[Gö] Aufruf des Bündnis "Extrem Daneben" zur Demonstration "Rassismus bekämpfen - Verfassungsschutz auflösen!"

"Extrem Daneben"

Für Frei­tag, den 29. No­vem­ber ruft die An­ti­fa­schis­ti­sche Linke In­ter­na­tio­nal zu einer De­mons­tra­ti­on unter dem Motto Ras­sis­mus be­kämp­fen – Ver­fas­sungs­schutz auf­lö­sen auf. Auf­hän­ger für die De­mons­tra­ti­on ist das Be­kannt­wer­den des Neo­na­zi-​Netz­werks "Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Un­ter­grund" vor zwei Jah­ren. Mit die­sem Auf­ruf wol­len wir den­je­ni­gen der A.L.I. aus un­se­rer Per­spek­ti­ve er­gän­zen und alle eman­zi­pa­to­ri­schen Per­so­nen und Struk­tu­ren dazu auf­for­dern, sich an der De­mons­tra­ti­on zu be­tei­li­gen.

 

 

Als Bünd­nis Ex­trem Da­ne­ben haben wir uns nach Be­kannt­wer­den des NSU ge­grün­det, um auf die ge­sell­schaft­li­che Kon­ti­nui­tät von men­schen­ver­ach­ten­den Ideo­lo­gi­en wie Ras­sis­mus, Na­tio­na­lis­mus und An­ti­se­mi­tis­mus in der so­ge­nann­ten Mitte der Ge­sell­schaft zu ver­wei­sen. Dabei ging es uns auch darum, zu zei­gen, wie diese Ideo­lo­gi­en an­hand der (vom Ver­fas­sungs­schutz ein­ge­führ­ten) Ex­tre­mis­mus­for­mel ver­harm­lost wer­den. Aber auch eine kri­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit der (ra­di­ka­len) Lin­ken stand und steht für uns auf der Ta­ges­ord­nung: Denn auch auf un­se­rer Seite herrsch­te groß­teils Igno­ranz und Schwei­gen ge­gen­über den Op­fern der NSU-​Mor­de.


Im Ver­lauf der Ar­beit un­ter­schied­li­cher Un­ter­su­chungs­aus­schüs­se wurde klar, wie weit die Ver­stri­ckun­gen von Ideo­lo­gie, Neo­na­zis und Ver­fol­gungs­be­hör­den rei­chen. Die Re­form­vor­schlä­ge, die in­fol­ge der er­ar­bei­te­ten NSU-​Aus­schus­s­er­geb­nis­se im Raum ste­hen, sind an Zy­nis­mus kaum zu über­bie­ten: Zen­tra­li­sie­rung des Ver­fas­sungs­schut­zes und Aus­wei­tung ge­heim­dienst­li­cher Kom­pe­ten­zen. An die­ser Re­ak­ti­on las­sen sich vor allem zwei Sach­ver­hal­te deut­lich ma­chen. Zum einen herrscht ein un­er­träg­li­ches kon­ser­va­ti­ves Klima in der Bun­des­re­pu­blik, das von einer fast schon pa­ra­no­iden Angst ge­kenn­zeich­net ist. Zum an­de­ren hat das etwas mit ak­tu­el­len, ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen zu tun.

 

Ver­fas­sungs­schutz auf­lö­sen!

 

Dass der Ver­fas­sungs­schutz nicht auf­ge­löst wird, wie es die ein­zig ver­nünf­ti­ge Kon­se­quenz aus den un­zäh­li­gen Skan­da­len in der Ge­schich­te die­ser Be­hör­de wäre, hat mit sei­ner Funk­ti­on in­ner­halb der Ge­sell­schaft zu tun. Ein weit ver­brei­te­ter My­thos über Ge­heim­diens­te ist, dass sie dazu da seien, die Bür­ger_in­nen eines Lan­des zu schüt­zen. Doch tat­säch­lich dient der In­lands­ge­heim­dienst dazu, die in­nen­po­li­ti­sche Sta­bi­li­tät eines Staa­tes zu ana­ly­sie­ren und re­le­van­te Er­kennt­nis­se über Be­dro­hun­gen früh­zei­tig an die Ver­fol­gungs­be­hör­den wei­ter­zu­lei­ten.

 

Die Ge­heim­diens­te ope­rie­ren dabei auf dem Fun­da­ment des bür­ger­li­chen Staa­tes und des­sen wi­der­sprüch­li­che Grund­la­gen. Kern­be­stand­teil die­ses Fun­da­ments ist die Ver­fas­sung: In ihr sind ei­ner­seits zwar die for­ma­le Frei­heit und Gleich­heit ga­ran­tiert, an­de­rer­seits stellt sie zu­gleich die Be­din­gung der Un­gleich­heit dar. So ist die Frage da­nach, wer zum na­tio­na­len Kol­lek­tiv dazu ge­hö­ren soll, immer schon ras­sis­tisch auf­ge­la­den. Und auch das in ihr fest­ge­schrie­be­ne Pri­vat­ei­gen­tum pro­du­ziert grund­sätz­li­che Un­gleich­heit und Elend: Wer nichts als die ei­ge­ne Ar­beits­kraft be­sitzt, ist ge­zwun­gen sich zu mie­sen Be­din­gun­gen am Ar­beits­markt zu ver­din­gen. Die Auf­ga­ben des Ver­fas­sungs­schut­zes be­ste­hen unter an­de­rem darin, die­sen Kern einer jeden na­tio­nal­staat­li­chen Ver­fas­sung zu schüt­zen. Er ze­men­tiert und re­pro­du­ziert damit die Be­din­gun­gen für ge­sell­schaft­li­che Un­gleich­heit.

 

Men­schen­ver­ach­ten­de Ideo­lo­gi­en be­kämp­fen!

 

Wie fest Ras­sis­mus in den staat­li­chen Struk­tu­ren ver­an­kert ist, zeigt nicht nur der Um­gang der Ver­fol­gungs­be­hör­den mit dem NSU-​Netz­werk. Auch die ak­tu­el­le Re­pres­si­on von Sei­ten des Ham­bur­ger Se­nats und der Po­li­zei gegen die Flücht­lings­pro­tes­te und die Tau­sen­den von Toten an den EU-​Au­ßen­gren­zen ver­wei­sen dar­auf, dass (mör­de­ri­scher) Ras­sis­mus ein we­sent­li­cher Be­stand­teil bür­ger­li­cher Staa­ten ist. Kein Na­tio­nal­staat ohne Aus­gren­zung, kein Ar­beits­markt ohne Be­völ­ke­rungs-​ und Asyl­po­li­tik. In einer Ge­sell­schaft, in der Ras­sis­mus ein Grund­kon­sens ist, er­schei­nen Neo­na­zis und ihr Han­deln fol­ge­rich­tig auch nicht als erns­te Be­dro­hung für den Rechts­staat. Wenn wir also Ras­sis­mus wirk­sam be­kämp­fen wol­len, müs­sen wir seine Be­din­gun­gen über­win­den – diese lie­gen in den ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen selbst. Wie stark sie aus­ge­prägt und ob sie mehr­heits­fä­hig sind, hängt von den je­wei­li­gen his­to­ri­schen Um­stän­den und von den Men­schen selbst ab. Das zei­gen nicht zu­letzt die ras­sis­ti­schen Ent­wick­lun­gen in Orten wie Greiz, Schnee­berg und Ber­lin Mar­zahn-​Hel­lers­dorf.

 

„Wer aber vom Ka­pi­ta­lis­mus nicht reden will, soll­te auch vom Fa­schis­mus schwei­gen.“ Die­sen Satz von Max Hork­hei­mer aus dem Jahr 1939 wol­len wir ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund ak­tu­el­ler Kri­sen­pro­zes­se in Er­in­ne­rung rufen. Wir ren­nen of­fe­ne Türen ein, wenn wir sagen, dass Chau­vi­nis­mus, Na­tio­na­lis­mus und Ras­sis­mus ein ful­mi­nan­tes Come­back er­le­ben. Mit der Al­ter­na­ti­ve für Deutsch­land hät­ten diese Ideo­lo­gi­en fast eine zu­sätz­li­che or­ga­ni­sa­to­ri­sche Klam­mer im Bun­des­tag er­hal­ten. Aber auch ohne die AfD im Bun­des­tag, kön­nen sich die ganz ge­wöhn­li­chen Na­tio­na­lis­t_in­nen in Deutsch­land pu­del­wohl füh­len: Der So­zi­al­de­mo­krat Thilo Sar­ra­zin wet­tert in so­zi­al-​chau­vi­nis­ti­scher Ma­nier gegen Mi­gran­t_in­nen, weil Deutsch­land sich durch ihre An­we­sen­heit an­geb­lich Ab­schaf­fe. Böse Bän­ker und Spe­ku­lan­ten sol­len für den Kri­sen­aus­bruch im Jahr 2008 ver­ant­wort­lich sein – eine der­art vor­ge­tra­ge­ne „Ka­pi­ta­lis­mus­kri­tik“ ist vom An­ti­se­mi­tis­mus nicht mehr weit ent­fernt. Und nicht zu­letzt kann An­ge­la Mer­kel an ras­sis­ti­sche Res­sen­ti­ments an­knüp­fen und „faule Süd­län­der“ für die Schul­den­kri­se in Grie­chen­land ver­ant­wort­lich ma­chen. Um sol­che men­schen­ver­ach­ten­de Ideo­lo­gi­en wir­kungs­voll be­kämp­fen zu kön­nen, muss man ihre Ur­sa­chen kri­ti­sie­ren und letzt­lich ab­schaf­fen.

 

Ka­pi­ta­lis­mus ab­schaf­fen!

 

Ge­heim­diens­te stel­len das Rück­grat na­tio­nal­staat­li­cher Si­cher­heits­ar­chi­tek­tur dar. Letz­te­re hat nicht wenig mit dem glo­ba­len Hauen und Ste­chen zwi­schen den kon­kur­rie­ren­den Na­tio­nal­öko­no­mi­en zu tun. Spio­na­ge­ab­wehr im Äu­ße­ren und po­li­ti­sche Sta­bi­li­tät im In­ne­ren: Das sind zwei Eck­pfei­ler der Po­li­tik. Das Aus­maß der NSA-​Af­fä­re zeigt be­son­ders deut­lich wie re­le­vant die Über­wa­chung im In- und Aus­land ist; wie un­ge­heu­er wich­tig die Er­kennt­nis­se ge­heim­dienst­li­cher Ak­ti­vi­tä­ten sind. Ef­fek­ti­ve Kon­trol­le, früh­zei­ti­ges Ein­grei­fen, jed­we­de Be­dro­hung im Keim er­sti­cken: Das sind Im­pe­ra­ti­ve nach­rich­ten­dienst­li­cher Ar­beit – na­tür­lich auch in Deutsch­land. Ein schlech­ter Po­li­ti­ker wäre das, der auf die Idee käme, auf diese Be­din­gung na­tio­na­ler Si­cher­heit zu ver­zich­ten, si­chert sie doch das Ge­walt­mo­no­pol des Staa­tes und damit die ge­sell­schaft­li­chen Ge­walt­ver­hält­nis­se ab.

 

Denn die Ge­walt wurde in der Ge­sell­schaft der Frei­en und Glei­chen nicht ab­ge­schafft, son­dern mo­no­po­li­siert und darf nur von Be­am­t_in­nen der Exe­ku­ti­ve aus­ge­übt wer­den. Ge­walt ge­hört zum Wesen des ka­pi­ta­lis­ti­schen All­tags dazu. Die mo­no­po­li­sier­te und durch Ge­heim­diens­te ge­si­cher­te Ge­walt ist er­for­der­lich, um die ir­ra­tio­na­le Ord­nung auf­recht zu er­hal­ten und ihr Funk­tio­nie­ren zu ge­währ­leis­ten. Der Staat, als Ga­rant für Wa­ren­tausch und Pri­vat­ei­gen­tum, muss auf die per­ma­nen­te An­dro­hung und Aus­übung von Ge­walt zu­rück­grei­fen, um einen rei­bungs­lo­sen Ab­lauf des all­täg­li­chen Kon­kur­renz­kamp­fes zu ga­ran­tie­ren.

 

Be­sei­ti­gen wir die Be­din­gun­gen die­ses Elends: Men­schen­ver­ach­ten­de Ideo­lo­gi­en wie Ras­sis­mus, Na­tio­na­lis­mus und An­ti­se­mi­tis­mus kon­se­quent be­kämp­fen, Ver­fas­sungs­schutz ab­schaf­fen, Ka­pi­ta­lis­mus über­win­den! Kommt auf die Demo am 29.​11.​2013 um 19 Uhr am Wil­helms­platz in Göt­tin­gen!

 

Bünd­nis Ex­trem Da­ne­ben im No­vem­ber 2013
http://extremdaneben.blogsport.de/

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Denn die Ge­walt wurde in der Ge­sell­schaft der Frei­en und Glei­chen nicht ab­ge­schafft, son­dern mo­no­po­li­siert und darf nur von Be­am­t_in­nen der Exe­ku­ti­ve aus­ge­übt wer­den. Ge­walt ge­hört zum Wesen des ka­pi­ta­lis­ti­schen All­tags dazu. Die mo­no­po­li­sier­te und durch Ge­heim­diens­te ge­si­cher­te Ge­walt ist er­for­der­lich, um die ir­ra­tio­na­le Ord­nung auf­recht zu er­hal­ten und ihr Funk­tio­nie­ren zu ge­währ­leis­ten. Der Staat, als Ga­rant für Wa­ren­tausch und Pri­vat­ei­gen­tum, muss auf die per­ma­nen­te An­dro­hung und Aus­übung von Ge­walt zu­rück­grei­fen, um einen rei­bungs­lo­sen Ab­lauf des all­täg­li­chen Kon­kur­renz­kamp­fes zu ga­ran­tie­ren.

 

Ein staatliches Gewaltmonopol ist nicht per se kapitalistisch. Auch in *allen* sozialistischen und kommunistischen Staaten der Vergangenheit wie Gegenwart lag und liegt das Gewaltmonopol in Händen des Staates bzw. der Herrschenden.

...durch die Einführung einer anderen Währung und ein bisschen geplanteren Tausch wird dieser Bereich der Erde trotzdem nicht frei von Kapitalismus. Jaja, ich weiß, Produktionsmittel. Meiner Meinung nach kann man da trotzdem von einem staatsfixierterem Kapitalismus sprechen.

Kann mir bitte nochmal jemand das mit den bankern und dem Antisemitismus erklären? 

Ist jemand jetzt direkt Antisemit*in wenn er/sie (meinetwegen verkürzte) Kapitalismuskritik übt, indem er/sie Banker beschuldigt?

Wenn Mensch davon ausgeht, dass die meisten Menschen egoistisch sind und in der gleichen Position wie der Banker das gleiche wie der Banker machen würden, dann ist es falsch die Banker zu beschuldigen, sondern mensch muss das System beschuldigen, da ja ohne die momentanen Banker irgendwer anderes den Job machen würde.

Bestimmenten Menschen Schuld an etwas zu geben, wofür das System schuldig ist, nennt man "strukturellen Antisemitismus".