell antisemitsch kategorisch ab, d.h. die Kritik  "kann" sich demnach nicht nur in autoritären Ideologien niederschlagen, sondern sie MUSS dies zwingendermaßen tun. Daher sind AD's auch kaum in der Lage, eine sinnvolle kapitalismuskritische Perspektive zu entwickeln, denn Globalisierung meint immer auch Kapitalismus, und der lässt eben wegen diesem Autoritäts-Dilemma nur noch sehr theoretisch kritisieren.

ich stimme dir ja zu, dass sich da einige verrannt haben.

Wenn alle "AntiDs" die du kennst das behaupten, würde ich jetzt einfach mal unterstellen, dass du nicht so viele kennst.

Das Problem ist glaube ich eher, dass einige es im Moment für wichtiger halten Antisemitismus in Deutschland zu bekämpfen, statt wirklich Kapitalismuskritik zu betreiben. Aus der Perspektive macht es schon Sinn zumindest die Frage zu stellen, ob eine Kritik gegen die dunklen Mächte der Globalisierung ihre MOtivation nicht aus einem Weltbild hat, das sich strukturell an das des Antisemitismus anlehnt. So kann man sich dann schnell mal verrennen und alle Globalisierungskritik als strukturell antisemitisch betrachten.

An sich ist das noch kein Problem finde ich. Zum Problem wird es erst dann, wenn so eine Art von Kritik oder die Abgrenzung von so einer Art von Kritik zu einem zu großen Teil der eigenen Identität wird.

Vor allem letzteres kann man ja hier in den Kommentaren auch wunderbar sehen.

gleich nachdem hier Inhalte zu den positiven Seiten des Christentums gepostet werden

"Für Deutschland ist die Kritik der Religion im wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik.

Die profane Existenz des Irrtums ist kompromittiert, nachdem seine himmlische oratio pro aris et focis |Gebet für Altar und Haushalt| widerlegt ist. Der Mensch, der in der phantastischen Wirklichkeit des Himmels, wo er einen Übermenschen suchte, nur den Widerschein seiner selbst gefunden hat, wird nicht mehr geneigt sein, nur den Schein seiner selbst, nur den Unmenschen zu finden, wo er seine Wirklichkeit sucht und suchen muß.

Das Fundament der irreligiösen Kritik ist: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen. Und zwar ist die Religion das Selbstbewußtsein und das Selbstgefühl des Menschen, der sich selbst entweder noch nicht erworben oder schon wieder verloren hat. Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, außer der Welt hockendes Wesen. Der Mensch, das ist die Welt des Menschen, Staat, Sozietät. Dieser Staat, diese Sozietät produzieren die Religion, ein verkehrtes Weltbewußtsein, weil sie eine verkehrte Welt sind. Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr enzyklopädisches Kompendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d'honneur |Ehrenpunkt|, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund. Sie ist die phantastische Verwirklichung des menschlichen Wesens, weil das menschliche Wesen keine wahre Wirklichkeit besitzt. Der Kampf gegen die Religion ist also mittelbar der Kampf gegen jene Welt, deren geistiges Aroma die Religion ist.

Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.

Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.

Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.

Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik der Politik."

 

Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. (Einleitung)

Dann such du mal weiter nach den "positiven Seiten". Nur, bist du da hier nicht irgendwie auf der falschen Seite?

Jan Rehmann dazu:

 

Von der Religions- zur Fetischismuskritik


Das Paradox der Marx’schen Religionskritik besteht darin, dass sie sich im Moment ihrer Formulierung schon von ihr verabschiedet: Sie lässt die Religionen selbst hinter sich, um sich auf die Analyse der Entfremdungen der bürgerlichen Gesellschaft selbst zu konzentrieren. Viele Interpreten haben übersehen, dass die Einleitung zur Kritik der Hegel’schen Rechtsphilosophie v. a. ein Appell an die junghegelianischen Religionskritiker ist, ihre Fixierung auf die Religion aufzugeben. Schon im ersten Satz wird behauptet, in Deutschland sei die Religionskritik, die grundsätzlich die „Voraussetzung aller Kritik“ darstelle, „im wesentlichen beendigt“ (MEW 1, 378). Im Klartext: Diese Aufgabe hat Feuerbach im Grundsatz erledigt, lasst uns schnell an die wirkliche Arbeit gehen! Nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, gehe es um die „Wahrheit des Diesseits“, nachdem die „Heiligengestalt“ der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, gehe es darum, die „Selbstentfremdungen in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven“ (379). Marx ruft den Religionskritikern gleichsam zu, es sei höchste Zeit, von der „Kritik des Himmels“ überzuwechseln zur „Kritik der Erde“, von der „Kritik der imaginären Blumen“ zur Kritik der „Kette“, die sie verdecken, von der Kritik des „Heiligenscheins“ zur Kritik des „Jammertals“ und s chließlich: von der Kritik der Theologie zur Kritik des Rechts und der Politik (ebd.).
Jan Reham (2010): "Ist linke Religionskritik veraltet? Thesen zum Dialog zwischen Marxismus und Christentum," in Kämpfe für eine solidarische Welt. Theologie der Befreiung und demokratischer Sozialismus im Dialog. RLS-Papers von Ilsegret Fink, Cornelia Hildebrandt (Hrsg.)

Erläutere das doch in wenigen Sätzen. Mir will nicht recht aufgehen, was du sagen möchtest. Auch nicht, nachdem ich den zitierten Artikel überflogen habe.

Der Autor versucht Gemeinsamkeiten von christl. Befreiungstheologie und marxistischer Kritik aufzuzeigen. Schön und gut.

An welche "islamische Befreiungstheologie" gedenkst du denn mit deinem Einwand anzuknüpfen?

vielleicht zählt man auch immer die positiven seiten des kapitalismus auf, oder des sexismus, oder...

 

sonst macht man ja immer nur einseitige propaganda. es ist nun mal nicht die aufgabe von kritik, eine pro/contra-auflistung zu machen, sondern die aufgabe von kritik ist, stellung zu beziehen. und ehrlich, ich kann gar nichts positives an religionen, jedweder art finden. mir fällt da immer nur mosts "gottespest" ein.

Jüdische Stimme, das sind doch eine Hand voll psychisch versehrter Verschwörungsspinner. Bei der Butler Demo haben die "9/11 was an Insidejob" und "9/11 CIA" und "Massenmörder Netanjahu" rumkrakelt (gibts auf YT Ausschnitte). Sowas druckt ihr ab, weil "jüdisch" davorsteht. Abgesehen davon, dass dort kaputte Deutsche dabei sind, die sich aufgrund ihrer Täterpsyche einbilden Juden zu sein (Edith Lutz). Wenn diese pseudojüdische  antiimp-Mini-Sekte, die ungefähr so KoppVerlag Style ist "jüdisch" davorstehen hat, muss es ja richtig sein, oder wie?

Hier ist ein Vortrag darüber, wie die "NGO-ization" in Palästina die dortige feministische Bewegung geschwächt hat (arabisch): Islah Jad

 

Weiterer interessanter Artikel von 2012 in dem Zusammenhang: Why aid projects in Palestine are doomed to fail

zur kritisierten Flugschrift: >>PDF<<

Redakteur der taz-Beilage ist Axel Feuerherdt, ein alter antideutscher Frontkämpfer, u.a. bekannt als Macher des islamophoben Blogs "Lizas Welt". Ein weitere Redakteur ist Christian Stock, der immer wieder mit antideutschen Texten im iz3w für Verwunderung sorgt.

Und somit ist Strategie in der taz-Beilage auch für Antideutsche üblich: Ein paar allgemeinbekannte Wahrheiten (z.B. dass es die meisten Spenden für Palästina gibt), diese etwas ideologisch gewürzt (z.B. mit der Story von der Hilfsflotte, von der es ja sehr viele Versionen gibt) und anschließend in einen moralisierenden Kontext gesetzt. Ziel ist dann nicht, wie die Broschüre anfangs glauben lassen möchte, das Spenden im Allgemeinen kritisch zu hinterfragen, sondern Ziel ist speziell vom Spenden an Palästinahilfe abzubringen. Unter den taz-Lesern findet man da sicherlich teilweise auch die entsprechende Zielgruppe, insofern gut plaziert.

kritik an der politischen ideologie des islamismus (was etwas anderes als "der islam", den es im übrigen so monolithisch auch nicht gibt, sondern diverse unterschiedliche lesarten) ist "rassismus", faszinierend und weil hamas und türkischee islamisten zu wort ist es nochmal rassistischer, so etwas nennt sich klare beweisführung und so unglaublich rational und faktenbasiert