[DISKU] (Wien) Solidarität ! ?

Der Artikel soll die Diskussion vom 30.10.2013, "(Wien) Solidarität" weiter fördern...

 

"[…] weiß nicht. gruppierungen die autonomes, alternatives und anarchistisches leben als wichtiges "kulturgut" bezeichnen - hat mensch als anarchist_in da tatsächlich verknüpfungspunkte? wo bleibt da die verbale radikalität? (von der praxis mal ganz abgesehen.) scheint mir eher ein anbiederungsversuch an die stadt(regierung) zu sein. da kann ich leider nur sagen: ne danke. […]" Kommentar: "wagenplatz", von anonym, https://linksunten.indymedia.org/de/comment/view/89247

 

Ausgehend von dem Zitat einige Gedanken zur Identitätspolitik...

Ich denke einer der grossen Probleme fehlender Solidarität ist diese, ich nenn es jetzt einmal "Identitätspolitik", eine aktive Abgrenzungspolitik.

Einerseits dieses akademisch-abstrakte "ich bin Anarchistin", "ich bin Feministin", "ich bin…", "ich bin…", "ich bin…" - mir ist es da scheiss egal was du bist, oder was du vorgibst zu sein.

Es ist wichtig was die Leute machen, das sind Dinge über die ich reflektieren kann - die ich dann kritisieren kann, und wo wir gemeinsam weiterkommen - oder halt auch nicht.

 

Diesbezüglich teile ich die Kritik oben, ziehe aber andere Schlüsse daraus. Alles geht weiter, und so gibt es immer wieder und wieder die Möglichkeit Handlungsweisen zu kritisieren, und klar zu machen das man Formulierungen wie "Kulturgut" zweimal überdenken sollte.

Entweder kommen wir diesbezüglich gemeinsam weiter - oder verharren halt in einer abgrenzenden elitären Besserwisser_innenposition die uns nirgends hinbringt ausser in die Sackgasse "Zum guten und reinen Gewissen".

 

(Bezüglich dieser Sache gibt es einige spannende Texte aus Griechenland -> "For the insurrection to succeed, we must first destroy ourselves" von Alex Trocchi aus dem Buch "Revolt and Crisis in Greece", https://linksunten.indymedia.org/de/node/62170

ein paar kleine Ausschnitte daraus: "[…] Die Krux des Problems liegt in der Identität selbst, nicht im Anarchismus. Statt eine wirkliche, auf geteilten Erfahrungen basierende kollektive Kraft zu schaffen, baut Identitäts-Politik auf imaginäre Kollektivitäten, die vom Kapitalismus einfach zu manipulieren sind - was ein Weg ist, potentielle Revolutionäre zu spalten und zu beherrschen. […] Identität als solche nimmt Gestalt an, wenn das Bild von einer Form des Lebens die real möglichen sozialen Beziehungen ersetzt, weshalb die Verbreitung von einer auf Identität aufbauenden Politik und Subkultur nur eine andere Form der Gesellschaft des Spektakels ist. So nimmt es nicht Wunder, dass, trotzdem der Glaube an den neoliberalen Kapitalismus schwindet, Identitätspolitik so stark ist wie eh und je, und sogar erklärte Revolutionäre in einer auf Bildern aufbauenden Politik gefangen bleiben. […] Der Aufstand kann – und muss – auf eine Weise überdacht werden, die die Mehrheit im Blick hat. Während es unmöglich sein mag, Identität als solche komplett zu zerstören, können Aufständische ihre Identität als „Aufständische“ abschaffen, indem sie auf eine Weise handeln, die dazu neigt, die inhärenten Grenzen eines, in Identitäten aufgeteilten, sozialen Terrains aufzulösen - statt in die noch isoliertere Subjektivität des „Anarchisten, der eine Kritik an Identität hat“ zurückzufallen. Solche separatistische Identitäten auflösende Handlungen zeigen – von Propaganda über direkte Aktion ins tägliche Leben – dass es eine neue kollektive Kraft gegen den sozialen Krieg gibt, eine „offene Verschwörung“, bei der alle mitmachen können, die neue soziale Beziehungen herstellt, die, auf welche Art auch immer, Bedeutung haben. […] Wenn eben jener Akt der Identifizierung konter-revolutionär ist, sollte der erste Akt aufständischen Inhalts darin bestehen, aus der subkulturell anarchistischen Identität zu desertieren, jener Ideologie des von der Bevölkerung getrennten „Aufständischen“. Die aufständische Frage sollte sich wandeln von „Wie steigere ich die Intensität eines Angriffs?“ in „Wie steigere ich die Zahl der am Angriff beteiligten?“ Da das erste Manöver im sozialen Krieg die Isolierung pro-revolutionärer Individuen ist - um sie davon abzuhalten, Netzwerke zu bilden, die aufständische Praxen in der Bevölkerung verbreiten könnten - sollten Aufständische anstreben, ihre sozialen Beziehungen zu vervielfältigen. Da das Bild davon „ein Anarchist zu sein“ die Vielfalt möglicher Beziehungen einschränkt, sollten Aufständische versuchen, Beziehungen zu haben, die das Terrain der in Identitäten ghettoisierten Gesellschaft kreuz und quer durchziehen. [...]” )

 

 

 

einige Gedanken zu Party/Demo/Sponti

es wird gesagt:

“(und die praxisbezogenheit auf die die letzte räumung ist eine angemeldete PARTYdemo - tanzen und junken wir uns jetzt die solidarität, herrschaftsfreiheit und veränderung herbei, weil wir mitlerweile aufgegeben haben zu kämpfen, oder was?)" Kommentar: "wagenplatz", von anonym, https://linksunten.indymedia.org/de/comment/view/89247

 

Ich teile die Kritik das nach mehreren Wagenplatz-Räumungen zu einer Parade aufgerufen wurde.

Ich finde es äusserst bedenklich wenn nach dieser ökonomistischen Formel gehandelt wird: Partydemo → mehr Leute → Besser. Ausserdem find ich das Alkohol_Drogen-Konsum nicht zusätzlich gefördert werden muss ;)

 

Ich finde einer der für mich am wichtigsten anarchistischen Ansprüche ist jener der Selbstermächtigung und des Empowerments.

Die letzten Spontantdemos in Wien

– jene am 28.10. gegen den Nazi-Angriff aufs EKH ( https://linksunten.indymedia.org/en/node/98299 ) und jene gegen die Repression gg. Geflüchtete am 17.10. ( https://linksunten.indymedia.org/en/node/97553 ) hatten die Möglichkeit viel tollerer Effekte.

Das Gefühl der Unkontrollierbarkeit, die praktische Erfahrung das man sich “die Strasse einfach nehmen kann”. Das man nicht umbedingt Megaphone/Lautiwägen/Musik braucht, um sich verständlich zu machen → Leute fingen an du Schreien, andere schrien mit wenn der Spruch cool war.

Eine angemeldete, von vornherein von Polizei begleiteten, vorchoreografierten Demo die ich einfach so “konsumieren” kann, muss ich mir nicht viel einfallen lassen. Sicherlich ist die Hemmschwelle dort hinzugehen ist höher, die Verbreitung des Aufrufs ist informeller, trotzdem werden solche Demos eher dynamischer und kämpferischer – aber auch exklusiver sein.

Es gibt einiges Kritikwürdiges auch an den beiden Wiener Spontandemos; unter anderem vielleicht jenes, das bei der Sponti in Favoriten keine Flyer für die Passant_innen verteilt wurden? Zumindestens waren es subjektiv zwei positive Demo-/Aktivismus-Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit wo es Sinn macht Schlüsse daraus zu ziehen und solche Aktionen zu etablieren.

 

 

Einige Gedanken zu Masse und “gutem Bild”

es wird gesagt:

“Es gibt verschiedene Arten für Proteste und eine Partydemo, oder diese Soli-Demo-Parties und ihre Wirkungsweise sollten nicht unterschätzt werden. Wenn eine Menschenmasse bewegt werden soll, […] Um Menschenmassen für sich zu gewinnen, müssen diese einem auch verstehen. Da muss deren Sprache gesprochen werden. Und Party ist auch eine Sprache. […] Eine die vielleicht positivere Bilder hervorruft als Märtyrertum. Und um Menschen auf längere Sicht für sich zu gewinnen, müssen diese positive Bilder mit der jeweiligen Sache verbinden.” Kommentar: "warum parties nicht verkehrt sind", von anonym, https://linksunten.indymedia.org/de/comment/view/89267

 

“[...] es ist ein fehler, der die linke seit mehr als 1 jahrhundert begleitet: die unterstellung, "die masse" wäre auf ihrer seite (das können MLer genausogut wie anarchisten). nein, das ist sie nicht. "die masse": fans des bestehenden, sonst bestünde es nicht mehr. man muss sich an "die masse" nicht ranwanzen, nicht mir ihr tanzen (kommt eh nur raus, dass einer mittanzt - fette mukke - und morgen immer noch pro frontex ist oä [...]” Kommentar: "von wegen masse", von anonym, https://linksunten.indymedia.org/de/comment/view/89286

 

Zunächst einmal denke ich müssen wir endlich von dieser Imagination von “positivere Bilder” wegkommen. Was ist ein positives Bild? Wer bestimmt das? Sind das die Bilder die Passant_innen haben? Oder Bilder die dann in den Zeitungen sind?

Beides, konservative Menschen und kommerzielle Medien, haben mehr oder weniger konservative Bilder – sollen wir ihnen deswegen “konservative Bilder” liefern weil diese das positiv finden?

 

Außerdem ist es ein Blödsinn das es nur “positive Bilder” oder “Märtyrertum” gibt – beides gilt es möglicherweise aus einer anarchistischen Perspektive heraus abzulehnen.

Das Spektakel wie auch die “Aufopferung”.

 

Die Ausführungen des Kommentars die Kontra “der Masse” sind teile ich – vor allem bezüglich diesem tortzkistisch/leninistischen Massenbewegungsweltbild.

Trotzdem find ich aus den Kommentar eine bestimmte Arroganz herauszulesen, die ich selber nicht abstreiten würde – die es langfristig aber vielleicht gilt zu überwinden. Es geht wahrscheinlich nicht darum einen FPÖ-Wähler zu überzeugen, aber ich denke schon das es Sinn macht gegenüber Menschen offen zu sein die gegen das Bestehende wütenden sind.

 

 

Einige Gedanken zu Allianzen...

Es macht Sinn mit Menschen “ausserhalb der Szene” (fuck off dieses Szene-Denken!) Allianzen zu bilden wenn der Grad der Affinität hoch genug ist, dass man es schafft über die eigenen Vorurteile und politische Korrektheit hinwegzusehen.

Nicht um die eigenen politischen Ansprüche “für die grössere Sache hint-an-zu-stellen”, sondern um einfach einmal über den Tellerrand hinaus zu blicken, und sich der Konfrontation mit der Realität im Alltag zu stellen.

 

Bezüglich Allianzen (damit meine ich nicht dieses unsägliche linke Konzept von subjektlosen “Bündnissen”, nur damit mehr Vereins- oder Parteinamen auf den Flyern stehen) denk ich das von den Kämpfen bei der Schwarzen Sulm ( https://linksunten.indymedia.org/search/apachesolr_search/sulm ) wie auch bei der Besetzung der Pizzeria Anarchia ( http://pizza.noblogs.org/ ) viel positives passiert ist, das es in der einen oder anderen Form zu reflektieren gilt. Anders als bei der “Refugee-Bewegung” find ich das es bei beiden Kämpfen mehr oder weniger gelungen ist anarchistische (keine Partei, kein Staat, keine Förderungen...) und emanzipatorische Ansprüche (antisexistische, antirassistische, anti-/anti- …) in die Praxis um zu setzen.

 

 

Einige Gedanken zur “Refugee-Bewegung”

In welcher Form die derzeitige “Refugge-Bewegung” von einem antiautoritären/anarchistischen Anspruch heraus unterstützt werden kann, wo es Allianzen geben kann, wie die Aussehen können etc. wird sich herausstellen. Hoffentlich nicht derartig wie das letzte Jahr, dass sich alle radikaleren Personen zurückziehen. Das liegt aber eben nicht nur “an den Refugees” oder “der Caritas”, sondern eben vielleicht an dieser Trennung von “Refugees”, Supportern”, “Anarch@s” …und einer kollektiven Reflektion darüber um Schlüsse daraus zu ziehen.

 

 

Für eine praktische Solidarität...

für eine praktische Solidarität mit der Pizza, das sie nicht geräumt wird – und wenn, dass es brennt.

für eine praktische Solidarität “mit den Refugees”, das weiterhin die (österreichische) (Asyl-) Gesetze und deren Institutionen angegriffen werden.

Für eine praktische Solidarität (mit dem EKH und anderen autonomen Räumen) gegen Nazigewalt.

Für eine praktische Solidarität mit dem Wagenplatz Treibstoff, das selbstgewähltes Wohnen und Leben respektiert und toleriert wird,

Für eine praktische Solidarität gegen den Bau des Wasserkraftwerks an der Sulm, das der Widerstand gegen Reiche und Mächtige grösser wird!

 

Für ernsthafte Diskussion(en) und ernsthaft Solidarität!

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O nein, jetzt haben wir auch noch Wiener Szenediskussionen auf Indy. Die sind ja noch verrückter als die hierzulande...

Zu dem grundsätzlichen Denkfehler das "Open Posting" als Ersatz für einen Mangel an unkontrollierter Diskussion in der eigenen Bezugsgruppe heranziehen zu wollen ist bereits unter dem Hamburg-Artikel Lesenswertes geäußert worden:

 

https://linksunten.indymedia.org/de/node/98336#comment-89338

?

Ich versteh dien Kommentar nicht Ganz, bzw. is es bissi lahm

 

- einerseits nehmen die Kommentare (bei dem Hamburg-Artikel) fast ausschließlich nur auf dieses langweiligste aller themen - den Dresscode bezug

 

- und andererseits versteh ich den oben geposteten Text als ernsthafter Versuch einer Reflexion und Analyse die niedergeschrieben wurde... wahrscheinlich eben nach einigen "unkontrollierten Diskussion in der eigenen Bezugsgruppe", das eine schließt das andere nicht aus, sonder ergänzt das Ganze nur und materialisiert`s

wenn sichs leute nicht ganz durchlesen, und nur auf teilaspekte bezugnehmen ist das deren schuld - und falls leute keinen bock haben auf eine diskussion einzusteigen; auch.