Theoretische Annäherungen an abwertende Sprachgebräuche
Ähnlich wie im rassistischen oder sexistischen Sprachgebrauch sind es in der Mensch-Tier-Beziehung oft ganz konkrete Mechanismen, die die Abwertung durch Sprache ermöglichen.
Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung begann bereits in den frühen 60er Jahren des letzten Jahrhunderts damit, das, was wir heute als ‘Hate Speech’ kennen, zu kritisieren. Hate Speech, also die Redeart, die Menschen aufgrund ihrer (vermeintlichen) Herkunft, Sexualität oder Religion herabsetzt und zu Gewalttaten gegen diese aufruft, ist auch heute noch Thema zahlreicher Kontroversen und juristischer Bemühungen in den USA. Doch auch weniger offensichtliche Abwertung durch Sprache waren die BürgerrechtlerInnen in Bezug auf rassistischen Sprachgebrauch bemüht zu thematisieren.
Ähnlich
die feministische Bewegung: Bereits in den 70er Jahren machte sie
Frauen-abwertende Sprache erstmals in größerem Rahmen zum Thema. Kleine
Erfolge können heute, trotz konservativer Gegenströmungen, verzeichnet
werden: So ist in manchen sozialen Schichten die Schreibung des
geschlechtsneutralen sog. ‘Binnen-I’ (z.B. ArbeiterInnen) schon recht
weit verbreitet. Nicht zuletzt der deutsche Duden-Verlag, Herausgeber
des bekanntesten ‘Wörterbuchs der deutschen Sprache’, bemüht sich
geschlechtergerechte Sprache umzusetzen und bemerkt dazu: „Die Frage der
Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache oder - anders
gesagt - der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen ist eines der
wichtigsten Themen für alle, die sich in irgendeiner Weise mit Sprache
auseinander setzen.“1
Die, im Vergleich dazu noch relativ junge, progressive Tierrechts/-befreiungsbewegung, die sich ja oft in der Tradition genannter sozialer Bewegungen2 sieht, hat bisher (von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen) fast nie den Sprachgebrauch in Zusammenhang mit der Unterdrückung und Ausbeutung von Tieren zum Thema gemacht. Warum ist das so?
Manch eineR wird sich dabei vielleicht denken „Der tägliche, millionenfache Mord an Tieren ist viel schlimmer als irgendwelche Feinheiten in der Sprache. Warum kümmern sich die Leute nicht um das wirklich Wichtige?“ oder „Die Tiere verstehen ja eh nicht, wie wir über sie reden...“.
Dies
sind beides Argumente, die recht nahe liegend und auch nachvollziehbar
sind. Und trotzdem will ich versuchen zu zeigen, warum meiner Meinung
nach Sprache dennoch Thema progressiver Bewegungen sein soll, warum sie
in anderen politischen Bereichen als so wichtig erachtet wird und was
die Sprache bewegen kann.
Sprache und Realität
Für Menschen stellt die verbale Sprache eine der wichtigsten Medien im Umgang miteinander dar. Durch sie werden Gedanken, Emotionen und Meinungen vermittelt und ausgetauscht. Im Folgenden will ich drei Aspekte der Sprache beleuchten, die ihre Wichtigkeit verdeutlichen sollen:
• Bezeichnungen bzw. Benennungen, die durch die Sprache vorgenommen werden, sind ein Mittel, um unsere bis dahin ‘wirre’ Umgebung einzuteilen und uns damit eine Übersicht zu verschaffen. Bezeichnungen legen Klassifizierungen an, die wir benötigen, um die Vielfalt und Menge an Eindrücken, die wir erfahren, strukturieren, erfassen und verstehen zu können. Mittels dieser Klassifikationen werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der bezeichneten Objekte (oder auch Subjekte) verdeutlicht.
So
ermöglicht es uns die Sprache beispielsweise die 500 Dinge, die sich in
einem Raum befinden, in sinnvolle Kategorien, wie Möbel,
Nahrungsmittel, Kleidung etc. einzuteilen.
• Durch unsere Sprache bzw. Klassifizierungen vermitteln wir auch Wertvorstellungen. Es hat definitiv Bedeutung, ob ein Sitzgegenstand als Stuhl oder Thron bezeichnet wird.
Die in der Sprache enthaltene Wertung, lässt sich auch gut an folgendem fingierten Zeitungsartikel verdeutlichen: „Aufgrund überhöhter Geschwindigkeit und regennasser Fahrbahn kam gestern Abend der 39-jährige Bauarbeiter X aus Y auf der Strecke zwischen A und B von der Fahrbahn ab, stieß frontal gegen einen Baum und wurde dabei lebensgefährlich verletzt.“
Was
ist uns in dem Zusammenhang mit dem erwähnten Unfall wichtig?
Klarerweise interessiert uns das Schicksal des verunfallten Menschen
viel mehr, als was mit seinem Auto passiert ist bzw. welche Schäden der
Baum durch den Aufprall davon trägt. Das Wohlbefinden eines Menschen
bewerten wir als viel wichtiger als Autos.
Unsere
Sprache beinhaltet also unsere Wertvorstellungen, und ebenso
transportiert sie die sozialen Ungleichheiten meist ungewollt mit. So
haben wir immer wieder an der medialen Berichterstattung über sog.
„Angriffe von Kampfhunden“ gesehen, dass eindeutig die Schicksale der
betroffenen Menschen im Mittelpunkt standen, während die Schicksale der
Hunde sehr oft unerwähnt blieben. Eine ganz klar unterschiedliche
Bewertung von Menschen und Hunden wird schon in nur kurzen Artikeln
mitgeliefert3.
• Mit unserer Sprache bilden wir unsere Sicht der Realität ab (inklusive unserer ganzen Wertvorstellungen) und schaffen zusätzlich auch Realität. Wir schaffen eine Handlungsbasis für uns selbst und andere Menschen: Als 1858 ein Gericht in den Südstaaten der USA beschlossen hat: „Der Sklave ist keine Person, sondern ein Ding“4, hat der Richter damit einerseits sicherlich seine Meinung kundgetan, andererseits hat er aber auch eine Anweisung gegeben, wie Menschen mit dunkler Hautfarbe (zu dieser Zeit, in dieser Region) zu behandeln sind. Natürlich ist ein Richter in seiner Position besonders mächtig und einflussreich. Doch auch wenn wir etwas aussagen, kommt dies einem solchen Urteil nahe. Und je mehr Menschen diese oder eine ähnliche Aussage treffen, desto ‘wahrer’ wird sie.
Sprache bildet also unsere Sicht der Realität ab und schafft zugleich auch Realität.
Mechanismen der Abwertung
Ähnlich
wie im rassistischen oder sexistischen Sprachgebrauch sind es in der
Mensch-Tier-Beziehung oft ganz konkrete Mechanismen, die die Abwertung
durch Sprache ermöglichen. Ich werde auch auf bestehende
Überschneidungen und Parallelen mit diskriminierender Sprache im
zwischenmenschlichen Bereich hinweisen.
Im Wesentlichen basiert
die Abwertung von Tieren in der Sprache auf der strikten, aber
willkürlichen Trennung von Menschen und allen anderen Tieren. Hierin
besteht meiner Meinung der ideologische Kern der Unterdrückung von
Tieren, der Speziesismus. Während Menschen als rational, geistig,
kultiviert und sauber gelten, so werden Tiere dem Instinktgeleiteten,
Körperlichen, Naturbezogenen und Schmutzigen zugerechnet. Unter ‘Tiere’
wird alles nicht-menschliche Leben (von Mücke über Karpfen bis hin zu
Elefant) subsumiert, das keine Pflanze ist. Es muss also bereits die
Kategorisierung in ‘Menschen’ und ‘Tiere’ hinterfragt werden, nicht nur
in der Sprache. Korrekterweise müsste also von nicht-menschlichen Tieren
die Rede sein.
Wie bereits ausgeführt
transportiert Sprache Wertvorstellungen und somit eben auch unser Bild
von Menschen und anderen Tieren. Da in unserem Weltbild die Menschen
(eigentlich: der männliche, weiße, heterosexuelle, nicht-behinderte,
erwachsene Mann) als die Norm gelten, und Frauen, schwarze Menschen,
Tiere u.a. immer nur als Abweichung davon beschrieben werden, werden
Tiere in unserer Sprache immer als anders und (deswegen) minderwertig
dargestellt. Solange Vielfalt nicht akzeptiert ist wird Abweichung von
der gesetzten Norm immer als Abwertung empfunden.
Im
Folgenden werde ich einige der wichtigsten und auffälligsten
Mechanismen darstellen, die es ermöglichen, Tiere in der deutschen
Lautsprache abzuwerten:
Benennungen
Körperteile, Handlungen, Gefühle etc. werden bei Menschen und bei Tieren oft unterschiedlich benannt, auch wenn diejenigen Individuen dabei genau dasselbe tun, fühlen etc.. Während Menschen ‘essen’, wird es bei Tieren ‘fressen’ genannt, menschliche Frauen ‘gebären Kinder’ , während nicht-menschliche ‘Junge werfen’, Menschen lieben einander, während es bei Tieren ‘Mutterinstinkte’ sein sollen etc. Tiere werden in diesem Zusammenhang also, trotz vieler Gemeinsamkeiten, nicht nur als grundverschieden von uns Menschen dargestellt. Die für Tiere bereitgestellten Wörter beinhalten generell negative Assoziationen: Wenn ein Mensch „frisst“, dann bedeutet das soviel wie „Der isst ja wie ein Tier“, was eine negative Konnotation beinhaltet.
Mit
den unterschiedlichen Benennungen schwingt in dem Fall also auch immer
eine unterschiedliche Bewertung mit. Sprache vermittelt in diesem
Bereich also einerseits die Andersartigkeit und einhergehend damit die
Minderwertigkeit der Bezeichneten.
Entindividualisierung
Wie
weit die Macht der Sprache geht, zeigt die Fähigkeit durch Sprache
Individualität auszulöschen. Menschen gelten als Individuen, d.h. sie
sind einzigartig mit all ihren Eigenheiten und Eigenarten. Gilt jemand
als nicht individuell, so verliert er/sie seine Einzigartigkeit und wird
somit austauschbar und ersetzbar.
So berücksichtigen Tafeln im Zoo etwa mit der Aufschrift „Der Löwe schläft den größten Teil des Tages“ in keiner Weise die Eigenheiten des hinter den Gitterstäben gefangenen Individuums. Der bestimmte Löwe schläft vielleicht wirklich viel, doch wird dieses eine Tier als Stellvertreter seiner ganzen Spezies dargestellt. Er wird zu einem ‘Exemplar’ seiner Art. ‘Der Löwe’ und ‘Exemplar’, legen also nahe, dass Löwen ohnehin alle gleich, und somit austauschbar wären. In keiner Weise wird darauf eingegangen, dass genau der Löwe, den wir im Zoo vor uns sehen eine bestimmte Vergangenheit, prägende Erlebnisse und individuelle Vorlieben, Ängste etc. hat.
Ähnlich dem beschriebenen Beispiel wurden Juden und Jüdinnen in der nationalsozialistischen Propaganda entindividualisiert, indem sie oft als „der Jude“5 dargestellt wurden. Damit war es möglich, das Mitleid der Bevölkerung gegenüber den jüdischen Mitmenschen zu minimieren bzw. ganz zu unterdrücken. Wenn jemand völlig austauschbar ist, gibt es offenbar kaum mehr Gründe, seine/ihre Existenz zu sichern.
Die
Strategie der Entindividualisierung spielt in der Konstruktion von
Feindbildern insgesamt eine sehr wichtige Rolle. Um antrainierte bzw.
angelernte Handlungsmuster problemlos ausführen zu können, werden
schematische Stereotype bestimmter Gruppen (‘der Türke’, ‘die Frau’,
‘der Schwachsinnige’) geschaffen. Wenn ‘der Feind’ kommt wird
geschossen, beim ‘Chaoten’ wird zugeschlagen etc. Ein Nachdenken, ob die
erlernte Handlung bei einer konkreten Person dann überhaupt angebracht
und notwendig ist, wird damit hinfällig.
Verdinglichung
„Mir ist heute etwas vor das Auto gelaufen“: Dieser leider oft geäußerte Satz beinhaltet nicht nur die traurige Tatsache, dass ein Tier durch ein Auto beinahe oder tatsächlich verletzt oder getötet wurde. Er beinhaltet auch eine Wertung, der Tiere auf die Ebene von Dingen stellt. Wenn über tierliche Individuen als ‘etwas’ statt als ‘jemand’ gesprochen wird, verlieren diese alle sie auszeichnenden Eigenschaften und werden zu ‘Etwas’, zu einer Sache. Dinge sind nicht verletzlich und haben keine Bedürfnisse - ganz im Gegenteil zu nicht-menschlichen Tieren.
Wie
schon einleitend erwähnt betraf solch eine Verdinglichung während der
Zeit der Sklaverei auch Menschen mit SklavInnenstatus: „Der Sklave ist
keine Person, sondern ein Ding“, ‘bestätigte’ sogar ein Richter.
Bestimmung des ‘Lebenszweckes’
Das soziale Verhältnis der Unterdrückung prägt den Alltagsverstand in so hohem Maße, dass gängige Wertvorstellungen nur sehr schwer hinterfragt werden können. So kann etwa in Bezug auf die Vergangenheit festgestellt werden, dass als gängige (auch wissenschaftlich belegte) Meinung galt, die Unterdrückten würden nicht mehr um ihrer selbst Willen existierten, sondern ihre Existenz müsse immer einem bestimmten ‘höheren’ Ziel dienen. So rechtfertigte etwa Aristoteles um 300 vor unserer Zeitrechnung die Sklavenhaltung im antiken Griechenland. Seiner Meinung nach wären alle nicht-griechisch sprechenden Menschen (‘Barbaren’, d.h. ‘Stammelnde’) dafür geschaffen, um den Mächtigen zu dienen, also ihre Sklaven zu sein. Ähnliche Beispiele sind bis hinauf in die Gegenwart erkennbar.
Und
ganz ähnlich verhält es sich auch in der Mensch-Tier Beziehung: „Wozu
sind sie denn sonst da, die Tiere, wenn man sie schon nicht essen soll?“
fragen immer wieder Leute, wenn sie von TierrechtlerInnen darauf
hingewiesen werden, dass Fleisch immer Mord bedeutet. Tiere seien ja nun
mal ‘Schlachtvieh’, ‘Versuchstiere’, ‘Nutztiere’, ‘Kampfhunde’...
Scheinbar sind sie eben dafür da, in Tierversuchen gequält und getötet
zu werden, geschlachtet und genutzt zu werden. Mit sprachlichen Bilder
wie diesen wird genau dies nahe gelegt. Doch dass Tiere nicht für den
Nutzen von Menschen existieren, sondern genauso wie wir, um ihrer selbst
Willen leben, das ist innerhalb solch einer sprachlichen Struktur und
der dazugehörigen Ideologie nahezu undenkbar.
Euphemismen
Wenn also Tiere in der unterdrückenden, speziesistischen Logik minderwertiger sind als Menschen, wenn sie für die Zwecke von Menschen existieren, dann kann auch all das Leid, das ihnen in unserer Gesellschaft angetan wird, nicht so schlimm sein. Nicht zuletzt durch das Bestreben der tierausbeutenden Industrien selbst (Fleischindustrie, Jagdlobby etc.), die um ihre Einnahmen bangen, wird das Leid, das Tieren jeden Tag in Schlachthöfen, Zoos, Aquarien etc. angetan wird, verschleiert und relativiert. Und dies funktioniert auch über die Sprache, sodass Unrecht gegenüber nicht-menschlichen Tieren verharmlost wird, indem Euphemismen eingesetzt werden, also Formulierungen, die einen Sachverhalt beschönigend oder verhüllend darstellen.
So sprechen KürschnerInnen z.B. von der ‘Fellernte’, wenn sie Nerze umbringen und ihnen das Fell abziehen. Tierversuche werden zur ‘biomedizinischen Forschung’, Mord wird in der Jägersprache zur ‘Kontrolle der Population’ und ‘Fleisch’ ist ein scheinbar anonymes, verpacktes Produkt, das nichts mit Tieren zu tun hat6, anstatt es beim Namen zu nennen und als ‘Leichenteil’ bezeichnet zu werden.
Wie beim letzten Beispiel ersichtlich wird, kann mithilfe der Sprache dazu beigetragen werden, die oft unsichtbar gemachten Tiere und ihre Schicksale zum Thema zu machen und ins Bewusstsein zu rufen. Die klare Benennung von Ungerechtigkeiten, kann oft Menschen zum Nachdenken anregen. So sind etwa die Begriffe ‘Tiergefängnis’ oder eben ‘Leichenteile’ schon weit weniger neutral als ‘Zoo’ oder ‘Fleisch’.
Im Satzbau ist ein viel subtilerer, aber um nichts weniger wichtiger Mechanismus versteckt, der der Abwertung von konkreten Individuen oder ganzen Gruppen dienen kann. Vor allem bei detaillierten Beschreibungen von Tierversuchen ist klar erkennbar, wie durch einen bestimmten Satzbau, abstrahierten Darstellungen und scheinbar unpersönlichen Beschreibungen die Struktur der Unterdrückung vernebelt oder sogar zur Gänze unsichtbar gemacht wird.
Beispielhaft will ich einen Auszug aus einer Versuchsbeschreibung des bekannten Tierversuchskonzerns Huntingdon Life Sciences zitieren. Es handelt es sich um einen Versuch, der neben anderen Tieren auch an 32 Beagle-Hunden durchgeführt wurde. Dabei wurde ihnen in unterschiedlichen Mengen und über verschieden große Zeiträume das Unkrautvertilgungsmittel Pyrimidifen ins Essen gemischt. Dadurch sollte die Giftigkeit der Chemikalie ermittelt werden. Die Folgen für die betroffenen Hunde waren Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und schließlich der Tod: „...Bei mindestens 0.75 mg/kg/Tag wurde bei männlichen wie weiblichen klinische Zeichen von flüssigem Stuhl, Erbrechen und Speichelfluss während des Behandlungszeitraums festgestellt. Bei 0.15 mg/kg/Tag war das Vorkommen von flüssigem Stuhl etwas größer, aber das individuelle Auftreten war fast das gleiche wie bei der Kontrollgruppe. Es gab keine Unterschiede zwischen der behandelten Gruppe und der Kontrollgruppe in anderen Untersuchungen....“.7
Einerseits gelingt es durch einen bestimmten Satzbau (z.B. Nominalisierung) die TäterInnen, also die VivisektorInnen, auszuklammern - die ‘Eingabe’ erfolgte offenbar ohne das Zutun von Menschen. Andererseits wird durch die abstrakte Darstellung auch das Leid der Hunde relativiert und lässt beinahe vergessen, dass ‘klinische Anzeichen von flüssigem Stuhl, Erbrechen und Speichelfluss’ von Individuen am eigenen Leib erfahren werden mussten.
Ähnlichkeiten
bestehen hier zu Darstellungen von rassistischen oder sexistischen
Übergriffen im innerhumanen Bereich wie sie oft in Popularmedien zu
finden sind, wenn durch die abstrakte Art der Beschreibung die
TäterInnen und die Folgen für die Betroffenen ausgeblendet werden.
Wenn nicht-menschliche Tiere abgewertet sind und als das Negative schlechthin gelten, ist es nur logisch, dass es auch mindestens als verwerflich gilt, verwandt mit ihnen oder sogar selbst ‘ein Tier’ zu sein. Darauf basiert die wohl extremste Art der Unterdrückung von Tieren durch die Sprache, die Bezeichnungen für Tiere als Schimpfwörter zu missbrauchen. ‘Schlange’, ‘blöde Kuh’, ‘dreckiges Schwein’, ‘dumme Gans’, ‘faule Sau’, ‘sturer Bock’, ‘Affe’, ‘Schaf’, ‘Spatzenhirn’, all diese Bezeichnungen deuten darauf hin, dass der so benannte Mensch besonders dumm, hässlich, schmutzig oder ähnliches, schlicht wie ‘ein Tier’, sein muss. Dabei muss wohl nicht erwähnt werden, dass es sich dabei keineswegs um reale Beschreibungen von Tieren handelt, sondern sind die den Beschimpfungen mitschwingenden Eigenschaften stets stereotype Darstellungen von Tieren, die meist nur wenig mit der Realität gemein haben. Diese Fülle an verwendeten abwertenden Metaphern sagt wohl einiges über den Status von nicht-menschlichen Tieren in unserer Gesellschaft aus. Tiere gelten nicht nur als nieder, eklig, instinktgesteuert und nicht individuell, sondern es ist offenbar auch gefährlich, ihnen (scheinbar) ähnlich zu sein. Schon 1969 stellte der deutsche Soziologe Theodor W. Adorno fest: „Die stets wieder begegnende Aussage Wilde, Schwarze, Japaner glichen Tieren, etwa Affen, enthält bereits den Schlüssel zum Pogrom.“8 Und auch heute noch, sind im rassistischen oder antisemitischen Sprachgebrauch sog. Tier-Metaphern äußerst weit verbreitet. Im extremsten Fall, so in der Sprache der neonazistischen Medien, dienen sie sogar dazu „Ekel hervorzurufen und die Vernichtungshemmungen zu senken“9. Doch auch in der Alltagssprache ist zu erkennen, dass als ‘Ratten’ oder ‘Asseln’ bezeichnete Menschen, in mancher Hinsicht schon grundlegende Menschenrechte abgesprochen werden.
Die verhältnismäßig geringe Zahl der positiven ‘Tier’-Metaphern, wie etwa ‘bärenstark’ oder ‘fleißig wie eine Biene’, dienen zwar nicht der Abwertung, sie vermitteln aber ein um nichts weniger verzerrtes und stereotypes Bild von Tier-Individuen. Menschliche Eigenschaften werden mit allen damit in Verbindung gebrachten Motivationsgründen etc. 1:1 auf Tiere übertragen, die allerdings gemäß der Umstände eine völlig andere Lebensrealität erfahren.
Metaphern
wie „...sie behandelten uns wie Tiere“ oder das „menschliche
Versuchskaninchen“, sind ebenso wie vorangegangene Beispiele immer nur
in einem Kontext verständlich, in dem Tieren alle möglichen Gewalttaten
angetan werden. So prangern diese Aussagen zwar die nicht
Menschen-gerechte Behandlung der ‘menschlichen Versuchskaninchen’ an.
Allerdings wird in keinem Wort erwähnt, dass die Tiere, welche zum
Vergleich herangezogen werden, genauso unter den Misshandlungen zu
leiden haben. Tierliche Bedürfnisse und Interessen werden also einmal
mehr den menschlichen untergeordnet bzw. völlig ignoriert.
Zwar
mag es mit Sicherheit eine Menge weiterer sprachlicher Mechanismen
geben, durch die es ermöglicht wird, Tiere, aber wie wir gesehen haben,
oft auch Menschen, zu diskriminieren. Doch ist, gerade im deutschen
Sprachraum, diese Thematik erst so wenig behandelt worden, dass Analysen
wie diese hier nur ein Anfang sein können.
Hoffentlich ist es gelungen, zumindest ansatzweise zu vermitteln, wie gewaltig und umfassend die Wirkung der Sprache in Unterdrückungsverhältnissen ist, dass durch sie Macht und damit Gewalt ausgeübt werden kann. Doch in dieser Macht stecken auch viele Möglichkeiten.
Die
direkte Benennung von Ungerechtigkeiten kann ein guter Weg der
Konfrontation und Anregung von Diskussionen sein. Eine ungewohnte Art
der Verwendung der Sprache kann verwirren, aber auch zum Denken anregen.
Zwar ist die Sprache keineswegs der Hebel, der alleine alle
Ungleichheiten ins Wanken bringen wird. Sprache entsteht und verändert
sich u.a. in Interaktion mit unseren sozialen Beziehungen, die sich
wiederum ständig umstrukturieren. Und gerade deswegen darf Sprache auch
nicht als eine nach außen abgeschlossene Einheit verstanden werden. Weil
sie ohnehin einem ständigen Wandel durch verschiedenste Einflüsse
unterzogen ist, liegt gerade darin ihr Potential der positiven
Veränderung.
Nun
liegt es an uns, uns dieses Potential zu Nutze zu machen und den
weiteren Wandel der Sprache in eine Richtung zu lenken, die der
Individualität und der Lebensrealität der nicht-menschlichen Tiere, und
natürlich auch aller Menschen, gerecht wird.
1 http://www.duden.de/index2.html?deut-sche_sprache/zumthema/gleichstellun...
2
Ein wichtiger Unterschied zwischen der TR/TB-Bewegung und den
‘herkömmlichen’ sozialen Bewegungen ist der, dass die ‚herkömmlichen’
sozialen Bewegungen die Fähigkeit zur Formulierung einer
Selbstdefinition und damit die Aneignung der Macht über ihre Definition
durch unterdrückte Menschen innehaben. Dies stellt/e in der
Vergangenheit und Gegenwart einen wichtigen Aspekt verschiedenster
Befreiungskämpfe dar.
3
Angemerkt werden muss allerdings, dass schon die Bezeichnung
‘Kampfhund’ Hunde ihrer Zweckmäßigkeit nach kategorisiert. Außerdem muss
meiner Meinung nach ein Ereignis einem bestimmten Muster folgen, um als
‘Angriff’ bezeichnet werden zu können, was bei erwähntem Beispiel mit
Sicherheit nicht immer der Fall ist.
4 Dunayer, Joan: Animal Equality. Language and Liberation. Maryland 2001: S. 171
5 Siehe z.B. im nationalsozialistischen Propagandafilm „Der ewige Jude“ von Fritz Hipplers 1940
5
Siehe dazu auch das Konzept der ‘Abwesenden Referentin’ bei Carol J.
Adams: „Niemand isst Fleisch, ohne dass ein Tier stirbt. Lebendige Tiere
sind also im Konzept des Fleisches der abwesende Referent. Der
abwesende Referent erlaubt uns, das Tier als selbstständiges Lebewesen
zu vergessen. Er versetzt uns auch in die Lage, den Anstrengungen zu
widerstehen, Tiere wieder öffentlich präsent werden zu lassen.“ aus
Adams, Carol: Zum Verzehr bestimmt. Eine feministisch-vegetarische
Theorie. Wien 2001: S. 43
7
Huntingdon Life Sciences „Chronic Toxicity Study on Dogs“ 1993, in
Sankyo Company Limited, Ube Industries Limited (Hg.) „Summary of
Toxicity Studies on Pyrimidifen“ 1999 (meine Übersetzung)
8
Zit. n. Mütherich, Birgit: Die soziale Konstruktion des Anderen - zur
soziologischen Frage nach dem Tier. 2002 (basierend auf einem Vortrag,
gehalten auf der XII. Tagung für angewandte Soziologie des
Berufsverbandes Deutscher Soziologinnen und Soziologen)
9 Pörksen, Bernhard: Die Konstruktion von Feindbildern. Zum Sprachgebrauch in neonazistischen Medien. 2000: S. 187
Text eines BAT-Aktivisten zur sprachlichen Unterdrückung von Tieren
Aus:
http://www.basisgruppe-tierrechte.org/
http://www.tierbefreier.de/tierbefreiung/49/titelstory_1.html
Aua
Die in diesem Text vertretene Meinung kann bei weitem nicht als emanzipatorisch gesehen werden. Zwei Zitate zeigen deutlich wie pevers das antispe Weltbild ist.
Erstens:
."In keiner Weise wird darauf eingegangen, dass genau der Löwe, den wir im Zoo vor uns sehen eine bestimmte Vergangenheit, prägende Erlebnisse und individuelle Vorlieben, Ängste etc. hat.Ähnlich dem beschriebenen Beispiel wurden Juden und Jüdinnen in der nationalsozialistischen Propaganda entindividualisiert, indem sie oft als „der Jude“5 dargestellt wurden"
Zweitens:
"...Menschen (eigentlich: der männliche, weiße, heterosexuelle, nicht-behinderte, erwachsene Mann) als die Norm gelten, und Frauen, schwarze Menschen, Tiere u.a. immer nur als Abweichung davon beschrieben werden"
Also haben Frauen und JüdInnen die gleiche Wertigkeit wie Tiere und die sexualisierte Gewalt und der Holocaust sind nichts gegen den Milliardenfachen Tiermord?
Das ist so was von Relativierend und offenbart mal wieder warum der antispe Quatsch nichts in unseren Zusammenhängen zu suchen hat!
1+1=3
Die Gleichsetzung bzw. Relativierung scheint doch in Deinem Film abzulaufen ... einem Film, dem vorgeworfen werden kann, dass er allzu stark in Fiktion abdriftet als sich an die Vorlage zu halten.
@Aua
wenn du in dem text tatsächlich irgendwo eine relativierung von holocaust und sexualisierter gewalt entnehmen kannst, dann hast du leider nicht im geringsten verstanden worum es den autor_innen geht.
vielmehr musst du dir bei so nem post unterstellen lassen, dass du lediglich die ewig gleichen argumente konstruiertst um die antispetheorie zu dissen. holocaustrelativierung zu konstruieren oder an den haaren herbei zu ziehen und damit zu missbrauchen ist gefährlich. vielleicht ist dir nicht klar was du damit anrichtest.
nur als tip, es geht im text um normativität und definitionsmacht von sprache.
"in unseren zusammenhängen" -- fragt sich welche denn deine zusammenhänge sind.
dein umgang mit den im text beschriebenen themen zeigt, dass du dich vielleicht erstmal ernsthaft damit befassen solltest bevor du anfängst rumzuprollen und herrschaftskritische strömungen auszuschließen.
ausschließen woraus? -- kommt allerdings auch auf die zusammenhänge an, vielleicht wollen emanzipatorische kräfte in deinen zusammenhängen ja auch gar nichts suchen.
Sprache
"Rumprollen", abgeleitet von Prolet_in=Arbeiter_in ist ein Abwertung der arbeitenden Klasse. Ein großer Teil unserer Sprache basiert auf Abwertung und es ist wichtig, sich das bewusst zu machen, ebenso wie eben auch speziesistische Sprache.
Tier
Was ist mit den Machtstrukturen? Hundehaltung abwechselnd zum Tierquälen und als Therapie. Hund dominieren, (weil Hund ist kein Wolf und ist er damit überhaupt ein Tier?) und Hund in der Stadt was ist das? Hunde atmen mehr Kohlenmonoxid ein und sterben früher oder bleiben den ganzen Tag in der Wohnung und werden irre. Frauchen geht zu unmöglichsten Zeiten Gassie.
Für Humor immer zu haben
Echt mal ne gelungene Satire.
Ist doch Satire, oder?!?
@mods
wie wärs mit diesem text in der mitte?
zumindest einige kommentare hier zeigen doch ganz klar, wie wichtig die diskussion zum thema sprache und definitionsmacht (anscheinend auch innerhalb der linksradikalen) immer noch ist.
der text ist ein wertvoller beitrag auch zu szeneinternen machtmechanismen und dem linken sprachgebrauch, vom machtdurchsetzten sprachgebrauch der sog. mehrheitsgesellschaft ganz zu schweigen.
Nein
Solche Diskussionstexte packen wir gewöhnlicherweise nicht in die Mittelspalte. Abgesehen davon wäre es nett, wenn du dich mit Moderationsangelegenheiten in Zukunft per Mail an linksunten at indymedia dot org wenden würdest. In letzter Zeit wurde einige Male die Kommentarspalte unter Antispe-Artikeln für solche Sachen gehijacked, was wir nicht gut finden.